TE Vwgh Erkenntnis 1981/7/6 2112/79

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Veröffentlicht am 06.07.1981
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
96/01 Bundesstraßengesetz;

Norm

AVG §68 Abs4 lita;
BStG 1971 §17 idF 1975/239;
BStG 1971 §3 idF 1975/239;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Lehne und die Hofräte Dr. Strassmann, Dr. Pichler, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissär Dr. Forster, über die Beschwerde 1) des K H in W, 2.) des Dkfm. I W in R, 3.) der L K in W, 4.) des Ing. M D in W, 5.) der R F in H, 6.) des G J in W, 7.) des H B in W, 8.) des H G in W, 9.) des H R in W, 10.) des G B in W und 11.) desW F in W, alle vertreten durch Dr. R M und Dr. W Ö, Rechtsanwälte in D, gegen jenen Teil des Bescheides des Bundesministers für Bauten und Technik vom 28. Mai 1979, Zl. 890 667/1-III/9-77, womit der Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 17. August 1977 gemäß § 68 Abs. 4 lit. a AVG 1950 für nichtig erklärt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Teil des Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von zusammen S 3.462,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Republik Österreich, Bundesstraßenverwaltung (kurz Bundesstraßenverwaltung), vertreten durch den Landeshauptmann von Vorarlberg stellte mit dem am 3. Juli 1975 beim Amt der Vorarlberger Landesregierung eingelangten Schreiben vom 1. Juli 1975 unter Anschluss der erforderlichen Beilagen den Antrag, die für den Ausbau der Rheintalautobahn A 14 - Abschnitt "Bregenz" - einschließlich des Lärmschutzdammes benötigten Grundflächen von ca. 678 m2 aus dem Grundstück Nr. 977 und von ca. 861 m2 aus dem Grundstück Nr. 978 beide EZ. 2337 KG. X zu enteignen. Die Trassenführung der Autobahn in diesem Bereich sei mit der Verordnung BGBl. Nr. 227/1975 verlautbart worden. Auf den Grundflächen befänden sich zwei Wohnblöcke (A und B) mit je 12 Wohneinheiten, an denen Wohnungseigentum begründet worden sei. Auf der beanspruchten Fläche stehe der Wohnblock B, während der Wohnblock A außerhalb der beanspruchten Fläche liege, auf welcher sich auch die Parkplätze für beide Wohnblöcke befänden. Der Wohnblock B enthalte auch die gemeinsame Heizungsanlage für beide Objekte. Die Wohnungseigentümer der Wohneinheiten in Block A (es sind dies die 11 Beschwerdeführer und ein weiterer Miteigentümer) seien auch Miteigentümer an den beanspruchten Flächen. Insbesondere mit diesen Miteigentümern seien die Verhandlungen gescheitert. Es bedürfe daher der Enteignung a) der Wohnungseigentümer des Blockes B sowohl hinsichtlich ihrer jeweiligen Miteigentumsanteile an den im beiliegenden Lageplan ausgewiesenen beanspruchten Teilflächen der beiden Grundstücke als auch hinsichtlich des mit diesen Anteilen verbundenen Wohnungseigentumsrechtes und b) der Wohnungseigentümer des Blockes A hinsichtlich ihrer Anteile an den ausgewiesenen Teilflächen sowie der Festsetzung der Höhe der Entschädigungen.

Der straßenbautechnische Amtssachverständige führte in seinem Gutachten vom 24. Juli 1975 zur Notwendigkeit der Enteignung unter Hinweis auf die durch die zitierte Verordnung festgelegte Streckenführung aus, dass die Linienführung und Querschnittsgestaltung der Autobahn im Autobahntrog mit beiderseitigen Lärmschutzdämmen vom Bundesminister für Bauten und Technik am 3. Mai 1974 genehmigt worden sei. Die Querschnittsgestaltung sei in einer von der Ingenieurgemeinschaft N durchgeführten lärmtechnischen Untersuchung erarbeitet worden. Die Lärmschutzdämme einschließlich Bepflanzung seien Bestandteile der Autobahn und würden die beanspruchten Grundflächen für deren Errichtung und Bepflanzung benötigt.

