Index
L3 FinanzrechtNorm
B-VG Art139 Abs1Leitsatz
Bindung der Gemeinde bei Ausschreibung von Benützungsgebühren an die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Verwaltung; Gemeinden dürfen grundsätzlich auch dann Kanalisationsanlagen errichten und betreiben, wenn so hohe Errichtungskosten anfallen, daß ihre Deckung ausschließlich über den Kanalisationsbeitrag nicht mehr möglich ist; zusätzlich zur bundesgesetzlichen Ermächtigung ist eine solche des Landesgesetzgebers zur Einhebung von Benützungsgebühren zulässig; §6 Abs2 Stmk. KanalabgabeG schränkt den der Gemeindevertretung bei der Ausschreibung von Benützungsgebühren nach §15 Abs3 Z5 FAG 1985 bundesgesetzlich eingeräumten Freiraum in verfassungswidriger Weise ein - Feststellung der Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung Anlaßwirkung des Ausspruches der Verfassungswidrigkeit des §6 Abs2 Stmk. KanalabgabenG; Deckung des 2. Satzes des §6 Abs1 (Festlegung der Gebührenhöhe) durch §15 Abs3 Z5 FAG 1985 - auch kein Widerspruch zum ÄquivalenzprinzipSpruch
I. §6 Abs2 des Kanalabgabengesetzes 1955, LGBl. für das Land Steiermark Nr. 71 in der Fassung vor der Nov. LGBl. Nr. 67/1986, war verfassungswidrig.
Der Landeshauptmann von Steiermark ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.
II. Der zweite Satz des §6 Abs1 der Kanalabgabenordnung der Gemeinde Großwilfersdorf ("Es sind jährlich zu entrichten:
S 15,-- pro m2 Berechnungsgrundlage (§4 Kanalabgabengesetz 1955)."), vom Gemeinderat beschlossen am 27. November 1981, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 29. November bis 14. Dezember 1981, war nicht gesetzwidrig.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid vom 28. November 1983 hat die Steiermärkische Landesregierung der Vorstellung des Bf. im Anlaßbeschwerdeverfahren gegen den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Großwilfersdorf vom 9. Mai 1983 keine Folge gegeben, mit welchem dem Bf. für das Jahr 1982 eine Kanalbenützungsgebühr (letztinstanzlich) vorgeschrieben worden war.
Gegen diesen Vorstellungsbescheid richtet sich die beim VfGH zu B802/83 protokollierte Beschwerde, in welcher sich der Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt erachtet, die Gesetzwidrigkeit der Zahl "15" im §6 Abs1 der Kanalabgabenordnung der Gemeinde Großwilfersdorf behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.
2. Aus Anlaß dieser Beschwerde hat der VfGH am 8. Oktober 1985 beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen die Gesetzmäßigkeit des zweiten Satzes des §6 Abs1 der Kanalabgabenordnung der Gemeinde Großwilfersdorf vom 27. November 1981, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 29. November bis 14. Dezember 1981, zu prüfen. Dieses Verordnungsprüfungsverfahren ist zu V70/85 protokolliert.
Diesem Beschluß lag im wesentlichen folgendes zugrunde:
a) Die Gemeinde Großwilfersdorf hat nach Maßgabe der Bestimmungen der - am 1. Jänner 1982 in Kraft und am 2.Feber 1984 außer Kraft getretenen - in Prüfung gezogenen V für die öffentliche Schwemmkanalanlage der Gemeinde sowohl einen Kanalisationsbeitrag als auch für die Benützung Kanalbenützungsgebühren erhoben.
Nach §6 Abs2 des Steiermärkischen Kanalabgabengesetzes 1955, LGBl. 71, (idF vor der Nov. LGBl. 67/1986) dürfen die Kanalbenützungsgebühren das Jahreserfordernis für die Instandhaltung und den Betrieb der Kanalanlage einschließlich einer angemessenen Erneuerungsrücklage nicht überschreiten.
Zur Deckung der Kosten der Errichtung und der Erweiterung öffentlicher Kanalanlagen sind die Gemeinden durch §1 des genannten Gesetzes ermächtigt, eine einmalige Abgabe (Kanalisationsbeitrag) zu erheben.
