Kommentar zum § 9 IPRG

Ulrike Christine Walter am 09.03.2012

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Definition

Das Personalstatut einer natürlichen Person ist das Recht des Staates, dem die Person angehört. (Abs. 1, 1. Satz) (= Heimatrecht)

Rück- und Weiterverweisungen sind zu beachten. (§ 5 IPRG)

 Doppelstaatsbürgerschaft

Hat eine Person neben einer fremden Staatsangehörigkeit auch die österreichische Staatsbürgerschaft, so ist diese maßgebend. (Abs. 1, 2. Satz)

Nach der Bestimmung des § 18 Abs. 1 Z 1 IPRG wird primär an das gemeinsame Personalstatut angeknüpft, gleichgültig, wo die Ehepartner leben. Haben die Ehegatten eine gemeinsame (hier: nigerianische) Staatsangehörigkeit, ist aber einer von ihnen auch Österreicher, so fehlt ihnen  nach § 9 Abs. 1 zweiter Satz IPRG ein gemeinsames Personalstatut. (RS0106168)

Im Falle des Vorliegens zweier ( ausländischer ) Staatsangehörigkeiten entscheidet die Beantwortung der Frage nach der effektiven ( praktizierten ) Staatsangehörigkeit darüber, welcher der beiden Staatsbürgerschaften der Vorzug zu geben ist. Effektiver ist die Angehörigkeit zu jenem Staat, mit dem die betreffende Person am engsten verbunden ist. (SZ 47/79 = RZ 1974/110 S 196 = JBl 1975,49 = NZ 1975,57 , SZ 47/97 = EvBl 1975/63 S 128 = ZfRV 1977,118 ( Glosse v Hoyer ) RS0009229)

 Vorrang der inländischen Staatsbürgerschaft

Viele Länder geben der Staatsangehörigkeit ihres Landes den Vorrang (so auch Art. 46 des ital. IPRG in Erbschaftssachen). Das kann zu Ungleichbehandlungen in den verschiedenen Ländern führen, was vor allem im Erbschaftsrecht Auswirkungen haben kann.  Dies  führt zum sogen. forum shopping , d.h. der Erbschaftsprozess wird in dem Land geführt, in dem das Gesetz für den Erben günstiger ist 

                                                           „Effektive Staatsangehörigkeit“

Für andere Mehrstaater (also ohne österreichische Beziehung) ist die Staatsangehörigkeit des Staates maßgebend, zu dem die stärkste Beziehung besteht. (Abs. 1, 3. Satz)

 "stärkste Beziehung"

1. Bei der Prüfung der "stärksten Beziehung" können durchaus auch auf die Zukunft weisende Argumente von Bedeutung sein.

2. Mit der Formulierung "stärkste Beziehung" hat der Gesetzgeber bewusst eine Blankettnorm geschaffen, um eine elastische Handhabung der Bestimmung sowie die Rechtsfortbildung zu gewährleisten. (RS0117332)

Die stärkste Staatsangehörigkeit eines Mehrstaaters richtet sich nicht allein nach dessen Wohnsitz. (RZ 1974/110 S 196 = JBl 1975,49 = NZ 1975,57 = SZ 47/79 , SZ 47/97 = EvBl 1975/63 S 128 = ZfRV 1977,118 ( Glosse von Hoyer )

 

es muss in jedem einzelnen Fall den tatsächlichen Lebensverhältnissen Rechnung getragen werden, wie Wohnsitz, Aufenthalt, Zeitpunkt des Erwerbes der einzelnen Staatsangehörigkeiten, ius sanguinis, Militärdienst, Beruf und dgl. mehr. SZ 47/79 = RZ 1974/110 S 196 = JBl 1975,49 = NZ 1975,57 , SZ 47/97 = EvBl 1975/63 S 128 = ZfRV 1977,118 (Glosse von Hoyer)  Ebenso Muttersprache, verwandtschaftliche oder gesellschaftliche Beziehung, nationale Einstellung. (RS0009222)

 "effektiven Staatsangehörigkeit"

Zur Bestimmung der "effektiven Staatsangehörigkeit" müssen im Einzelfall alle in Betracht kommenden Umstände gewertet werden, die für die Lebensverhältnisse einer Person von maßgebender Bedeutung sind, wie Wohnsitz bzw. gewöhnlicher Aufenthalt, Muttersprache, verwandtschaftliche oder gesellschaftliche Beziehung, nationale Einstellung (RS0009220)

                                               Staatenlose/ungeklärte Staatszugehörigkeit

Ist eine Person staatenlos oder kann ihre Staatsangehörigkeit nicht geklärt werden, so ist ihr Personalstatut das Recht des Staates, in dem sie den gewöhnlichen Aufenthalt hat.  (Abs. 2)

 „gewöhnlicher Aufenthalt“

Der gewöhnliche Aufenthalt einer Person ist nach der Regel Nr. 9 der Entschließung des Ministerkomitees des Europarates (72) I vom 18.01.1972 zur Vereinheitlichung der Rechtsgrundbegriffe "Wohnsitz" und "Aufenthalt" dort gegeben, wo die Dauer und die Beständigkeit des Aufenthalts sowie andere Umstände persönlicher und beruflicher Natur die dauerhafte Beziehung zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen. Diese Entschließung kann bei der Auslegung des Begriffes "gewöhnlicher Aufenthalt" als Entscheidungshilfe dienen. (RS0077035)

 Flüchtling

Das Personalstatut einer Person, die Flüchtling im Sinn der für Österreich geltenden internationalen Übereinkommen ist oder deren Beziehungen zu ihrem Heimatstaat aus vergleichbar schwerwiegenden Gründen abgebrochen sind, ist das Recht des Staates, in dem sie ihren Wohnsitz, mangels eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat; eine Verweisung dieses Rechtes auf das Recht des Heimatstaates (§ 5) ist unbeachtlich. (Abs. 3)

Der Feststellung der Flüchtlingseigenschaft im Verwaltungsverfahren kommt zwar stärkste Indizwirkung zu, nimmt dem Gericht aber nicht die Möglichkeit selbständiger Vorfragenprüfung. Liegt eine solche Feststellung, die ja nach Abführung eines formellen Verwaltungsverfahrens mit der Möglichkeit der Anfechtung im Instanzenzug getroffen wird, erst kurze Zeit vor der gerichtlichen Entscheidung, in der die Flüchtlingseigenschaft Vorfrage darstellt, wird das Gericht in der Regel von einer weiteren selbständigen Prüfung mangels gegenteiliger Anhaltspunkte absehen können. Dies ist aber anders, wenn seit der Feststellung schon ein geraumer Zeitraum verstrichen ist und sich die Verhältnisse im Heimatstaat des Flüchtlings wesentlich geändert haben. (RS0110397)

 Konventionsflüchtlinge

Konventionsflüchtlinge iSd Genfer Flüchtlingskonvention (BGBl 1955/55) und des Fluechtlingsprotokolles (BGBl 1974/78  werden nach dem Vorrang von Staatsverträgen  (§ 53 IPRG) im Personen-, Familien-, und Erbrecht gem. Art. 12 Fluchtlingskonvention  nach dem Schuldrecht des Wohnsitzstaates, bei Fahlen eines Wohnsitz nach dem Sachrecht am gewöhnlichen Aufenthalt  beurteilt.  (IPRax 1999,260)

 


§ 9 IPRG | 1. Version | 980 Aufrufe | 09.03.12
Informationen zum Autor/zur Autorin dieses Fachkommentars: Ulrike Christine Walter
Zitiervorschlag: Ulrike Christine Walter in jusline.at, IPRG, § 9, 09.03.2012
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