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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
N gegen Wiener Landesregierung vom 8. November 1989, Zl. MA 70-11/1854/88/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Ausspruch über die Strafe einschließlich der damit verbundenen Kostenentscheidung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Berufungsbescheid der Wiener Landesregierung vom 8. November 1989 wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug schuldig erkannt, er sei am 1. Juli 1988 um 13.50 Uhr in Wien 17, Kalvarienberggasse 28a, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt gewesen und habe es unterlassen, ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle von diesem Unfall zu verständigen. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) in Verbindung mit § 99 Abs. 3 lit. b leg. cit. begangen; die nach der letztgenannten Gesetzesstelle von der ersten Instanz verhängte Geldstrafe von S 4.000,-- (acht Tage Ersatzarreststrafe) wurde von der Berufungsbehörde auf S 3.000,-- (Ersatzarreststrafe vier Tage) herabgesetzt. In der Begründung dieses Bescheides wurden unter anderem die Zeugenaussage der Aufforderin XY und das Gutachten des Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 46 wörtlich wiedergegeben. Die Berufungsbehörde folge diesen Beweisergebnissen und schenke der Zeugin ZZ keinen Glauben, was den Umstand anlange, daß sie weder Anstoß- noch Splittergeräusche gehört noch einen Anstoß selbst verspürt habe. Hingegen seien die Angaben der Zeugin XY glaubwürdig, sie stimmten auch mit ihren Angaben in der Anzeige überein. Die Tat sei daher als erwiesen anzunehmen gewesen.
Die Strafe sei herabzusetzen gewesen, weil die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers von der Erstbehörde nicht als mildernd gewertet worden sei. Die Tat habe in nicht unerheblichem Maß das Interesse an der raschen Aufklärung von Verkehrsunfällen geschädigt. Deshalb sei ihr Unrechtsgehalt an sich nicht gering, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen. Auch das Verschulden des Beschwerdeführers sei nicht gering, da weder hervorgekommen noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen sei, daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können. Auch die ungünstigen Einkommensverhältnisse, die Vermögenslosigkeit und das Fehlen einer gesetzlichen Sorgepflicht seien berücksichtigt worden. Der gesetzliche Strafsatz reiche bis zu S 10.000,-- die nunmehr herabgesetzte Geldstrafe sei angemessen und keineswegs zu hoch.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen
Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde bekämpft in der Schuldfrage im wesentlichen die Richtigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 24. Mai 1974, Slg. N.F. Nr. 8619/A) schließt die auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG 1950 eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, das heißt, ob sie u.a. den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, weshalb wesentliche Mängel der Sachverhaltsfeststellung einschließlich der Beweiswürdigung zur Aufhebung des Bescheides führen. Ob aber der Akt einer Beweiswürdigung richtig in dem Sinne ist, daß z.B. eine den Beschwerdeführer belastende Darstellung und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht, kann der Verwaltungsgerichtshof auf Grund seiner eingeschränkten Prüfungsbefugnis in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde nicht überprüfen (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).
Auf diese ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Beschwerdeführer zu verweisen, sofern er vorbringt, man hätte ihm und der Zeugin ZZ, nicht aber der Zeugin XY Glauben schenken müssen.
Der Beschwerdeführer irrt auch darin, wenn er meint, die Verwirklichung des Tatbestandes nach § 4 Abs. 5 StVO setze positives Wissen des Lenkers um eine eingetretene Sachbeschädigung voraus. Richtigerweise genügt zur Herstellung des Tatbestandes auch fahrlässiges Nichtwissen von der eingetretenen Beschädigung (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, z.B. Erkenntnis vom 25. Februar 1983, Zl. 81/02/0038 und die darin zitierte weitere Judikatur).
Dazu kommt noch, daß der Beschwerdeführer am Tatort durch die Zeugin XY auf die von ihr wahrgenommene eingetretene Beschädigung aufmerksam gemacht wurde. Entfernt sich nun ein unfallsbeteiligter Fahrzeuglenker trotz Behauptung der Sachbeschädigung durch einen anderen ohne gegenseitigen Identitätsnachweis und ohne Verständigung der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub vom Tatort, so tut er dies insoweit auf eigenes Risiko, daß es ihm allenfalls nicht gelingen könnte, den von der Behörde prima facie angenommenen Eintritt eines Sachschadens zu widerlegen (Erkenntnis vom 20. April 1989, Zl. 85/18/0146).
Die Beschwerde vermochte somit in der Schuldfrage somit nicht zu überzeugen.
Hingegen ist die Begründung der belangten Behörde für die Höhe der nunmehr herabgesetzten Geldstrafe in Anbetracht des Berufes und des Mangels jedes Einkommens des Beschwerdeführers unschlüssig. Mangels gegenteiliger Feststellungen ging die belangte Behörde offenbar von den Angaben des Beschwerdeführers aus, wonach er Student sei, von seinen Eltern erhalten werde und ein Taschengeld von S 3.000,-- monatlich beziehe. Sollte die belangte Behörde von der Erwägung ausgegangen sein, daß es den Grundsätzen der Strafbemessung entspräche, dem Beschwerdeführer gerade die Höhe eines monatlichen Taschengeldes als Geldstrafe aufzuerlegen, so könnte dies durchaus einsehbar sein, allerdings unter der nicht festgestellten Tatsachenannahme, daß dieses Taschengeld dem Beschwerdeführer frei zur Verfügung stünde und nicht mindestens teilweise für Kosten der Lebenshaltung oder des Studiums gebraucht würde. In dieser Richtung ist die Begründung des angefochtenen Bescheides mangelhaft, dies insbesondere in Anbetracht des Umstandes, daß die verhängte Geldstrafe immerhin 30 % des gesetzlichen Höchstrahmens erreicht.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid allein in der Straffrage gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG, da der Sachverhalt in der Straffrage in dem aufgezeigten wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, im übrigen war aber die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein freie Beweiswürdigung Verfahrensbestimmungen Beweiswürdigung AntragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989180195.X00Im RIS seit
12.06.2001Zuletzt aktualisiert am
10.11.2008