TE Vwgh Erkenntnis 1990/3/19 89/18/0155

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Veröffentlicht am 19.03.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler,

Dr. Degischer, Dr. Domittner und DDr. Jakusch als

Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde 1) des NN 2) der MN gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 5. April 1989, Zl. V/1-8545/2-1989, betreffend Aufforstung von Nichtwaldflächen (mitbeteiligte Partei: XY), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Burgenland hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft A beraumte über die Anzeige der mitbeteiligten Partei XY, daß er sein Grundstück Nr. 295/1 der Katastralgemeinde Z neu aufforsten werde, eine mündliche Verhandlung für 28. April 1988 an und lud dazu unter anderem die mitbeteiligte Partei, die Beschwerdeführer als Anrainer (Grundstück Nr. 297/1 derselben Katastralgemeinde) des aufzuforstenden Grundstückes, die Bezirksforstinspektion Burgenland Süd sowie das Amt der Burgenländischen Landesregierung, Abteilung V/1, jeweils "mit dem Ersuchen um Entsendung eines Amtssachverständigen", sowie das landwirtschaftliche Bezirksreferat A mit dem Ersuchen um Teilnahme. Laut Niederschrift vom 28. April 1988 waren bei dieser Verhandlung anwesend der Verhandlungsleiter der Bezirkshauptmannschaft A, die Amtssachverständigen BB und CC (ohne daß angegeben worden wäre, über welche Wissenschaft, Kunst oder Technik die Sachverständigen aussagen sollten), ein Vertreter der Gemeinde D, die mitbeteiligte Partei sowie der Erstbeschwerdeführer mit seinem Rechtsanwalt. In der Niederschrift heißt es unter anderem, nach erfolgter Besichtigung an Ort und Stelle habe sich nachstehender Befund ergeben; innerhalb dieses "Befundes" finden sich Parteienvorbringen, offenbar objektiv sein sollende Feststellungen, Anträge und Fragen des Parteienvertreters Rechtsanwalt EE, einmal die Wendung, "der Sachverständige erklärt darauf, daß ..." und ein andermal die Wendung "der Sachverständige für Forstwirtschaft erklärt, daß ...", ferner kommt ein in der Liste der anwesenden Personen nicht aufscheinender FF mit einer Bemängelung zu Wort.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft A vom 2. Mai 1988 wurde die von der mitbeteiligten Partei angezeigte Teilaufforstung des Grundstückes Nr. 295/1 der Katastralgemeine Z gemäß §§ 35 bis 39 des burgenländischen Landesgesetzes vom 23. Juni 1933, betreffend den Schutz des Feldgutes und den landwirtschaftlichen Betrieb, LGBl. Nr. 65, nicht untersagt und es könne die Umwandlung des landwirtschaftlichen Grundstückes in Waldland bei Einhaltung nachstehender Vorschreibungen erfolgen: Zum Grundstück der Beschwerdeführer sei ein Streifen von 2 m gänzlich von jeglicher Aufforstung freizuhalten und weitere drei Meter Breite seien so zu nützen, daß die Bäume bei Erreichen einer durchschnittlichen Höhe von 2,5 m entfernt würden. Die freizuhaltenden Streifen des Grundstückes der mitbeteiligten Partei seien mindestens einmal im Jahr zu mähen. Vor dem Bescheidspruch wurde ein "Befund" wiedergegeben, der inhaltlich so konfus ist wie die oben genannte Niederschrift, insbesondere auch Parteienvorbringen und Fragen des Parteienvertreters enthält. Welcher Sachverständige aus welchem Fach den Befund abgegeben haben soll, geht aus dem Bescheid nicht hervor. In der Begründung folgen Zitate aus dem oben erwähnten Landesgesetz und die Wendung, der Bescheid gründe sich auf die bezogenen Gesetzesstellen sowie auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens, insbesondere der örtlichen Erhebung, Verhandlung und die überzeugenden Ausführungen "der Gutachter", so daß ein weiteres Gutachten eines Geometers überflüssig sei.

Die Beschwerdeführer erhoben gegen diesen Bescheid rechtzeitig Berufung.