Diese Bestimmungen des Kanalabgabengesetzes unterscheiden somit deutlich zwischen den (laufenden) Kanalbenützungsgebühren (denen die Instandhaltungs- und Betriebskosten sowie eine angemessene Erneuerungsrücklage zugrundezulegen sind) und dem (einmaligen) Kanalisationsbeitrag (zur Deckung der Kosten der Errichtung und Erweiterung der Anlage).
b) Der VfGH hat auf Grund dessen in seinem Beschluß vom 8. Oktober 1985 seine Bedenken im wesentlichen wie folgt begründet:
"Es scheint, daß der in Prüfung gezogenen Kanalbenützungsgebühr nicht nur das Jahreserfordernis für die Instandhaltung und den Betrieb der Kanalanlage (eine Erneuerungsrücklage dürfte offensichtlich nicht gebildet worden sein), sondern - entgegen der Bestimmung des §6 Abs2 Kanalabgabengesetz - auch das Erfordernis zur Bezahlung von Annuitäten, resultierend aus der Errichtung der Kanalanlage, zugrundegelegt worden sind."
3. Am 28. Juni 1986 hat der VfGH gemäß Art140 Abs1 B-VG beschlossen, dieses Verordnungsprüfungsverfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §6 Abs2 Kanalabgabengesetz 1955 zu unterbrechen. Dieses Gesetzesprüfungsverfahren ist zu G169/86 protokolliert.
Diesem Beschluß lagen folgende Erwägungen zugrunde (in der Wiedergabe ist auch der Wortlaut der in Prüfung gezogenen Bestimmung enthalten):
"a) Nach dem bereits oben dargestellten System des Steiermärkischen Kanalabgabengesetzes 1955 kann zur Deckung der Kosten der Errichtung und Erweiterung der öffentlichen Kanalanlage ein Kanalisationsbeitrag erhoben werden, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob ein tatsächlicher Anschluß an das Kanalnetz erfolgt ist oder nicht. Hiebei handelt es sich um einen Interessentenbeitrag auf Grund einer landesgesetzlichen Ermächtigung im Sinne des §8 Abs5 F-VG 1948 (s. hiezu VfSlg. 8188/1977, S 359, sowie die grundlegenden Ausführungen über die Unterscheidung zwischen Benützungsgebühren und Interessentenbeiträgen im Erkenntnis des VfGH vom 27. Juni 1986, B842/84).
Hinsichtlich der Kanalbenützungsgebühren ist in §6 Abs2 dieses Gesetzes folgendes vorgesehen:
'Die Kanalbenützungsgebühren dürfen das Jahreserfordernis für die Instandhaltung und den Betrieb der Kanalanlage einschließlich einer angemessenen Erneuerungsrücklage nicht überschreiten.'
Das Kanalabgabengesetz 1955 scheint somit Kosten für die Errichtung der Kanalanlage, die erst später anfallen (wie Annuitäten für Darlehen), nicht zu umfassen. Denn man kann offensichtlich nicht davon ausgehen, daß auch die zur Rückzahlung für Baukosten aufgenommener Darlehen künftig erforderlichen Mittel bereits bei Bemessung des einmaligen Kanalisationsbeitrages Berücksichtigung finden sollen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. VfSlg. 7583/1975, S 481, und 8847/1980, S 488, sowie insbesondere das oben angeführte Erkenntnis vom 27. Juni 1986, B842/84) ist es zulässig, im Rahmen von Benützungsgebühren auch Kosten für die Errichtung von Anlagen in Anrechnung zu bringen. Der VfGH hat auch bereits ausgesprochen (s. VfSlg. 8099/1977, S 493, und VfGH 12. 12. 1985 V45-53/85), daß die Ermächtigung des §7 Abs5 F-VG 1948 zur Erhebung von Benützungsgebühren die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers zur Regelung des materiellen Abgabenrechtes insoweit einschränkt, als diese bundesgesetzliche Ermächtigung reicht. Daher darf der Landesgesetzgeber seinerseits keine Bestimmungen erlassen, welche die bundesgesetzliche Ermächtigung einengen.
b) §15 Abs3 Z4 Finanzausgleichsgesetz (FAG) 1979 (seit 1. Jänner 1985 §15 Abs3 Z5 FAG 1985, BGBl. 544/1984) ermächtigt die Gemeinden, vorbehaltlich weitergehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung, Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, mit Ausnahme von Weg- und Brückenmauten, auszuschreiben. Durch diese Bestimmung wird §7 Abs5 F-VG 1948 konkretisiert.
