Kommentar zum § 223 StGB

lexlegis am 28.02.2017

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Um das Delikt der Urkundenfälschung ausreichend erläutern zu können, sollte zunächst geklärt werden, was eine Urkunde ist. 

Nach der Legaldefinition des § 74 Abs 1 Z 7 StGB ist eine Urkunde eine Schrift, die errichtet worden ist, um ein Recht oder ein Rechtsverhältnis zu begründen, abzuändern oder aufzuheben oder eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. 

Nun nehmen wir Alltagsbeispiele: 

Eintrittskarte zu Konzert: begründet das Eintritts- Teilnahmerecht am Konzert = Urkunde 

Fahrkarte in der Straßenbahn: Begründet das Recht die Leistung aus dem Beförderungsvertrag in Anspruch nehmen zu dürfen = Urkunde 

Reisepass: Begründet das Ein- und Ausreiserecht = Urkunde (besonders geschützt nach § 224 StGB). 

Testament: Erbrecht = Urkunde (besonders geschützt nach § 224 StGB) 

Reisepasskopie: 

Wurde die Reisepasskopie errichtet um ein Recht oder ein Rechtsverhältnis zu begründen, abzuändern oder aufzuheben oder eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen, könnte sie den Urkundencharakter besitzen. Daher wäre die Kopie unter Umständen ein taugliches Tatobjekt und die Veränderung des Geburtsdatums tatbestandsmäßig nach § 223 Abs 1 zweiter Fall StGB. 

Hier ist aber zu berücksichtigen, dass die falsche oder verfälschte Urkunde als Tatobjekt einen "scheinbaren Echtheitscharakter" haben muss, also nicht offensichtlich eine Kopie oder Fälschung sein darf. 

Die offensichtliche Kopie eines Reisepasses erfüllt nicht den Urkundencharakter des StGB. Dass Organisationen solche Kopien von sich aus als Beweis eines Rechtes (Altersverifikation) gelten lassen, gibt der Kopie trotzdem keinen durch die allgemeine Rechtsordnung zugedachten und signifikanten Urkundencharakter. Die elektronische Änderung der Daten einer Reisepasskopie ist also nicht tatbildlich im Sinne des § 223 Abs 1 zweiter Fall StGB. Wird mit dieser Kopie ein anderer getäuscht und dadurch an seinen Rechten absichtlich geschädigt, kommt § 108 Abs 1 StGB in Betracht. 

Inhaltlich falsche Ausweise von Privatanbietern sind unter Umständen sogenannte Lugurkunden: 

Lugurkunden sind echte Urkunden (von einem hierzu berechtigten Aussteller) mit falschem Inhalt. Diese sind dann nicht Tatobjekt des § 223 StGB. 

Bei einer Urkundenfälschung täuscht der Täter über den Aussteller. 

Ist der Aussteller berechtigt, aber der inhalt der Urkunde unwahr, liegt keine Urkundenfälschung, sondern eine straflose Lugurkunde vor. 

Ohne Täuschung über die Identität des Ausstellers ist die Herstellung einer daher echten, bloß inhaltlich unrichtigen Urkunde (sogenannten Lugurkunde) für sich allein nur unter dem Aspekt der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 StGB strafbar, wozu jedoch die vorgesehen Verwendung in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren erforderlich ist.  

Zur Veranschaulichung: 

1. A möchte nicht arbeiten und fälscht zu Hause mit seinem Computer eine Krankenstandsbestätigung. Er druckt diese aus und will sie seinem Chef vorlegen. 

Hier liegt Urkundenfälschung nach § 223 Abs 1 erster Fall StGB vor. A hat eine falsche Urkunde (§ 74 Abs 1 Z 7 StGB) mit dem Vorsatz, dass diese im Rechtsverkehr gebraucht werde, hergestellt. Er täuscht über die Berechtigung des Ausstellers. A ist kein Arzt. 

2. Gleicher Sachverhalt, wie bei 1. doch diesmal nimmt A eine alte (echte) Krankenstandsbestätigung und verfälscht das darauf abgeildete Datum. 

Hier liegt ein Vergehen nach § 223 Abs 1 zweiter Fall StGB vor. A hat eine echte Urkunde verfälscht. 

3. Gleicher Sachverhalt wie bei 1. doch diesmal bittet A seinen Freund B, der Allgemeinmediziner ist um eine Krankenstandsbestätigung. B stellt ihm diese, obwohl er weiß, dass A nur vorspielt krank zu sein, auch aus. A legt diese am nächsten Tag seinem Chef vor. 

Hier wurde kein Tatbestand nach § 223 Abs 2 StGB erfüllt. Es handelt sich um eine echte Urkunde, deren Inhalt unrichtig ist. Dieser unrichtige Inhalt wurde aber von einem berechtigten Aussteller verfasst, daher liegt eine Lugurkunde vor.  

§ 223 StGB | 4. Version | 19910 Aufrufe | 28.02.17
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Zitiervorschlag: lexlegis in jusline.at, StGB, § 223, 28.02.2017
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