TE Vwgh Erkenntnis 1990/1/30 89/05/0111

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Veröffentlicht am 30.01.1990
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Index

L78107 Starkstromwege Tirol;
L82000 Bauordnung;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauRallg;
StarkstromwegeG Tir 1969 §7;
VwRallg;

Betreff

T gegen Tiroler Landesregierung vom 28. März 1989, Zl. IIIa1-21.281/2, betreffend ein elektrizitätsrechtliches Verfahren (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde W/Stadtwerke)

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 27. Juli 1988 beantragte die mitbeteiligte Partei beim Amt der Tiroler Landesregierung die Bewilligung für den Neubau der Netzstation O-Straße sowie die Verlegung eines 10 kV Kabels zwischen dieser Netzstation und der Netzstation Schulzentrum nach Maßgabe beigeschlossener Unterlagen. In dem dem Antrag angeschlossenen technischen Bericht wird die Anlage näher beschrieben und ausgeführt, daß die Errichtung der Transformatorenstation O-Straße für die allgemeine Versorgung sowie wegen Leistungssteigerungen der Firma B-Transporte erforderlich sei. Der beigeschlossene Plan läßt erkennen, daß die Kabelverlegung von der Netzstation Schulzentrum entlang der W-Straße und nach Querung der T-Straße sodann entlang der geplanten O-Straße zur neuen Netzstation auf dem der Beschwerdeführerin gehörigen Grundstück nn1, KG XY, erfolgen soll. Diese neue Netzstation ist unmittelbar anschließend an das Grundstück nn1 an der geplanten O-Straße vorgesehen, wobei zu bemerken ist, daß das Grundstück nn1 sich von der T-Straße bis zum Grundstück der Beschwerdeführerin erstreckt. Weder den Planunterlagen noch dem technischen Bericht kann entnommen werden, aus welchen Gründen gerade auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin die neue Netzstation errichtet werden soll.

