TE Vfgh Erkenntnis 1987/3/2 WI-15/86

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Veröffentlicht am 02.03.1987
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Index

10 Verfassungsrecht
10/04 Wahlen

Norm

B-VG Art26 Abs1
B-VG Art95 Abs1
B-VG Art140 Abs1
B-VG Art141 Abs1 lita
NRWO 1971 §45
NRWO 1971 §45 Abs2
NRWO 1971 §49 Abs1 letzter Satz
VfGG §67 Abs1
VfGG §67 Abs2

Leitsatz

Anfechtung der Wahl zum Nationalrat 1986; die Anfechtungslegitimation einer Wählergruppe, soweit die Gültigkeit des eingereichten Wahlvorschlages das Ergebnis der Wahlanfechtung mitbestimmt, hängt nicht zusätzlich davon ab, ob dieser Vorschlag rechtswirksam eingebracht wurde; maßgebender Zeitpunkt für den Beginn der Anfechtungsfrist; Wahlzahl ist mit dem Verhältniswahlsystem wesensnotwendig verknüpft; keine Bedenken gegen die Vorschriften der NRWO über die "Unterstützungserklärungen"; bei Gemeinden ohne großen Verwaltungsapparat kann ein Verzicht auf Ausdehnung der ortsüblichen und allgemein bekannten Amtsstunden (zur Erteilung der Amtsbestätigung einer Unterstützungserklärung gem. §45 Abs4) unterstützungswillige Wahlberechtigte nicht in Ausübung ihrer gesetzlichen Rechte nennenswert und unzumutbar behindern und einschränken; mangelnde Präjudizialität des §49 Abs1 letzter Satz; der VfGH hat in Wahlanfechtungsverfahren zu befinden, ob die in der Anfechtung selbst geltend gemachten Rechtswidrigkeiten zutreffen - nachgereichte Ausführungen sind unbeachtlich; Abweisung der Wahlanfechtung als unbegründet

Spruch

Die Wahlanfechtung wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Am 23. November 1986 fand die mit V der Bundesregierung vom 26. September 1986, BGBl. 517/1986, ausgeschriebene Wahl zum Nationalrat statt.

Der Wahl lagen im - für dieses Wahlanfechtungsverfahren ausschließlich relevanten - Wahlkreis 3 (Niederösterreich) von folgenden Wählergruppen eingebrachte und gemäß §52 Nationalrats-Wahlordnung 1971, BGBl. 391/1970 idF BGBl. 232/1984, (NRWO 1971) von der zuständigen Kreiswahlbehörde am 28. Oktober 1986 kundgemachte Kreiswahlvorschläge zugrunde:

Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ)

Österreichische Volkspartei (ÖVP)

Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)

Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ)

Die Grüne Alternative Liste Freda Meissner-Blau (GRÜNE).

Einen von der Wahlpartei "Die Grünalternativen Demokratische Liste (GAL)" erstatteten Kreiswahlvorschlag wies die Kreiswahlbehörde für den Wahlkreis 3 mit Beschluß vom 28. Oktober 1986, ZI/3-W-1400/18-86, gemäß §49 Abs3 NRWO 1971 zurück, "zumal (er) nicht die iS des §45 Abs2 NRWO 1971 im Wahlkreis 3 . . . erforderliche Anzahl von 500 Unterstützungserklärungen (enthalte)".

1.2. Die Kreiswahlbehörde für den Wahlkreis 3 und die Verbandswahlbehörde für den Wahlkreisverband I (Ost) machten nachstehende (endgültige) Wahlergebnisse kund:

Wahlkreis 3 (erstes Ermittlungsverfahren)

         Gesamtsumme der abgegebenen gültigen und ungültigen

         Stimmen                     964.359

         Ungültige Stimmen            14.219

         Gültige Stimmen             950.140

         SPÖ   402.735 Stimmen  (14 Mandate)

         ÖVP   449.651 Stimmen  (16 Mandate)

         FPÖ    57.828 Stimmen  ( 2 Mandate)

         KPÖ     5.834 Stimmen  ( 0 Mandate)

         GRÜNE  34.092 Stimmen  ( 1 Mandat)

         ( 2 Restmandate)

(Kundmachung vom 27. November 1986)

Wahlkreisverband I (zweites Ermittlungsverfahren)

         SPÖ    55.476 Reststimmen  (3 Restmandate)

         ÖVP    66.086 Reststimmen  (4 Restmandate)

(Kundmachung vom 1. Dezember 1986).