Bei der am 6. August 1975 durchgeführten mündlichen Verhandlung stimmte die Bundesstraßenverwaltung der beantragten Gesamteinlösung der Grundstücke hinsichtlich der Miteigentumsanteile der Wohnungseigentümer des Blockes B zu, nicht aber bezüglich des Blockes A. Der Vertreter der Beschwerdeführer verwies unter Vorlage eines Schriftsatzes darauf, dass die Baugenehmigung für die Wohnblöcke vom Bürgermeister der Gemeinde X mit Bescheid vom 21. April 1972 deshalb erteilt worden sei, weil der Bundesminister für Bauten und Technik über Anfrage mitgeteilt habe, dass die Autobahn das X-Gebiet nicht berühre. Trotzdem sei es dann zur gegenständlichen Trassenführung gekommen. Beide Wohnblöcke würden auch eine tatsächliche Einheit bilden, zumal der Wohnblock B die wesentlichen Versorgungseinrichtungen für den Block A beinhalte usw. Trotz der Führung der Autobahn mit der (daneben liegenden) D-straße (es ist dies eine im Zuge des Autobahnbaues neu zu schaffende Landesstraße) im Westen des Wohnblockes A samt Verbindungswegen (so von der D-straße zur Lstraße) in einem gemeinsamen Trog und der Schallschutzmaßnahmen würden der zumutbare Schallpegel und die gesundheitlich zumutbare Geruchsbelästigung erheblich überschritten, wozu noch komme, dass die die Autobahn querende L-straße näher zum Wohnblock verlegt werde. Es bedürfe daher der Gesamteinlösung auch in Ansehung des Wohnblockes A.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 11. August 1975 wurden über Antrag der Bundesstraßenverwaltung

I. gemäß den §§ 17 ff des Bundesstraßengesetzes 1971 in der geltenden Fassung (BStrG) in Verbindung mit den Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 unter Aufrechterhaltung der in den C-Blättern des Grundbuches einverleibten Dienstbarkeiten lastenfrei zu Gunsten der Bundesstraßenverwaltung im Enteignungsweg in Anspruch genommen:

a) die Miteigentumsrechte der Wohnungseigentümer des Wohnblockes B (B 13 bis 34) an den im Antrag genannten Teilflächen der beiden Grundstücke (laut Lageplan grün gefärbt) und

b) das mit den unter a) angeführten Miteigentumsrechten der Wohnungseigentümer des Wohnblockes B (B 13 bis 34) untrennbar verbundene Wohnungseigentum, zu

II. ausgesprochen, dass die Miteigentumsanteile der Wohnungseigentümer des Wohnblockes B an den laut Lageplan verbleibenden Restflächen der beiden Grundstücke von der Bundesstraßenverwaltung gemäß § 18 BStrG als nicht mehr zweckmäßig nutzbar einzulösen sind,

III. die Entschädigungen für die in I. und II. in Anspruch genommenen Eigentumsanteile ziffernmäßig bestimmt festgesetzt,

IV. den in III. genannten enteigneten Wohnungseigentümern die Übergabe der Räumlichkeiten bis 30. April 1977 aufgetragen und

V. weiters ausgesprochen, dass über den Enteignungsantrag gegen die Miteigentümer, mit deren Miteigentumsanteilen das Wohnungseigentum an den Wohnungen B 1 bis 12 im Wohnblock A verbunden ist (darunter die 11 Beschwerdeführer) und über deren Antrag auf Einlösung des gesamten Grundstückes bzw. über ihre Entschädigungsforderungen für den Fall, dass das genannte Grundstück nicht eingelöst werden sollte, gemäß § 59 Abs. 1 AVG 1950 nach Durchführung weiterer Ermittlungen gesondert entschieden werde.

Zur Begründung wurde bezüglich der Gesamteinlösung in Ansehung der Wohnungseigentümer des Blockes B ausgeführt, dass diese zufolge der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens gerechtfertigt sei, hingegen die Frage der Gesamteinlösung in Ansehung der Wohnungseigentümer des Blockes A noch von der Durchführung weiterer Erhebungen abhängig sei. Gegen diesen Bescheid wurde von keiner Partei ein Rechtsmittel ergriffen.

