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L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
ABGB §477 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Berufungskommission in Bausachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom 19. Dezember 1988, Zl. St.S. 68/1985, betreffend Nachbareinwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: H), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Landeshauptstadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 9. April 1984 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 31 Abs. 9 der Tiroler Bauordnung (BO) die Aufstockung des Objektes X-Weg 36 samt Errichtung eines Stiegenaufganges im Nordosten unter verschiedenen Auflagen bewilligt. Die Behörde stützte sich auf den vorgenommenen Ortsaugenschein sowie die Darlegungen der Amtssachverständigen der Stadtplanung, der Stadtvermessung, des Stadtentwässerungsamtes sowie des Tiefbauamtes, wonach das Bauvorhaben der Flächenwidmung und dem Bebauungsplan sowie den Abstandsbestimmungen entspreche. Die Schmutzwässer seien ordnungsgemäß in das städtische Kanalnetz abzuleiten. Das Einleiten von reinen Niederschlagswässern in die öffentliche Kanalisation sei nicht gestattet, aber die Versickerungsmöglichkeit gegeben. Das Haus besteht nach den Plänen aus einem Erd- und einem Obergeschoß mit einer Wandhöhe von 6 m. Die Höhe bis zum Dachfirst beträgt insgesamt 7,30 m.
In einem an die Behörde erster Instanz gerichteten Schreiben vom 12. August 1985 beantragte der Beschwerdeführer, der der Bauverhandlung vom 6. April 1984 nicht beigezogen worden war, die "Nichtigkeit der Bauverhandlung". Er sei als Miteigentümer des Weges nicht geladen worden. Man habe die 3,5 t-Beschränkung nicht beachtet. Auch sei eine Überschreitung der Höherzonung erfolgt.
Über behördliche Aufforderung brachte der Beschwerdeführer, dem der Baubewilligungsbescheid vom 9. April 1984 am 27. August 1985 zugestellt wurde, im Schreiben vom 2. September 1985 verschiedene Argumente vor, die seiner Meinung nach gegen die Baubewilligung sprechen (insbesondere mangelndes Grundeigentum des Bauwerbers, mangelnde Zufahrt wegen 3,5 t-Beschränkung, Mißachtung des Aufbauplanes, Lage in einer Flugsicherheitszone, Lärm durch Bauführung).
Das Bauvorhaben erfolgt nach den vorhandenen Unterlagen im Bereich der sogenannten XY-Siedlung. Das Baugrundstück des Beschwerdeführers grenzt nicht unmittelbar an den Grund des Bauwerbers an, sondern es liegt die Liegenschaft eines anderen Nachbarn dazwischen.
In Eingaben vom 27. November 1985, 9. Dezember 1985 und 6. Februar 1986 verwies der Beschwerdeführer auf seine Berufung und in dem letztgenannten Schreiben auch darauf, daß er in der "Entwässerungsangelegenheit" noch keine Antwort erhalten habe.
Die belangte Behörde wies mit Bescheid vom 3. April 1986 die Berufungen des Beschwerdeführers vom 27. November und 9. Dezember 1985 als verspätet zurück. Mit hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1988, Zl. 86/06/0139, wurde dieser Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes im wesentlichen mit der Begründung aufgehoben, es könne zufolge der Schriftsätze vom 12. August und 2. September 1985 nicht von einer verspäteten Berufung ausgegangen werden.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. Mai 1988 wurde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hob diesen Bescheid mit Erkenntnis vom 10. November 1988, Zl. 88/06/0138, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde (unrichtige Zusammensetzung) auf.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 19. Dezember 1988 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid vom 9. April 1984 als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer bringe vor, daß ihm als Miteigentümer der Weggemeinschaft Parteistellung zukomme. Es sei ihm unerklärlich, wie sich die Baubehörde über eine