Es scheint nun, daß dieser der Gemeindevertretung bei der Ausschreibung von Gebühren bundesgesetzlich eingeräumte Freiraum durch die - die Anrechnung des Erfordernisses für Kosten der Errichtung der Anlage ausschließende - Bestimmung des §6 Abs2 Kanalabgabengesetz 1955 in verfassungswidriger Weise eingeschränkt wird (s. hiezu die bereits oben unter Pkt. 1. angeführte Rechtsprechung)."
4. Die Steiermärkische Landesregierung hat in beiden Normenprüfungsverfahren auf die Abgabe einer Äußerung verzichtet.
Der im Verordnungs- und Gesetzesprüfungsverfahren mitbeteiligte Bf. des Anlaßverfahrens hat im Gesetzesprüfungsverfahren eine Stellungnahme abgegeben, auf die in der Folge noch eingegangen wird.
II. Der VfGH hat im Gesetzesprüfungsverfahren G169/86 erwogen:
1. Es ist nichts hervorgekommen, was gegen die Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsverfahrens sprechen würde.
2. Den vorhin wiedergegebenen Bedenken des VfGH hält der Bf. des Anlaßverfahrens folgendes entgegen:
a) "Der VfGH geht auf Grund der Struktur des Stmk Kanalabgabengesetzes (Vorschreibung eines Kanalisationsbeitrages zwecks Deckung der Errichtungskosten bzw von Kanalbenützungsgebühren zwecks Deckung der laufenden Kosten) im Einleitungsbeschluß davon aus, daß das Stmk Kanalabgabengesetz offensichtlich fremdfinanzierte Errichtungskosten nicht erfasse und dadurch der durch §15 Abs3 Z4 FAG eingeräumte Freiraum eingeschränkt sei.
1. Dieser Sicht kann nicht gefolgt werden, wenn man sich vom das Gesetzesprüfungsverfahren auslösenden Sachverhalt löst:
Die Gemeinde Großwilfersdorf ist eine Landgmeinde, die keinen baulichen Kern aufweist. Im Siedlungsgebiet liegen die Baulichkeiten lose aneinandergereiht. Die dadurch bedingte geringe Verbauungsdichte läßt es nicht zu, die Kanalstränge so zu führen, daß beidseitig Objekte in den Verpflichtungsbereich gem §5 Stmk Kanalgesetz, LGBl 1955/70 kommen. Weiters ist zu erwähnen, daß - insbesondere im sogenannten II. Bauabschnitt kilometerlange Kanalführungen "im Grünen" gelegt wurden, um auch entlegene Objekte in den Anschlußbereich zu bringen. Bei einem derartigen Kanalsystem liegt es auf der Hand, daß die Anschlußwerte (§4 Abs1, Abs3 Stmk Kanalabgabengesetz) in Verbindung mit dem Einheitssatz (§4 Abs2 Stmk Kanalabgabengesetz) nicht in der Lage sind, die Errichtungskosten der Kanalanlage aufzubringen.
2. §15 Abs3 Z4 FAG 1979 ermächtigt die Gemeinden zur Ausschreibung von Benützungsgebühren, ohne hiebei explizite Aussagen über den Gebührenmaßstab oder die Gebührenhöhe zu machen. Dieser - vom Wortlaut unbeschränkten - Ermächtigung hat aber der VfGH Beschränkungen auferlegt. Er erkennt nämlich in ständiger Rechtsprechung (Vgl zuletzt 27.6.1986, B842/84), daß es im Wesen der Benützungsgebühr liege, daß ihre Höhe der Leistung der Gemeinde äquivalent sein müsse. Die Gesamteinnahmen aus dem Betrieb einer Gemeindeeinrichtung dürften die daraus entstehenden Kosten für die Errichtung, Erhaltung und für den Betrieb der Anlage nicht übersteigen. Das Äquivalenzprinzip gebiete, daß die Gemeinde ihre Einrichtungen, die sie für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betreiben, den Benützern zu angemessenen Preisen = Gebühren zur Verfügung stellen. Das geschehe aber nur dann, wenn bei der Festlegung der Gebühren von jenen Kosten ausgegangen werde, die der Gemeinde bei einer sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Errichtung und Führung der Einrichtung tatsächlich erwachsen bzw erwachsen würden.
