TE Vwgh Erkenntnis 1990/10/23 88/11/0198

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Veröffentlicht am 23.10.1990
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Index

L92709 Jugendwohlfahrt Kinderheim Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
61/04 Jugendfürsorge;

Norm

ABGB §140;
AVG §38;
AVG §56;
JWG 1954 §22 idF 1977/403;
JWG 1954 §22;
JWG Wr 1955 §9 Abs1;
VwGG §13 Abs1 Z2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des K gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 24. Juni 1988, Zl. MA 11-Ke 2/88, betreffend Kostenersatz nach dem Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit rechtskräftigem Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 2. Oktober 1985 wurde die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Beschwerdeführers als ehelichen Vaters der minderjährigen Kinder Alexander (geboren am 10. Juli 1973) und Christian (geboren am 5. Oktober 1976) über seinen Antrag von bis dahin S 3.000,-- bzw. S 2.500,-- auf S 2.900,-- bzw. S 2.400,-- herabgesetzt. Der Beschwerdeführer wurde verpflichtet, die genannten Unterhaltsleistungen an die zum "Einhebungskurator" nach § 22 des Jugendwohlfahrtsgesetzes, BGBl. Nr. 99/1954, in der Fassung BGBl. Nr. 403/1977, bestellte Bezirksverwaltungsbehörde, den Magistrat der Stadt Wien, Bezirksjugendamt für den 10. Bezirk, zu bezahlen.

Der minderjährige Christian K. befindet sich seit 1. September 1986 im Rahmen der öffentlichen Jugendwohlfahrtspflege (Erziehungshilfe) in Pflege der Stadt Wien.

Mit Mandatsbescheid des Magistrates der Stadt Wien, Bezirksjugendamt für den 10. Bezirk, vom 7. Oktober 1987 wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, vom 1. Oktober 1987 an einen monatlichen Ersatz der Kosten der für seinen Sohn Christian gesetzten Maßnahmen im Rahmen der öffentlichen Jugendwohlfahrtspflege in Höhe von S 3.070,-- zu bezahlen. Mit Bescheid dieser Behörde vom 25. Jänner 1988 wurde der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Vorstellung keine Folge gegeben und der Mandatsbescheid vom 7. Oktober 1987 bestätigt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die monatliche Ersatzleistungsverpflichtung des Beschwerdeführers für die Jugendwohlfahrtsmaßnahmen für seinen Sohn Christian vom 1. Oktober 1987 an auf S 2.900,-- herabgesetzt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Verfügung vom 19. Dezember 1988 die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgefordert, zur Frage Stellung zu nehmen, ob der angefochtene Bescheid nicht deswegen rechtswidrig sei, weil mit ihm dem Beschwerdeführer eine höhere Ersatzleistung als seine rechtskräftig festgesetzte Unterhaltsverpflichtung auferlegt werde.

Die belangte Behörde verneinte in ihrer dazu abgegebenen Stellungnahme eine Bindung der Jugendwohlfahrtsbehörde an gerichtliche Unterhaltsentscheidungen, weil bei Ersatzforderungen die Gebietskörperschaft und nicht das Kind Forderungen gegen den Unterhaltsverpflichteten erhebe und weil jede Unterhaltsbestimmung unter der clausula rebus sic stantibus stehe, sodaß "bei Änderungen in den dem gerichtlichen Erkenntnis zugrunde liegenden Einkommens- und Vermögensverhältnissen in einem Ausmaße", welches "die Anpassung an die neue Lage" rechtfertige, keinesfalls eine Bindung der Jugendwohlfahrtsbehörde an die gerichtliche Entscheidung angenommen werden könne.

Der Beschwerdeführer hat sich dazu in der Sache nicht geäußert.

Gemäß § 9 Abs. 1 des auf den vorliegenden Beschwerdefall noch anzuwendenden Wiener Jugendwohlfahrtsgesetzes, LGBl. Nr. 14/1955, trägt der Minderjährige, dem Maßnahmen der öffentlichen Jugendwohlfahrtspflege zukommen, die Kosten dieser Maßnahmen. Im Falle seines Unvermögens haben die zu seinem Unterhalt gesetzlich verpflichteten Angehörigen im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht die Kosten zu tragen. Gemäß § 9 Abs. 2 leg. cit. ist über die Tragung der Kosten im Verwaltungsweg zu entscheiden, wobei in allen Fällen der Magistrat als erste Instanz zu entscheiden hat.