1.3. In Stattgebung eines von der Wahlpartei "Die Grüne Alternative Liste Freda Meissner-Blau" erhobenen Einspruchs gegen ziffernmäßige Ermittlungen der Kreiswahlbehörden der Wahlkreise 1 und 3 und der Verbandswahlbehörde des Wahlkreisverbandes I stellte die Hauptwahlbehörde beim Bundesministerium für Inneres mit Beschlüssen vom 4. Dezember 1986 - gemäß §105 Abs3 NRWO 1971 - die Ergebnisse des ersten Ermittlungsverfahrens im Wahlkreis 3 sowie des zweiten Ermittlungsverfahrens im Wahlkreisverband I wie folgt richtig:

Wahlkreis 3:

         Gesamtsumme der abgegebenen gültigen und ungültigen

         Stimmen             964.345

         Ungültige Stimmen    14.219

         Gültige Stimmen     950.126

         SPÖ                 402.735 Stimmen    (14 Mandate)

         ÖVP                 449.637 Stimmen    (16 Mandate)

         FPÖ                  57.828 Stimmen    ( 2 Mandate)

         KPÖ                   5.815 Stimmen    ( 0 Mandate)

         GRÜNE                34.111 Stimmen    ( 1 Mandat)

         Wahlzahl: 27.147   (2 Restmandate)

                       Wahlkreisverband I:

         SPÖ   55.476 Reststimmen  (3 Restmandate)

         ÖVP   66.072 Reststimmen  (4 Restmandate)

         FPÖ   15.364 Reststimmen  (0 Restmandate)

         KPÖ   15.786 Reststimmen  (0 Restmandate)

         GRÜNE 16.461 Reststimmen  (0 Restmandate)

         GAL    6.005 Reststimmen  (0 Restmandate)

         MIR    8.100 Reststimmen  (0 Restmandate)

Wahlzahl 16.518

(Verlautbarungen der Hauptwahlbehörde vom 4. Dezember 1986).

1.4.1. Mit ihrer am 27. Dezember 1986 zur Post gegebenen, an den VfGH gerichteten und der Sache nach auf Art141 B-VG gestützten Wahlanfechtungsschrift begehrte die Wahlpartei "Die Grünalternativen - Demokratische Liste (GAL)" die Nichtigerklärung der Nationalratswahl 1986 im Wahlkreis 3 wegen Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens, und zwar beginnend "mit der Zurückweisung des Kreiswahlvorschlags der GAL durch die Kreiswahlbehörde . . . ".

1.4.2. Begründend wurde - sinngemäß zusammengefaßt ausgeführt, die Zurückweisung des mit 498 Unterstützungserklärungen versehenen Kreiswahlvorschlags der GAL für den Wahlkreis 3 beruhe aus mehreren Gründen auf rechtswidrigen Voraussetzungen:

Zum ersten sei die NRWO 1971 verfassungswidrig, soweit sie die wirksame Einbringung eines Kreiswahlvorschlags an das Erfordernis einer bestimmten Zahl sog. "Unterstützungserklärungen" knüpfe.

Zum zweiten habe die Gemeinde Angern am frühen Vormittag des 24. Oktober 1986 (letztmöglicher Unterstützungstag) die Erteilung der wahlgesetzlich vorgesehenen gemeindeamtlichen Bestätigung zweier weiterer Unterstützungserklärungen (und zwar der Eheleute K und E S aus O, Gemeinde Angern) verzögert, sodaß die Anfechtungswerberin an der Beibringung der für den Wahlkreis Niederösterreich (§45 Abs2 NRWO 1971) notwendigen 499. und

500. Erklärung gehindert worden sei.

Zum dritten sei es in verschiedenen niederösterreichischen Gemeinden (so in Zeillern und Bergland) unmöglich gewesen, sich Unterstützungserklärungen (auch) "außerhalb der normalen Arbeitszeit" bestätigen zu lassen. Ein damit verbundener Ausschluß ganzer Bevölkerungsgruppen von der Unterstützungsmöglichkeit aber widerspreche dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Freiheit der Wahl.

