TE Vwgh Erkenntnis 1991/1/24 90/06/0181

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Veröffentlicht am 24.01.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

VStG §9 Abs4 idF 1983/176;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 90/08/0182

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Leukauf und Dr. Giendl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerden 1.) des HS gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 20. September 1990, Zl. 03-12 Sch 56-90/1, und 2.) der MS gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 20. September 1990, Zl. 03-12 Sche 56/90/2, betreffend Übertretungen der Steiermärkischen Bauordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ladungsbescheiden des Magistrates Graz vom 16. Mai 1990 wurde den Beschwerdeführern vorgeworfen, daß auf der Liegenschaft in G vom 9. Jänner 1990 bis 2. April 1990 verschiedene bewilligungspflichtige Arbeiten durchgeführt worden seien. Aufgrund dieser Ladungsbescheide brachte der ausgewiesene Vertreter der Beschwerdeführer lediglich einen Antrag ein, binnen vierzehn Tagen eine Stellungnahme abgeben zu dürfen. Diese wurde in der Folge jedoch nicht eingebracht.

Mit Straferkenntnissen des Magistrates Graz vom 18. Juli 1990 wurde über HS wegen Übertretung des § 73 i.V.m.

§ 57 Abs. 1 lit. c der Steiermärkischen Bauordnung 1968 eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (Ersatzarrest von 10 Tagen) und über MS wegen derselben Übertretung eine Geldstrafe in der Höhe von S 15.000,-- (Ersatzarrest von 8 Tagen) verhängt.

Mit Berufung vom 20. Juli 1990 machten die Beschwerdeführer geltend, daß sie keine bewilligungspflichtige Arbeiten durchgeführt hätten. Keiner der beiden sei mehr Liegenschaftseigentümer und nicht befugt und in der Lage, Bauarbeiten zu veranlassen oder zu verhindern. Dieser Sachverhalt sei der Baubehörde bekannt, insbesonders, daß die Liegenschaft an die beiden Töchter der Beschwerdeführer übertragen worden sei. Mit diesem Vertrag hätten die beiden Genannten auch die Verantwortung für "alles im Zusammenhang mit der Liegenschaft G übernommen und zwar auch den § 9 VStG". Es werde daher der Antrag gestellt, das Strafverfahren einzustellen, in eventu die beiden Töchter A.T. und R.P. als Zeugen zu laden. Der Vertrag wurde nicht vorgelegt.

Nach Einholung eines Grundbuchsauszuges, aus dem hervorging, daß das Eigentum an der genannten Liegenschaft am 24. April 1990 auf die beiden Töchter übergegangen war, wurden mit den nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheiden vom 20. September 1990 die Berufungen der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die beiden, wegen des gegebenen Sachzusammenhanges zur gemeinsamen Behandlung verbundenen Beschwerde erwogen:

In ihrem Vorbringen vor dem Verwaltungsgerichtshof stützen sich die Beschwerdeführer darauf, daß aus dem der Beschwerde in Kopie angeschlossenen Kaufvertrag Punkt V ersichtlich sei, daß die Übertragung der Verpflichtung nach § 9 VStG 1950 gegeben und diese Verpflichtung auch durch Unterfertigung des Vertrages angenommen worden sei. Der Vertrag sei mit Datum vom 16. September 1989 notariell beglaubigt, und unterfertigt worden, sodaß die Übertragung der Verantwortung an Dritte gemäß § 9 VStG 1950 sogar notariell beglaubigt bezogen auf die Parteien wie auch auf das Datum, erwiesen sei. Hätte somit die belangte Behörde ordnungsgemäß Zeugen geladen und/oder Einsicht genommen, so hätte sie feststellen müssen, daß das Vorbringen durchaus richtig und berechtigt gewesen sei und die Beschwerdeführer gemäß § 9 VStG 1950 kein Verschulden treffe.

Das Vorliegen des objektiven Tatbestandes wird in den Beschwerden nicht in Frage gestellt.

In den Beschwerdefällen ist strittig, ob die strafrechtliche Verantwortung der Beschwerdeführer für die ihnen angelasteten Verwaltungsübertretungen wegen allfälliger Bestellung von verantwortlichen Beauftragten (ihrer Töchter) gemäß § 9 Abs. 2 und 4 VStG 1950 ausgeschlossen ist. Danach können die zur Vertretung einer juristischen Person oder Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit nach außen Berufenen eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte bestellen, denen für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Verantwortlicher Beauftragter kann nur eine Person im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden, klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.

Der Nachweis der Zustimmung der zum verantwortlichen Beauftragten bestellten Person muß nicht schon vor der Begehung der Verwaltungsübertretung der Behörde gegenüber erbracht werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 16. Jänner 1987, Slg. N.F. Nr. 12.375 und das hg. Erkenntnis vom selben Tag Zl. 86/18/0077) wirkt die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten zwar erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Behörde die Zustimmung der zum verantwortlichen Beauftragten bestellten Person nachgewiesen wird, und tritt erst mit dem Einlangen des Zustimmungsnachweises bei der Behörde ihr gegenüber der namhaft gemachte verantwortliche Beauftragte in rechtswirksamer Weise als Adressat der Verwaltungsstrafnorm an die Stelle des zur Vertretung nach außen Berufenen; der als Beschuldigter Verfolgte, zur Vertretung nach außen Berufene kann sich aber dann auf einen an seiner Stelle verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen Beauftragten berufen, wenn bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens ein - aus der Zeit vor der Begehung der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretung stammender - Zustimmungsnachweis eines derartigen verantwortlichen Beauftragten EINGELANGT IST. Zur Erbringung des vom Gesetzgeber geforderten Zustimmungsnachweises genügt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls nicht, wenn sich der DIESBEZÜGLICH BEWEISPFLICHTIGE (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. März 1988, Zl. 87/08/0306, sowie vom 26. November 1984, Zl. 84/10/0115) Beschuldigte auf die im Verwaltungsstrafverfahren abzulegende Zeugenaussage des verantwortlichen Beauftragten beruft. Die "Bestellungsurkunde" die die Beschwerdeführer offensichtlich in dem Kaufvertrag vom 16. September 1989 erblicken, wurde der Verwaltungsstrafbehörde nicht vorgelegt. Schon mangels Vorlage der Bestellungsurkunde durch die beweispflichtigen Beschuldigten konnte die allfällige Bestellung von verantwortlichen Beauftragten in den gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren keine Wirkung entfalten (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 27. September 1988, Zl. 87/08/0336). Bei diesem Ergebnis kann die Frage auf sich beruhen, ob in den Beschwerdefällen überhaupt ein Anwendungsfall der § 9 VStG 1950 vorliegt.

Die belangte Behörde handelte daher nicht rechtswidrig, wenn sie unter Abstandnahme von der von den Beschwerdeführern beantragten Zeugenvernehmungen nicht davon ausging, daß eine rechtswirksame Bestellung von verantwortlichen Beauftragten vorlag.

Die Beschwerden erweisen sich daher als unbegründet und waren gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990060181.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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