(1) Für alle Krankenanstalten ist beim Amt der NÖ Landesregierung eine für das gesamte Bundesland zuständige Ethikkommission (NÖ Ethikkommission) zur Beurteilung klinischer Prüfungen von Arzneimitteln und von Medizinprodukten, der Anwendung neuer medizinischer Methoden und nicht-interventioneller Studien, angewandter medizinischer Forschung und der Durchführung von Pflegeforschungsprojekten (experimentellen oder Pflegeinterventionsstudien) sowie der Anwendung neuer Pflege- und Behandlungskonzepte und neuer Pflege- und Behandlungsmethoden in den Krankenanstalten einzurichten. Die NÖ Landesregierung ist verpflichtet, durch die Bereitstellung der erforderlichen Personal- und Sachausstattung der NÖ Ethikkommission zu ermöglichen, ihre Tätigkeit fristgerecht durchzuführen.
(2) Die Beurteilung neuer medizinischer Methoden, angewandter medizinischer Forschung, von Pflegeforschungsprojekten und neuen Pflege- und Behandlungskonzepten und neuen Pflege- und Behandlungsmethoden hat sich insbesondere zu beziehen auf
1. | mitwirkende Personen und vorhandene Einrichtungen (personelle und strukturelle Rahmenbedingungen), | |||||||||
2. | den Prüfplan im Hinblick auf die Zielsetzung und die wissenschaftliche Aussagekraft sowie die Beurteilung des Nutzen/ Risiko-Verhältnisses, | |||||||||
3. | die Art und Weise, in der die Auswahl der Versuchspersonen durchgeführt wird und in der Aufklärung und Zustimmung zur Teilnahme dieser Personen erfolgen, | |||||||||
4. | die Vorkehrungen, die für den Eintritt eines Schadensfalls im Zusammenhang mit einer klinischen Prüfung oder der Anwendung einer neuen medizinischen Methode getroffen werden. |
(3) Neue medizinische Methoden im Sinne des Abs. 1 sind Methoden, die auf Grund der Ergebnisse der Grundlagenforschung und angewandten Forschung sowie unter Berücksichtigung der ärztlichen Erfahrung die Annahme rechtfertigen, dass eine Verbesserung der medizinischen Versorgung zu erwarten ist, die jedoch in Österreich noch nicht angewendet werden und einer methodischen Überprüfung bedürfen. Vor der Anwendung einer neuen medizinischen Methode hat die Befassung der NÖ Ethikkommission durch den Leiter der Organisationseinheit, in deren Bereich die neue medizinische Methode angewendet werden soll, zu erfolgen.
(3a) Vor der Durchführung angewandter medizinischer Forschung und von Pflegeforschungsprojekten und der Anwendung neuer Pflege- und Behandlungskonzepte und neuer Pflege- und Behandlungsmethoden kann die Ethikkommission befasst werden. Dies hat hinsichtlich von Pflegeforschungsprojekten und der Anwendung neuer Pflegekonzepte und -methoden durch den Leiter des Pflegedienstes, hinsichtlich angewandter medizinischer Forschung und neuer Behandlungskonzepte und -methoden durch den Leiter der Organisationseinheit, in deren Bereich das Forschungsprojekt, das Konzept oder die Methoden angewandt werden soll, zu erfolgen.
(4) Die NÖ Ethikkommission hat sich in einem ausgewogenen Verhältnis aus Frauen und Männern zusammenzusetzen und mindestens zu bestehen aus:
1. | einem Vertreter der mit den rechtlichen Angelegenheiten des Gesundheitswesens betrauten Abteilung des Amtes der NÖ Landesregierung, | |||||||||
2. | einem Arzt, der im Inland zur selbständigen Berufsausübung berechtigt ist, und weder ärztlicher Leiter der Krankenanstalt noch Prüfer bzw. Klinischer Prüfer ist, | |||||||||
3. | einem Facharzt, in dessen Sonderfach die jeweilige klinische Prüfung, neue medizinische Methode oder das angewandte medizinische Forschungsprojekt fällt, oder einem Zahnarzt, die nicht Prüfer sind, und gegebenenfalls einem sonstigen entsprechenden Angehörigen eines Gesundheitsberufes, | |||||||||
4. | einem Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege, | |||||||||
5. | einem Juristen, | |||||||||
6. | einem Pharmazeuten oder Apotheker, | |||||||||
7. | einem Psychologen/Psychotherapeuten, | |||||||||
8. | einem Statistiker (Biometriker), | |||||||||
9. | einem Vertreter der NÖ Patienten- und Pflegeanwaltschaft (§ 91), | |||||||||
10. | je einem Vertreter einer repräsentativen Behindertenorganisation sowie einem Vertreter der Senioren, welcher einer Seniorenorganisation, deren Einrichtung dem Bundes-Seniorengesetz, BGBl. I Nr. 84/1998 in der Fassung BGBl. I Nr. 52/2009, entspricht, anzugehören hat, | |||||||||
11. | einem vom Dachverband der NÖ Patienten-Selbsthilfegruppe entsendeten Vertreter und | |||||||||
12. | einer weiteren, nicht unter der Z 1 bis 11 fallenden Person, die mit der Wahrnehmung seelsorgerischer Angelegenheiten in der Krankenanstalt betraut ist oder sonst über die entsprechende ethische Kompetenz verfügt, | |||||||||
13. | einem Vertreter der Medizinischen Privatuniversitäten, die ihren Sitz in Niederösterreich haben. |
(5) Bei der Beurteilung gemäß Abs. 1 ist jeweils zumindest ein Vertreter der Krankenanstalt, in der Maßnahmen gemäß Abs. 1 durchgeführt werden sollen, beizuziehen.