Zum vierten sei der Anfechtungswerberin eine (nicht näher bezeichnete) Information des Inhalts zugegangen, daß vier der insgesamt 498 vorgelegten Unterstützungserklärungen von Wahlberechtigten stammten, die - unzulässigerweise (§45 Abs4 letzter Satz NRWO 1971) - mehr als einen Wahlvorschlag unterstützten. Sollte diese Nachricht den Tatsachen entsprechen, wäre hier eine verfassungsrechtlich bedenkliche Bestimmung der NRWO 1971 anzuwenden und auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen, nämlich §49 Abs1 letzter Satz, wonach dann, wenn ein und derselbe Wahlberechtigte mehrere Wahlvorschläge unterstütze, (nur) die Unterstützung für den ersten bei der Kreiswahlbehörde eingelangten Vorschlag als gültig anzuerkennen sei.

1.5. Die Hauptwahlbehörde beim Bundesministerium für Inneres legte die Wahlakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie für die Abweisung der Wahlanfechtung eintrat.

2. Über die Wahlanfechtung wurde erwogen:

2.1.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der VfGH ua. über Anfechtungen von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch zum Nationalrat. Nach Art141 Abs1 Satz 2 B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.

2.1.2. Nach §67 Abs2 VerfGG 1953 idF der Nov. BGBl. 18/1958 sind zur Anfechtung der Wahl grundsätzlich jene Wählergruppen berechtigt, die der Wahlbehörde rechtzeitig Wahlvorschläge vorlegten. Dazu nimmt der VfGH seit dem Erkenntnis VfSlg. 4992/1965 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt ein, daß die Anfechtungslegitimation, jedenfalls soweit die Frage der Gültigkeit des eingereichten Wahlvorschlags das Ergebnis der Wahlanfechtung - wie hier - mitbestimmt, nicht zusätzlich davon abhängt, ob dieser Vorschlag rechtswirksam eingebracht wurde (so VfSlg. 7387/1974, 10217/1984; s. auch VfSlg. 6087/1969, 10178/1984).

2.1.3.1. Nach §68 Abs1 VerfGG 1953 muß die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht werden.

Nun sieht zwar §105 Abs1 NRWO 1971 administrative Einsprüche an die Hauptwahlbehörde - iS eines Instanzenzuges nach §68 Abs1 VerfGG 1953 - vor, doch nur gegen die ziffernmäßigen Ermittlungen der Kreis- und Verbandswahlbehörden.

Zur Geltendmachung aller anderen (das sind alle nicht ziffernmäßige Ermittlungen betreffenden) Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens steht - weil insoweit ein zunächst zu durchlaufender Instanzenzug iS des §68 Abs1 VerfGG 1953 nicht eingerichtet ist - die unmittelbare Anfechtung der Wahl beim VfGH binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens (erster Teilsatz des §68 Abs1 VerfGG 1953) offen (VfSlg. 9940/1984).

2.1.3.2. Vorliegend strebt die Anfechtungswerberin in ihrer Anfechtungsschrift nicht die - nach dem Gesagten dem Einspruchsverfahren nach §105 NRWO 1971 vorbehaltene Nachprüfung ziffernmäßiger Ermittlungen einer Wahlbehörde an (s. Punkte 1.4.1. und 1.4.2.); sie rügt vielmehr sonstige Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens, wofür die sofortige Wahlanfechtung nach Art141 Abs1 lita B-VG eingeräumt ist.

Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufes der vierwöchigen Anfechtungsfrist ist die Beendigung des Wahlverfahrens (s. VfSlg. 9085/1981, 9940/1984), das ist hier bei der Wahl zum Nationalrat - soweit es nicht um die Anfechtung ziffernmäßiger Ermittlungen geht - die der jeweiligen Verbandswahlbehörde obliegende Kundmachung (Verlautbarung) des Ergebnisses des zweiten Ermittlungsverfahrens durch Anschlag an der Amtstafel jenes Amtes, dem der Vorsitzende der betreffenden (Verbands-)Wahlbehörde angehört (§103 NRWO 1971; VfSlg. 9940/1984).

2.1.3.3. Aus den vorgelegten Wahlakten ergibt sich, daß die Verbandswahlbehörde des Wahlkreisverbandes I (für die Wahlkreise Burgenland, Niederösterreich und Wien) das (Wahl-)Ergebnis iS des §103 NRWO 1971 am 1. Dezember 1986 an der Amtstafel des Magistrats der Stadt Wien anschlagen ließ (s. dazu: Punkt 1.2.).

