TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/15 89/05/0221

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Veröffentlicht am 15.05.1990
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Index

L82000 Bauordnung;
L85003 Straßen Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauRallg;
LStG NÖ 1956 §6 Abs1 idF 8500-3;

Betreff

NN und NM gegen Niederösterreichische Landesregierung vom 3. Oktober 1989, Zl. R/1-V-89145, betreffend ein Bewilligungsverfahren nach § 6 des NÖ Landesstraßengesetzes (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister):

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.470,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 20. Juli 1989 wurde "das Projekt des Arch. Dipl.-Ing. A. W.

... über die Umgestaltung des Hauptplatzes auf den Grundstücken

Nr. 234, 396/1, 396/2, 498 und 499, EZ. 87, 1703 und 1706, KG X

... straßenbehördlich gemäß § 6 Abs. 7 des NÖ

Landesstraßengesetzes genehmigt ... Die ... Einwendungen und

Vorbringungen der Parteien und Beteiligten" - und sohin auch der Beschwerdeführerinnen - wurden "auf den Zivilrechtsweg verwiesen bzw. als unzulässig abgewiesen".

Die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerinnen wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 3. Oktober 1989 gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen.

Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und des Wortlautes des § 61 Abs. 4 der Gemeindeordnung führte die Aufsichtsbehörde in der Begründung ihres Bescheides aus, in einem Verfahren nach § 6 des NÖ Landesstraßengesetzes könne nur die bautechnische Gestaltung einer Landes- oder Gemeindestraße oder -brücke und ihrer Nebenanlagen (Gehsteige, Haltestellenbuchten und -inseln, Kanal, Stütz- oder Schallschutzmauern, Grünanlagen etc.) geregelt werden. Die Frequenz und den Ablauf des Verkehrs auf einer öffentlichen Straße zu regeln, sei Aufgabe anderer Behörden. In welcher Richtung und mit welcher Geschwindigkeit eine Fahrbahn zu benützen sei sowie, wer dort halten oder parken dürfe und wie lange, habe im allgemeinen die Straßenverkehrsbehörde auf Grund der Straßenverkehrsordnung zu bestimmen; die Haltestellen und den Fahrplan von Kraftfahrlinien habe im besonderen die Kraftfahrlinienbehörde auf Grund des Kraftfahrliniengesetzes festzulegen bzw. zu genehmigen. Der Straßenerhalter könne durch die Herstellung von Autobusabstellanlagen (Busbuchten, Haltestelleninseln etc.) nur Vorleistungen für die Festlegung von Haltestellen für Kraftfahrlinien erbringen, erzwingen könne er sie damit nicht. Auch die straßenrechtliche Bewilligung der Herstellung von Autobus-Abstellanlagen vermöge die Kraftfahrlinienbehörde nicht zu binden. Die Beschwerdeführerinnen seien daher mit ihren an die Straßenbehörde gerichteten Einwänden gegen die Festlegung der Lage von Bushaltestellen (anstelle bisheriger Abstellplätze für Pkw) und gegen die von ihnen befürchteten Auswirkungen des Kraftfahrlinienverkehrs auf dem Hauptplatz von X in diesem Straßenbaubewilligungsverfahren von einer unrichtigen Kompetenzvorstellung ausgegangen. Der von den Beschwerdeführerinnen mehrfach zitierte § 6 a des NÖ Landesstraßengesetzes enthalte im letzten Satz des ersten Absatzes die Bestimmung, daß durch ihn keine subjektiven Rechte (der Straßenanrainer) begründet werden. Daher gingen die gegen die Festlegung der Lage von Kraftfahrlinien-Haltestellen und die Auswirkungen des Kraftfahrlinienverkehrs gerichteten Einwendungen der Beschwerdeführerinnen ins Leere und komme auch die Verletzung von Verfahrensrechten bei der Erledigung dieser Einwendungen nicht in Betracht. Ihre ausführliche Behandlung in der Verhandlung am 17. Juli 1989 sei ein "Bürgerservice" (in der Begründung des bekämpften Bescheides als "Bemühen um eine Konsensfindung" bezeichnet) gewesen, zu dem die Straßenbehörde nicht verpflichtet gewesen sei. Den weiteren Einwand, durch die Ausführung des gegenständlichen Straßenbauvorhabens werde die Zufahrt zu ihrem Hotel über den Hauptplatz erheblich erschwert ("zerstört"), hätten die Beschwerdeführerinnen nur sehr unklar ausgeführt; er erscheine auch durch einen kurzen Blick in die im Spruch des bekämpften Bescheides zitierten Pläne dieses Straßenbauvorhabens widerlegbar. Entlang der gesamten Nordseite der eingangs angeführten Grundstücke der Beschwerdeführerinnen sei eine Fahrbahn geplant. Gemäß § 24 Abs. 1 lit. e der Straßenverkehrsordnung 1960 dürften Haltestellen von Massenbeförderungsmitteln außerhalb der Betriebszeiten derselben auch von Lenkern anderer Fahrzeuge benützt werden; also werde in den Morgen- und Abendstunden, wie bisher, die Zufahrt zu wenigstens einer der neusituierten Bushaltestellen in der Nähe des Hotels der Beschwerdeführerinnen mit einem Ausflugsbus möglich sein. Den Bestand einer Einfahrt in ihr Hotel vom Hauptplatz her, deren Benützung durch die Umgestaltung des Hauptplatzes verhindert werden könnte, hätten die Beschwerdeführerinnen gar nicht behauptet. (Das sei sonst der häufigste Einwand in derartigen Verfahren.) Der Zugang zur Liegenschaft der Beschwerdeführerinnen während der Baudauer sei durch die Auflagen des bekämpften Bewilligungsbescheides ausreichend gesichert; dagegen hätten sie in der Vorstellung auch nichts vorgebracht. Da also die Begründung der Vorstellung zum Teil einer gesetzlichen Deckung entbehre und zum anderen Teil nicht zutreffe, müsse die Vorstellung als unbegründet abgewiesen werden.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erwogen:

Die Bestimmungen des § 6 Abs. 1, 3 und 6 sowie des § 6 a des NÖ. Landesstraßengesetzes in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung LGBl. 8500-3 haben nachstehenden Wortlaut:

"§ 6

Bauverhandlung, Trassenbegehung, Baubewilligung

(1) Vor Inangriffnahme der Bauarbeiten für die Neuanlage, Umgestaltung oder Umlegung einer Landeshaupt- oder Landesstraße ist eine örtliche Verhandlung und Begehung der Trasse zum Zwecke der Begutachtung des Bauvorhabens vom Standpunkt der durch den Bauentwurf berührten Interessen durchzuführen. Hiebei ist insbesondere auch darauf Bedacht zu nehmen, daß sich die geplante Straße unter Schonung bestehender Natur- und Kunstdenkmale dem Landschaftsbild anpaßt und dem Verkehr, einschließlich eines allfälligen besonderen landwirtschaftlichen Verkehrsbedürfnisses gerecht wird. Weiters ist auf die Umweltverträglichkeit Bedacht zu nehmen.

...

(3) Zu der Amtshandlung, die in den durchzogenen Gemeinden durch Anschlag an der Amtstafel durch acht Tage vor dem Verhandlungstag kundzumachen ist, sind außer den Entwurfsvertretern die Durchzugsgemeinden, die sonstigen beteiligten Behörden und Amtsstellen sowie alle bekannten Anrainer und sonstigen Beteiligten, insbesondere auch die in Betracht kommenden Stromversorgungsunternehmungen nachweislich zu laden. Abweichungen vom Bauentwurf, über die bei der Verhandlung eine Einigung erzielt wurde, sind in den der Verhandlung zugrunde liegenden Entwurfsplänen mit blauer Farbe ersichtlich zu machen. Privatrechtliche Einwendungen gegen den Bauentwurf, über die eine Einigung nicht erzielt worden ist, sind zur Austragung auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

...

(6) Bei Neuanlage, Umgestaltung und Umlegung von Gemeindestraßen und Wegen ist das vorangeführte Verfahren durch den Gemeinderat durchzuführen. ... Den Baubewilligungsbescheid erläßt der Gemeinderat."

"§ 6 a

Schutz der Nachbarn

(1) Bei der Planung und beim Bau von Landeshaupt- und Landesstraßen ist vorzusorgen, daß Beeinträchtigungen der Nachbarn durch den zu erwartenden Verkehr auf Landeshaupt- und Landesstraßen soweit herabgesetzt werden, als dies durch einen im Hinblick auf den erzielbaren Zweck wirtschaftlich vertretbaren Aufwand erreicht werden kann, sofern nicht die Beeinträchtigung wegen der Art der Nutzung des der Landeshaupt- und Landesstraße benachbarten Gebäudes zumutbar ist. Subjektive Rechte werden hiedurch nicht begründet."

