Index
L82000 Bauordnung;Norm
AVG §76 Abs2;Beachte
Besprechung in:Mannlicher, 07te Auflage, S 1048;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Rat Dr. Werner und die Räte Dr. Höslinger, Dr. Borotha, Dr. Porias und Dr. Hrdlitzka als Richter, im Beisein des Ministerialoberkommissärs Dr. Hezina als Schriftführer, über die Beschwerde der AT in W gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 26. September 1952, M.Abt.64/B XIX 21/52, betreffend Kosten der Vollstreckung baupolizeilicher Aufträge im Wege einer Ersatzvornahme, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Der Magistrat der Stadt Wien hat mit den Bescheiden vom 29. Juli 1949 und l. Februar 1950 der Beschwerdeführerin und an deren Eigentümern der Liegenschaft Wien XIX., H-strasse, Grdst.nnnn/2, nnnn/3 und nnn1/2 gemäss § 129 Abs.10 der BauO für Wien den Auftrag erteilt, die auf den im Wald- und Wiesengürtel gelegenen Grundstücken vorgenommenen baulichen Herstellungen (Sommerhütte, Werkzeughütte, Fundamente für ein Sommerhaus) binnen vier Wochen abtragen zu lassen. Mit Vollstreckungsverfügung vom 19. März 1951 wurde den Eigentümern der Auftrag erteilt, binnen einer Woche mit den ausständigen Arbeiten zu beginnen, widrigenfalls im Sinne des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes die Leistung auf deren Gefahr und Kosten bewerkstelligt werden würde. Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin - die Miteigentümerin der Liegenschaft ist - Berufung eingebracht, bezüglich welcher ihr seitens des Magistrates am 24. April 1951 mitgeteilt wurde, dass diese gemäss § 10 Abs. 3 VVG keine aufschiebende Wirkung habe. Mit der weiteren Vollstreckungsverfügung vom 15. Mai 1951 hat dar Magistrat gemäss § 4 VVG die zwangsweise Durchführung der angedrohten Massnahmen durch Ersatzvornahme angeordnet und mit der Durchführung eine bestimmte Baufirma mit der Weisung betraut, sämtliches brauchbares Material auf Kosten und Gefahr der Eigentümer auf dem Lagerplatz der Baufirma zu deponieren und die nicht weggeschafften Einrichtungsgegenstände in das Gemeindedepot zu bringen. Am 28. Februar 1952 verfügte der Wiener Magistrat mit Bescheid, dass die Liegenschaftseigentümer gemäss § 11 Abs. 1 VVG und § 76 AVG beauftragt werden, die mit S 15.068,38 ermittelten Kosten für die durchgeführten Abtragungsarbeiten dem Magistrat Wien zu erstatten, einen Unkostenbeitrag in der Höhe von S 226,-- zu entrichten sowie 4 % Verzugszinsen vom Fälligkeitstage an zu zahlen. Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin Berufung erhoben und darin geltend gemacht, dass die Behörde die Ersatzvornahme nicht hätte durchführen sollen, da über die gegen die Androhung der Ersatzvornahme erhobene Berufung noch nicht entschieden worden sei. Ferner wurde die Höhe der Ersatzforderung bestritten. Die Beschwerdeführerin habe mit anderen Personen die aufgewendete Arbeitszeit kontrolliert; es seien nicht einmal 300 Arbeitsstunden benötigt worden. Der Kostenaufwand von mehr als 15.000,-- S sei daher ungerechtfertigt. Der Magistrat hätte die Beschwerdeführerin zur Klarstellung der Forderung der Firma vor Bezahlung anhören müssen. Jedenfalls sei das Verlangen der Firma auf Vergütung für gewisse Arbeiten (z. B. Entnagelung von Brettern, Sortieren des Materials) abzulehnen gewesen. Ein Abtransport von Material sei deshalb nicht notwendig gewesen, weil ein abgebrochenes Fundament in den Kellerhub gestürzt sei und dort applaniert wurde. Die Wiener Landesregierung änderte mit Bescheid vom 26. September 1952 den erstinstanzlichen Bescheid dahin ab, dass die Vorschreibung des Unkostenbeitrages zu entfallen habe. Im übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, dass gemäss § 10 Abs. 1 VVG gegen eine Vollstreckungsverfügung nur aus einem der im Absatz 2 dieser Gesetzesstelle vorgebrachten Gründe Berufung eingebracht werden könne. Die vorgebrachten Gründe gehören nicht zu dieser Art. Mit Bescheid vom gleichen Datum, Zl. M.Abt.64/1282/51, hat die Wiener Landesregierung auch der Berufung gegen den Bescheid vom 19. März 1951 keine Folge gegeben, wobei ebenfalls darauf hingewiesen wurde, dass die vorgebrachten Gründe nicht denen des § 10 Abs. 2 VVG entsprachen.