3. Diese Judikatur wird den verfassungsrechtlich verankerten Geboten der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Verwaltung gerecht (Art126b Abs5, Art127 Abs1 und Art127a Abs1 B-VG). Diese Gebote sind als Kontrollmaßstab für alle öffentlichen Unternehmungen zu sehen (Vgl Wenger, Die öffentliche Unternehmung, 1969, 599). In den verfassungsrechtlich verankerten Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit wird deshalb der Auftrag zur Optimierung der Effizienz der Verwaltungstätigkeit erblickt (Vgl Adamovich - Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, 1984, 135f). Diese Prinzipien für effizientes Verwaltungshandeln sind auch in den Gemeindeordnungen und Stadtstatuten verankert (Vgl etwa §71 Abs1 Stmk Gemeindeordnung 1967, LGBl 115).
4. Diese Prinzipien müssen als verletzt betrachtet werden, wenn öffentliche Kanalanlagen in Gebieten mit geringer Verbauungsdichte bzw öffentlichen Kanalanlagen mit Bauführungen "im Grünen" errichtet werden. Die Höhe des eingesetzten Aufwandes (die Errichtungskosten) erscheint nämlich in diesen Fällen in bezug auf erzielten Erfolg (Entsorgung des Gemeindegebietes) als unwirtschaftlich bzw unzweckmäßig sowie als unverhältnismäßig. Ein solches Verwaltungshandeln entspricht nämlich nicht den rechtlich verbindlichen Verhaltensgrundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit und führt aufgrund der Gebührenfestsetzung dazu, daß auch die aus den grundrechtlichen Garantien der Verfassung ableitbaren Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit (Übermaßverbot) hoheitlicher Eingriffe (Vgl Adamovich - Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht2, 1984, 59) verletzt werden.
5. Kommt man nun zur Auffassung, daß nur öffentliche Kanalanlagen in Siedlungsgebieten mit entsprechender Bebauungsdichte als wirtschaftlich und zweckmäßig anzusehen sind, so muß die im Einleitungsbeschluß zum Gesetzesprüfungsverfahren §6 Abs2 Stmk Kanalabgabengesetz getroffene Annahme - die fremdfinanzierten Errichtungskosten einer Kanalanlage seien vom Stmk Kanalabgabengesetz nicht erfaßt - verworfen werden. In dicht verbauten Siedlungsgebieten - insbesondere dort, wo die Kanalführung beidseitig Bauobjekte in den Verpflichtungsbereich gem §5 Stmk Kanalgesetz zu bringen in der Lage ist - ist nämlich davon auszugehen, daß auf Grund der eingeräumten landesgesetzlichen Ermächtigung (§§1-4 Stmk. Kanalabgabengesetz) die Deckung sämtlicher Errichtungskosten gewährleistet ist. Bei als wirtschaftlich und zweckmäßig einzustufenden Kanalanlagen können nämlich auf Grund der Anzahl der Anschlußwerte (§4 Abs1 und Abs3 leg cit) in Verbindung mit dem Einheitssatz (§4 Abs2 leg cit) sämtliche Errichtungskosten aufgebracht, somit den Anschlußverpflichteten überwälzt werden.
Die §§1f und §6 Abs2 Stmk Kanalabgabengesetz füllen damit bloß die Ermächtigungsnorm des §15 Abs3 Z4 FAG 1979 aus, der bundesgesetzlich gem §15 Abs3 Z4 FAG 1979 den Gemeinden eingeräumte Freiraum kann deshalb nicht als eingeschränkt zu sehen sein."