Zu der für 21. Dezember 1988 anberaumten mündlichen Verhandlung wurde auch die Beschwerdeführerin geladen. Bei dieser Verhandlung sprach sich der Vertreter der Beschwerdeführerin gegen die Errichtung der Trafostation auf ihrem Grundstück aus, da dies eine schwere Beeinträchtigung der künftigen Verwendung als Baugrundstück darstellen würde. Es müßte auch ein Eingriff in eine gewachsene Abgrenzung zwischen einer Gewerbefläche und Wohnfläche vorgenommen werden. Im übrigen bestünden bei den vom Stromanschluß betroffenen Firmen und Grundstückseigentümern ausreichend Möglichkeiten zur Errichtung einer Trafostation. Der elektrotechnische Amtssachverständige führte aus, die geplante Trafostation diene dazu, den Bedarf der Firma B sowie den zukünftigen Bedarf eines Lebensmittelgroßmarktes und der zu erwartenden Wohngebäude im gegenständlichen Versorgungsgebiet zu decken. Maßgebend für die Versorgungsqualität eines bestimmten Gebietes sei die zentrale Lage der Trafostation. Ungleiche Längen- und Belastungsverhältnisse bedingten verschiedene Spannungsabfälle. Dies könne nur durch Überdimensionierung der Leitungsquerschnitte ausgeglichen werden, sodaß bei ungünstiger Lage wirtschaftliche Nachteile beim Bau der gesamten Anlage entstehen könnten. Die Spannungsabfälle müßten im vorgeschriebenen Rahmen bleiben. Bei der gegenständlichen Anlage sei die Trafostation dermaßen situiert, daß in etwa gleiche Entfernungen zu den beschriebenen Projekten entstünden. Dazu werde allerdings festgestellt, daß auch Standorte in näherer Umgebung des geplanten Trafos dieses Kriterium erfüllten. Aus elektrotechnischer Sicht sei die Errichtung einer Trafostation in dem Gebiet notwendig. Das eingereichte Projekt sei als sinnvoll anzusehen. Gegen den Bau und Betrieb der Anlage bestünden bei Einhaltung der im Gutachten angeführten Vorschreibungen keine Einwände. Bei dieser Verhandlung erklärte B, der Mitbeteiligten für die Errichtung der geplanten Trafostation die erforderlichen baulichen Manipulationen auf seinem Grundstück nn1 zu gestatten, und zwar auch den Zugang und die Zufahrt vorbehaltlich eines Widerrufes. Zu dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nahmen weder der elektrotechnische Amtssachverständige, noch die Mitbeteiligte Stellung.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid erteilte die Tiroler Landesregierung der Mitbeteiligten die starkstromwegerechtliche Bau- und Betriebsbewilligung für die Netzstation O-Straße und für die Verlegung des 10 kV Kabels unter gleichzeitiger Vorschreibung einer Reihe von Auflagen. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin wurden abgewiesen. In ihrer Bescheidbegründung vertrat die Behörde nach kurzer Wiedergabe des Sachverhaltes und der maßgebenden Bestimmungen des Tiroler Starkstromwegegesetzes die Auffassung, daß auf Grund des positiven Gutachtens des elektrotechnischen Amtssachverständigen die angestrebten Bewilligungen zu erteilen gewesen seien. Die Trafostation solle eine möglichst gute Versorgung des Gebietes mit elektrischer Energie gewährleisten. Durch ihre Lage am Rande des neu zu erschließenden Gebietes und unmittelbar anschließend an eine bereits bestehende Verbauung auf dem Grundstück nn1 sei eine möglichst geringfügige Beeinträchtigung zukünftiger Verbauungen gegeben. Zudem liege die Trafostation am Rande einer geplanten Zufahrtsstraße und im Bereich von einzuhaltenden Abständen im Falle einer Bebauung. Im Hinblick auf das Gutachten des elektrotechnischen Amtssachverständigen, wonach die gewählte Lage der Trafostation eine möglichst gute Versorgung des zu erschließenden Gebietes mit elektrischer Energie garantiere und im Hinblick auf die in den vorgelegten Plänen bereits zu erkennenden Verbauungsabsichten in diesem Gebiet wäre eine Verlegung der Trafostation außerhalb der Grundparzelle der Beschwerdeführerin eine Abänderung, welche das Vorhaben wesentlich erschwere oder einschränke. Solche Einwendungen seien aber nach § 7 Abs. 2 des Tiroler Starkstromwegegesetzes nicht zulässig. Da die geplanten Anlagen somit öffentlichen Interessen nicht widersprechen und die Versorgungssicherheit des zu versorgenden Gebietes auf bestmögliche Art gewährleistet sei, seien sie starkstromwegerechtlich zu bewilligen gewesen.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei erstatteten Gegenschriften hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 7 Abs. 1 des Tiroler Starkstromwegegesetzes 1969, LGBl. Nr. 11/1970, ist die Bewilligung zum Bau und zum Betrieb einer elektrischen Leitungsanlage zu erteilen, wenn die Leitungsanlage dem öffentlichen Interesse an der Versorgung der Bevölkerung oder eines Teiles derselben mit elektrischer Energie nicht widerspricht. Ein Widerspruch mit diesem Interesse liegt auch dann vor, wenn die dauernde ungestörte Versorgung der Bevölkerung mit elektrischer Energie wegen der Nichtbeachtung sicherheitstechnischer Grundsätze in der Planung der Leitungsanlage nicht gewährleistet ist. Vor Erteilung der Bewilligung hat eine Abstimmung mit den bereits vorhandenen oder bewilligten anderen Energieversorgungseinrichtungen und mit den Erfordernissen der Landeskultur, des Forstwesens, der Wildbach- und Lawinenverbauung, der Raumplanung, des Natur- und Denkmalschutzes, der Wasserwirtschaft und des Wasserrechtes, des öffentlichen Verkehrs, des Fremdenverkehrs, der sonstigen öffentlichen Versorgung, der Landesverteidigung, der Sicherheit des Luftraumes und des Dienstnehmerschutzes zu erfolgen. Die zur Wahrung dieser Interessen berufenen Behörden bzw. Dienststellen und öffentlich-rechtlichen Körperschaften sind, soweit sie betroffen werden, im Ermittlungsverfahren zu hören.

Nach § 7 Abs. 2 leg. cit. können die durch die geplante elektrische Leitungsanlage berührten Grundeigentümer Abänderungen und Ergänzungen der geplanten elektrischen Leitungsanlage verlangen, durch die das Bauvorhaben nicht wesentlich erschwert oder eingeschränkt wird.