Gegen den Berufungsbescheid vom 26. September 1952, betreffend Kostenvorschreibung, richtet sich die vorliegende Beschwerde. In dieser wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Das Erkenntnis des Gerichtshofes stützt sich auf folgende Erwägungen:
Im vorliegenden Fall ist die Aufrechterhaltung eines Berufungsbescheides angefochten, durch den der Beschwerdeführerin die Kosten der Vollstreckung baupolizeilicher Aufträge im Wege der Ersatzvornahme unter Berufung auf § 11 Abs. 1 VVG und § 76 Abs. 2 AVG zum Ersatz vorgeschrieben wurden. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung die Möglichkeit einer gleichzeitigen Bezugnahme auf § 11 Abs. 1 VVG und § 76 (richtig § 76 Abs. 2) AVG verneint. Die Bestimmung des § 76 Abs. 2 AVG ist nach den Erkenntnissen vom 26. Juni 1950, Slg. N.F. Nr. 1569 (A), und vom 17. Dezember 1951, Zl. 2276/50, dann nicht anwendbar, wenn die Tragung der der Behörde erwachsenen Barauslagen nicht durch eine Sondervorschrift geregelt ist. Eine solche Sonderregelung findet sich in Ansehung der Barauslagen, die anlässlich der Vollstreckung eines baupolizeilichen Auftrages durch Ersatzvornahme entstanden sind, in den §§ 11 und 3 VVG. Es erweist sich sohin die Bezugnahme auf § 76 AVG als rechtsirrig. Findet der angefochtene Bescheid seine materiellrechtliche Grundlage in der Bestimmung des § 11 Abs. 1 VVG, derzufolge die Kosten der Vollstreckung dem Verpflichteten zur Last fallen und gemäss § 3 VVG einzutreiben sind, dann entsteht die Frage, ob ein solcher Bescheid als eine Vollstreckungsverfügung im Sinne des § 10 Abs. 2 VVG anzusehen ist. Die belangte Behörde hat diese Frage offenbar im Sinne des Vorliegens einer Vollstreckungsverfügung beantwortet, indem sie auf die Einschränkung des Berufsrechtes und in der Gegenschrift im Zusammenhang mit der von der Beschwerdeführerin gerügten Verletzung des Parteiengehörs auf die Unanwendbarkeit des II. Teiles des AVG auf das Vollstreckungsverfahren hingewiesen hat. Der Gerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 18. Juni 1952, Slg. N.F. Nr. 2577 (A), ausgeführt, dass gegen die von Mannlicher vertretene Auffassung, der Bescheid, der die Vorschreibung der Kosten zum Gegenstand hat, stelle keine Vollstreckungsverfügung im Sinne des § 10 Abs. 2 VVG dar, sondern habe den Charakter eines verfahrensrechtlichen Bescheides, keine Bedenken bestehen, wodurch die Zuordnung solcher Bescheide unter die Vollstreckungsverfügungen abgelehnt ist. Der Gerichtshof ist nach wie vor dieser Auffassung. Er fügt hinzu, dass solche Bescheide den Charakter von verfahrensrechtlichen Bescheiden im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens besitzen. Für solche Bescheide finden aber nicht die Bestimmungen des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes Anwendung, sondern die des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes. Dies aus dem Grunde, weil die Vorschriften des AVG überall dort Anwendung finden, wo Verwaltungsbehörden im Sinne des Art. VI EGVG einschreiten und nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Die Bestimmungen des AVG finden demnach auch zur Gänze im Vollstreckungsverfahren Anwendung, es sei denn, dass das VVG in dieser Hinsicht etwas anderes bestimmt. Solche, die Anwendung des AVG einschränkende Bestimmungen sind zwar im § 10 Abs. 1 und 2 enthalten, aber diese gelten nur für das Vollstreckungsverfahren im engeren Sinne, d. h. für das Verfahren, das