2.1.4. Die am 27. Dezember 1986 zur Post beförderte Wahlanfechtung ist daher rechtzeitig und, weil auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, insgesamt zulässig.

2.2. Die Anfechtung ist jedoch unbegründet:

2.2.1. Wie der VfGH in seinem Erkenntnis VfSlg. 10178/1984 aussprach, ist es für das Wesen des Verhältniswahlsystems charakteristisch, daß nach der Idee der Proportionalität möglichst allen politischen Parteien eine verhältnismäßige Vertretung gewährt werden soll, doch sind davon jene kleinen Gruppierungen ausgenommen, die nicht einmal die Mindestzahl an Stimmen, die sogenannte Wahlzahl, erreichen, über die eine Partei verfügen muß, um wenigstens einen Abgeordneten zu stellen; diese Wahlzahl nämlich ist nach herrschender Auffassung mit dem Proportionalwahlsystem wesensnotwendig verknüpft (vgl. die ständige Rechtsprechung: VfSlg. 1381/1931, 1382/1931, 3653/1959, 6087/1969). Angesichts der verfassungsgesetzlichen Verankerung des Verhältniswahlrechts im hier dargelegten Sinn kann es keineswegs verfassungswidrig sein, wenn eine Wahlordnung bestimmt, daß Wahlvorschläge der Unterstützung durch eine Mindestzahl von Wahlberechtigten (zwingend) bedürfen, denn auf solche Weise werden - sowohl im Interesse der Vereinfachung des Wahlverfahrens als auch zur Vermeidung einer unnötigen Stimmenauffächerung - all jene Kleinstgruppen von der Wahlwerbung ausgeschlossen, die in Wahrheit außerstande sind, einen nennenswerten Grundstock an Anhängern nachzuweisen, und darum nach allgemeiner Lebenserfahrung von vornherein keine Aussicht auf Erlangung eines Mandates haben. So gesehen hat die jeder wahlwerbenden Gruppe auferlegte Verpflichtung zur Beibringung einer gewissen Anzahl von Unterstützungserklärungen nur zur Folge, daß eine Stimmabgabe für gänzlich aussichtslose Bewerber vermieden wird, ein Ergebnis, das zur effektiven Gestaltung des Verhältniswahlrechts entscheidend beiträgt. Der VfGH hält an dieser in zahlreichen Erkenntnissen vertretenen Rechtsauffassung weiterhin fest, vermag also die von der Anfechtungswerberin geäußerten Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften der NRWO 1971 über die Einführung des Erfordernisses sog. Unterstützungserklärungen überhaupt - auch aus der Sicht dieser Rechtssache - nicht zu teilen (vgl. VfSlg. 2758/1954, 3653/1959, 3969/1961, 6087/1969, 6201/1970, 6207/1970, 7387/1974, 7821/1976, 8694/1979, 10065/1984, 10217/1984).

2.2.2. Was die behaupteten rechtswidrigen Vorgänge in der Gemeinde Angern anlangt, sagten die zeugenschaftlich einvernommenen Eheleute K und E S, auf die sich die Anfechtungswerberin berufen hatte, glaubhaft und im wesentlichen übereinstimmend - sinngemäß zusammengefaßt - aus, daß beim Gemeindeamt Angern bloß eine Auskunft über (ihnen zugekommene) Unterstützungsformulare der GAL eingeholt worden, eine Unterstützung dieser Liste jedoch niemals in Betracht gekommen sei. Damit ist aber dem Anfechtungsvorbringen über eine behördlich verschuldete Verzögerung der Beibringung weiterer Unterstützungserklärungen der Boden entzogen; denn die Anfechtungswerberin geht hier von einem Sachverhalt aus, der im Anfechtungsverfahren keinerlei Bestätigung fand.