Die Möglichkeit, den gegenüber dem Empfänger von Maßnahmen der Jugendwohlfahrtspflege Unterhaltsverpflichteten zur Tragung der Kosten zu verpflichten, ist dadurch beschränkt, daß der Unterhaltsverpflichtete Ersatz nur "im Rahmen seiner Unterhaltspflicht" zu leisten hat.

Die Frage, ob eine gerichtliche Entscheidung betreffend die Unterhaltspflicht einer Person für die Verwaltungsbehörde bei der Festsetzung einer Ersatzleistung dieser Person an einen anderen Rechtsträger "im Rahmen der Unterhaltspflicht" eine Vorfragenentscheidung im Sinne des § 38 AVG 1950 darstellt und die Verwaltungsbehörde bindet, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinen zu § 9 Abs. 1 Wr. JWG. 1955 ergangenen Erkenntnissen vom 26. Februar 1976, Zl. 375/75, und vom 24. Februar 1977, Zl. 1286/76, mit der Begründung verneint, daß die Unterhaltsfestsetzung der "clausula rebus sic stantibus" unterliege, daß die Verwaltungsbehörden bei der Ersatzkostenfeststellung nicht daran gebunden sein könnten, was die Gerichte unter anderen Umständen, nämlich unter Absehen von den höheren Kosten einer Heimerziehung, als angemessenen Unterhalt ansehen würden, sowie daß eine solche Bindung an Gerichtsbeschlüsse dort zu verneinen sei, wo die Gebietskörperschaft Forderungen gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten erhebe.

Schon deshalb, weil die belangte Behörde von einer - vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen - Änderung der für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Umstände seit der Erlassung des Beschlusses des Bezirksgerichtes Favoriten vom 2. Oktober 1985 ausgeht, nämlich von einem höheren Einkommen des Beschwerdeführers und dem durch die Übernahme des Unterhaltsberechtigten in die Pflege der Stadt Wien erhöhten Bedarf des Unterhaltsberechtigten, bestand für sie keine betragsmäßige Bindung an den genannten Unterhaltsbeschluß.

Es brauchte daher nicht geprüft zu werden, ob die Bindung der Jugendwohlfahrtsbehörde an die Entscheidung des Gerichtes nicht auch aus dem Grunde zu verneinen wäre, daß der Verwaltungsbehörde im gerichtlichen Verfahren keine Parteistellung und keine Ingerenz auf dessen Ausgang zugekommen ist. Bemerkt sei, daß in den den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. März 1982, Zl. 11/2881/79, vom 20. April 1982, Zl. 11/1617/80, und vom 27. März 1987, Zl. 86/11/0032, zugrundeliegenden Fällen, in denen der gerichtlichen Unterhaltsentscheidung für die Vorschreibung einer Ersatzleistung nach § 9 Abs. 1 des Tiroler Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 105/1973 (der eine dem § 9 Abs. 1 Wr.JWG. 1955 vergleichbare Regelung enthält), durch die Verwaltungs-(Sozialhilfe-)Behörde die Qualität einer Vorfragenentscheidung im Sinne des § 38 AVG 1950 und für letztere bindende Wirkung zuerkannt worden ist, sachverhaltsmäßig von einer Änderung der für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Umstände keine Rede war.

Die der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1988 zugrunde gelegte vorläufige Rechtsansicht kann daher nicht aufrecht erhalten werden. Die belangte Behörde war an den Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 2. Oktober 1985 nicht gebunden und durfte bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen von einer höheren Unterhaltsverpflichtung des Beschwerdeführers gegenüber seinem Sohn Christian ausgehen.

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens herrscht Übereinstimmung über die Höhe des seiner Unterhaltsverpflichtung zugrunde zu legenden Einkommens des Beschwerdeführers; ferner darüber, daß neben der in Rede stehenden Unterhaltspflicht noch zwei weitere Unterhaltspflichten gegenüber Söhnen des Beschwerdeführers zu berücksichtigen sind (und zwar gegenüber dem bereits erwähnten, im Jahre 1973 geborenen Alexander und dem im Jahr 1985 geborenen Michael D.); schließlich hat die belangte Behörde auch anerkannt, daß die Rückzahlungen jenes vom Beschwerdeführer im Jahre 1979 aufgenommenen "Wohnkredites" in der Höhe von monatlich (aufgerundet) S 1.200,-- bei der Berechnung der Höhe der Unterhaltspflicht zugunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen seien, weil die Aufnahme des Darlehens unmittelbar mit der Scheidung der Ehe zwischen dem Beschwerdeführer und der Mutter des minderjährigen Christian im Zusammenhang gestanden und für ihn zur Anschaffung von Wohnraum nach der Überlassung der ehelichen Wohnung an seine geschiedene Ehefrau "existenznotwendig" gewesen sei. Im Prinzip unbestritten ist auch die - der Praxis der ordentlichen Gerichte in Unterhaltssachen folgende - Art und Weise der Berechnung, und zwar die in Prozentsätzen des Einkommens erfolgende, nach dem Alter des Unterhaltsberechtigten gestaffelte Unterhaltsbemessung und die wiederum in Prozentsätzen hievon durch Abzüge erfolgende Berücksichtigung weiterer Unterhaltspflichten (vgl. das zu § 9 Abs. 1 Nö JWG. ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Mai 1990, Zl. 90/11/0048).