anknüpfend an den Vollstreckungstitel zu der der Exekutionsbewilligung vergleichbaren Verfügung der Vollstreckung und zur Vollstreckungsmassnahme selbst führt. Der Bescheid, durch den dem Verpflichteten der Ersatz der Vollstreckungskosten vorgeschrieben wird, ist nun keine Vollstreckungsverfügung in diesem Sinne. Wohl spricht er über eine durch das Vollstreckungsverfahren ausgelöste Rechtsfrage ab - Verpflichtung zum Kostenersatz -, weshalb er als verfahrensrechtlicher Bescheid, der im Zuge des Vollstreckungsverfahrens erlassen wird, anzusehen ist. Auf diesen Bescheid sind die Bestimmungen des AVG voll anwendbar. Der Rüge wegen der Verletzung des Parteiengehörs kann daher nicht mit der grundsätzlichen Verneinung der Anwendbarkeit der Bestimmungen des AVG über das Ermittlungsverfahren (II. Teil) entgegengetreten werden.
Die von der Beschwerdeführerin gerügte Verletzung des Parteiengehörs steht im Zusammenhang mit der im Berufungsverfahren vorgebrachten Bestreitung der Höhe des angeforderten Kostenersatzes. In dieser Hinsicht ist zunächst auf die Bestimmung des § 4 Abs. 1 VVG zu verweisen, wonach die Ersatzvornahme auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten geschieht. Aus dieser Vorschrift folgt, dass der Verpflichtete, der den im offen stehenden Weg der Herstellung des von der Behörde geforderten Zustandes nicht gewählt hat, das Risiko tragen muss, dass sich die Kosten, die durch die Geschäftsführung eines Dritten entstanden sind, höher stellen, als die Kosten gewesen wären, die durch die Vergebung der Arbeiten seitens des Verpflichteten selbst entstanden wären. Allerdings darf aus der Verpflichtung der Partei zum Kostenersatz nicht abgeleitet werden, dass der Verpflichtete die Kosten selbst dann tragen müsste, wenn eine entsprechende Leistung seitens des behördlicherseits bestellten Gewerbetreibenden gar nicht erbracht worden wäre. Gerade zur Frage der Leistungsangemessenheit hat die Beschwerdeführerin schon in ihrer Berufung vorgebracht, dass nach eigener Beobachtung weniger als 300 Arbeitsstunden erforderlich gewesen wären. Auch seien nach Meinung der Beschwerdeführerin Leistungen verrechnet worden, die über die Aufträge, auf die sich die Vollstreckungsverfügung vom 16. Mai 1951 bezogen habe, hinausgegangen seien. Die belangte Behörde hat die Bekämpfung der ziffernmässigen Höhe der Kostenvorschreibung deshalb für unzulässig erachtet, weil Einwendungen dieser Art nicht solche Berufungsgründe darstellen, die im § 10 Abs. 2 VVG vorgesehen sind. Auch in dieser Hinsicht ist die belangte Behörde von der bereits als unrichtig gekennzeichneten Anschauung ausgegangen, dass der Bescheid nach § 11 Abs. 1 VVG selbst eine Vollstreckungsverfügung darstelle. Aus dieser Rechtsansicht ist es auch zu erklären, dass die belangte Behörde über die gegen die Höhe der Kostenersatzforderung gerichteten Einwendungen hinweggegangen ist. Die Unterlassung diesbezüglicher Feststellungen hatte nach Ansicht des Gerichtshofes zur Folge, dass der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben ist, weil es nicht von der Hand zu weisen ist, dass eine Überprüfung der Kostenrechnung im Sinne der Behauptungen der Beschwerdeführerin eine Herabsetzung der Kostenersatzforderung zur Folge gehabt hätte. Die Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes führt im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (§ 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG).