In der Folge wurde eine Reihe weiterer Sachverständigengutachten eingeholt, zu der die Beschwerdeführer und die Bundesstraßenverwaltung Stellungnahmen abgaben und ihre bisherigen Anträge aufrecht erhielten.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 17. August 1977 wurden, soweit dies für das verwaltungsgerichtliche Verfahren von Bedeutung ist,

I. gemäß den §§ 17 ff BStrG in Verbindung mit den Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 unter Aufrechterhaltung der in den C-Blättern des Grundbuches einverleibten Dienstbarkeiten lastenfrei zu Gunsten der Bundesstraßenverwaltung die Miteigentumsrechte der Wohnungseigentümer des Wohnblockes A (B 1 bis 12) an den im Antrag genannten Teilflächen der beiden Grundstücke (laut Plan grün gefärbt) im Enteignungsweg in Anspruch genommen,

II. ausgesprochen, dass die Miteigentumsanteile der Wohnungseigentümer des Wohnblockes A an den im beiliegenden Plan ersichtlichen Restflächen und dem mit diesen Miteigentumsrechten der Wohnungseigentümer des Wohnblockes A untrennbar verbundenen Wohnungseigentum als nicht zweckmäßig nutzbar einzulösen sind, und III. die für die Enteignung (Gesamteinlösung) zu leistenden Entschädigungen ziffernmäßig bestimmt festgesetzt.

Zur Begründung wurde zunächst bemerkt, dass der Enteignungsantrag betreffend das Grundstück Nr. 977 von 678 auf 528 m2 und betreffend das Grundstück Nr. 978 von 861 auf 834 m2 (zufolge Nichterrichtung eines geplanten Wirtschaftsweges) eingeschränkt worden sei. Weiters wurde insbesondere nach Wiedergabe der eingeholten Sachverständigengutachten (so u. a. des amtsärztlichen Sachverständigen, wonach die Lärmbelästigung nicht zumutbar sei) ausgeführt, dass die Restflächen nicht mehr einer zweckmäßigen Nutzung zugeführt werden könnten, zumal sie eine äußerst ungünstige Konfiguration aufweisen würden.

Gegen den Bescheid vom 17. August 1977 erhob die Bundesstraßenverwaltung rechtzeitig Berufung, mit welcher die über Antrag der Beschwerdeführer erfolgte Gesamteinlösung bekämpft wurde.