Zunächst ist festzuhalten, daß sich diese vom Mitbeteiligten vorgebrachten Argumente primär gegen die Gesetzmäßigkeit der Kanalabgabenordnung richten. Der Zusammenhang macht es aber nötig, bereits hier die Voraussetzungen der rechtmäßigen Erlassung einer Kanalgebührenordnung durch eine Gemeinde unter dem Gesichtspunkt der vorgebrachten Argumente zu erörtern, um die Unrichtigkeit der Ansicht betreffend die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmung aufzuzeigen.
Wie der Beteiligte nämlich richtig ausführt, ist eine Gemeinde bei der Ausschreibung von Benützungsgebühren nach der Judikatur des VfGH an die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Verwaltung gebunden. Geht aber eine Gemeinde bei der Festsetzung der Gebühren für eine Einrichtung, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben wird, nicht von jenen Kosten aus, die bei einer sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Führung der Einrichtung tatsächlich erwachsen bzw. erwachsen würden, dann belastet dies die Gebührenverordnung mit Rechtswidrigkeit (vgl. VfSlg. 7583/1975, S. 481 und 8847/1980, S. 488). Grundsätzlich liegt es dabei aber im rechtspolitischen Ermessen einer Gemeinde, welche öffentliche Einrichtung sie errichtet und betreibt. In welchen Fällen eine Gemeinde diesen rechtspolitischen Spielraum überschreitet und daher (auch) die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Verwaltung verletzt, braucht hier nicht näher untersucht zu werden, weil auf Grund der Erfordernisse des Umweltschutzes - dessen Wahrung zu den Staatsaufgaben zählt (s. das BVG BGBl. 491/1984) - die Errichtung einer Kanalisationsanlage wohl auch dann gerechtfertigt ist, wenn das Gebiet nicht so dicht verbaut ist, daß beidseitig anliegende Grundstücke an den Kanalstrang angeschlossen werden können. Denn die genannten Grundsätze dürfen nicht für sich - gleichsam losgelöst - betrachtet, sondern müssen im Zusammenhang mit dem Sinn und Zweck der jeweiligen Verwaltungsmaßnahme gesehen werden.
Im übrigen sei (die Begründung zur Gesetzmäßigkeit der V vorwegnehmend, vgl. unten Pkt. III. 2. b) bereits hier darauf hingewiesen, daß keinerlei Anhaltspunkte dafür gefunden werden konnten, daß die Gemeinde bei Errichtung und Führung der konkreten Verwaltungseinrichtung die Gebote der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit verletzt hätte.
Mit diesen Erwägungen erweist sich auch die Unrichtigkeit der Ausführungen des Mitbeteiligten zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes. Anders als er meint (daß nämlich rechtmäßigerweise Kanalisationsanlagen nach den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit ohnedies nur in jenen Fällen errichtet werden dürften, in denen infolge hoher Verbauungsdichte und einer großen Zahl Anschlußpflichtiger sämtliche Errichtungskosten bereits durch den Kanalisationsbeitrag gedeckt werden können) dürfen nach dem vorhin Dargelegten die Gemeinden grundsätzlich auch dann Kanalisationsanlagen errichten und betreiben, wenn so hohe Errichtungskosten anfallen, daß ihre Deckung ausschließlich über den Kanalisationsbeitrag nicht mehr möglich ist. Abgesehen davon wird in die der Gemeinde durch §15 Abs3 Z5 FAG 1985 bundesgesetzlich eingeräumte Ermächtigung zur Ausschreibung von Benützungsgebühren durch ein Verbot des Landesgesetzgebers, zur Deckung der Errichtungskosten Benützungsgebühren zu erheben, auch dann eingegriffen, wenn - im Sinne der Ausführungen des Mitbeteiligten - die Deckung der Errichtungskosten über Interessentenbeiträge grundsätzlich möglich wäre.
b) Der Beteiligte bringt zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes weiters folgendes vor:
"1. §15 Abs3 Z4 FAG 1979 ermächtigt die Gemeinden zur Ausschreibung von Benützungsgebühren. Unter Beachtung der verfassungsrechtlichen verankerten Gebote der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit ist somit die Gemeinde berechtigt, bei der Festlegung der Gebühren von jenen Kosten auszugehen, die der Gemeinde bei einer sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Errichtung und Erhaltung bzw bei einem sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Betrieb erwachsen. Die Gemeinde kann - sie muß aber nicht, ist somit nicht verpflichtet - diesen Ermächtigungsumfang voll ausschöpfen. Sie ist somit auch berechtigt, nur einen Teil bzw Teile der angefallenen Kosten einer Gemeindeeinrichtung als Gebühr weiterzurechnen.
