Kommentar zum § 16 StGB

lexlegis am 25.01.2017

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1. Unbeendeter Versuch

Beim unbeendeten Versuch genügt das freiwillige Unterlassen weiterer Ausführungshandlungen (§ 16 Abs 1 erster Fall StGB).

Unbeendet ist der Versuch dann, wenn aus der Sicht des Täters und auch aus allgemein rationaler Sicht noch weitere Schritte notwendig sind um den gewünschten Erfolg (Taterfolg) herbeizuführen.

Beispiel: A möchte B töten und lauert ihm auf, er springt aus einem Gebüsch und will ihn mit seiner Waffe erschießen. A überlegt es sich jedoch im letzten Moment anders und schießt nicht auf B.

Lösung: Alles für versuchten Mord nach §§ 15, 75 StGB ist gegeben. Das Auflauern und Abwarten ist eine ausführungsnahe Handlung, der die eigentliche Tathandlung (abdrücken und erschießen) unmittelbar folgen soll. Das geplante Opfer kommt auch immer weiter in seine Nähe, daher wird spätestens, beim Hinausspringen versuchter Mord zu bejahen sein, da A laut Sachverhalt auch zu diesem Zeitpunkt immer noch vorhatte B zu töten. Die Tat ist rechtswidrig und A ist, da sich aus dem Sachverhalt nichts anderes ergibt auch schuldfähig. Beim hier vorliegenden  unbeendeten Versuch genügt für einen Rücktritt das Unterlassen weiterer Ausführungshandlungen. Demnach ist Rücktritt zu bejahen. A ist nicht wegen versuchten Mordes zu bestrafen.

 2. Beendeter Versuch

Beim beendeten Versuch glaubt der Täter, dass er keine weiteren Ausführungshandlungen mehr
braucht um den gewünschten Erfolg herbeizuführen. Um von diesem zurückzutreten genügt es nicht
weitere Ausführungshandlungen zu unterlassen; der Täter muss sich ernstlich darum bemühen den
Eintritt des Erfolges abzuwenden; er muss einen gegenteiligen Akt (contrarius actus) setzen .

Beispiel: A möchte seinen Nebenbuhler B töten und schießt auf ihn mit einer Waffe. B wird
dadurch schwer verwundet und torkelt in ein Gebüsch. A deckt ihn mit Gestrüpp zu und denkt,
dass B hier sein Ende finden wird. Kurz danach plagt A sein Gewissen, er deckt B wieder ab, leistet
erste Hilfe und verständigt die Rettung. Aufgrund des raschen Handelns des A überlebt B.

Lösung: Alle Kriterien um versuchten Mord zu bejahen können sind erfüllt. A möchte B töten
(=Tatentschluss), er schießt auf ihn mit einer Waffe (= Ausführungshandlung), B ist ein taugliches
Tatobjekt
, A ist ein für die Tat taugliches Tatsubjekt. Die Tathandlung (Schuss aus Waffe) ist für einen Tötungshandlung geeignet, also ebenso tauglich Der Erfolg des § 75 StGB (Tod eines anderen) ist nicht eingetreten, es blieb beim Versuch. Der Versuch ist beendet, da A denkt, B werde ohne weiteresZutun den Tod finden. Die Tat ist rechtswidrig und A handelt, da sich aus dem Sachverhalt nichts
anderes ergibt auch schuldhaft. Der Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch nach § 16 Abs 1 dritter Fall StGB ist jedoch zu bejahen, da A sich ernstlich darum bemüht hat den Erfolg abzuwenden. Wäre B dennoch gestorben, würde A wegen vollendeten Mordes zu bestrafen sein; da aber aufgrund seines Zutuns kein Erfolg eingetreten ist, ist A nicht wegen versuchten Mordes zu bestrafen, die Strafbarkeit ist wegen Rücktritts vom Versuch aufzuheben.

Allerdings lebt die zuvor subsidiäre Strafbarkeit der absichtlich schweren KV nach § 87 Abs 1 StGB hier wieder auf, denn diese wurde durch den Schuss auf B vollendet und von der kann A auch nicht zurücktreten. A ist somit wegen absichtlich schwerer KV zu bestrafen.

Die durch den Schuss in ungleichartiger Idealkonkurrenz begangene Sachbeschädigung an der Kleidung des B bleibt unbeachtlich (unechte Idealkonkurrenz), da es sich hier um eine typische Begleittat handelt.

In beiden Fällen (ob beendet oder unbeendet) ist es wichtig, dass der Täter freiwillig (ohne Zwang) vom Versuch zurücktritt. Freiwillig ist der Rücktritt auch dann, wenn der Täter ihn aus Mitleid antritt oder ihn das Opfer dazu überredet.

 

Eine Merkformel lautet:

Will der Täter noch, aber kann er nicht mehr (ungehindert oder ohne Gefahr erwischt zu werden weiter machen) = Rücktritt NICHT freiwillig und Versuch gescheitert.

Kann der Täter noch, aber will nicht mehr = Rücktritt FREIWILLIG

 


§ 16 StGB | 3. Version | 3663 Aufrufe | 25.01.17
Informationen zum Autor/zur Autorin dieses Fachkommentars: lexlegis
Zitiervorschlag: lexlegis in jusline.at, StGB, § 16, 25.01.2017
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