Für eine Liegenschaft, welche der für die Zwecke einer ordentlichen Bewirtschaftung oder Benützung nöthigen Wegeverbindung mit dem öffentlichen Wegenetze entbehrt, sei es, dass eine Wegeverbindung gänzlich mangelt oder dass sie unzulänglich erscheint, kann der Eigenthümer in jenen Fällen, in denen für die Befriedigung des Wegebedürfnisses nicht die Voraussetzungen der Enteignung oder unentgeltlichen Gestattung nach §. 365 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches oder nach sonstigen hiefür erlassenen Gesetzen eintreten, die gerichtliche Einräumung eines Nothweges über fremde Liegenschaften nach Maßgabe dieses Gesetzes begehren.
Für die Anwendung dieses Gesetzes wird unter dem Ausdrucke „Wegeverbindung“ eine Weganlage (ein gebahnter Weg), wie auch eine ohne den Bestand einer Weganlage ausgeübte Weggerechtigkeit verstanden.
Das Begehren um Einräumung eines Nothweges ist unzulässig, wenn der Vortheil des Nothweges nicht die Nachtheile überwiegt, welche durch denselben den zu belastenden Liegenschaften insgesammt erwachsen, ferner, wenn der Mangel der Wegeverbindung auf eine nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eingetretene auffallende Sorglosigkeit des Grundeigenthümers zurückzuführen ist.
Zur Erzielung einer kürzeren als der bestehenden Wegeverbindung wird ein Nothweg nicht gewährt.
Der Nothweg besteht in der Servitut des Fußsteiges, Viehtriebes oder Fahrweges, oder in der Erweiterung solcher bereits bestehender Wegerechte; insbesondere kann als Nothweg auch die Mitbenützung eines vorhandenen Privatweges oder die Herstellung einer Weganlage über fremden Grund und Boden bewilligt werden.
Für die Art, den Umfang und die Richtung des Nothweges und die näheren Modalitäten seiner Benützung ist das Bedürfnis der nothleidenden Liegenschaft maßgebend. Zugleich ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, dass einerseits die fremden Liegenschaften möglichst wenig belastet und deren Eigenthümer möglichst wenig belästigt, anderseits dem wegebedürftigen Eigenthümer möglichst geringe Auslagen verursacht werden; insbesondere sind die Fälle der Bewilligung einer Weganlage möglichst einzuschränken.
Der Nothweg kann nur insoweit eingeräumt werden, als durch denselben die regelmäßige Bewirtschaftung oder Benützung der zu belastenden Liegenschaften nicht unmöglich gemacht oder erheblich beeinträchtigt wird.
Die Einräumung eines Nothweges durch Gebäude, geschlossene Hofräume und bei Wohnhäusern befindliche, zur Verhinderung des Zutrittes fremder Personen eingefriedete Gärten, ferner über solche Grundstücke, welche aus öffentlichen Rücksichten die Benützung als Nothweg nicht gestatten, ist ausgeschlossen.
Der des Nothweges bedürftige Grundeigenthümer hat für allen Schaden, welcher durch die Einräumung des Nothweges den mit demselben belasteten Liegenschaften etwa zugefügt wird, eine angemessene Entschädigung in einem Capitalbetrage zu leisten.
Der bezügliche Entschädigungsanspruch kommt dem Eigenthümer der belasteten Liegenschaft gegen den wegebedürftigen Eigenthümer unmittelbar zu. Andere an dieser Liegenschaft Berechtigte (Nutzungsberechtigte, Bestandnehmer u. s. w.) sind mit ihren Entschädigungsansprüchen, sofern es sich nicht um dingliche Rechte handelt, zu deren Befriedigung das Entschädigungscapital zu dienen hat (§. 22), an den Eigenthümer derselben gewiesen; bei der Feststellung der Entschädigung ist auch auf diejenigen Nachtheile Rücksicht zu nehmen, welche diese Berechtigten durch die Einräumung des Nothweges erleiden.
Wird die Mitbenützung eines fremden Privatweges eingeräumt, so sind die hiedurch verursachten Mehrauslagen der Wegerhaltung in den Entschädigungsbetrag einzubeziehen.