2. Das Stmk Kanalabgabengesetz ermächtigt im §1 leg cit die Gemeinde, zur Deckung der Kosten der Errichtung einer öffentlichen Kanalanlage einen Kanalisationsbeitrag einzuheben. Im §6 Abs1 leg cit wird zwar anerkannt, daß die Erhebung von laufenden Gebühren dem freien Beschlußrechte der Gemeinde obliegt, im Abs2 leg cit wird jedoch dieses Beschlußrecht - mißt man es isoliert an der Ermächtigung des §15 Abs3 Z4 FAG 1979 beschränkt. Der VfGH hat nun im Einleitungsbeschluß zum Gesetzesprüfungsverfahren des §6 Abs2 Stmk Kanalabgabengesetz die Ermächtigung zur Vorschreibung eines Kanalisationsbeitrages und die Vorschrift des §6 Abs2 als Einheit betrachtet, um von dieser einheitlichen Betrachtung ausgehend (vorerst) anzunehmen, daß das Kanalabgabengesetz 1955 "somit Kosten für die Errichtung der Kanalanlage, die erst später anfallen, nicht zu umfassen" scheint. Schließt man sich nun dieser aus der Systematik und dem Sinnzusammenhang des Stmk Kanalabgabengesetzes ableitbaren Einstellung des VfGH an, so kann die Vorschrift des §6 Abs2 leg cit nur verknüpft mit der im §1 leg cit ausgesprochenen Ermächtigung gesehen werden. §6 Abs2 leg cit muß somit inhaltlich wie folgt zu lesen bzw zu verstehen sein: 'Die Kanalbenützungsgebühren dürfen, wenn von der Ermächtigung gem §1 Gebrauch gemacht wurde, das Jahreserfordernis für .... nicht überschreiten'.
3. Ist nun §6 Abs2 leg cit mit der in §1 leg cit ausgesprochenen Ermächtigung verknüpft zu betrachten, somit in dieser Ermächtigung integriert zu sehen, so werden auf Grund des Stmk Kanalabgabengesetzes die Gemeinden nur berechtigt und nicht verpflichtet, auf die landesgesetzliche Ermächtigung zu greifen bzw. bis zur Höhe der landesgesetzlichen Ermächtigungsgrenze bestimmte Kostenteile als Gebühren weiterzurechnen. Es fehlt nämlich eine diesbezügliche auf §8 Abs6 F-VG gestützte Verpflichtung.
4. Bei dieser Sicht sind somit die Gemeinden nicht verpflichtet, bei der Bemessung der Kanalabgaben (nur) auf die (einschränkende) landesgesetzliche Ermächtigung (Vorschreibung eines Kanalisationsbeitrages und einer Benützungsgebühr) zu greifen. Die bundesgesetzliche Ermächtigung (§15 Abs3 Z4 FAG 1979) steht ihnen nämlich weiterhin zu. Eine Einschränkung des bundesgesetzlich eingeräumten Freiraumes bei der Ausschreibung von Gebühren kann somit nicht angenommen werden. Dieser Sicht steht auch nicht der im §8 Abs1 F-VG ausgesprochene auf §7 Abs5 F-VG bezugnehmende Vorbehalt entgegen, weil dieser Vorbehalt nur für die durch Landesgesetz geregelten Abgaben und nicht auch für die auf §8 Abs5 F-VG gestützten landesgesetzlichen Ermächtigungen gilt.
