TE Vwgh Erkenntnis 1990/7/2 90/19/0104

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Veröffentlicht am 02.07.1990
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Index

60/04 Arbeitsrecht allgemein;

Norm

AZG §26 Abs1;
AZG §26 Abs2;
AZG §28;

Betreff

Bundesminister für Arbeit und Soziales gegen Landeshauptmann von Wien vom 27. April 1989, Zl. MA 63-B 37/88/Str, betreffend Übertretung des Arbeitszeitgesetzes (mitbeteiligte Partei: A in X)

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach Ausweis der Akten wurde die mitbeteiligte Partei vom Magistratischen Bezirksamt für den 10. Bezirk mit Straferkenntnis vom 29. April 1988 in dem für den im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof noch allein maßgebenden Punkt 2. schuldig erkannt, sie habe als Eigentümerin des Heurigenrestaurantes in X am 26. November 1987 die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes, wonach die Arbeitgeber der Arbeitsinspektion und deren Organen die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und auf Verlangen Einsicht in die Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung zu geben haben, insofern nicht eingehalten, als für zwei namentlich genannte Arbeitnehmer keine Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und Ruhepausen vorgelegt werden "konnten". Dadurch habe die mitbeteiligte Partei eine Verwaltungsübertretung nach § 26 Abs. 2 des Arbeitszeitgesetzes (AZG) in Verbindung mit § 28 leg. cit. begangen und es werde über sie je eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je drei Tage) verhängt. Als Begründung wurde im wesentllichen nur auf die mit dem Spruch des Straferkenntnisses übereinstimmende Anzeige des Arbeitsinspektorates verwiesen. Der Einwand der mitbeteiligten Partei in ihrer Rechtfertigung, es gebe in ihrem Betrieb Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden, wurde mit dem Bemerken als verfehlt bezeichnet, daß die Arbeitsaufzeichnungen nicht zum Erhebungszeitpunkt, sondern erst am 11. Jänner 1988 dem Arbeitsinspektorat vorgelegt worden seien.

Auf Grund der von der mitbeteiligten Partei rechtzeitig eingebrachten Berufung hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 27. April 1989 das Straferkenntnis im genannten Punkt 2. behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 lit. a VStG 1950 eingestellt. Zur Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, das Verfahren im Punkt 2. betreffend die Übertretung des Arbeitszeitgesetzes wäre deshalb einzustellen gewesen, weil die mitbeteiligte Partei dem Arbeitsinspektorat am 11. Jänner 1988 tatsächlich die Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden vorgelegt habe. Diese entsprächen auch entgegen der Auffassung des Arbeitsinspektorates dem § 26 Abs. 1 AZG, weil nach dieser Bestimmung nur über die geleistete Arbeitszeit und die Entlohnung, nicht aber über Dauer und Zeitpunkt der Pausen Aufzeichnungen zu führen seien. Auch aus § 26 Abs. 2 leg. cit. könne nicht abgeleitet werden, daß alle Aufzeichnungen zum Erhebungszeitpunkt oder innerhalb einer bestimmten Frist verfügbar sein müßten. "Daß die vorgelegten Aufzeichnungen zur Tatzeit im Betrieb nicht vorhanden gewesen sind und daher nicht vorgelegt werden konnten, ist aber gar nicht erwiesen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid, insoweit er das Strafverfahren einstellt, gemäß "§ 42 Abs. 1 Z. 1" (richtig wohl: § 42 Abs. 2 Z. 1) VwGG aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bekämpft mit seiner Beschwerde im wesentlichen nur die in dem angefochtenen Bescheid zum Ausdruck kommende Rechtsansicht der belangten Behörde, es könne aus § 26 Abs. 2 AZG nicht abgeleitet werden, daß alle Aufzeichnungen zum Erhebungszeitpunkt oder innerhalb einer bestimmten Frist verfügbar sein müßten. § 26 Abs. 1 und 2 AZG verfolge den Zweck, die Kontrolle der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes durch den Arbeitsinspektor zu ermöglichen bzw. zu erleichtern. Dieser Zweck könne nur erreicht werden, wenn dem Arbeitsinspektor im Zuge seiner Inspektion an Ort und Stelle Einsicht in die Arbeitszeitaufzeichnungen gewährt würde. Eine nachträgliche Übersendung der Arbeitszeitaufzeichnungen könne eine solche Einsichtnahme nicht ersetzen. Die Verweigerung der Einsichtgewährung stelle eine Übertretung des § 26 Abs. 2 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 AZG dar. Ob zu einem späteren Zeitpunkt eine Übersendung von Arbeitszeitaufzeichnungen an das Arbeitsinspektorat erfolge, sei in diesem Zusammenhang ohne Belang.

§ 26 AZG hat folgenden Wortlaut:

"(1) Die Arbeitgeber haben zur Überwachung der Einhaltung der in diesem Bundesgesetz geregelten Angelegenheiten Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung zu führen.

(2) Die Arbeitgeber haben der Arbeitsinspektion und deren Organen die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und auf Verlangen Einsicht in die Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung zu geben."

Im Abs. 1 der zitierten Bestimmung des Arbeitszeitgesetzes wird sohin dem Arbeitgeber die Verpflichtung zur Führung gewisser Aufzeichnungen auferlegt. In Abs. 2 leg. cit. wird hingegen eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Auskunftserteilung und Einsichtgewährung in die im Abs. 1 genannten Aufzeichnungen an die Arbeitsinspektion und deren Organe normiert.