In der Beschwerde sind noch Ausführungen darüber enthalten, dass die Kostenvorschreibung auch diejenigen Aufwendungen umfasse, die durch die Wegschaffung des Abbruchmaterials entstanden sind. Die Aufträge vom 29. Juli 1949 und vom 1. Februar 1950 hätten den Eigentümerin der Liegenschaft nur die Abtragung bzw. die Beseitigung der Baulichkeiten aufgetragen. Mit der Vollstreckungsverfügung vom 16. Mai 1951 sei aber nicht nur die Durchführung des baubehördlichen Auftrages verfügt, sondern darüber hinaus auch angeordnet worden, dass sämtliches brauchbares Material auf Kosten und Gefahr der Eigentümer auf dem Lagerplatz der Firma S zu deponieren sei und die bis dahin nicht weggeschafften Einrichtungsgegenstände in das Gemeindedepot zu bringen seien. Die Ersatzvornahme habe daher die durch die behördlichen Aufträge gesteckten Grenzen weit überschritten. Dieses Vorbringen ist zwar durch die Akten des Verwaltungsverfahrens gedeckt, aber es ist nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erweisen. Die Beschwerdeführerin hat es nämlich unterlassen, die Vollstreckungsverfügung vom 16. Mai 1951 mit Berufung nach § 10 Abs. 2 VVG anzufechten, weil die Vollstreckungsverfügung mit dem zu vollstreckenden Bescheid nicht übereinstimmt. Infolgedessen ist für die Heranziehung der Beschwerdeführerin zur Tragung der Kosten eine Situation entstanden, als ob die baupolizeilichen Aufträge auch den Abtransport des Abbruchmaterials zum Gegenstande gehabt hätten und dieser Auftrag durch Ersatzvornahme vollstreckt worden wäre.
Der weitere in der Beschwerde enthaltene Einwand, dass die Behörde die Entscheidung über die gegen den Bescheid vom 19. März 1951 (Vollstreckungsverfügung betreffend Androhung der Ersatzvornahme) eingebrachte Berufung hätte abwarten sollen, ist schon deshalb abwegig, weil es sich bei dem angefochtenen Bescheid nicht um die Anordnung der Ersatzvornahme selbst, sondern um den Kostenersatz für die bereits geleisteten Arbeiten handelt. Nach der Aktenlage ist der Bescheid vom 16. Mai 1951, der die Ersatzvornahme verfügte, nicht angefochten worden, wie schon erwähnt wurde; die Frage der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes hat sohin ausser Betracht zu bleiben. Abgesehen davon ist die Behauptung der Beschwerdeführerin, dass zum Zeitpunkt der Einbringung ihrer Beschwerde über ihre Berufung gegen den Bescheid vom 19. März 1951 noch nicht abgesprochen worden sei, unrichtig. Der in der Sachverhaltsdarstellung erwähnte Berufungsbescheid vom 26. September 1952 wurde laut Rückschein der Beschwerdeführerin am 2. Oktober 1952 zugestellt, während die Beschwerde am 10. November 1952 zur Post gegeben wurde.
Wien, am 17. Februar 1954
Schlagworte
Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Baugebrechen Instandhaltungspflicht Instandsetzungspflicht BauRallg9/3Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Allgemein VwRallg10/1Baupolizei Vollstreckung Kosten BauRallg10European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1954:1952002883.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
27.05.2015