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes hat die durch die Novelle LGBl. 8500-1 erfolgte Einfügung des letzten Satzes des § 6 Abs. 1 sowie des § 6 a über den "Schutz der Nachbarn" bewirkt, daß nunmehr bei der Begutachtung von Bauvorhaben im Sinne des § 6 Abs. 1 leg. cit. einerseits allgemein "auf die Umweltverträglichkeit Bedacht zu nehmen" und andererseits "vorzusorgen ist, daß Beeinträchtigungen der Nachbarn durch den zu erwartenden Verkehr auf Landeshaupt- und Landesstraßen" in dem umschriebenen Maß "herabgesetzt werden". Aus der Vorschrift des letzten Satzes des § 6 a Abs. 1 leg. cit., wonach "subjektive Rechte hiedurch nicht berührt werden", ist ferner abzuleiten, daß den Nachbarn in den von dieser Gesetzesstelle erfaßten Belangen, also hinsichtlich der für sie zu erwartenden Verkehrsbeeinträchtigungen kein Mitspracherecht zusteht, sodaß sie in keinem Recht verletzt werden, wenn die Behörde ihren diesbezüglichen Einwendungen nicht Rechnung trägt. Die Regelung des § 6 a Abs. 1 leg. cit. hat aber nichts daran geändert, daß bei der - obligatorischen - Bauverhandlung im Sinne des § 6 Abs. 1 leg. cit. eine "Begutachtung des Bauvorhabens vom Standpunkt der durch den Bauentwurf berührten Interessen durchzuführen ist", wobei sich aus § 6 Abs. 3 leg. cit. klar ergibt, daß zu diesen Personen auch "alle bekannten Anrainer" gehören. Wenngleich das Gesetz in dieser Hinsicht keine ausdrückliche Regelung enthält, sondern lediglich anordnet, daß PRIVATRECHTLICHE Einwendungen gegen den Bauentwurf, über die eine Einigung nicht erzielt worden ist, zur Austragung auf den Zivilrechtsweg zu verweisen sind, ist der Gerichtshof schon bisher davon ausgegangen, daß die Bewilligungsbehörde über straßenbautechnische Einwendungen, welche die Interessen der durch den Bauentwurf berührten Nachbarn betreffen, meritorisch abzusprechen hat (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 12. April 1988, Zl. 88/05/0019). Den Nachbarn steht daher im Baubewilligungsverfahren auch nach der erwähnten Änderung der Rechtslage in dieser Hinsicht ein Mitspracherecht zu, sodaß sie einen Anspruch auf eine diesbezügliche Sachentscheidung der Behörde besitzen; der Gerichtshof kann den Beschwerdeführerinnen allerdings insoweit nicht folgen, als sie auch in den Fragen der Umweltverträglichkeit sowie hinsichtlich der zu erwartenden Verkehrsbeeinträchtigung ein derartiges Mitspracherecht beanspruchen. Sie konnten daher in dieser Hinsicht auch in verfahrensrechtlicher Beziehung in keinem Recht verletzt worden sein.

Im Spruch des dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 20. Juli 1989 wurde nach einem Hinweis auf die einen wesentlichen Bestandteil des Bescheides bildende Verhandlungsschrift und Festlegung einer darin nicht enthaltenen Auflage ausgesprochen, daß "die übrigen Einwendungen und Vorbringungen der Parteien und Beteiligten auf den Zivilrechtsweg verwiesen bzw. als unzulässig abgewiesen werden". Der Begründung dieses Bescheides kann zwar nicht entnommen werden, warum die Bewilligungsbehörde dem unter dem Gesichtspunkt der vorstehenden rechtlichen Erwägungen im Beschwerdefall allein maßgebenden, bei der Bauverhandlung vorgebrachten Einwand der Beschwerdeführerinnen ("sowohl für unsere - größtenteils ausländischen - Gäste, die mit ihrem Pkw ankommen, als auch für Lieferanten und Zubringer muß die Zufahrtsmöglichkeit auf dem Hauptplatz gewahrt bleiben ... dies würde durch den Autobusbahnhof - insbesondere durch die beiden unmittelbar vor dem Hotel vorgesehenen Abstellplätze - vernichtet") nicht Rechnung getragen hat, worin eine Mangelhaftigkeit dieses Bescheides gelegen ist, doch führt dieser Begründungsmangel nicht zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides, weil die belangte Behörde in dem bereits wiedergegebenen diesbezüglichen Teil der Begründung ihres Bescheides auf diesen Einwand der Beschwerdeführerinnen eingegangen und zu dem Ergebnis gelangt ist, daß diesem - unter dem Gesichtspunkt des § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 - keine solche Bedeutung zukommt, daß der bekämpfte Bescheid des Gemeinderates zu beheben wäre. Die Beschwerdeführerinnen sind den diesbezüglichen Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides in der vorliegenden Beschwerde nicht entgegengetreten, haben also insbesondere nicht behauptet, daß die belangte Behörde in dieser Hinsicht von unrichtigen Voraussetzungen ausgegangen ist, weshalb sie durch die Abweisung ihrer gegen den Bescheid des Gemeinderates erhobenen Vorstellung nicht in ihren Rechten verletzt worden sind. Daher erweist sich auch die vorliegende Beschwerde als unbegründet, sodaß sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 sowie Abs. 3 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide Inhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung (siehe auch Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz) Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989050221.X00

Im RIS seit

21.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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