Die belangte Behörde ließ die Berufung zunächst einige Zeit vorsätzlich unerledigt, da sie das Inkrafttreten eines neuen Landesgesetzes abwarten wollte (so ihr Schreiben vom 8. Februar 1989 an die mitbeteiligte Partei). Mit Bescheid vom 5. April 1989, zugestellt an den Rechtsanwalt der Beschwerdeführer am 17. April 1989, gab die burgenländische Landesregierung der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, daß der mitbeteiligten Partei die Bewilligung zur Teilaufforstung des Grundstückes Nr. 295/1 der Katastralgemeine Z erteilt werde. Zum Nachbargrundstück GG sei ein Streifen von 3 m gänzlich von jeglicher Aufforstung freizuhalten. Der Bescheid gründe sich auf § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 des Landesgesetzes vom 24. November 1988 über die Aufforstung von Nichtwaldflächen, LGBl. Nr. 17/1989, ausgegeben und versendet am 8. März 1989. In der Begründung des Bescheides wurde unter anderem ausgeführt, daß die Berufungsbehörde mangels besonderer Bestimmungen das neue Recht anzuwenden habe. Die Behörde erster Instanz habe zur Frage einer Beeinträchtigung durch Beschattung infolge der angezeigten Aufforstung eine Ortsverhandlung durchgeführt, an der sowohl ein forstfachlicher als auch ein landwirtschaftlicher Amtssachverständiger teilgenommen hätten. Auf Grund der schlüssigen Gutachten und der aufliegenden Stellungnahmen sowie der örtlichen Verhandlung seien die Sachverständigen zur Auffassung gelangt, daß der Abstand bis zu einer Breite von 5 m ausreichend sei, um eine Beschattung des Nachbargrundstückes nicht erwarten zu lassen. Bei der von der mitbeteiligten Partei beabsichtigten Anpflanzung von Eiche, Buche und Bergahorn sei im Hinblick auf die zu erwartende Höhe der Bäume, die Lage des Grundstückes und die Sonneneinstrahlung bei der geplanten Aussetzung mit einer beschädigenden Sonneneinstrahlung nicht zu rechnen. Die Gutachten seien durchaus schlüssig, die Amtssachverständigen seien schon langjährig mit solchen Fragen befaßt und hätten großes Fachwissen und große Erfahrung. Die Beschwerdeführer hätten diese Gutachten nicht entkräften können, sie hätten kein Gegengutachten vorgelegt. Durch laienhafte Darstellung der Dinge könnten die Gutachten der Amtssachverständigen nicht entkräftet werden.

Die Beschwerdeführer bekämpften diesen Bescheid beim Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 25. September 1989, B 633/89, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Vor dem Verwaltungsgerichtshof machten die Beschwerdeführer in einem ergänzenden Schriftsatz Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mitbeteiligte Partei brachte einen Schriftsatz des Inhaltes ein, daß sie aus wirtschaftlichen Gründen die Aufforstung durchführen müsse.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Rechtsmittelbehörde hat im allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden, insbesondere dann, wenn keine gesetzlichen Übergangsbestimmungen dahin vorliegen, daß auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Slg. N.F. Nr. 9315/A).

Gemäß Art. 25 Abs. 3 des burgenländischen Landes-Verfassungsgesetzes beginnt die verbindliche Kraft eines Landesgesetzes, wenn nicht anderes angeordnet, nach Ablauf des Tages, an dem das Gesetz herausgegeben und versendet wurde. Hinsichtlich des oben erwähnten Gesetzes über die Aufforstung von Nichtwaldflächen war demnach der Tag des Inkrafttretens der 9. März 1989.

Gemäß § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes dürfen Grundstücke, die nach ihrer Beschaffenheit oder der Art ihrer tatsächlichen Verwendung der landwirtschaftlichen Nutzung gewidmet sind, und Grundstücke, die an solche Grundstücke angrenzen, nur mit Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde aufgeforstet ... werden. Nach § 2 Abs. 1 leg. cit. ist, wenn durch die beabsichtigte Maßnahme für ein angrenzendes landwirtschaftlich genutztes Grundstück Bewirtschaftungsnachteile, insbesondere infolge Durchwurzelung oder Beschattung, zu erwarten sind, die Bewilligung mit der Auflage zu erteilen, einen 5 m breiten Streifen entlang der Grenze von der Holzvegetation freizuhalten. Dieser Abstand kann von der Bezirksverwaltungsbehörde je nach der Reichweite der zu erwartenden Einwirkungen der Holzvegetation auf das Nachbargrundstück durch Beschattung oder Durchwurzelung bis 3 m herabgesetzt oder bis 7 m erhöht werden.

