TE Vwgh Erkenntnis 1990/2/1 89/12/0173

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Veröffentlicht am 01.02.1990
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
72/13 Studienförderung;

Norm

ABGB §143;
AVG §37;
AVG §45 Abs1;
StudFG 1983 §13 Abs9 idF 1985/361;
StudFG 1983 §13 Abs9 lita idF 1985/361;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden

Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte

Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde N gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 25. Juli 1989, Zl. 56.041/25-17/89, betreffend Nichtgewährung einer Studienbeihilfe nach dem Studienförderungsgesetz 1983, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.560,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die 1969 geborene Beschwerdeführerin studiert seit dem Wintersemester 1987/88 die Studienrichtung Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien. Sie beantragte mit dem am 17. November 1987 bei der Studienbeihilfenbehörde Wien eingelangten Ansuchen die Gewährung einer Studienbeihilfe. Nach den angeschlossenen Unterlagen bezog die Beschwerdeführerin - ebenso wie ihre beiden Schwestern (geboren 1967 bzw. 1973) - nach ihrem 1978 verstorbenen Vater im Jahr 1986 von der Rechtsanwaltskammer für Kärnten eine Waisenpension in der Höhe von S 64.999,95. Die leibliche Mutter der Beschwerdeführerin, Frau Katharina S, ist zu 2/9 Eigentümerin des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, EZ 55 u.a., KG S, dessen Einheitswert nach einem Einheitswertbescheid des zuständigen Finanzamtes ab 1. Jänner 1983 S 243.000,-- beträgt.

Mit Bescheid vom 6. Mai 1988 wies die Studienbeihilfenbehörde Wien den Antrag der Beschwerdeführerin mangels sozialer Bedürftigkeit gemäß §§ 2 Abs. 1 lit. a und 13 Abs. 1 und Abs. 6 lit. a des Studienförderungsgesetzes 1983, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 361/1985 (im folgenden kurz StudFG) ab. Die Behörde erster Instanz ging dabei von einem Gesamteinkommen a) der Mutter der Beschwerdeführerin von

S 5.400,--, b) der Beschwerdeführerin von S 53.224,-- (§§ 4 ff StudFG) aus. Als Bemessungsgrundlage (§ 13 Abs. 9 StudFG) wurden für die Beschwerdeführerin S 44.224,-- ermittelt (Einkommen gemäß § 4: S 53.224,-- - Absetzbetrag gemäß § 13 Abs. 9: S 0,-- - Absetzbetrag bei nicht selbständiger Arbeit:

S 9.000,--). Die zumutbare Unterhaltsleistung der leiblichen Eltern (§ 13 Abs. 7 StudFG) wurde - unter Zugrundelegung des Einkommens der Mutter der Beschwerdeführerin mit S 5.400,-- - mit 0 festgestellt. Nach der im § 13 Abs. 6 StudFG vorgenommenen Berechnung lag die S 13.000,-- übersteigende Bemessungsgrundlage der Beschwerdeführerin mit S 31.224,-- über dem (im Beschwerdefall herangezogenen) Grundbetrag von

S 30.000,-- nach § 13 Abs. 1 StudFG.