Wenn es auf die Herstellung einer Weganlage ankommt, ist der Eigenthümer der zu belastenden Liegenschaft berechtigt, zu verlangen, dass der wegebedürftige Eigenthümer den für den Nothweg erforderlichen Grund in sein Eigenthum übernehme. In solchem Falle ist bei der Feststellung des Einlösungspreises nicht nur auf den Wert des abzutretenden Grundes, sondern auch auf die Wertverminderung, welche der dem betreffenden Eigenthümer verbleibende Theil seines Grundbesitzes erleidet, insbesondere auch auf die durch die Abtretung etwa bewirkten Erschwernisse in der Bewirtschaftung des übrigen Grundbesitzes Rücksicht zu nehmen.
(1) Das Verfahren auf Einräumung eines Notwegs ist auf Antrag des Eigentümers der notleidenden Liegenschaft einzuleiten.
(2) Für das Verfahren ist das Bezirksgericht zuständig, in dessen Sprengel sich die notleidende Liegenschaft befindet.
(3) Sofern in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt wird, richtet sich das Verfahren nach den allgemeinen Bestimmungen des Außerstreitgesetzes.
(1) Der Antrag hat zu enthalten:
1. | Angaben über die Art und die Lage des beanspruchten Notwegs, | |||||||||
2. | die Einlagezahl, die Grundstücksnummer und die Benützungsart der betroffenen Liegenschaften, | |||||||||
3. | die Namen, Anschriften und Geburtsdaten der Eigentümer dieser Liegenschaften sowie | |||||||||
4. | die Gründe des Begehrens. |
(2) Für mehrere Liegenschaften, bei denen ein gleichartiger Bedarf nach einem Notweg besteht, kann dessen Einräumung in einem Antrag begehrt werden.
(1) Das Gericht hat von Amts wegen die Anmerkung der Einleitung des Verfahrens auf Einräumung eines Notwegs im Grundbuch auf der in Anspruch genommenen und der notleidenden Liegenschaft anzuordnen; dies gilt auch für den Fall der Einbeziehung einer weiteren Liegenschaft in das Verfahren (§ 12 Abs. 2).
(2) Das Gericht hat über den Antrag mündlich zu verhandeln. Zur Tagsatzung sind alle Parteien zu laden.
(3) Zur Frage, ob und inwieweit der Einräumung eines Notwegs öffentliche Rücksichten entgegenstehen (§ 4 Abs. 3), hat das Gericht eine Stellungnahme der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Sprengel sich die notleidende Liegenschaft befindet, einzuholen und diese zur mündlichen Verhandlung zu laden. Die Bezirksverwaltungsbehörde hat, wenn sie nicht selbst zur Wahrung der öffentlichen Rücksichten berufen ist, unverzüglich die zuständige Verwaltungsbehörde zu verständigen.
(1) Das Gericht hat alle für die Begründung des Notwegs, für dessen Gestaltung und für die Feststellung der Entschädigung maßgebenden Verhältnisse unter Beiziehung eines mit den örtlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vertrauten Sachverständigen zu erheben.
(2) In das Verfahren können auch Liegenschaften, die der Antragsteller in seinem Antrag nicht in Anspruch genommen hat, einbezogen werden, sofern deren Belastung zur zweckmäßigen Gestaltung des Notwegs erforderlich ist. Den Eigentümern dieser Liegenschaften sind der Antrag und die bisherigen Verfahrensergebnisse wie eine Klage zuzustellen.
(1) Das Gericht hat über die Einräumung des Notwegs, über dessen Gestaltung sowie über die zu leistende Entschädigung und die Leistungsfrist (§ 14) zu entscheiden. Zugleich hat das Gericht über den Ersatz der Kosten durch den Eigentümer der notleidenden Liegenschaft (§ 25) abzusprechen.
(2) Das Gericht hat den Notweg im Beschluss genau, allenfalls auch unter Bezugnahme auf eine Situationsskizze, darzustellen.
(3) Erstreckt sich der Notweg über mehrere Liegenschaften, die im Eigentum verschiedener Personen stehen oder zu verschiedenen Grundstückskörpern gehören, so ist die Entschädigung für jede Liegenschaft gesondert zu bestimmen.
Die Leistungsfrist für die Zahlung der Entschädigung beträgt vier Wochen ab Rechtskraft des Beschlusses. Sofern dies aber für den Eigentümer der notleidenden Liegenschaft eine besondere Härte nach sich zieht, kann das Gericht auf seinen Antrag die Leistungsfrist auf bis zu drei Jahre ab Rechtskraft des Beschlusses verlängern. In diesem Fall hat das Gericht eine angemessene Verzinsung der Entschädigung festzusetzen.
