TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/29 90/14/0011

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Veröffentlicht am 29.05.1990
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §299 Abs1 litc;

Betreff

N gegen Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 30. November 1989, Zl. 1/503-2/89, betreffend aufsichtsbehördliche Aufhebung von Berufungsvorentscheidungen über Rechtsmittel gegen Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuerbescheide für 1984 bis 1986:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betreibt einen Friseursalon. Bei einer abgabenbehördlichen Prüfung für die Jahre 1984 bis 1986 wurde festgestellt, daß Grundaufzeichnungen fehlten und die erklärten Umsätze den im äußeren Betriebsvergleich ermitttelten Kopfleistungsumsatz pro Woche nicht entsprechen, wodurch sich nicht aufgeklärte Differenzen im Rahmen der kalkulatorischen Umsatzverprobung ergaben. Die Erlöse wurden deshalb vom Prüfer um jährlich mehr als S 1 Million (1984: S 1,417.000,--, 1985: S 1,093.000,--, 1986: S 1,338.000,--) erhöht. Das Finanzamt folgte bei der Abgabenfestsetzung diesen Prüfungsergebnissen.

Im Berufungsverfahren kündigte der Beschwerdeführer die Vorlage weiterer Unterlagen zur Überprüfung seiner Umsatzangaben an und behauptete, daß sein Betrieb nicht mehr dem gehobenen Standard eines Friseurbetriebes entspreche, weshalb die Anzahl der Kunden zurückgegangen sei. Die Stehzeiten des Personals seien daher in seinem Betrieb im Vergleich zu den Betrieben, die im äußeren Betriebsvergleich berücksichtigt worden seien, größer. Das Finanzamt setzte sich durch seine Betriebsprüfungsabteilung in einer Stellungnahme entkräftend mit dem Berufungsvorbringen auseinander und lud den Beschwerdeführer unter Mitteilung dieser Argumente zum Vortrag stichhaltiger Gründe für ein Abweichen von der Hinzuschätzung laut dem Prüfungsergebnis ein. In Besprechungen des Leiters der Betriebsprüfungsabteilung des Finanzamtes mit dem Steuerberater des Beschwerdeführers akzeptierte dieser zwar die Anwendbarkeit eines bestimmten aus dem äußeren Betriebsvergleich stammenden Kopfleistungsumsatzes, begehrte jedoch einen höheren Prozentsatz an Stehzeiten und einen niedrigeren Leistungsgrad der Lehrlinge des Betriebes des Beschwerdeführers. In der Folge schlug der Steuerberater des Beschwerdeführers vor, anstelle der Hinzuschätzungen einen jährlichen Sicherheitszuschlag von S 150.000,-- vorzunehmen. Diesen Vorschlag akzeptierte die Betriebsprüfungsabteilung des Finanzamtes mit der Änderung, daß der Zuschlag jährlich mit S 200.000,-- angenommen und der Lohnaufwand für den Sohn des Beschwerdeführers in den Jahren 1985, 1986 mit einem bestimmten Betrag nicht anerkannt werde.

Hierauf erließ das Finanzamt diesen letzten Besprechungsergebnissen entsprechende abänderende Berufungsvorentscheidungen, die keine Begründung enthielten. Den Verwaltungsakten ist nicht zu entnehmen, auf Grund welcher Überlegungen das Finanzamt zu den genannten Sicherheitszuschlägen gelangte und die im Betriebsprüfungsbericht angenommenen Hinzuschätzungen nicht mehr für richtig hielt.