5. Wenn der VfGH meinen sollte, auch Kanalanlagen in dünnbesiedelten Gebieten bzw mit Kanalführungen "im Grünen" seien wirtschaftlich und zweckmäßig - die sämtlichen Errichtungskosten weiterzuverrechnen aufgrund der landesgesetzlichen Ermächtigung (§§1ff und §6 Abs2) nicht in der Lage wären - so stehen den steirischen Gemeinden folgende Wahlmöglichkeiten bei der Festsetzung von Kanalabgaben zu: Will eine Gemeinde sämtliche Errichtungs-, Erhaltungs- und Betriebskosten bei der Bemessung der Gebühren berücksichtigt wissen, so wird sie auf die bundesgesetzliche Ermächtigung zu greifen haben. Will eine Gemeinde dagegen - gleichgültig, welche politischen Erwägungen den Ausschlag geben - neben den laufenden Benützungskosten von den Errichtungskosten bloß einen einmaligen "Beitrag" fordern, so kann sie sich sowohl auf die bundesgesetzliche Ermächtigung gem §15 Abs3 Z4 FAG 1979 stützen (Vgl VfGH 27.6.1986, B842/84) als auch auf die in den §§1ff und §6 Abs2 zum Ausdruck gebrachte landesgesetzliche Ermächtigung greifen (in diesem Fall würde, wenn sich ein Ausschreibungsbeschluß auf die landesgesetzliche Ermächtigung stützte, der Wille des Gemeinderates, von den Errichtungskosten bloß einen Beitrag erheben zu wollen, klar erkenntlich sein). Ein gleiches Wahlrecht stünde einer Gemeinde zu, die nur die laufenden Kostenelemente einer Kanalanlage bei der Festsetzung der Kanalabgabe ansetzen wollte. Auch ihr wäre die bundesgesetzliche oder landesgesetzliche Ermächtigung nicht verschlossen."
Auch diese Ausführungen zerstreuen die Bedenken des VfGH nicht. Zwar ist es richtig, daß nach der Judikatur des VfGH (vgl. zuletzt VfGH 27. 6. 1986 B842/84) zusätzlich zur bundesgesetzlichen Ermächtigung eine solche des Landesgesetzgebers zur Einhebung von Benützungsgebühren zulässig ist. Allerdings ist der Landesgesetzgeber nicht berechtigt, die bundesgesetzliche Ermächtigung einzuschränken (vgl. in diesem Zusammenhang auch Wolny, Die Gebührenhoheit der Gemeinde, Linz 1986, S. 53). Dies hat der Landesgesetzgeber im vorliegenden Fall aber getan, indem er der Gemeinde die wesentliche, ihr durch die bundesgesetzliche Ermächtigung eingeräumte Möglichkeit genommen hat, bestimmte Kosten bei der Vorschreibung zu berücksichtigen, ohne daß die Hereinbringung dieser Kosten auf andere Weise gewährleistet wäre. Der Abs2 des §6 Kanalabgabengesetz schränkt das Beschlußrecht der Gemeinde nämlich ausdrücklich auf das Jahreserfordernis für die Instandhaltung und den Betrieb der Kanalanlage einschließlich einer angemessenen Erneuerungsrücklage ein, während - entsprechend den Bedenken des VfGH im Einleitungsbeschluß - nach der Judikatur des VfGH die bundesgesetzliche Ermächtigung zur Ausschreibung von Benützungsgebühren auch berechtigt, im Rahmen von Benützungsgebühren Kosten für die Errichtung der betreffenden Gemeindeeinrichtung in Anrechnung zu bringen. Die - vom Mitbeteiligten vorgenommene - Deutung, daß der Gemeinde ein Wahlrecht zustünde, sich entweder auf die bundesgesetzliche Ermächtigung zu stützen und dann von der Beschränkung des §6 Abs2 Kanalabgabengesetz frei zu sein oder diese Beschränkung in Kauf zu nehmen und sich auf die landesgesetzliche Ermächtigung zu stützen, verbietet sich schon deshalb, weil dann §6 Abs2 jeden normativen Sinn verlieren würde.