Nach Ablauf von vier Wochen nach Rechtskraft des Beschlusses über die Einräumung des Notwegs hat das Gericht von Amts wegen die Eintragung des Notwegs in das Grundbuch zu veranlassen. Die Eintragung des Notwegs ist jedoch sogleich nach Rechtskraft des Beschlusses zu veranlassen, wenn dafür keine Entschädigung bestimmt worden ist.
Sofern dem Gericht nicht innerhalb von vier Wochen nach Rechtskraft des Beschlusses die Berichtigung oder Hinterlegung (§ 22) der Entschädigung samt Zinsen nachgewiesen wird, hat es zugleich mit der Eintragung des Notwegs von Amts wegen die Eintragung eines Pfandrechts für die Entschädigung samt Zinsen auf der notleidenden Liegenschaft zu veranlassen. Dabei ist der einzutragende Betrag als eine aus Anlass der gerichtlichen Einräumung eines Notwegs bestimmte Entschädigung zu bezeichnen. Auch ist die Liegenschaft, auf der dieser Notweg eingeräumt wird, mit Einlagezahl und Grundstücksnummer anzuführen.
Erlangt das Gericht während des Verfahrens Kenntnis von Änderungen der Eigentumsverhältnisse an den betroffenen Liegenschaften, so hat es die neuen Eigentümer vom Verfahren zu verständigen. Diesen sind der Antrag und die bisherigen Verfahrensergebnisse wie eine Klage zuzustellen. Die neuen Eigentümer können an Stelle ihrer Rechtsvorgänger mit Zustimmung der Parteien in das Verfahren eintreten.
Die durch den Beschluss des Gerichtes geschaffene Rechtslage ist auch für die Rechtsnachfolger der im Beschluss genannten Parteien verbindlich. Dies gilt auch dann, wenn die Rechtsnachfolger das Eigentum auf Grund einer gerichtlichen Versteigerung erworben haben.
Der grundbücherlichen Eintragung eines Notwegs und eines Pfandrechts für die vom Gericht bestimmte Entschädigung (§§ 15 und 16) steht ein mittlerweile eingetretener Wechsel im Eigentum der betroffenen Liegenschaften nicht entgegen.
Notwegedienstbarkeiten sind im Fall der Zwangsversteigerung der belasteten Liegenschaft vom Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen.
Dem pfandrechtlich sichergestellten Entschädigungsbetrage gebührt der Vorrang vor allen anderen auf dem Pfandobjecte haftenden Forderungen nach den Steuern und sonstigen öffentlichen Abgaben.
Die Leistung der Entschädigung hat auch außer den im §. 1425 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches bezeichneten Fällen durch gerichtlichen Erlag bei der Realinstanz zu erfolgen, wenn an der mit dem Nothwege belasteten Liegenschaft dingliche Rechte dritter Personen bestehen.
Die Nothwendigkeit des gerichtlichen Erlages entfällt jedoch, wenn und insoweit diese dinglichen Rechte ungeachtet der durch die Einräumung des Nothweges verursachten Wertverminderung der betreffenden Liegenschaft derart ungefährdet bleiben, dass die Hypotheken die dem §. 1374 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches entsprechende Sicherheit behalten, andere Rechte aber eine Gefährdung ihrer Sicherheit offenbar nicht erleiden können.
Dem zur Führung der öffentlichen Bücher berufenen Gerichte steht zu, auf Ansuchen des Eigenthümers der Liegenschaft eine Bestätigung über den Bestand der erforderten Sicherheit auf Grund seiner durch eine vorgenommene Untersuchung gewonnenen Überzeugung zu ertheilen.
Die erlegte Entschädigungssumme ist zur Befriedigung der Ansprüche der dinglich Berechtigten (Alinea 1) in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen über die Vertheilung des bei einer zwangsweisen Versteigerung erzielten Kaufpreises zu verwenden, es sei denn, daß die Gläubiger auf diese Verwendung verzichten; in letzterem Falle ist die erlegte Entschädigungssumme oder der von den Gläubigern nicht in Anspruch genommene Theilbetrag derselben dem berechtigten Grundeigenthümer auszufolgen.
Wenn für eine Liegenschaft ein Nothweg auf Grund dieses Gesetzes eingeräumt worden ist, so kann in der Folge eine Erweiterung des bestehenden Nothweges oder die Einräumung eines neuen Nothweges nach diesem Gesetze nur insoweit begehrt werden, als die betreffenden thatsächlichen Verhältnisse mittlerweile eine Veränderung in wichtiger Beziehung erfahren haben.
