Kommentar zum § 5 IPRG

Ulrike Christine Walter am 09.03.2012

  • 0,0 bei 0 Bewertungen

„Anknüpfungspunkt“

Jenes Element des Tatbestandsbereiches,  das Ausdruck der engsten Verknüpfung mit einer Rechtsordnung ist, wird als „Anknüpfungspunkt“ hervorgehoben (zB. Für die dinglichen Rechte der „Lageort der Sache“) (Schwimann, Internationales Privatrecht, 3.Auflage, Manz, S 19)

Die vom fremden Kollisionsrecht verwendeten Anknüpfungsbegriffe sind bei der Prüfung von Rückverweisung oder Weiterverweisung ausschließlich nach diesem Kollisionsrecht zu qualifizieren. (RS0076927) Hier sind die maßgebenden Bestimmungen des Haager Minderjährigenschutzabkommens als das anzuwendende ausländische Kollisionsrecht anzusehen, weshalb dieses (im Übrigen so auch nach §3 IPRG) so anzuwenden ist, wie es im betreffenden Ausland angewendet wird. (RS0076927)

 Verweisung

Mit Hilfe des „Anknüpfungspunktes“  wird  die anzuwendende Rechtsordnung angegeben, d.h. die Rechtsfolge der Verweisung ausgesprochen.   (Schwimann, Internationales Privatrecht, 3.Auflage, Manz, S 19)

 "Gesamtverweisung"/"Sachnormverweisung"

Die Entscheidung, ob eine kollisionsrechtliche Regelung "Sachnormverweisung" oder eine "Gesamtverweisung" sein soll, entscheidet das österreichische internationale Privatrecht. (RS0076933)

 Gesamtverweisung

Die Verweisung auf eine fremde Rechtsordnung umfasst auch deren Verweisungsnormen. (Abs. 1)

Eine Gesamtverweisung  wendet sich vorerst an das IPR der berufenen fremden  Rechtsordnung  und überlässt dieser die weitere kollisionsrechtliche Entscheidung. (Schwimann, Internationales Privatrecht, 3.Auflage, Manz, S 38)

Das IPRG ist gemäß § 5 Abs 1 vom Grundsatz der Gesamtverweisung beherrscht, die Verweisung auf die fremde (deutsche) Rechtsordnung umfasst daher auch deren Verweisungsnormen. Dies gilt auch für die objektive Anknüpfung von Verträgen. Die vom österreichischen Gesetzgeber normierte Gesamtversicherung kann nicht durch eine vom deutschen Gesetzgeber normierte Sachnormverweisung derogiert werden. (SZ 67/147, SZ 68/108)

Das für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe im Zeitpunkt der Scheidung anwendbare Recht ist nach dem Grundsatz der Gesamtverweisung (§ 5 IPRG) aufzusuchen. Dasselbe materielle Recht entscheidet dann auch über die Ehescheidung. Keinesfalls ist jenes Kollisionsrecht, das die Verweisung über die persönlichen Ehewirkungen annimmt, dann noch über seine Verweisung oder Annahme hinsichtlich der Scheidung zu befragen. (SZ 59/22 = EvBl 1987/64 S 273 = MR 1986 H4,35 = ZfRV 1987,195 (Verschraegen, 188) , SZ 62/189 = ZfRV 1992,235, RS0076902)

 Verbraucherstaatanknüpfung

Auch bei der Verbraucherstaatanknüpfung ist Gesamtverweisung gegeben (Abgehen von SZ 64/130). (SZ 66/179 = ZfRV 1994,161 (Schwind); SZ 70/45)

 Verweisung auf Personalstatut

Die Verweisung auf das Personalstatut einer juristischen Person ist eine Gesamtverweisung, die Rückverweisungen und Weiterverweisungen einschließt. (SZ 70/164, RS0108523) Bei Verweisung auf das Personalstatut eines Kindes mit Staatsbürgerschaft einer Teilrepublik des ehemaligen Jugoslawien ist infolge der Anerkennung der einzelnen (Teilstaaten) Staaten nunmehr entscheidend, ob und welche Kollisionsnormen jener (Teilstaat) Staat vorsieht, dessen Personalstatut das Kind hat. (SZ 68/108)

