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L5 KulturrechtNorm
B-VG Art139 Abs3 zweiter Satz litcLeitsatz
Bebauungsplan Gloggnitz (für zwei Grundstücke); den in §6 Abs4 Nö. NaturschutzG enthaltenen Versagungsgründen liegen überörtliche Aspekte zugrunde - keine Bedenken, daß §6 Abs2 Z2 iVm. §6 Abs4 leg. cit. in Widerspruch zu Art119a B-VG stehen; Kundmachung eines zustimmungsbedürftigen Aktes vor Erteilung der Zustimmung - keine ordnungsgemäße Kundmachung; der Bebauungsplan ist vor Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung kundgemacht worden; keine rückwirkende Bewilligung; teils Aufhebung des Bebauungsplanes, teils Feststellung, daß der Bebauungsplan gesetzwidrig warSpruch
Die vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Gloggnitz am 23. Juni 1983 beschlossene, durch Anschlag an der Amtstafel vom 27. Juni 1983 bis 12. Juli 1983 kundgemachte und am 13. Juli 1983 in Kraft getretene V über die Erlassung eines Bebauungsplanes für die Grundstücke 1080/2 und 1080/3, KG Stuppach, (Silbersberg-Äcker) wird, soweit sie sich auf das einen wesentlichen Bestandteil der V bildende Plandokument des Architekturbüros NÖ-Süd, Dipl.Ing. Heinz Seiser, bezieht, als gesetzwidrig aufgehoben.
Die V war, soweit sie sich auf die dazugehörigen, einen wesentlichen Bestandteil der V bildenden Bebauungsvorschriften bezieht, gesetzwidrig.
Die Niederösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim VfGH ist zu B545/85 ein Beschwerdeverfahren
anhängig, dem folgender Sachverhalt zugrundeliegt:
a) Mit dem Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde
Gloggnitz vom 25. Oktober 1983 wurde der ... Bau- und
Wohnungsgenossenschaft "..." gemäß §92 der NÖ Bauordnung,
LGBl. 8200-3, die Bewilligung zur Errichtung von 100 Wohnungen auf
den Grundstücken 1080/2 und 1080/3, KG Stuppach, erteilt.
Die von Anrainern, darunter dem Bf., gegen das Bauvorhaben erhobenen Einwendungen wurden zum Teil als unzulässig zurückgewiesen, zum Teil als unbegründet abgewiesen.
b) Der vom Bf. als Anrainer gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung hat der Gemeinderat der Stadtgemeinde Gloggnitz mit dem Bescheid vom 23. Mai 1984, ZVI-1434/3/82, keine Folge gegeben.
Die gegen diesen Bescheid vom Bf. erhobene Vorstellung führte nach dem Bescheid der NÖ Landesregierung vom 14. Juni 1985 gemäß §61 Abs4 der NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-4, zu keinem Erfolg.
2. Aus Anlaß dieser Beschwerde hat der VfGH beschlossen, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Gloggnitz am 23. Juni 1983 beschlossenen, durch Anschlag an der Amtstafel vom 27. Juni 1983 bis 12. Juli 1983 kundgemachten und am 13. Juli 1983 in Kraft getretenen Bebauungsplanes für die Grundstücke 1080/2 und 1080/3, KG Stuppach, (Silbersberg-Äcker) einzuleiten (Beschluß vom 10. 12. 1986 B545/85).
Die in Prüfung gezogene V lautet:
"Gemäß §3, 4, 5, 6, 7 und 8 der NÖ. Bauordnung wird für die Grundstücke 1080/2 und 1080/3, Katastralgemeinde Stuppach (Silbersberg-Äcker) ein Bebauungsplan erlassen. Das Plandokument des Architekturbüro NÖ-Süd, Dipl.Ing. Heinz Seiser, sowie die dazugehörigen Bebauungsvorschriften bilden einen wesentlichen Bestandteil dieser V und liegen während der Kundmachungsfrist innerhalb der Amtsstunden zur allgemeinen Einsicht auf.
Gleichzeitig werden die für das durch den vorliegenden Bebauungsplan erfaßten Gebiete derzeit gültigen Bebauungsvorschriften außer Kraft gesetzt.
Diese V tritt gemäß §59 NÖ. Gemeindeordnung nach Ablauf der Kundmachungsfrist in Kraft."