Die Beschwerdeführerin begründete ihre dagegen erhobene Vorstellung im wesentlichen damit, es sei ihre gesetzliche Unterhaltsverpflichtung, die sie gegenüber ihrer mittellosen Mutter habe, nicht berücksichtigt worden. In einer eidesstattlichen Erklärung gab die Mutter der Beschwerdeführerin an, daß sie "laut Gesetz" von der Beschwerdeführerin und einer weiteren Tochter monatlich je S 2.000,-- zu bekommen habe. Die Rechtsanwaltskammer Kärnten bestätigte, daß die Mutter der Beschwerdeführerin ab 1. November 1983 keine Witwenrente mehr beziehe.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wies der Senat der Studienbeihilfenbehörde an der Wirtschaftsuniversität Wien mit Bescheid vom 11. Mai 1989 die Vorstellung mit der Begründung ab, soziale Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin gemäß § 2 Abs. 1 lit. a StudFG liege nicht vor. Da die Mutter der Beschwerdeführerin über ein Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft verfüge - laut Sozialversicherungsanstalt Klagenfurt bewirtschafte sie derzeit eine Landwirtschaft von 37 ha mit einem Einheitswert von S 82.000,-- -, sei eine Unterhaltsverpflichtung der Beschwerdeführerin nicht gegeben.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, ihre Mutter sei nicht Eigentümerin einer 37 ha großen Forstwirtschaft mit einem Einheitswert von S 82.000,--; sie sei nur Eigentümerin von 2/3 dieser Forstwirtschaft (24,66 ha mit einem Einheitswert von S 54.666,--); das letzte Drittel gehöre einer ihrer Schwestern. Ihre Mutter habe in den letzten Jahren kein Einkommen aus dieser Forstwirtschaft bezogen und immer von der Beschwerdeführerin Unterhalt erhalten.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 25. Juli 1989 gab die belangte Behörde der Berufung gemäß §§ 2 Abs. 1 lit. a und 13 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 6 und Abs. 9 StudFG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge. Nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtslage ging die belangte Behörde davon aus, daß als Grundlage für die Berechnung der Höhe der Studienbeihilfe im Beschwerdefall die Waisenpension der Beschwerdeführerin in der Höhe von S 65.000,-- jährlich sowie das land- und forstwirtschaftliche Vermögen ihrer Mutter mit einem Einheitswert von S 54.666,-- heranzuziehen seien. Zum Berufungsvorbringen, die Unterhaltspflicht der Beschwerdeführerin gegenüber ihrer Mutter sei als Abzugspost nach § 13 Abs. 9 lit. a StudFG zu berücksichtigen gewesen, führte die belangte Behörde aus, die nach § 143 ABGB grundsätzlich bestehende Unterhaltspflicht der Kinder gegenüber ihren Eltern sei insofern eingeschränkt, als dadurch der eigene angemessene Unterhalt nicht gefährdet werden dürfe. Da die Beschwerdeführerin nur über eine Waisenpension von jährlich S 65.000,-- verfüge, sei auf Grund "zivilrechtlicher Maßstäbe" davon auszugehen, daß sie nicht in der Lage sei, ohne Beeinträchtigung ihres eigenen angemessenen Unterhaltes einer Unterhaltsverpflichtung gegenüber ihrer Mutter nachzukommen. Da somit eine Unterhaltsverpflichtung der Beschwerdeführerin nicht bestehe, habe diese auch nicht durch einen Absetzbetrag nach § 13 Abs. 9 StudFG berücksichtigt werden können. Daran ändere nichts, daß der Senat unrichtigerweise von einem Einheitswertbescheid der Mutter der Beschwerdeführerin über (auf sie entfallende) S 82.000,-- ausgegangen sei, während der ihr zuzurechnende Einheitswert tatsächlich nur S 54.666,-- betrage.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a StudFG, BGBl. Nr. 167/1983, ist unter anderem Voraussetzung für die Gewährung einer Studienbeihilfe, daß der Studierende sozial bedürftig ist.

Nach § 3 Abs. 1 sind für die Beurteilung der Sozialbedürftigkeit Einkommen, Vermögen und Familienstand im Sinne dieses Bundesgesetzes maßgebend. Für die Nachweise im Sinne der Abs. 2 und 3 und für den Familienstand ist der Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend.

Nach Abs. 2 leg. cit. ist das Einkommen im Sinne dieses Bundesgesetzes bei Personen,

a) die zur Einkommensteuer veranlangt werden, durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides über das zuletzt veranlagte Kalenderjahr,

b) die Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit beziehen, durch die Vorlage der Lohnbestätigung(en) über das letztvergangene Kalenderjahr,

c) deren Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittssätzen gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes 1972 (EStG 1972), BGBl. Nr. 440, ermittelt werden, durch Vorlage des zuletzt ergangenen Einheitswertbescheides,

d) die steuerfreie Bezüge gemäß § 5 lit. a beziehen, durch eine Bestätigung der in Betracht kommenden bezugsliquidierenden Stelle(n) nachzuweisen.