Die in § 21 IPRG ausgesprochene Verweisung auf das Personalstatut, im vorliegenden Fall auf eine fremde Rechtsordnung umfasst im Sinne der ausdrücklichen Anordnung des § 5 Abs. 1 IPRG auch die Verweisungsnormen dieser fremden Rechtsordnung, ist also eine Gesamtverweisung. Verweist diese fremde Rechtsordnung auf das österreichische Recht zurück, so sind gemäß § 5 Abs. 2 IPRG "die österreichischem Sachnormen (Rechtsnormen mit Ausnahme der Verweisungsnormen) anzuwenden. (SZ 64/176 = ÖVA 1992,128)

  Anfechtung

Da alle Anknüpfungen des IPRG Ausdruck des in § 1 IPRG formulierten Grundsatzes der stärksten Beziehung sind, führt § 5 IPRG bei jeder Rück- oder Weiterverweisung zur Anwendung eines Rechts, das nach der österreichischen kollisionsrechtlichen Wertung nicht die stärkste Beziehung zum Sachverhalt aufweist. Es besteht daher kein Anlass, für die Anknüpfung eines Anfechtungsanspruchs vom Grundsatz der Gesamtverweisung abzugehen. Hier: Anfechtung eines Transfers des englischen Verkaufserlöses einer Liegenschaft auf das deutsche Konto der Beklagten, wodurch die relevante Verkürzung des Befriedigungsfonds in England eingetreten ist. (. (RS0076933)

 Sachnormverweisung

Bei einer Sachnormverweisung auf fremdes Recht werden unmittelbar die fremden Sachnormen berufen. (Schwimann, Internationales Privatrecht, 3.Auflage, Manz, S 38)

-          Die akzessorische Anknüpfung des § 45 IPRG ist eine Sachnormverweisung, die das abhängige Rechtsgeschäft der gleichen Sachrechtsordnung unterstellt, die auch das Hauptschuldverhältnis beherrscht, so dass insoweit Rückverweisung oder Weiterverweisung des Hauptstatutes unbeachtlich sind. (ZfRV 1988,126) Das gilt besonders für Rechtsgeschäfte, die die Sicherung oder Umwandlung einer Verbindlichkeit - (hier: Schuldbeitritt zu einem Darlehen) - zum Gegenstand haben. Eine Rechtswahl im Sinne § 35 IPRG wird hierdurch allerdings nicht ausgeschlossen. (SZ 64/2 = EvBl 1991/57 S 276)

-          Ein als "Treuhandvereinbarung" bezeichneter Vertrag, der ausschließlich der Abwicklung des Grundgeschäftes zwischen der GesmbH und der Klägerin diente und daher begrifflich (nicht rechtlich) eine bestehende Verbindlichkeit voraussetzt. (RS0076888)

        Aufzählung in  Schwimann, Internationales Privatrecht, 3.Auflage, Manz, S 39

-          Kollisionsnormen in Nebengesetzen (Augenommen Art. 91 Abs. 1 WG und Art. 60 Abs. 1 ScheckG)

-          EWR-VersicherungsstatutG (§3 abs. 1)

-          § 11 TNG

-          §13a KSchG

-          §20 KultuerrueckgabeG (BGBl 1998 I/67)

-          § 18 FinalitaetsG (BGBl 1999 I/123)

-          Im IPRG: §§8 und 16 abs. 2; §§ 46 und 47

-          Und jede unmittelbare Verweisung einer österreichischen Kollisionsnorm auf österreichisches Recht (§§ 4 abs. 2, 6, 18 Abs. 1, 18 abs. 2 und 28 Abs. 2 IPRG)

-          Der Zweck der Vorschrift des § 41 IPRG liegt darin, den Verbraucherschutz des Aufenthaltsstaates zu garantieren; eine Rückverweisung oder Weiterverweisung auf das Recht eines Staates, der einen geringeren Verbraucherschutz gewährt ist unzulässig, es handelt sich daher nicht um eine Gesamtnormverweisung, sondern um eine Sachnormverweisung. (SZ 64/130 = EvBl 1992/48 S 230 = RdW 1992,208 = WoBl 1992,197 (Villotti) TE OGH   1993/12/21 1  Ob   600/93; Gegenteilig; Veröff: SZ 66/179 = ZfRV 1994,161 (Schwind) ; RS0076910)