Im übrigen bestehen die Bedenken des VfGH auch dann zu Recht, wenn der Auslegung des Mitbeteiligten gefolgt würde und im Zusammenhang mit §1 Kanalabgabengesetz §6 Abs2 im Sinne von "die Kanalbenützungsgebühren dürfen, wenn von der Ermächtigung gemäß §1 Gebrauch gemacht wurde, das Jahreserfordernis für ... nicht überschreiten" verstanden würde. Wie vorhin (Pkt. a) bereits dargelegt, wird in die bundesgesetzliche Ermächtigung zur Erhebung von Benützungsgebühren auch dann eingegriffen, wenn die Beschränkung des §6 Abs2 nur für den Fall gälte, daß die Gemeinde aufgrund der Ermächtigung des §1 Kanalabgabengesetz auch einen Kanalisationsbeitrag erhebt. Die Höhe der Benützungsgebühren ist nur durch das Äquivalenzprinzip beschränkt, wobei Erlöse aufgrund anderer Beiträge, wie etwa von Interessentenbeiträgen, bei der Ermittlung des Jahreserfordernisses für die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung oder Anlage sowie für die Verzinsung und Tilgung der Errichtungskosten unter Berücksichtigung einer der Art der Einrichtung oder Anlage entsprechenden Lebensdauer zu berücksichtigen sind (vgl. VfGH 27. 6. 1986 B842/84).
3. Die Bedenken des VfGH, daß §6 Abs2 Kanalabgabengesetz 1955 den der Gemeindevertretung bei der Ausschreibung von Benützungsgebühren nach §15 Abs3 Z5 FAG 1985 bundesgesetzlich eingeräumten Freiraum in verfassungswidriger Weise einschränkt, erweisen sich somit als berechtigt. Da die in Prüfung gezogene Bestimmung in der Zwischenzeit durch die Nov. LGBl. 67/1986 außer Kraft getreten ist, ist nach Art140 Abs4 B-VG auszusprechen, daß diese Bestimmung verfassungswidrig war.
Die Kundmachungsverpflichtung stützt sich auf Art140 Abs5 B-VG.
III. Zum Verordnungsprüfungsverfahren V70/85 hat der VfGH erwogen:
1. Es ist nichts hervorgekommen, was gegen die Zulässigkeit des Verordnungsprüfungsverfahrens sprechen würde.
2.a) Gemäß Art140 Abs7 B-VG sind die als verfassungswidrig erkannten Normen auf den Anlaßfall nicht mehr anzuwenden. Anlaß für das soeben abgeschlossene Gesetzesprüfungsverfahren war das Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des zweiten Satzes des §6 Abs1 der Kanalabgabenordnung der Gemeinde Großwilfersdorf. Diese Verordnungsstelle ist daher so zu beurteilen, als gehörte die Bestimmung des §6 Abs2 des Kanalabgabengesetzes nicht der Rechtsordnung an (vgl. VfSlg. 9992/1984, S. 278, VfGH 25.9.1986 V49/86, 9.10.1986 V26/86).
b) In seinem Beschluß zur Prüfung der genannten V hat der VfGH das Bedenken geäußert, daß die Festlegung des Einheitssatzes mit S 15,-- pro m2 Berechnungsgrundlage gegen §6 Abs2 des Kanalabgabengesetzes zu verstoßen scheint, weil nach dem Inhalt der Verordnungsakten der Berechnung dieses Satzes auch die Kosten für die Rückzahlung der Darlehen für die Errichtung der Kanalanlage enthalten seien.
Angesichts des Ergebnisses des Gesetzesprüfungsverfahrens fällt aufgrund der Anlaßfallwirkung dieser Widerspruch weg. Die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung ist durch §15 Abs3 Z5 FAG 1985 (und auch durch §6 Abs1 Kanalabgabengesetz) gedeckt, zumal - wie bereits im Unterbrechungsbeschluß und oben unter Pkt. II. 2.a) dargestellt - die Festlegung der Gebührenhöhe dem Äquivalenzprinzip nicht widerspricht.
3. Es ist daher auszusprechen, daß die - nicht mehr in Kraft stehende - Verordnungsbestimmung nicht gesetzwidrig war.
IV. Diese Entscheidungen konnten gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung beschlossen werden.
Schlagworte
Kanalisation, Abgaben, Verwaltung, Umweltschutz, Finanzverfassung, Abgabenwesen, VfGH / PrüfungsmaßstabEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:G169.1986Dokumentnummer
JFT_10129689_86G00169_00