Die Absätze 3 bis 5 des § 13 StudFG enthalten Fälle, in denen abweichend von den Absätzen 1 und 2 für die Beurteilung der sozialen Bedürftigkeit besondere Bestimmungen aufgestellt werden, die im Beschwerdefall ohne Bedeutung sind.

§ 13 Abs. 9 StudFG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 361/1985 lautet:

"(9) Als jeweilige Bemessungsgrundlage ist das Einkommen des Studierenden, der leiblichen Eltern (Wahleltern) sowie des Ehegatten des Studierenden gemäß §§ 4 bis 6 abzüglich nachstehender Absetzbeträge anzusehen:

a)

für jede Person, für die entweder der Studierende, einer seiner leiblichen Elternteile (Wahlelternteile) oder sein Ehegatte kraft Gesetzes Unterhalt leistet, 23 000 S;

b)

für jede Person, die eine der in § 1 Abs. 1 genannten Anstalten als ordentlicher Hörer (Studierender) besucht oder einem solchen gemäß § 1 Abs. 2 gleichgestellt ist, sind weitere 10 000 S abzuziehen;

c)

die Absetzbeträge erhöhen sich jeweils um weitere 19 000 S, sofern es sich um ein erheblich behindertes Kind im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 handelt.

Die Absetzbeträge vermindern sich um das allfällige Einkommen dieser Person. Für den Studierenden selbst steht nur dann ein Absetzbetrag in der Höhe von 16 000 S zu, wenn er zum Zeitpunkt der Antragstellung das 27. Lebensjahr überschritten hat. Der zweite Elternteil (Wahlelternteil) ist jedenfalls zu berücksichtigen. Leben die Eltern (Wahleltern) nicht in Wohngemeinschaft und sind beide kraft Gesetzes unterhaltspflichtig, so vermindert jedenfalls die Hälfte der obigen Absetzbeträge das Einkommen jedes Eltern(Wahleltern)teils."

§ 143 ABGB lautet:

"(1) Das Kind schuldet seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat.

(2) Die Unterhaltspflicht der Kinder steht der eines Ehegatten, eines früheren Ehegatten, von Vorfahren und von Nachkommen näheren Grades des Unterhaltsberechtigten im Rang nach. Mehrere Kinder haben den Unterhalt anteilig nach ihren Kräften zu leisten.

(3) Der Unterhaltsanspruch eines Eltern- oder Großelternteils mindert sich insoweit, als ihm die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar ist. Überdies hat ein Kind nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es dadurch bei Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten den eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährdet."

Im Verwaltungsverfahren haben alle Behörden den von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Anspruch auf Studienbeihilfe mit dem Mangel sozialer Bedürftigkeit verneint und ihr Ansuchen abgewiesen. Ausschlaggebend für dieses Ergebnis war, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Unterhaltsleistung an ihre Mutter nicht als Absetzbetrag von dem als Bemessungsgrundlage anzusehenden Einkommen der Beschwerdeführerin nach § 13 Abs. 9 lit. a StudFG berücksichtigt wurde. Die belangte Behörde begründete das im angefochtenen Bescheid (nur diese Begründung ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren maßgebend) nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im Ergebnis damit, daß eine kraft Gesetzes (allenfalls) bestehende Unterhaltspflicht der Beschwerdeführerin gegenüber ihrer Mutter nach § 143 Abs. 3 ABGB zu verneinen sei, weil eine Unterhaltsleistung der Beschwerdeführerin bei einer Waisenpension von jährlich S 65.000,-- nach "zivilrechtlichen Maßstäben" ihren eigenen angemessenen Unterhalt gefährden würde.

Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, der von der Behörde aus der Höhe der der Beschwerdeführerin zustehenden Waisenrente (S 65.000,-- pro Jahr) gezogene Schluß sei unrichtig und unzulässig. Das StudFG ordne die Anrechnung der geleisteten Unterhaltsbeträge als pauschalierten Abzugsposten an. Die Beschwerdeführerin habe durch Vorlage einer eidesstättigen Erklärung der unterhaltsberechtigten Mutter den Nachweis einer monatlich tatsächlich geleisteten Unterhaltsleistung, worauf es nach dem Studienförderungsgesetz ankomme, erbracht. Der Umstand, daß die geleistete Unterhaltszahlung an ihre Mutter die Beschwerdeführerin sozial bedürftig machen würde, könne kein Grund sein, die (pauschalierte) Anrechnung der geleisteten Unterhaltszahlung zu versagen. Die Unterhaltszahlung sei als Abzugsposten bei der Feststellung der Höhe der Studienbeihilfe heranzuziehen, was bedeute, daß sie zunächst bei der Festlegung der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen sei. Keineswegs sei die Unterhaltsverpflichtung jedoch vom Einkommen vorweg abzuziehen, um daraus die Unzumutbarkeit der Unterhaltspflicht abzuleiten. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde den Abzugsposten von S 23.000,-- gemäß § 13 Abs. 9 StudFG wegen Unterhaltszahlungen der Beschwerdeführerin an die unterhaltsberechtigte Mutter anerkennen müssen, was dazu geführt hätte, daß der Beschwerdeführerin nach dem Berechnungsmodus des StudFG Studienbeihilfe zugestanden wäre.

Diesem Vorbringen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Strittig ist, ob die belangte Behörde zu Recht im Beschwerdefall den Absetzbetrag nach § 13 Abs. 9 lit. a StudFG nicht berücksichtigt hat oder nicht.

Schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ("kraft Gesetzes Unterhalt leistet") ergibt sich, daß der Absetzbetrag nach § 13 Abs. 9 lit. a StudFG beim Einkommen eines bestimmten Personenkreises (zu dem - aus der Sicht des Beschwerdefalles von Bedeutung - auch der Studierende gehört) zu berücksichtigen ist, wenn dieser Personenkreis Dritten gegenüber gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet ist und (jedenfalls auch) in Erfüllung dieser gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung tatsächlich Unterhalt leistet.

Wird Unterhalt Dritten gegenüber in Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht geleistet, steht der pauschalierte Absetzbetrag nach § 13 Abs. 9 lit. a StudFG ohne Rücksicht auf die Höhe des tatsächlich Geleisteten zu.

Soweit die Beschwerdeführerin in ihrem Beschwerdevorbringen auch zum Ausdruck bringt, daß es nur auf den tatsächlich geleisteten Unterhalt ankommt, ist ihre Rechtsauffassung daher verfehlt.

Der in der Gegenschrift von der belangten Behörde geäußerten Auffassung, Zielvorstellung des StudFG sei nur die Berücksichtigung von Unterhaltspflichten der Eltern für ihre Kinder durch die Gewährung eines Absetzbetrages, womit auch die Größe der Familie bei Errechnung der Bemessungsgrundlage (§ 13 Abs. 7 bis Abs. 9) berücksichtigt würde, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 13 Abs. 9 lit. a StudFG ist nämlich der Kreis der kraft Gesetzes Unterhaltsberechtigten, an den mit Wirkung der Erlangung eines Absetzbetrages nach dem Studienförderungsgesetz geleistet werden kann, nicht eingeschränkt (arg.: "für jede Person"). Für eine hinter dem Wortlaut zurückbleibende Auslegung finden sich weder überzeugende systematische noch teleologische Anhaltspunkte:

Insbesondere wäre bei Zutreffen der von der belangten Behörde in der Gegenschrift geäußerten Auffassung nicht einsichtig, worin die sachliche Rechtfertigung der dann unterschiedlichen Behandlung von kraft Gesetzes geleisteten Unterhaltsleistungen für den Bereich der Studienförderung gefunden werden könnte; kraft Gesetzes zu erbringende Unterhaltsleistungen vermindern doch - gleichgültig, wem gegenüber sie zu erbringen sind - das Einkommen des Studierenden selbst bzw. das Einkommen seiner leiblichen Eltern (Wahleltern) oder seines Ehegatten, von dem die an den Studierenden nach dem Studienförderungsgesetz zu errechnende zumutbare Unterhaltsleistung abhängt.

