TE Vwgh Erkenntnis 1990/4/23 90/10/0051

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Veröffentlicht am 23.04.1990
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Index

L40010 Anstandsverletzung Lärmerregung;
L40019 Anstandsverletzung Lärmerregung Wien;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §1;
AVG §58 Abs1;
AVG §63 Abs1;
B-VG Art10 Abs1 Z7;
B-VG Art15 Abs2;
EGVG Art8/Bundesländer ausser Wien Fall1 Anstandsverletzung impl;
EGVG Art8/Bundesländer ausser Wien Fall2 Lärmerregung impl;
EGVG Art8/Wr Fall1 Anstandsverletzung;
EGVG Art8/Wr Fall2 Lärmerregung;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §35 Abs1;
VwGG §61 Abs1;

Betreff

N gegen Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 28. November 1989, Zl. SD 636/89, betreffend Übertretungen des Art. IX EGVG 1950

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1.0. Aus der Beschwerde im Zusammenhalt mit dem angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

1.1. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien (Bezirkspolizeikommissariat Donaustadt) vom 19. Dezember 1986 wurde über den Beschwerdeführer wegen Übertretung des Art. VIII erster und zweiter Fall und Art. IX Abs. 1 Z. 1 und 2 EGVG 1950 eine Geldstrafe von insgesamt S 2.600,-- (Ersatzarreststrafe in der Dauer von 130 Stunden) verhängt. Gleichzeitig wurde ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.

Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

1.2. Anläßlich des Exekutionsvollzuges erhielt der als Beschwerdevertreter ausgewiesene Sachwalter des Beschwerdeführers erstmals von diesen Vorgängen Kenntnis. Er ersuchte daraufhin um Aufschiebung der Exekution gemäß § 42 EO, begehrte von der Bundespolizeidirektion Wien die Feststellung, daß das Straferkenntnis vom 19. Dezember 1986 noch nicht rechtskräftig sei und erhob dagegen Berufung.

1.3. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung, soweit sie sich gegen die Punkte (3 und 4) des Straferkenntnisses (Störung der Ordnung, ungestümes Benehmen) richtete, gemäß § 63 Abs. 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unzulässig zurückgewiesen.

In der Begründung verwies die belangte Behörde zunächst darauf, daß der Beschwerdeführer in seiner Berufung geltend gemacht habe, zum Zeitpunkt der Strafverhandlung nicht handlungs- und daher auch nicht prozeßfähig gewesen zu sein. Tatsächlich sei der Vertreter des Beschwerdeführers schon im Juli 1986, also etwa ein halbes Jahr vor der Strafverhandlung, zum (einstweiligen) Sachwalter für alle gerichtlichen Verfahrenshandlungen bestellt worden. Es sei daher davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Strafverhandlung nicht prozeßfähig gewesen sei. Das in dieser Strafverhandlung ausgesprochene Straferkenntnis sei daher nicht als erlassen anzusehen. Allein aus diesem Grunde sei die Berufung als unzulässig zurückzuweisen.

1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Sachwalter des Beschwerdeführers erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde habe nur über Punkt 3) und 4) des Straferkenntnisses abgesprochen. Wenn seine Berufung als "unzulässig" zurückgewiesen werde, so könne dies nicht auf die §§ 63 Abs. 5 UND und 66 Abs. 4 AVG 1950 gestützt werden. Die Behörde habe sich auch nicht ausführlich mit seiner Handlungs- und Prozeßfähigkeit bzw. mit seiner Deliktsfähigkeit auseinandergesetzt. Schließlich sei die Rechtsmittelbelehrung im Zusammenhang mit der Annahme der belangten Behörde, daß das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion als nicht erlassen anzusehen sei, gedanklich nicht nachvollziehbar, da es dort heiße, die verhängten Strafen seien "so- kräftig und vollstreckbar".