Bei der Beurteilung eines Medizinproduktes ist jedenfalls ein Vertreter der mit der Besorgung der Angelegenheiten der Sicherheitstechnik im Gesundheitswesen betrauten Abteilung des Amtes der NÖ Landesregierung beizuziehen. Erforderlichenfalls sind weitere Experten beizuziehen. Wird die Ethikkommission im Rahmen einer multizentrischen klinischen Prüfung eines Arzneimittels befasst, so hat ihr jedenfalls ein Facharzt für Pharmakologie und Toxikologie anzugehören. Bei der Beurteilung von Pflegeforschungsprojekten und der Anwendung neuer Pflege- und Behandlungskonzepten und neuer Pflege- und Behandlungsmethoden hat der Ethikkommission überdies eine Person anzugehören, die über Expertise hinsichtlich Methoden der qualitativen Forschung verfügt. Der Leiter jener Organisationseinheit, an der ein Pflegeforschungsprojekt oder die Anwendung neuer Pflegekonzepte oder -methoden durchgeführt werden soll, hat das Recht, im Rahmen der Sitzung der Ethikkommission zu dem geplanten Pflegeforschungsprojekt oder der Anwendung neuer Pflegekonzepte oder -methoden Stellung zu nehmen. |
(6) Der Vorsitzende und die Mitglieder der NÖ Ethikkommission werden von der Landesregierung auf die Dauer von fünf Jahren bestellt. Eine Wiederbestellung ist möglich. Für jedes Mitglied ist ein in gleicher Weise qualifiziertes Ersatzmitglied zu bestellen.
(6a) Die Landesregierung kann den Vorsitzenden, ein Mitglied oder Ersatzmitglied der NÖ Ethikkommission aus wichtigem Grund abberufen, insbesondere wenn
1. | die Funktion nicht mehr ausgeübt werden kann oder | |||||||||
2. | die Voraussetzungen für die Bestellung nachträglich weggefallen sind. | |||||||||
Der abberufene Vorsitzende, ein abberufenes Mitglied oder Ersatzmitglied ist für den Rest der Funktionsdauer zu ersetzen. |
(6b) Die Mitglieder der Ethikkommission haben allfällige Beziehungen zur pharmazeutischen Industrie oder Medizinprodukteindustrie gegenüber der Landesregierung vollständig offen zu legen. Sie haben sich in allen Angelegenheiten zu enthalten, in denen eine Beziehung zur pharmazeutischen Industrie oder Medizinprodukteindustrie geeignet ist, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen.
(7) Die NÖ Ethikkommission hat sich eine Geschäftsordnung zu geben, die von der Landesregierung zu genehmigen ist.
(7a) Die NÖ Ethikkommission muss die Landesregierung auf Verlangen über alle Gegenstände ihrer Geschäftsführung informieren.
(8) (Verfassungsbestimmung) Der Vorsitzende und die Mitglieder der NÖ Ethikkommission unterliegen bei Ausübung dieser Funktion keinen Weisungen.
(9) Über jede Sitzung der NÖ Ethikkommission ist ein Protokoll aufzunehmen. Die Protokolle sind dem ärztlichen Leiter der Krankenanstalt, bei der Beurteilung einer klinischen Prüfung auch dem Prüfer, bei der Anwendung einer neuen medizinischen Methode, einem angewandten medizinischen Forschungsprojekt oder neuem Behandlungskonzept und -methode auch dem Leiter der Organisationseinheit, bei der Beurteilung von Pflegeforschungsprojekten und der Anwendung neuer Pflegekonzepte und -methoden dem Leiter des Pflegedienstes und den ärztlichen Leitern der betroffenen Organisationseinheiten zur Kenntnis zu bringen. Hinsichtlich der Aufbewahrung der Protokolle und Unterlagen gilt § 21 Abs. 2 sinngemäß.
(10) Der Rechtsträger der Krankenanstalt darf klinische Prüfungen nur zulassen, wenn er mit dem Auftraggeber vereinbart hat, dass ihm sämtliche durch die Prüfung verursachten Aufwendungen ersetzt werden. Der Rechtsträger der Krankenanstalt kann dem an der klinischen Prüfung beteiligten Krankenanstaltenpersonal für diese Tätigkeit eine angemessene Entschädigung gewähren, deren Höhe im Einzelfall auf Basis genereller Richtlinien des Rechtsträgers festzusetzen ist. Die Richtlinien haben die für die Entschädigung maßgeblichen Kriterien zu enthalten und dürfen kein Verhalten fördern, das mit den rechtlichen und ethischen Zulässigkeitsschranken klinischer Prüfungen unvereinbar ist. Ein über die angemessene Entschädigung hinausgehender Gewinn darf nicht erzielt werden. Die festgesetzte Entschädigung ist in eine schriftliche Vereinbarung mit dem Dienstnehmer aufzunehmen, in der auch die im Rahmen der klinischen Studie zu leistende Tätigkeit zu regeln ist. Nicht schriftliche Vereinbarungen sowie Vereinbarungen über unangemessen hohe Entschädigung sind rechtsunwirksam.
(11) Die Ergebnisse der klinischen Prüfungen sind nach deren Abschluß von den Anstaltsleitungen der betroffenen Krankenanstalten der NÖ Ethikkommission mitzuteilen.
(12) Den Mitgliedern der NÖ Ethikkommission gebührt für jede Beurteilung eines zur Begutachtung vorgelegten Antrages ein pauschaler Aufwandsersatz, der vom Antragsteller zu tragen ist und dessen Höhe in der Geschäftsordnung der NÖ Ethikkommission festzulegen ist.
0 Kommentare zu § 19e NÖ KAG