Sowohl in der Strafanzeige des Arbeitsinspektorates als auch im Verwaltungsverfahren und schließlich im Straferkenntnis vom 29. April 1988 wurde der mitbeteiligten Partei eine Übertretung des § 26 Abs. 2 AZG angelastet, wobei die Tat im Spruch des Straferkenntnisses dem Wortlaut der Strafanzeige folgend derart umschrieben ist, "die mitbeteiligte Partei habe die Vorschrift des § 26 Abs. 2 AZG insofern nicht eingehalten, als für folgende Arbeitnehmer keine Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und Ruhepausen vorgelegt werden KONNTE". Feststellungen über den Tathergang wurden von der Behörde erster Instanz nicht getroffen. Es scheint in der Begründung des Straferkenntnisses lediglich eine Bemerkung zur Rechtfertigung der mitbeteiligten Partei des Inhaltes auf, "diese Rechtfertigung ist verfehlt, da die Arbeitszeitaufzeichnungen nicht zum Erhebungszeitpunkt, sondern erst am 11. Jänner 1988 dem Arbeitsinspektorat vorgelegt wurden". Die Tatumschreibung im Spruch des genannten Straferkenntnisses würde allenfalls eine Subsumtion der Tat unter § 26 Abs. 1 AZG, keinesfalls aber unter § 26 Abs. 2 AZG rechtfertigen, da aus ihr nur der Schluß gezogen werden kann, daß die mitbeteiligte Partei entweder keine entsprechenden Arbeitszeitaufzeichnungen geführt hat oder sie nicht im Zeitpunkt des Verlangens des Organes der Arbeitsinspektorates gerade bei der Hand gehabt hat (... konnte ...). Dagegen kann der Tatumschreibung nicht entnommen werden, daß die mitbeteiligte Partei zum Tatzeitpunkt dem Organ des Arbeitsinspektorates die geforderte Einsicht in (vorhandene) Arbeitszeitaufzeichnungen verweigert hat. Der Schuldspruch gegenüber der mitbeteiligten Partei wegen Übertretung des § 26 Abs. 2 AZG und der Ausspruch über die Strafe gemäß § 28 leg. cit. war daher rechtswidrig. Die Aufhebung des Straferkenntnisses im Punkt 2. durch die belangte Behörde ist daher zu Recht erfolgt.

Aber auch die Einstellung des diesen Tatvorwurf betreffenden Verfahrens gemäß § 45 Abs. 1 lit. a VStG 1950 war berechtigt. Nach dem Inhalt der Verwaltungsakten wurde gegen die mitbeteiligte Partei weder vom die Anzeige erstattenden Arbeitsinspektorat noch von der Behörde erster Instanz jemals der ausdrückliche Vorwurf erhoben, sie habe keine oder nicht ausreichende Arbeitszeitaufzeichnungen geführt oder sie habe vorhandene Arbeitszeitaufzeichnungen dem Organ des Arbeitsinspektorates auf sein Verlangen nicht zur Einsicht vorgelegt. In ihrer Rechtfertigung vom 28. Jänner 1988 behauptete die mitbeteiligte Partei jedoch, daß es in ihrem Betrieb Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden gebe. Dem hielt das Arbeitsinspektorat in seiner Stellungnahme vom 10. Februar 1988 nur entgegen, daß diese Aufzeichnungen weder den Bestimmungen des § 25 noch des § 26 Abs. 1 AZG entsprechen würden. Obwohl die mitbeteiligte Partei in ihrer Berufung gegen das Straferkenntnis erster Instanz ausdrücklich anführte, "daß derartige Aufzeichnungen, wie ich sie in meinem Einspruch beschrieben habe, im Betrieb ständig aufgelegen sind, auch zu dem Zeitpunkt, als das Atmsorgan des Arbeitsinspektorates die Revision in meinem Betrieb vornahm", hat das Arbeitsinspektorat in seiner Stellungnahme vom 26. Juli 1988 lediglich auf seine Stellungnahme vom 10. Februar 1988 verwiesen. Auch die neuerliche von der belangten Behörde am 9. Dezember 1988 an das Arbeitsinspektorat gerichtete Aufforderung zur Stellungnahme brachte keine Klärung des Tatherganges, da das Arbeitsinspektorat nur mitteilte, daß Lohnkontenblätter nicht überprüft worden seien und nicht nachgewiesen werden könne, ob die in Ablichtung vorhandenen Arbeitszeitaufzeichnungen nachträglich angefertigt worden seien.

Da sohin jeder Versuch der belangten Behörde, den schon in der Anzeige des Arbeitsinspektorates unzureichend dargestellten Tatvorwurf zu klären und den diesem Tatvorwurf zugrunde liegenden Sachverhalt zu ermitteln, mangels geeigneter Mitwirkung des die Anzeige erstattenden Arbeitsinspektorates gescheitert ist, kann eine Rechtswidrigkeit darin nicht erblickt werden, wenn die belangte Behörde die Einstellung des Verfahrens gemäß § 45 Abs. 1 lit. a VStG deshalb verfügt hat, weil die der mitbeteiligten Partei zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden konnte.

Da sich schon aus den dargelegten Gründen die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, wobei es sich erübrigte, auf das weitere Beschwerdevorbringen noch einzugehen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990190104.X00

Im RIS seit

02.07.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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