Die belangte Behörde behob mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gemäß § 299 Abs. 1 lit. c BAO diese Berufungsvorentscheidungen, weil sich weder aus ihnen noch aus den Akten entnehmen lasse, warum die belangte Behörde von der im Betriebsprüfungsverfahren angewendeten Schätzungsmethode abgegangen und auf Grund welcher Überlegungen sie zu einer Schätzung durch Sicherheitszuschlag in der erwähnten Höhe übergegangen sei. Die hiedurch bewirkte Abweichung von der Umsatzverprobung auf Grund äußeren Betriebsvergleiches sei solcherart ungeklärt geblieben. Die Behauptungen des Berufungswerbers über höhere Stehzeiten und niedrigere Leistungsgrade der Lehrlinge in seinem Betrieb seien unüberprüft geblieben. Die belangte Behörde begründete im angefochtenen Bescheid auch ihre positive Ermessensübung.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht darauf verletzt, daß die Berufungsvorentscheidungen des Finanzamtes nicht aufgehoben werden. Er behauptet Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführer vor Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht angehört. Eine Verletzung des Parteiengehörs, die als wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG in Betracht käme, ist nicht erfolgt, weil dem Vorbringen in der Beschwerde nicht entnommen werden kann, was den von der belangten Behörde festgestellten Verfahrensmangel im Sinne des § 299 Abs. 1 lit. c BAO zu widerlegen geeignet gewesen wäre. Nach dieser Vorschrift ist die Aufsichtsbehörde zur Aufhebung berechtigt, wenn Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden können. Es bedarf also keines Nachweises, daß ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden müssen. Die Prüfung dieser Frage überläßt das Gesetz nämlich dem weiteren Verfahren nach Aufhebung des Bescheides.

Aus diesem Grund erhebt der Beschwerdeführer auch zu Unrecht den Vorwurf, die Aufsichtsbehörde wäre ihrerseits verpflichtet gewesen, den Sachverhalt, den der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren vorgetragen hat und den aufzuklären das Finanzamt unterlassen hatte, zu ermitteln und hiezu entsprechende Feststellungen zu treffen.

Für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist es daher auch ohne Bedeutung, ob sich bei ausreichender Überprüfung der Berufung des Beschwerdeführers tatsächlich Anhaltspunkte dafür gefunden hätten, daß der Friseurbetrieb des Beschwerdeführers Merkmale aufweist, die Abweichungen von den aus Vergleichsbetrieben gewonnenen Erfahrungssätzen notwendig machen.

Aufgabe der belangten Behörde war es im Sinn des § 299 Abs. 1 lit. c BAO nur, die Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften festzustellen. Daß die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid aufgezeigten wesentlichen Verfahrensmängel den Berufungsvorentscheidungen nicht angehaftet hätten, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf. Auch er kann nämlich weder Ermittlungsergebnisse noch Feststellungen des Finanzamtes vortragen, aus denen sich eine nachvollziehbare Begründung für die Anwendung eines Sicherheitszuschlages in der erwähnten Höhe anstelle der Hinzuschätzungen laut Betriebsprüfungsbericht und eine Überprüfung des Berufungsvorbringens des Beschwerdeführers mit dem Ergebnis seiner Richtigkeit hätten entnehmen lassen.

Der Aufhebungsgrund des § 299 Abs. 1 lit. c BAO lag daher vor.

Ob die belangte Behörde von der nach dieser Gesetzesstelle gegebenen Möglichkeit der Bescheidaufhebung Gebrauch machte oder nicht, lag in ihrem gebundenen Ermessen, für dessen Handhabung die Richtlinie des § 20 BAO maßgeblich war. Ein Fehler in der Ermessensübung, den im Sinne des Art. 130 Abs. 2 B-VG aufzugreifen der Verwaltungsgerichtshof befugt wäre, liegt nicht vor.

Bei der geschilderten Sachlage kann von einer bloß geringfügigen Verletzung von Verfahrensvorschriften durch das Finanzamt keine Rede sein. Es erübrigt sich daher darauf einzugehen, ob eine solche Geringfügigkeit überhaupt bei der Ermessensübung auf Seiten der Billigkeit zugunsten des Steuerpflichtigen in Ansatz gebracht werden dürfte. Daß die Auswirkungen der Verletzung von Verfahrensvorschriften im Beschwerdefall durchaus bedeutend sein können, zeigt der Unterschied im Ergebnis der beiden Schätzungsmethoden.

Darin, daß die belangte Behörde der Zweckmäßigkeit der Aufhebung im Interesse des Staatsschatzes und im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gegenüber der Unbilligkeit der Aufhebung für den Beschwerdeführer den Vorzug gab, liegt keine den Grundsätzen des § 20 BAO zuwiderlaufende Ermessensübung.

Da der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid somit im Rahmen des Beschwerdepunktes in seinen Rechten nicht verletzt wird, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990140011.X00

Im RIS seit

29.05.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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