2.2.3. Die Einrede, daß Unterstützungserklärungen in mehreren niederösterreichischen Gemeinden - konkret nennt die Anfechtungswerberin nur die Gemeinden Zeillern (Bezirk Amstetten) und Bergland (Bezirk Melk) - lediglich während der "normalen Arbeitszeit" gemeindeamtlich bestätigt worden seien, ist aus folgenden Erwägungen nicht zielführend:

Gemäß §45 Abs4 NRWO 1971 sind die Gemeinden verhalten, die gesetzlich notwendige amtliche Bestätigung einer Unterstützungserklärung "unverzüglich" zu erteilen. Bestimmte Amtsstunden werden in diesem Zusammenhang gesetzlich nicht vorgeschrieben, doch muß den Wahlberechtigten naturgemäß hinreichend Gelegenheit zur Einholung des erforderlichen Bestätigungsvermerks gegeben werden. Diese Verpflichtung kann aber nicht soweit gehen, daß jede Gemeinde vor Nationalratswahlen gleichsam einen Tag- und Nachtdienst zur Bearbeitung solcher Erklärungen einrichten müßte. Namentlich bei Gemeinden ohne großen Verwaltungsapparat - die beiden von der Anfechtungswerberin angeführten sind ausgesprochene Kleingemeinden - kann keinesfalls mit Grund gesagt werden, daß der - behauptete - Verzicht auf eine Ausdehnung der ortsüblichen und allgemein bekannten Amtsstunden unterstützungswillige Wahlberechtigte in der Ausübung ihrer gesetzlichen Rechte nennenswert und unzumutbar behindere und einschränke (vgl. dazu: VfSlg. 9933/1984).

         2.2.4. Unter den obwaltenden Umständen hat der VfGH wie

abschließend festzuhalten bleibt - die in der Anfechtungsschrift als

verfassungsrechtlich bedenklich eingestufte Vorschrift des §49 Abs1

letzter Satz NRWO 1971 nicht anzuwenden: Sie ist also in dieser

Anfechtungssache nicht präjudiziell in der Bedeutung des Art140 Abs1

B-VG und kann darum - entgegen der Meinung der Anfechtungswerberin -

bereits aus dieser Überlegung nicht Gegenstand eines hier

einzuleitenden Normenkontrollverfahrens sein. Gemäß §49 Abs1 Satz 1

NRWO 1971 muß die Kreiswahlbehörde nämlich (zunächst) überprüfen,

"ob die eingelangten Kreiswahlvorschläge . . .  von der gemäß §45

Abs2 (NRWO 1971) erforderlichen Zahl der Wahlberechtigten des

Wahlkreises (für den Wahlkreis Niederösterreich je 500 Personen)

unterstützt . . . sind". Diese primäre Zulässigkeitsvoraussetzung

war aber weder im Administrativverfahren erfüllt, noch stand damals der Vorlage weiterer (Unterstützungs-)Erklärungen das von der Anfechtungswerberin behauptete rechtswidrige Verhalten einer Gemeindebehörde (Gemeinde Angern) entgegen: Denn zum einen hatte die GAL überhaupt nur 498 Unterstützungserklärungen beigebracht, zum andern ergaben die schon erörterten Zeugeneinvernahmen im verfassungsgerichtlichen Vorverfahren, daß das Ehepaar S die Kandidatur der GAL überhaupt nicht unterstützen wollte, sodaß allein schon aus diesem Aspekt von rechtswidrigen Verzögerungen im Bereich der besagten Wahlbehörde nicht gesprochen werden kann. In die Prüfung der - in der Anfechtungsschrift herausgestellten Frage, ob die eine oder andere der insgesamt schon an sich zahlenmäßig unzureichenden Unterstützungen des Wahlvorschlags der GAL in Handhabung des §49 Abs1 letzter Satz NRWO 1971 "als nicht eingebracht" gelte, war angesichts der geschilderten Sachund Rechtslage gar nicht mehr einzutreten.

2.3. Die Wahlanfechtung war daher als zur Gänze unbegründet abzuweisen.

Angemerkt sei, daß die in der Anfechtungsschrift enthaltene Ankündigung der Nachreichung "detaillierter Rechtsausführungen" in nächster Zeit unbeachtet bleiben mußte, weil der VfGH in Wahlanfechtungsverfahren zu befinden hat, ob die in der Anfechtung selbst geltend gemachten Rechtswidrigkeiten zutreffen (§67 Abs1 VerfGG: "Die Anfechtung hat den begründeten Antrag auf Nichtigerklärung des Wahlverfahrens . . . zu enthalten"; s. VfSlg. 9093/1981, 10226/1984 ua.).

2.4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 idF BGBl. 297/1984 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Wahlen, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Parteienvorbringen, VfGH / Wahlanfechtung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:WI15.1986

Dokumentnummer

JFT_10129698_86W0I015_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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