Wann eine Unterhaltsverpflichtung kraft Gesetzes Dritten gegenüber besteht, ist im StudFG selbst nicht geregelt. § 13 Abs. 9 lit. a StudFG knüpft insoweit an die einschlägigen Rechtsvorschriften, insbesondere des ABGB, an.

Im Beschwerdefall kommt - wie die belangte Behörde zutreffend im angefochtenen Bescheid ausgeführt hat - nur § 143 ABGB in Betracht. Aus § 143 ABGB ergibt sich, daß mehrere Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um einen Unterhaltsanspruch der Eltern gegenüber ihren Kindern (nur dieser Fall ist im Beschwerdefall von Bedeutung) zu begründen. Ist auch nur eine der Anspruchsvoraussetzungen nicht gegeben, entfällt die gesetzliche Pflicht zur Unterhaltsleistung der Kinder an ihre Eltern.

Der Verwaltungsgerichtshof stimmt der belangten Behörde zu, daß sich (unter anderem) aus § 143 Abs. 3 letzter Satz ABGB der Entfall des Unterhaltsanspruchs der Eltern gegenüber einem Kind für den Fall ergibt, daß eine Unterhaltsleistung (welcher Höhe auch immer) des Kindes an die Eltern seinen eigenen angemessenen Unterhalt gefährden würde.

Ob dies zutrifft, ist im Einzelfall zu prüfen.

Da im Fall der Bejahung eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches (hier der Eltern gegenüber dem Kind) und der tatsächlichen Leistung von Unterhalt, dies in Form eines pauschalierten Absetzbetrages nach § 13 Abs. 9 lit. a vom Einkommen des Studierenden zu berücksichtigen ist und das vom Unterhaltsberechtigten erzielte Einkommen den Absetzbetrag vermindert, ist bezüglich des Einkommens, soweit dieses auch für den nach dem ABGB zu klärenden Unterhaltsanspruch von Bedeutung ist, von dem(n) im StudFG (§ 3) maßgeblichen Zeitpunkt(en) auszugehen.

Zutreffend hat daher die belangte Behörde bei Beurteilung der hier nach dem ABGB zu lösenden Frage des Bestehens einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung der Beschwerdeführerin im Hinblick auf deren im November 1987 gestellten Antrag das von der Beschwerdeführerin im Jahr 1986 bezogene Einkommen (§ 3 Abs. 1 und 2 lit. b StudFG) zugrundegelegt. Sie hat unter Heranziehung der von der Beschwerdeführerin im Jahr 1986 bezogenen Waisenpension von ca. S 65.000,-- (monatliches Durchschnittseinkommen: S 5.400,--) angenommen, daß die Zahlung einer Unterhaltsleistung den eigenen angemessenen Unterhalt der Beschwerdeführerin "nach zivilrechtlichen Maßstäben" gefährden würde. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist diese von der belangten Behörde eingeschlagene Vorgangsweise aus den oben dargestellten Gründen nicht rechtswidrig.