  "versteckten Rückverweisung"

Eine Sachnormrückverweisung wird auch in der sogenannten "versteckten Rückverweisung" erblickt, die vorliegt, wenn das fremde Kollisionsrecht bei Jurisdiktion seiner Gerichte einseitig sein eigenes Sachrecht beruft und im konkreten Fall der fremde Staat seine Jurisdiktion verneint (so auch schon 6 Ob 638/91, 1 Ob 549/80 und 6 Ob 232/00m). (RS0115788)

 Rückverweisung (renvoi)/ Weiterverweisung

Erklärt das fremde IPR eine andere Rechtsordnung für zuständig, so führt dies entweder zu einer Rückverweisung (auf die österreichischen Rechtsnornen); (Abs. 2 1. Halbsatz)oder zu einer Weiterverweisung (auf ein anderes Recht oder das österr. Recht). (§5 2.Absatz)

Die Verweisung auf eine fremde Rechtsordnung umfasst gemäß § 5 Abs. 1 IPRG auch deren Verweisungsnormen; nach Abs. 2 sind dann die österreichischen Sachnormen (Rechtsnormen mit Ausnahme der Verweisungsnormen) anzuwenden, wenn die fremde Rechtsordnung ins österreichische Recht zurückverweist („renvoi"); nach Art 3 MSA sind hingegen gesetzliche Gewaltsverhältnisse grundsätzlich - also unter Ausschluss einer Rückverweisung auf das Recht des Aufenthaltsorts des Minderjährigen - nach dessen Heimatrecht zu beurteilen.  (RS0076927)

Ist ausländisches Recht anzuwenden, ist für die Qualifikation eins Anknüpfungselementes zur Bestimmung des anzuwendenden Rechts dieses ausländische Recht maßgeblich (hier: Belgien). (ZfRV 1988,126)

 Gesamtrueckverweisung

Einer Gesamtrückverweisung (also eine Rückverweisung auf österreichisches IPR) wird als Sachnormverweisung gedeutet. (Schwimann, Internationales Privatrecht, 3.Auflage, Manz, S 40)

 Keine Rückverweisung (renvoi)

Eine Rückverweisung für Maklerverträge aus dem Recht der BRD findet nicht statt. (EvBl 1987/145 S 534 = IPRax 1988,240 (Reichelt,251) = MietSlg XXXVIII/50)

 Teilrechtsordnung

Besteht eine fremde Rechtsordnung aus mehreren Teilrechtsordnungen, so ist die Teilrechtsordnung anzuwenden, auf die die in der fremden Rechtsordnung bestehenden Regeln verweisen. Mangels solcher Regeln ist die Teilrechtsordnung maßgebend, zu der die stärkste Beziehung besteht. (Abs. 3)

Dies betrifft entweder Teilrechtsordnungen für bestimmte geografische Gebiete (z.B. die Bundesstaatenrechte der USA) oder auch für bestimmte Volksgruppen (z.B. konfessionell verschiedenes Familienrecht wie in den arabischen Staaten).

Bei Verweisung nach dem Personalstatut auf jugoslawisches Recht ist das maßgebende Recht wieder durch jugoslawisches interlokales Privatrecht bestimmt. (RS0076920) Infolge der Anerkennung der einzelnen (Teilstaaten) Staaten des ehemaligen Jugoslawien ist nunmehr entscheidend, ob und welche internationale Kollisionsnormen jener (Teilstaat) Staat vorsieht, dessen Personalstatut das Kind hat. (SZ 68/108)

  
§ 5 IPRG | 1. Version | 1122 Aufrufe | 09.03.12
Informationen zum Autor/zur Autorin dieses Fachkommentars: Ulrike Christine Walter
Zitiervorschlag: Ulrike Christine Walter in jusline.at, IPRG, § 5, 09.03.2012
Zum § 5 IPRG Alle Kommentare Melden Vernetzungsmöglichkeiten