Strittig ist lediglich, ob erstens beim Minderjährigen Christian vom Regelbedarf eines Jugendlichen seines Alters auszugehen ist oder nicht, und ob zweitens die Rückzahlungen für ein weiteres vom Beschwerdeführer aufgenommenes Darlehen in der Höhe von monatlich S 1.102,-- zugunsten des Beschwerdeführers hätten berücksichtigt werden müssen.

Vorauszuschicken ist, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Jugendwohlfahrtsbehörden nicht fehlgehen, wenn sie in Ansehung der Berechnung der Höhe einer Unterhaltspflicht der Praxis der ordentlichen Gerichte folgen (vgl. die schon zitierten Erkenntnisse vom 26. Februar 1976, Zl. 375/75, und vom 24. Februar 1977, Zl. 1286/76).

Der Unterhaltsbedarf des minderjährigen Christian wird von dem Umstand mitbestimmt, daß dieser einer Jugendwohlfahrtsmaßnahme unterzogen wurde und die Unterbringung in einem Heim seinen Bedarf erhöht (vgl. die entsprechenden Ausführungen in den Erkenntnissen vom 26. Februar 1976, Zl. 375/75, und vom 6. März 1990, Zl. 89/11/0202). Die Ausführungen des Beschwerdeführers betreffend den Regelbedarf eines Unterhaltsberechtigten gehen schon aus diesem Grunde ins Leere.

Die belangte Behörde hat die Berücksichtigung des zweiten Darlehens des Beschwerdeführers mit der Begründung abgelehnt, daß für sie nicht erkennbar sei, daß seine Aufnahme im Zusammenhang mit der Wohnungsbeschaffung durch den Beschwerdeführer stehe und insofern für ihn existenznotwendig gewesen sei. Dieses als "Personalkredit" bezeichnete Darlehen sei im Jahre 1986 - also sieben Jahre nach der Ehescheidung und der Aufnahme des ersten Darlehens (des "Wohnkredits") - aufgenommen worden. Der Beschwerdeführer beruft sich dagegen auf einen von ihm im Berufungsverfahren der belangten Behörde zur Kenntnis gebrachten Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 31. März 1988, in dem das Gericht in Stattgebung eines von ihm erhobenen Rekurses bei der Bemessung der Unterhaltspflicht gegenüber seinem älteren ehelichen Sohn Alexander auch die Rückzahlungen für dieses Darlehen zugunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt habe. Auf diesen Gerichtsbeschluß ist die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht ausdrücklich eingegangen. Erst ihre Gegenschrift enthält Ausführungen, aus welchen Gründen sie die in Rede stehende Vorgangsweise des Gerichtes für unrichtig hält. Insofern ist ihr bei Erlassung des angefochtenen Bescheides ein Begründungsmangel unterlaufen. Der Beschwerdeführer hat es aber unterlassen, die Wesentlichkeit dieses Mangels darzutun, etwa durch Ausführungen, wieso die Darlehensaufnahme trotz der Länge der seither verstrichenen Zeit mit der Wohnungsbeschaffung im Zusammenhang gestanden oder sonst existenznotwendig gewesen sei (vgl. EF Slg. Nr. 48.052, 56.417 ff). Er verweist in diesem Zusammenhang vielmehr lediglich auf den genannten Beschluß vom 31. März 1988 und folgert daraus, die belangte Behörde hätte genauso vorgehen müssen. Mangels jeglicher Bindung der belangten Behörde an den in Rede stehenden Gerichtsbeschluß - der zudem nicht erkennen läßt, aus welchen Gründen auch die Aufnahme des zweiten Darlehens für den Beschwerdeführer existenznotwendig gewesen sein sollte - vermag er damit seiner Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die Argumentation der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ist jedenfalls nicht unschlüssig, sodaß mangels entgegenstehenden Vorbringens des Beschwerdeführers eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht erkennbar ist.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989 im Rahmen des gestellten Kostenbegehrens.

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1988110198.X00

Im RIS seit

01.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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