Aus der zuletzt wiedergegebenen Regelung ergibt sich eindeutig, daß den unmittelbar betroffenen Grundeigentümern bereits im elektrizitätsrechtlichen Baubewilligungsverfahren ein Mitspracherecht zukommt und sie berechtigt sind, die Errichtung einer elektrischen Anlage auf ihren Grundflächen zu bekämpfen (vgl. etwa das zum Bundes-Starkstromwegegesetz ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Juli 1984, Zl. 83/05/0124, und die dort zitierte Rechtsprechung). Auch im Streitfall hat die Beschwerdeführerin die Notwendigkeit der Inanspruchnahme ihrer Grundflächen in Zweifel gezogen, was die belangte Behörde verpflichtet hätte, sich mit ihrem Vorbringen auseinanderzusetzen. Tatsächlich hat der elektrotechnische Amtssachverständige in seinem Gutachten nicht dargetan, daß nur der von der mitbeteiligten Partei ausgewählte Standort den hier maßgeblichen Gesichtspunkten entspreche, sondern ausdrücklich festgestellt, daß auch Standorte in der näheren Umgebung die hiebei zu beachtenden Kriterien erfüllen. Geht man davon aus, daß die neue Transformatorenstation u.a. einem bestimmten Betrieb dienen soll, so stellt sich auf Grund des Einreichplanes tatsächlich die Frage, aus welchen Gründen die Netzstation nicht etwa auf dem Grundstück nn1 errichtet werden soll, ein Umstand, auf den der Vertreter der Beschwerdeführerin bei der Verhandlung wenn auch ohne Nennung des Grundstückes verwiesen hat. Wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift meint, dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin würde ihr Mitspracherecht nach § 7 Abs. 2 des Tiroler Starkstromwegegesetzes 1969 überschreiten, so vermag ihr der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen. Der Gerichtshof ist der Meinung, daß im Streitfall die Frage zu erörtern ist, warum gerade das Grundstück der Beschwerdeführerin als Standort für die Errichtung einer Anlage ausgewählt worden ist (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom 3. Juli 1984, Zl. 83/05/0124). Entgegen der Meinung der belangten Behörde bedeutet eine solche Prüfung nicht, daß ein Grundeigentümer auf diese Art und Weise stets verlangen kann, daß auf seinem Grund eine Anlage oder Leitung nicht verlegt wird. Gerade dann, wenn ein bestimmtes Vorhaben auch im Wege der Enteignung durchgesetzt werden kann, wie dies hier der Fall ist, ist aber eine so sorgfältige Planung zu verlangen, daß nicht erforderliche Eingriffe in fremdes Eigentum vermieden werden. Das bisher durchgeführte Ermittlungsverfahren blieb aber jedenfalls insoweit mangelhaft, als nicht klargestellt worden ist, daß die Transformatorenstation gerade auf den Grundflächen der Beschwerdeführerin errichtet werden muß; ausdrücklich führt die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde das unmittelbar angrenzende Grundstück nn3 an, welches ihrer Meinung nach für die Verwirklichung des Projektes besser geeignet wäre, eine Überlegung, welche, wie schon oben dargetan, nicht von der Hand zu weisen ist.

Wenn die Beschwerdeführerin allerdings darauf verweist, daß derzeit keine Zufahrtsmöglichkeit zu der beabsichtigten Transformatorenstation gegeben sei, so übersieht sie, daß nach den Planunterlagen die Netzstation unmittelbar an einer künftigen Verkehrsfläche, nämlich der O-Straße, errichtet werden soll. Aus dieser Sicht kann nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes die Standortwahl der mitbeteiligten Partei nicht zu Recht bekämpft werden.

Wenn die Beschwerdeführerin behauptet, die bewilligte Errichtung der Transformatorenstation sei ohne jeden Zweifel als materielle Enteignung zu qualifizieren, so übersieht sie, daß die erteilte elektrizitätsrechtliche Baubewilligung der mitbeteiligten Partei noch kein Recht einräumt, ihre Grundflächen in Anspruch zu nehmen. Zu Recht hat die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, daß über eine Enteignung oder die Einräumung von Leitungsrechten erst auf neuerlichen Antrag der mitbeteiligten Partei in einem eigenen Verfahren zu entscheiden ist, in welchem auch eine Entschädigung festzusetzen sein wird. In dieser Beziehung erweist sich somit die Beschwerde als nicht berechtigt. Gleiches gilt für das Vorbringen in dem ergänzenden Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof betreffend die Abstimmung des Vorhabens mit den Erfordernissen der Landeskultur, der Raumplanung, des Fremdenverkehrs sowie des Landschafts- und Naturschutzes. Durch die Absicht der mitbeteiligten Partei, auf einem derzeit landwirtschaftlich genutzten Grundstück die Netzstation auszuführen, ist nämlich ganz allgemein eine Verletzung dieser Erfordernisse nicht zu erblicken, sodaß es dahingestellt bleiben kann, inwieweit der Beschwerdeführerin in dieser Beziehung überhaupt ein Mitspracherecht eingeräumt ist.

Schon auf Grund der oben dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Parteien BauRallg11/1 Baurecht Grundeigentümer Rechtsnachfolger Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989050111.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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