Die belangte Behörde hat es jedoch unterlassen, in einer der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes zugänglichen Weise darzulegen, warum dieses Einkommen der Beschwerdeführerin - unter Berücksichtigung ihrer individuellen Bedürfnisse und konkreten Lebensverhältnisse (bezogen auf das Jahr 1986) - lediglich zur Deckung ihres angemessenen Unterhaltes ausgereicht haben sollte. Soweit die Behörde im Ergebnis die Auffassung vertritt, die Gefährdung des angemessenen Unterhalts der Beschwerdeführerin bei Unterhaltsleistungen an ihre Mutter sei eine offenkundige Tatsache, kann der Verwaltungsgerichtshof dem nicht folgen. Eine derartige Offenkundigkeit, die eine Prüfung der individuellen Situation der Beschwerdeführerin überflüssig machen würde, wäre nur dann gegeben, wenn das Einkommen der Beschwerdeführerin allein den statistischen, nach durchschnittlichen Erfahrungssätzen errechneten in Geld ausgedrückten Bedarf eines Kindes ihres Alters, vermehrt um seinen allfälligen (über den Durchschnittsbedarf hinausgehenden) Sonderbedarf nicht erheblich überschreiten würde. Ausgehend von den nach diesen Grundsätzen ermittelten sogenannten "Regelbedarfssätzen" des LGZ Wien, die am 1. Juli 1986 für ein Kind (Altersstufe 15 bis 19 Jahre) S 3.280,-- betragen hat (Quelle: Der österreichische Amtsvormund, 1986, Nr. 3), erscheint - auch bei Berücksichtigung eines Sonderbedarfes, der sich im Beschwerdefall mangels sonstiger Hinweise im Verwaltungsakt primär aus der 1986 gegebenen Eigenschaft der Beschwerdeführerin als Schülerin ergeben könnte - die Differenz zu dem von der Beschwerdeführerin bezogenen Durchschnittsmonatseinkommen von S 5.400,-- aber als zu erheblich, als daß zu Recht von der Offenkundigkeit der Gefährdung des angemessenen Unterhaltes ausgegangen werden könnte.

Der von der belangten Behörde in der Gegenschrift geäußerten Auffassung, die Waisenpension bemesse sich nach den Bedürfnissen der Studierenden, sei aber nicht geeignet, weitere Unterhaltsbedürfnisse einer zusätzlichen Person abzugelten, ist folgendes entgegenzuhalten: Aus dem Umstand, daß das Einkommen der Beschwerdeführerin nur in einer Waisenpension besteht, kann für sich allein noch nicht eine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung der Beschwerdeführerin gegenüber ihrer Mutter ausgeschlossen werden. Entscheidend ist vielmehr, ob - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen nach § 143 ABGB - die Höhe der Waisenpension über dem angemessenen Unterhalt des Kindes liegt, was grundsätzlich im Einzelfall zu ermitteln ist.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der oben aufgezeigten Verfahrensmängel zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Auf das weitere Beschwerdevorbringen war nicht näher einzugehen.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich veranlaßt, für das allenfalls fortzusetzende Verfahren auf folgendes hinzuweisen:

Bisher wurde im Verwaltungsverfahren nicht geprüft, ob auch die übrigen Voraussetzungen für einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch der Mutter gegenüber der Beschwerdeführerin nach § 143 ABGB erfüllt sind. Unter anderem setzt die Unterhaltspflicht der Kinder voraus, daß die Deckung des Unterhaltes eines Elternteiles nicht bei seinem vorleistungspflichtigen (früheren) Ehegatten gefunden werden kann (vgl. dazu die unter E 1 zu § 143 ABGB zitierte Rechtsprechungsübersicht bei DITTRICH, TADES, Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, 32. Auflage, Seite 112). In den Verwaltungsakten finden sich Hinweise, daß die Mutter der Beschwerdeführerin sich nach dem Tod des leiblichen Vaters der Beschwerdeführerin wieder verehelicht hat. Zuletzt hat die Mutter der Beschwerdeführerin in dem von ihr unterfertigten Einkommensnachweis vom 16. Februar 1988 als Familienstand "geschieden" angegeben. Es wird daher insbesondere zu prüfen sein, ob ihr Unterhalt im Jahr 1986 nicht von ihrem (damaligen oder allenfalls schon geschiedenen) Ehegatten gedeckt wurde.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Parteiengehör offenkundige notorische Tatsachen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989120173.X00

Im RIS seit

01.02.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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