3. Die Niederöstereichische Landesregierung hat mitgeteilt, daß sie von der Erstattung einer Äußerung absieht.
Die Stadtgemeinde Gloggnitz hat auf die "erforderliche Ergänzung der Bebauungsvorschriften im Rahmen eines Änderungsverfahrens gemäß NÖ. Bauordnung, LGBl. 8200-2," hingewiesen.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Der in Prüfung gezogene Bebauungsplan ist bei der Erlassung des Bescheides des Anlaßbeschwerdeverfahrens angewendet worden. Er ist auch vom VfGH bei der Entscheidung über die Beschwerde anzuwenden. Die Präjudizialität ist gegeben. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.
2. Der VfGH hat im Einleitungsbeschluß die Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des Bebauungsplanes wie folgt dargelegt:
"Die Grundstücke 1080/2 und 1080/3, KG Stuppach, liegen im Bereich des Landschaftsschutzgebietes 'Rax-Schneeberg' (§2 Abs12 der V der NÖ Landesregierung über die Landschaftsschutzgebiete, LGBl. 5500/35-4).
Nach §6 Abs2 Z2 des NÖ Naturschutzgesetzes, LGBl. 5500-3, bedarf in Landschaftsschutzgebieten die Erlassung von Bebauungsplänen nach Maßgabe der Bestimmungen der NÖ Bauordnung, LGBl. 8200, der Bewilligung der Landesregierung (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieser Bestimmung vgl. VfSlg. 9156/1981).
Nach den vorgelegten Verwaltungsakten scheint eine Bewilligung zur Erlassung des Bebauungsplanes nach §6 Abs2 des Naturschutzgesetzes - obgleich auf deren Erfordernis in dem im Verfahren nach §88 der NÖ Gemeindeordnung 1973 an den Bürgermeister der Stadtgemeinde Gloggnitz ergangenen Schreiben des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung vom 18. Mai 1984 hingewiesen worden war - nicht erteilt worden zu sein.
Wegen des Fehlens dieser Bewilligung scheint der Bebauungsplan gesetzwidrig zu sein (vgl. VfGH 3. 12. 1985 V67/83, VfSlg. 7064/1973, 7065/1973).
Es scheint eine (rückwirkende) Sanierung dieses Mangels durch die Erteilung der Bewilligung des Bebauungsplanes in der vom Gemeinderat am 12. Dezember 1985 beschlossenen Fassung mit dem Bescheid der NÖ Landesregierung vom 27. Feber 1986 für die im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Gemeinderates vom 23. Mai 1984 geltende, für die Beurteilung der Beschwerde maßgebliche Fassung (vgl. VfGH 3. 12. 1985 V67/83) nicht bewirkt worden zu sein."
3.a) Die nach §6 Abs2 Z2 des NÖ Naturschutzgesetzes erforderliche Bewilligung der Erlassung von Bebauungsplänen nach Maßgabe der Bestimmungen der NÖ Bauordnung ist zu versagen, wenn durch eine Maßnahme das Landschaftsbild, die Landschaft in ihrer Schönheit und Eigenart oder der Erholungswert der Landschaft für die Bevölkerung und den Fremdenverkehr dauernd und maßgeblich beeinträchtigt wird und nicht durch Vorschreibung von Vorkehrungen die Beeinträchtigung weitgehend ausgeschlossen werden kann (§6 Abs4 des NÖ Naturschutzgesetzes).
Im Erkenntnis VfSlg. 9156/1981 hat der VfGH folgendes ausgeführt:
"In §6 Abs2 Z1 des Nö. Naturschutzgesetzes wird die Bewilligung der Landesregierung für bestimmte Arten der Flächenwidmung in Landschaftsschutzgebieten (darunter die Widmung von Grundstücken als Bauland) gefordert. Der VfGH steht in ständiger Rechtsprechung auf dem Standpunkt, daß sich jeder Flächenwidmungsplan einer Gemeinde zur Gänze in überörtliche Interessen einzufügen hat, sodaß auch jedes Abweichen von Normen des Planes solche überörtliche Interessen im besonderen Maße berührt (s. VfSlg. 8150/1977 und die dort angeführte Vorjudikatur). Es unterliegt keinem Zweifel, daß den in Abs4 des §6 Nö. Naturschutzgesetz enthaltenen Versagungsgründen überörtliche Aspekte zugrunde liegen.