Nach Abs. 2 dieses Paragraphen ist die Bewilligung jedoch zu versagen, wenn durch die Kulturumwandlung auch bei Freihaltung eines Streifens von der Holzvegetation (Abs. 1) für das Nachbargrundstück ein Schaden zu erwarten ist.

Zur Rechtsansicht der Beschwerde, den Beschwerdeführern sei eine Instanz entzogen worden, die Berufungsbehörde habe über eine andere Sache entschieden als die Behörde erster Instanz, in diesem Sinne sei die belangte Behörde unzuständig, ist folgendes zu bemerken: Mangels gesetzlicher Übergangsbestimmung hatte die belangte Behörde, wie oben ausgeführt, nur das neue Landesgesetz anzuwenden. Eine Rückverweisung einer im zeitlichen Geltungsbereich des alten Rechtes anhängig gewordenen Sache nur aus diesem Grund ist nicht vorgesehen. Allerdings ist das erstinstanzliche Verfahren am Maße des neuen Gesetzes zu messen.

Geschieht dies, so erweist sich das Verwaltungsverfahren aus folgenden Gründen als mangelhaft:

Die belangte Behörde hat den erstinstanzlichen Bescheid unter anderem mit der Maßgabe bestätigt, daß zum Nachbargrundstück GG ein Streifen von 3 m gänzlich von jeder Aufforstung freizuhalten sei. Vergleicht man hiemit die diesbezügliche Auflage der ersten Instanz:

"Zum Grundstück Eigentümer NN und MN ist ein Streifen von 2 m gänzlich von jeder Aufforstung freizuhalten und weitere 3 m Breite so zu nützen, daß die Bäume bei Erreichung einer durchschnittlichen Höhe von 2,5 m entfernt werden.

Die freizuhaltenden Streifen des Grundstückes Nr. 295/1 sind mindestens einmal im Jahr zu mähen",

so ergibt sich die Frage, ob durch die "Bestätigung mit der Maßgabe" nun der weitere Streifen von 3 m mit Höhenbeschränkung auf 2,5 m aufrechterhalten oder wegfallen soll; dieselbe Frage ergibt sich hinsichtlich des zu mähenden Streifens. In dieser Unklarheit der Bescheidfassung allein liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel, der dem Verwaltungsgerichtshof die meritorische Überprüfung der Entscheidung unmöglich macht.

Sollte die belangte Behörde die Absicht gehabt haben, anstelle des Streifens von 2 m und des Streifens von 3 m Breite nur einen Streifen von 3 m Breite vorzuschreiben, so fehlte für diese Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides zum Nachteil der Beschwerdeführer die Begründung.

Die Beschwerdeführer haben schon in ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid die Unschlüssigkeit der Befundaufnahme und die mangelnde Eignung der Amtssachverständigen gerügt. Die Berufungsbehörde konnte auf diesen Teil der Berufungsgründe schon deshalb nur ungenügend eingehen, weil infolge der Fassung der Niederschrift vom 28. April 1988 und infolge der Art der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides überhaupt nicht ersichtlich ist, welcher Sachverständige aus welchem Fach welche Aussage machte. Bevor diese Frage nicht geklärt ist, erübrigt sich eine Stellungnahme zur inhaltlichen Schlüssigkeit des Gutachtens oder der Gutachten - es läßt sich ja nicht einmal erkennen, ob ein oder zwei Befunde und Gutachten abgegeben wurden.

Nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Aufforstung von Nichtwaldflächen ist, wenn für Nachbargrundstücke Bewirtschaftungsnachteile zu erwarten sind, in der Regel ein 5 m breiter Streifen entlang der Grenze als von der Holzvegetation freizuhaltend vorzuschreiben. Dieser Abstand kann verkleinert oder vergrößert werden je nach der Reichweite der zu erwartenden Einwirkungen der Holzvegetation auf das Nachbargrundstück durch Beschattung oder Durchwurzelung. Nach Abs. 2 dieses Paragraphen ist die Bewilligung schlechthin zu versagen, wenn durch die Kulturumwandlung auch trotz Freihaltung eines Streifens im Sinne des Abs. 1 für das Nachbargrundstück ein Schaden zu erwarten ist.

Die Behörden des Verwaltungsverfahrens haben weder über die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 noch über jene des Abs. 2 leg. cit. Feststellungen getroffen.

Da somit der Sachverhalt in den aufgezeigten wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und überdies, wie oben dargestellt, Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989180155.X00

Im RIS seit

17.01.2002

Zuletzt aktualisiert am

26.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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