TE Vwgh Erkenntnis 1990/12/17 90/19/0487

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Veröffentlicht am 17.12.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §8 Abs1;
AVG §37;
GewO 1973 §74 Abs2;
VStG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Großmann und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 31. Juli 1990, Zl. MA 63-F 50/89/Str., betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (der belangten Behörde) vom 31. Juli 1990 wurde die nunmehrige Beschwerdeführerin folgenden Verhaltens schuldig erkannt:

"Sie haben es als Arbeitgeber zu verantworten, daß entgegen der Bestimmung des § 8 Abs. 1 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, BGBl. Nr. 218/1983, am 8. Juni 1988 der Verkaufsraum - Arbeitsraum in Ihrem Betrieb in Wien, L. Straße, welcher eine Fußbodenfläche von ca. 55 m2 hatte und in dem ständige Arbeitsplätze eingerichtet waren, KEINE ins Freie führenden Lichteintrittsflächen, wie Fenster, Oberlichten oder Lichtkuppeln besaß, deren Summe mindestens ein Zehntel der Fußbodenfläche des Raumes beträgt, und KEINE etwa in Augenhöhe gelegene Sichtverbindung mit dem Freien in einer Größe von mindestens einem Zwanzigstel der Fußbodenfläche des Raumes vorhanden war und der Verkaufsraum ferner weder über eine Belichtung über Lichteintrittsflächen noch eine Durchsicht mit dem Freien verfügte."

Über die Beschwerdeführerin wurde deshalb eine Geldstrafe, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt. Ferner wurde sie zur Zahlung des im Gesetz vorgesehenen Beitrages zu den Kosten des erstinstanzlichen und des Berufungsverfahrens verpflichtet.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit behauptende Beschwerde, verbunden mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesem Grund aufzuheben.

3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die von der belangten Behörde als im Sinne des § 44a lit. b VStG 1950 verletzt erachtete Verwaltungsvorschrift des § 8 Abs. 1 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung - AAV, BGBl. Nr. 218/1983, lautet wie folgt:

"Arbeitsräume müssen, soweit die Art der Arbeitsvorgänge oder die Zweckbestimmung des Raumes dem nicht entgegenstehen, ins Freie führende Lichteintrittsflächen, wie Fenster, Oberlichten oder Lichtkuppeln, besitzen, deren Summe mindestens ein Zehntel der Fußbodenfläche des Raumes betragen muß; mindestens eine etwa in Augenhöhe gelegene Sichtverbindung mit dem Freien in einer Größe von mindestens einem Zwanzigstel der Fußbodenfläche des Raumes muß vorhanden sein. Arbeitsräume müssen möglichst gleichmäßig natürlich belichtet sein. Lichteintrittsflächen müssen so beschaffen oder mit Einrichtungen ausgestattet sein, daß nachteilige Einwirkungen durch direktes Sonnenlicht auf die Arbeitnehmer vermieden sind."

2. Da zum Tatbestand der der Beschwerdeführerin angelasteten Verwaltungsübertretung nach § 8 Abs. 1 AAV weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört, handelt es sich um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt, bei dem ein Verschulden des Täters (in Form der Fahrlässigkeit) bis zur Glaubhaftmachung des Gegenteils präsumiert wird (§ 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG 1950). Zur besagten Glaubhaftmachung hat der Täter (von sich aus) darzulegen, daß und welche Maßnahmen er getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der jeweils in Rede stehenden Rechtsvorschriften mit gutem Grund erwarten lassen.

3.1. Die Beschwerdeführerin bringt dazu - wie zum Teil bereits in ihrer Berufung - in der Beschwerde (wobei sich das Beschwerdevorbringen darin erschöpft) vor, sie habe bereits am 3. Juni 1988 einen "Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung von der Bestimmung des § 8 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung wie auch den Antrag auf Erteilung einer gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung" für das von ihr gemietete Geschäftslokal gestellt. Sie habe damit alles ihr Zumutbare unternommen, um die behördlichen Bewilligungen zu erlangen. Sie habe darauf vertrauen können, daß ihre beiden Anträge kurzfristig positiv erledigt würden und habe deshalb die "aus geschäftlichen Gründen unbedingt erforderliche Einstellung von Dienstnehmern vorgenommen". Es mangle daher der Beschwerdeführerin entgegen der Ansicht der belangten Behörde an jeglichem Verschulden.

3.2. Mit der belangten Behörde kommt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, daß es der Beschwerdeführerin mit diesem Vorbringen nicht gelungen ist, das Fehlen eines Verschuldens glaubhaft zu machen. Zutreffend wird im bekämpften Bescheid darauf hingewiesen, daß das Stellen eines Antrages auf Zulassung einer Ausnahme von den Erfordernissen des § 8 Abs. 1 AAV für sich allein keine geeignete Maßnahme darstellt, um die Beschwerdeführerin im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG 1950 zu entlasten, vermag doch die Antragstellung an sich, also ohne daß ein diesem Antrag Rechnung tragender Bescheid des Arbeitsinspektorates gemäß § 8 Abs. 3 AAV erlassen wurde, nichts an der (nach wie vor bestehenden) Verbindlichkeit der im § 8 Abs. 1 AAV verankerten Gebote für die Beschwerdeführerin zu ändern. Gleichfalls zu Recht bemerkt die belangte Behörde (in ihrer Gegenschrift), daß die Beschwerdeführerin keinesfalls damit rechnen durfte, daß ihr am 3. Juni 1988 gestellter Antrag zur Tatzeit (8. Juni 1988), also nur fünf Tage danach, bereits rechtskräftig erledigt sei. Eine derartige Annahme würde - bei der gebotenen Durchschnittsbetrachtung - die Erfahrungen des täglichen Lebens völlig außer acht gelassen haben und kann insofern kein taugliches Mittel zur erforderlichen Glaubhaftmachung im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG 1950 darstellen. Schließlich ist noch anzumerken, daß die Tatsache der Stellung eines Antrages auf Erteilung einer gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung bzw. die Frage, zu welchem Zeitpunkt dieser Antrag gestellt wurde, in keinem erkennbaren rechtlichen Konnex zur verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit für die Befolgung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften (§ 8 Abs. 1 AAV) steht.

4. Da nach dem Gesagten das oben dargestellte Vorbringen die Beschwerdeführerin nicht von ihrer verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung zu entlasten vermochte - die von der belangten Behörde als erwiesen angenommene Verwirklichung der objektiven Tatseite blieb in der Beschwerde unbekämpft -, erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweislast Verantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete Arbeitsrecht Arbeiterschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990190487.X00

Im RIS seit

17.12.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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