Bei verfassungskonformer Interpretation des §6 Nö. Naturschutzgesetz ist infolgedessen davon auszugehen, daß die Bewilligung durch die Landesregierung eine Maßnahme des Aufsichtsrechts iS des Art119a B-VG darstellt (vgl. in diesem Zusammenhang das ebenfalls Gesichtspunkte des Landschaftsschutzes betreffende, bereits oben angeführte Erk. VfSlg. 8150/1977). Die in §6 Abs4 Nö. Naturschutzgesetz festgelegten Versagungsgründe sind - so gesehen - weitere Determinanten für die von der Gemeindeaufsichtsbehörde zu erteilende Genehmigung, und zwar unter dem Aspekt des Landschaftsschutzes als Element der Raumordnung.
Der VfGH hat daher keine Bedenken gegen die Vereinbarkeit des §6 Abs2 Nö. Naturschutzgesetz mit Art119a
B-VG."
Im Hinblick darauf, daß den in Abs4 des §6 des NÖ Naturschutzgesetzes enthaltenen Versagungsgründen überörtliche Aspekte zugrundeliegen, hat der VfGH nicht das Bedenken, daß die Regelung des §6 Abs2 Z2 in Verbindung mit §6 Abs4 wegen eines Widerspruches zu Art119a B-VG verfassungswidrig wäre. Wie im Einleitungsbeschluß angenommen, ist die Regelung verfassungsrechtlich unbedenklich.
b) Die in Prüfung gezogene V ist vor Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung kundgemacht worden. Auch ist eine (rückwirkende) Bewilligung der im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Anlaßbeschwerdeverfahrens maßgeblichen Fassung der V nicht erteilt worden.
Wie der VfGH wiederholt ausgesprochen hat (vgl. die im Einleitungsbeschluß angeführte Rechtsprechung), ist die Kundmachung eines zustimmungsbedürftigen Aktes vor Erteilung der Zustimmung nicht als ordnungsgemäße Kundmachung anzusehen. Wegen des Mangels einer ordnungsgemäßen Kundmachung ist die in Prüfung gezogene V gesetzwidrig.
c) Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Gloggnitz hat in seiner Sitzung am 12. Dezember 1985 nachstehenden Beschluß gefaßt:
"Der gemäß GRB vom 23. 6. 1983, Zahl 2.913, verordnete Bebauungsplan für das Gebiet 'Silbersbergäcker' in der Kat.Gem. Stuppach wird hinsichtlich der Bebauungsvorschriften gemäß §7
(3) und §8 der NÖ. Bauordnung wie folgt ergänzt und haben diese wie folgt zu lauten:
§1 Dachform . . ."
Die diesen Beschluß enthaltende V ist am 1. Jänner 1986 in Kraft getreten.
Der vom Gemeinderat am 23. Juni 1983 beschlossene Bebauungsplan für die Grundstücke 1080/2 und 1080/3, KG Stuppach, (Silbersberg-Äcker) steht daher im Zeitpunkt der Fällung des Erkenntnisses des VfGH noch insoweit in Geltung, als er sich auf das einen Bestandteil der V bildende Plandokument des Architekturbüros NÖ-Süd, Dipl.Ing. Heinz Seiser, bezieht. Deswegen war auszusprechen, daß der Bebauungsplan insoweit als gesetzwidrig aufzuheben ist.
Hingegen sind die ebenfalls einen wesentlichen Bestandteil der V bildenden Bebauungsvorschriften mit dem Inkrafttreten der vom Gemeinderat am 12. Dezember 1985 beschlossenen und am 1. Jänner 1986 in Kraft getretenen V außer Kraft getreten.
Es war daher auszusprechen, daß der vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Gloggnitz am 23. Juni 1983 beschlossene Bebauungsplan, soweit er sich auf die einen wesentlichen Bestandteil der V bildenden Bebauungsvorschriften bezieht, gesetzwidrig war (Art139 Abs4 B-VG).
4. Die Verpflichtung zur Kundmachung der Aufhebung und des Ausspruches gemäß Art139 Abs4 B-VG ergibt sich aus Art139 Abs5
B-VG.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 idF BGBl. 297/1984 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.
Schlagworte
Verordnung, Kundmachung, Baurecht, Raumordnung, Naturschutz- und Landschaftsschutz, Gemeinderecht, Aufsichtsrecht, GenehmigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:V10.1987Dokumentnummer
JFT_10129683_87V00010_00