Die belangte Behörde führte am 3. November 1978 eine Verhandlung mit Lokalaugenschein durch. Dabei wurde festgehalten, dass entlang der im Bau befindlichen Rheintalautobahn die im Bau befindlichen Lärmschutzdämme vorgesehen seien, wobei in einem gemeinsamen Trog zwischen dem Damm und der unmittelbaren Autobahntrasse die (neu zu errichtende) D-straße (eine Landesstraße) verlaufe. Zwischen D-straße und Autobahn liege ein ca. 2 m hoher Blendschutzdamm. Im Bereich der Wohnblöcke A und B sei der gegenständliche Lärmschutzdamm, für den die enteigneten Flächen benötigt würden, dazu bestimmt, die Unterbrechung des Lärmschutzdammes unmittelbar an der Autobahn, die sich aus der Schaffung der Einmündung der D-straße in die L-straße (eine Gemeindestraße) ergebe, aufzufangen. Weiters habe die Bundesstraßenverwaltung mit Schreiben vom 7. Dezember 1977 den Enteignungsantrag auf 588 m2 aus den Grundstück Nr. 977 und 721 m2 aus den Grundstück Nr. 978 eingeschränkt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28. Mai 1979 wurde der Berufung der Bundesstraßenverwaltung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 17. August 1977 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 im Zusammenhalt mit § 18 Abs. 1 letzter Satz BStrG keine Folge gegeben, jedoch der angefochtene Bescheid vom 17. August 1977 gemäß § 68 Abs. 4 lit. a AVG 1950 für nichtig erklärt. In der Begründung wurde zunächst das wesentliche Verwaltungsgeschehen wiedergegeben. Weiters wurde ausgeführt, dass die Zulässigkeit der dem Antrag auf Gesamteinlösung zu Grunde gelegenen Enteignung nicht gegeben sei. Die Behörde habe gemäß § 6 Abs. 1 AVG 1950 ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. Es sei daher die Zuständigkeit der in erster Instanz eingeschrittenen Bundesstraßenbehörde zu prüfen gewesen, wobei sich im vorliegenden Fall diese Prüfung auch auf den Bescheid vom 11. August 1975, womit die Wohnungseigentümer des Wohnblockes B zur Gänze enteignet worden sind, zu erstrecken habe, da zwischen diesen beiden Bescheiden ein sachlicher und rechtlicher Zusammenhang bestünde und die die Gesamteinlösung verfügende Entscheidung ohne vorhergehenden Ausspruch über die Enteignung nicht möglich sei. Eine Rechtskraft des Bescheides vom 11. August 1975 könne der Prüfung nicht entgegenstehen, weil zufolge des Zusammenhanges der Bescheide vom 11. August 1975 und vom 17. August 1977 eine gesonderte Rechtskraft - trotz der gegenteiligen Rechtsmittelbelehrung - nicht gegeben sei. Die gegenständlichen Flächen seien für die Herstellung der Rheintalautobahn inklusive des Lärmschutzdammes enteignet worden. Nun sei aber das Projekt für die Autobahn im gegenständlichen Bereich so erstellt, dass die Autobahn gemeinsam mit der D-straße in einem Trog geführt werde, dessen eine Wand von dem berufungsgegenständlichen, neben der D-straße gelegenen Lärmschutzdamm gebildet werde. Laut Bundesgesetz vom 20. März 1975, BGBl. Nr. 239, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wurde, seien zwar u. a. auch Anlagen zum Schutze der Nachbarn vor Beeinträchtigungen durch den Verkehr auf einer Bundesstraße, insbesondere gegen Lärmeinwirkung, als Bestandteile der Bundesstraße anzusehen, jedoch müssten sich diese Anlagen "im Zuge einer Bundesstraße" befinden (damit gemeint offensichtlich § 3 BStrG). Daraus ergebe sich, dass derartige Anlagen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Bundesstraße stehen müssten. Eine Enteignung erscheine daher nicht gerechtfertigt, wenn sich diese Anlagen (zu ergänzen: wie nach Meinung der belangten Behörde im gegenständlichen Fall) nicht unmittelbar "im Zuge einer Bundesstraße" befänden. Diese Interpretation sei auch dadurch begründet, dass durch Lärmschutzeinrichtungen ausschließlich Anrainer einer Bundesstraße geschützt werden sollten, das Landesstraßengesetz derartige Einrichtungen aber nicht vorsehe. Der angefochtene Bescheid sei daher wegen Unzuständigkeit der einschreitenden Behörde rechtlich nicht haltbar. Abgesehen davon aber sei die im erstinstanzlichen Bescheid für den Ausspruch der Gesamteinlösung gegebene Begründung zutreffend und auch nach Meinung der belangten Behörde die Gesamteinlösung nach § 18 BStrG an und für sich gerechtfertigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, von 11 der 12 Wohnungseigentümer des Wohnblockes A erhobene Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Bekämpft wird lediglich der Ausspruch der belangten Behörde, mit dem der Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 17. August 1977 für nichtig erklärt wurde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat die Berufung der Bundesstraßenverwaltung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 17. August 1977 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 mit der Feststellung, dass das Vorbringen der Berufungswerberin nicht stichhältig, vielmehr bei einem Sachverhalt wie dem gegenständlichen eine Gesamteinlösung der Grundstücke gemäß § 18 BStrG grundsätzlich gerechtfertigt sei, als unbegründet abgewiesen, jedoch des weiteren den Bescheid vom 17. August 1977 gemäß § 68 Abs. 4 lit. a AVG 1950 für nichtig erklärt.

Es war daher zu prüfen, ob ein Nichtigkeitsgrund im Sinne dieser Gesetzesstelle gegeben ist.

Gemäß § 68 Abs. 4 lit. a AVG 1950 können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechts von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde.

Ein solcher Nichtigkeitstatbestand liegt aber gegenständlich nicht vor.