Mit der Beschwerde wurde gleichzeitig auch der Antrag auf

Gewährung der Verfahrenshilfe gestellt.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, daß die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 19. Dezember 1986 unter Hinweis auf § 63 Abs. 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unzulässig zurückgewiesen hat. Im Zusammenhalt mit der Begründung des angefochtenen Bescheides (vgl. zur Ermittlung des Sinnes des Spruches eines Bescheides unter Heranziehung der Begründung etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1980, Zl. 2939/79) ergibt sich, daß die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers nicht etwa wegen Verspätung zurückgewiesen hat (worauf die Zitierung des § 63 Abs. 5 AVG 1950 hindeuten könnte), sondern wegen des Fehlens des Zulässigkeitserfordernisses eines bekämpfbaren Bescheides. Die belangte Behörde ging nämlich davon aus, daß dem Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Strafverhandlung die Prozeßfähigkeit gefehlt habe, weshalb das ergangene Straferkenntnis "als nicht erlassen" anzusehen sei.

Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, daß sich die belangte Behörde mit seiner Handlungs-(Prozeß-)Fähigkeit bzw. seiner Deliktsfähigkeit nicht näher auseinandergesetzt hat. Für den Verwaltungsgerichtshof ist jedoch nicht ersichtlich, inwiefern der angefochtene Bescheid deshalb den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt, liegt doch der Zurückweisung seiner Berufung die Auffassung zugrunde, daß das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 19. Dezember 1986 als nicht erlassen und somit nicht dem Rechtsbestand zugehörig anzusehen ist. Damit kommt auch eine Vollstreckung - abgesehen von der zwischenzeitig eingetretenen Vollsteckungsverjährung - nicht mehr in Frage.

2.2. Auch das übrige Vorbringen des Beschwerdeführers ist nicht geeignet, seiner Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen:

Wenn der Beschwerdeführer die Nichterledigung der Punkte 1) und 2) des Straferkenntnisses (Anstandsverletzung und Lärmerregung) durch die belangte Behörde rügt, so ist er darauf zu verweisen, daß es sich dabei seit der B-VG-Novelle 1974 um Angelegenheiten der örtlichen Sicherheitspolizei handelt. Zur Entscheidung über die Berufung wegen einer Bestrafung nach Art. VIII EGVG 1950 ist daher nicht die Sicherheitsdirektion, sondern die Landesregierung zuständig (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Dezember 1975, Zl. 172/75, VwSlg. 8941/A).

Was die vom Beschwerdeführer behauptete unrichtige rechtliche Beurteilung des Zurückweisungsgrundes seiner Berufung anlangt, ergibt sich, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits unter Punkt 2.1. dargelegt hat, im Zusammenhang mit der Begründung des angefochtenen Bescheides, daß die belangte Behörde seine Berufung nicht wegen Verspätung, sondern mangels eines rechtsgültigen Straferkenntnisses zurückgewiesen hat. Die unzutreffende Zitierung des § 63 Abs. 5 AVG 1950 schadet insofern nicht.

Schließlich bringt der Beschwerdeführer vor, in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides heiße es, verhängte Strafen seien "so- kräftig und vollstreckbar", was im Zusammenhang mit der Annahme der belangten Behörde, daß das seinerzeitige Straferkenntnis als nicht erlassen anzusehen sei, gedanklich nicht nachvollzogen werden könne.

Darauf ist zu erwidern, daß die Rechtsmittelbelehrung eines Bescheides eine "Belehrung" und keinen normativen Abspruch, der der Rechtskraft fähig wäre, darstellt (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Jänner 1950, Zl. 543/48, VwSlg. 1167/A). Wie der Beschwerdeführer im Rahmen seines Vorbringens selbst eingeräumt, handelt es sich dabei offenbar um einen Schreibfehler (es müßte wohl heißen: Verhängte Strafen sind sofort rechtskräftig und vollstreckbar), der mangels rechtlicher Wirksamkeit der Rechtsmittelbelehrung keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bewirkt.

2.3. Da schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, das die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

2.4. Ist eine Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen, so entfällt die Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages und es erübrigte sich auch die Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1989, Zl. 89/14/0189).

Schlagworte

Rechtsmittelbelehrungsachliche Zuständigkeit in einzelnen AngelegenheitenInstanzenzug Zuständigkeit Besondere Rechtsgebiete Verfahrensrechtliche Bescheide DiversesMängelbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990100051.X00

Im RIS seit

03.12.2001

Zuletzt aktualisiert am

25.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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