Wird eine auf Grund dieses Gesetzes eingeräumte Nothwegesevitut in der Folge entbehrlich, so hat das Gericht auf Ansuchen der einen oder anderen Partei nach vorgenommener Prüfung der Sachlage hierüber ein Erkenntnis zu fällen und mit sorgfältiger Bedachtnahme auf alle maßgebenden Verhältnisse nach Billigkeit zu bestimmen, ob dem Eigenthümer des herrschenden Gutes ein Theil des seinerzeit entrichteten Entschädigungscapitales und in welcher Höhe von dem Eigenthümer der dienstbaren Liegenschaft zurückzuerstatten sei. In solchen Fällen finden die für das Verfahren wegen Einräumung eines Nothweges getroffenen Bestimmungen sinngemäße Anwendung.
In gleicher Weise ist auf Ansuchen des Eigenthümers der mit der Nothwegeservitut belasteten Liegenschaft vorzugehen, wenn diese Liegenschaft durch Bauführung, Culturänderung und dergleichen eine solche Veränderung erfahren soll, welche den Fortbestand der Servitut im Sinne des Alinea 2 oder 3 des §. 4 als unstatthaft erscheinen läßt. Die Nothwegesevitut ist aufzuheben, wenn die beabsichtigte Veränderung der Liegenschaft glaubhaft gemacht wird, und ist die Aufhebung der Sevitut an geeignete Vorsichten wegen wirklicher Vornahme der bezüglichen Veränderung zu knüpfen.
Anstatt der aufgehobenen Wegeservitut ist auf Verlangen des wegebedürftigen Eigenthümers zugleich ein anderer Nothweg festzustellen.
(1) Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendigen Kosten des Verfahrens zur Einräumung oder Erweiterung eines Notwegs sind einschließlich der Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung vom Eigentümer des notleidenden Grundstücks zu ersetzen.
Die durch Intervention der Verwaltungsbehörden wegen Wahrung der öffentlichen Rücksichten (§. 4, Alinea 3) etwa erwachsenen Kosten fallen nicht dem Grundeigenthümer zur Last.
In den im §. 24 vorgesehenen Fällen der späteren Aufhebung einer Nothwegeservitut hat das Gericht mit Rücksichtnahme auf den Vortheil, welcher jeder Partei nach dem Ergebnisse des Verfahrens erwächst, über die Tragung der Kosten durch die Parteien nach Billigkeit zu erkennen.
Die auf Grund dieses Bundesgesetzes ergangenen Beschlüsse sind nach den Bestimmungen der Exekutionsordnung zu vollstrecken.
Die gerichtlich erlegte Entschädigung ist von der Entrichtung der Verwahrungsgebühr befreit.
Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Kundmachung in Wirksamkeit.
(2) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Justiz betraut.
(1) Die Überschrift zu § 1, die §§ 9 bis 20 samt Überschrift, die §§ 21, 25, 26 und 28 samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 112/2003 treten mit 1. Jänner 2005 in Kraft.
(2) Die §§ 9 bis 20, 25 und 26 sind in der im Abs. 1 genannten Fassung auf Verfahren anzuwenden, bei denen der verfahrenseinleitende Antrag nach dem 31. Dezember 2004 eingebracht worden ist. Zu diesem Zeitpunkt bereits anhängige Verfahren sind nach den bis dahin geltenden Bestimmungen zu Ende zu führen.
Mit Rücksicht auf dieses Bundesgesetz dürfen bereits von dem seiner Kundmachung folgenden Tag an Verordnungen erlassen sowie sonstige organisatorische und personelle Maßnahmen getroffen werden. Die Verordnungen dürfen frühestens mit dem 1. Jänner 2005 in Wirksamkeit gesetzt werden.
Gesetz vom 7. Juli 1896, betreffend die Einräumung von Nothwegen.
StF: RGBl. Nr. 140/1896
Änderung
BGBl. Nr. 81/1985 (VfGH)
BGBl. I Nr. 112/2003 (NR: GP XXII RV 225 AB 269 S. 38. BR: AB 6896 S. 703.)
Präambel/Promulgationsklausel
Mit Zustimmung beider Häuser des Reichsrathes finde Ich anzuordnen, wie folgt:
Anmerkung
1. Erfassungsstichtag: 1.1.1991;
2. ÜR: Art. XXXI, BGBl. I Nr. 112/2003.
3. Der vergebene Kurztitel (Notwegegesetz) ist nicht gesetzlich, sondern gebräuchlich.