Die Republik Österreich - Bundesstraßenverwaltung hat als nach dem Bundesstraßengesetz hiezu berechtigter Antragsteller bei der zuständigen Bundesstraßenbehörde erster Instanz um die Enteignung von Teilflächen der u. a. im Miteigentum der Beschwerdeführer stehenden Grundstücke mit der Begründung angesucht, dass diese für den Ausbau der Rheintalautobahn bzw. des hiezu erforderlichen Lärmschutzdammes benötigt würden. Sie hat sich hiebei auf die Bestimmungen der §§ 17 ff BStrG gestützt. Der als Bundesstraßenbehörde erster Instanz für auf Bestimmungen des Bundesstraßengesetzes gestützte Enteignungsanträge zuständige Landeshauptmann von Vorarlberg hat, nachdem er zunächst mit Bescheid vom 11. August 1975 die Gesamteinlösung der Miteigentumsanteile der Wohnungseigentümer des Wohnblockes B ausgesprochen hatte, mit Bescheid vom 17. August 1977 auch die Gesamteinlösung in Ansehung der Wohnungeigentümer des Wohnblockes A, darunter auch die Beschwerdeführer, für gegeben erachtet, also die Rechtsansicht vertreten, der gegenständliche Lärmschutzdamm sei als im Zuge einer Bundesstraße gelegen zu qualifizieren. Hingegen vertritt die belangte Behörde im angefochtenen Berufungsbescheid eine andere Auffassung. Daraus zeigt sich, dass sich die Lösung der Rechtsfrage, ob für den gegenständlichen Lärmschutzdamm eine Enteignung nach dem Bundesstraßengesetz überhaupt möglich ist oder nicht, nicht als eine Frage der Unzuständigkeit (der Erstbehörde), sondern der inhaltlichen Rechtmäßigkeit der Entscheidung darstellt. Die Anwendung des § 68 Abs. 4 lit. a AVG 1950 ist daher schon allein aus diesem Grund verfehlt. Die Berufung der Bundesstraßenverwaltung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 17. August 1977 hat aber die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet abgewiesen. Da nach dem maßgebenden Spruchteil des angefochtenen Bescheides die auf § 68 Abs. 4 lit. a AVG 1950 gestützte Nichtigerklärung nur in Ansehung des von der Bundesstraßenverwaltung mit Berufung bekämpften erstinstanzlichen Bescheides vom 17. August 1977 erfolgte, war auf die in der Begründung des angefochtenen Bescheides von der belangten Behörde im Zusammenhang mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 11. August 1975 angestellten Erwägungen nicht weiter einzugehen.

Der Anwendung des § 68 Abs. 4 lit. a AVG 1950 steht aber auch noch ein weiterer Umstand entgegen. Die belangte Behörde hat durch die Abweisung der Berufung der Bundesstraßenverwaltung in der Sache selbst entschieden und ihre eigene Entscheidung an die Stelle des erstinstanzlichen Bescheides gesetzt. Es bestand daher keine Möglichkeit mehr, den erstinstanzlichen Bescheid vom 17. August 1977 für nichtig zu erklären. Ihren eigenen Bescheid kann die oberste Behörde im übrigen auf Grund des Wortlautes des § 68 Abs. 4 AVG 1950 nicht beseitigen (vgl. z. B. Walter-Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes, 2. Auflage, Seite 209). In diesem Zusammenhang sei auch darauf verwiesen, dass eine Nichtigerklärung nur bei Vorliegen eines rechtskräftigen Bescheides, somit außerhalb des Berufungsverfahrens zulässig ist; hat doch die Oberbehörde zur Erledigung einer Rechtssache, die bei ihr auf Grund einer Berufung, wie dies gegenständlich der Fall war, anhängig ist, nach den Bestimmungen des § 66 AVG 1950 zu entscheiden, wobei ihr ohnedies die volle Möglichkeit zur Wahrnehmung der in den Abs. 2 bis 4 des § 68 AVG 1950 enthaltenen Gesichtspunkte geboten ist. Lediglich dann, wenn eine Berufung als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, sie also keine Sachentscheidung treffen kann, besteht die Gelegenheit, allenfalls die Abs. 2 bis 4 des § 68 AVG 1950 anzuwenden (vgl. z. B. Hellbling, Kommentar zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen, I. Band, Seite 439).

Da die belangte Behörde dies verkannte, hat sie den angefochtenen Bescheid im Abspruch betreffend die Nichtigerklärung des erstinstanzlichen Bescheides vom 17. August 1977 mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Bei dieser Rechtslage, die Anwendung des § 68 Abs. 4 lit. a AVG 1950 erfolgte rechtsirrig, die Berufung der Bundesstraßenverwaltung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 17. August 1977 wurde als unbegründet abgewiesen und blieb dieser Ausspruch unangefochten, hatte daher ein Eingehen auf die Frage, ob der gegenständliche Lärmschutzdamm als im Zuge einer Bundesstraße gelegene Anlage zum Schutze der Nachbarn vor Beeinträchtigungen durch den Verkehr zu qualifizieren ist, zu entfallen.

Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang der Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 lit. a und b und 53 Abs. 1 VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I A Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981, jedoch beschränkt durch die von den Beschwerdeführern beantragte Höhe.

Wien, am 6. Juli 1981

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1981:1979002112.X00

Im RIS seit

04.12.2003

Zuletzt aktualisiert am

17.08.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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