3,5 t-Beschränkung hinwegsetzen könne und durch die Erteilung der Baubewilligung eine Höherzonung gestatte. Auch bestünden Unklarheiten in einer Entwässerungsangelegenheit. Das Grundstück liege in der Flugsicherheitszone, eine Genehmigung zur Aufstockung sei nicht erwirkt worden. Dem entgegnete die belangte Behörde, aus den Verwaltungsakten sei zu entnehmen, daß laut Stellungnahme des städtischen Stadtplanungsamtes vom 27. Februar 1984 das Projekt mit dem geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan in allen Punkten im Einklang stehe. Die Behauptung, es werde eine unzulässige Höherzonung durchgeführt, sei somit auf Sachverständigenebene widerlegt. Ebenso sei nach der gutächtlichen Stellungnahme des Stadtentwässerungsamtes vom 7. März 1984 die Abwasserbeseitigung gewährleistet, ein Grund für eine Versagung der Baubewilligung liege insofern nicht vor. Das gleiche treffe für den Einwand hinsichtlich einer Gewichtsbeschränkung für die Zufahrt zu, da vom städtischen Tiefbauamt keine Bedenken vorgebracht worden seien. Hinsichtlich der Einwände, dem Verfahren seien nicht alle Parteien zugezogen worden, der Bauwerber habe sich keiner befugten Baufirma bedient und das Vorhaben sei mangels einer Ausnahmegenehmigung nach dem Luftfahrtgesetz nicht zulässig, sei zu bemerken, daß es sich hiebei um keine subjektiv öffentlich-rechtlichen Einwendungen handle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 30 Abs. 4 der Tiroler Bauordnung (BO), LGBl. Nr. 43/1978, in der hier noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 10/1989, können nur jene Einwendungen einer inhaltlichen Erledigung zugeführt werden, mit denen von einem Nachbarn die Verletzung eines Rechtes behauptet wird, das in einer Bestimmung der Tiroler Bauordnung oder einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnung begründet ist und nicht nur der Wahrung öffentlicher Interessen, sondern auch dem Schutz des Nachbarn dient (subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendung). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes enthalten die Vorschriften des § 4 Abs. 1 BO über das Vorliegen einer entsprechenden rechtlich gesicherten Zufahrt zu einer öffentlichen Verkehrsfläche kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß der von der öffentlichen Verkehrsfläche X-Weg abzweigende, zwischen den Siedlungshausreihen gelegene Weg im Miteigentum der Grundeigentümer, also auch des Beschwerdeführers, steht (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 6. Dezember 1990, Zl. 89/06/0089). Bei dem Vorbringen, schließlich werde der Weg nun mehr beansprucht, handelt es sich um eine dem Privatrecht angehörende Einwendung, die nicht zu einer Versagung der Baubewilligung führen kann. Die Verbindung eines Bauplatzes mit der öffentlichen Verkehrsfläche ist nicht Bestandteil des Bauplatzes; der Eigentümer einer als solche Verbindung dienenden Grundfläche hat daher nicht die qualifizierte Stellung nach § 27 Abs. 2 lit. b BO (vgl. Hauer, Tiroler Baurecht, 1985, E 4 zu § 4 BO, S. 48). Das Fehlen eines Abspruches über privatrechtliche Einwendungen bedeutet keine zur Aufhebung führende Rechtswidrigkeit des Baubewilligungsbescheides, weil der Nachbar dadurch nicht gehindert ist, den Rechtsweg zu beschreiten (Hauer, a.a.O., E 40 zu § 30 BO, S. 128). Dasselbe gilt für das Unterbleiben eines Vergleichsversuches (Hauer, a.a.O., E 7 zu § 30 BO, S. 120).
Auch aus den Vorschriften über die Sicherstellung der Abwasserentsorgung erwachsen keine Nachbarrechte (Hauer, a. a.O., Anm. 4 zu § 30 BO, S. 119; hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1988, Zl. 87/06/0020). Im übrigen ergibt sich aus der schon erwähnten Stellungnahme des Stadtentwässerungsamtes vom 7. März 1984, daß die erforderliche Entsorgung gegeben ist. Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, durch die Vergrößerung des Hauses würden mehr Abwässer anfallen und die Rohre mehr beansprucht, es hätte einer entsprechenden Vereinbarung hinsichtlich des Durchleitungsrechtes über die anderen Grundstücke bedurft, vor Erzielung einer Einigung über diese zivilrechtlichen Ansprüche hätte keine Baubewilligung erteilt werden dürfen, so zeigt er selbst richtig auf, daß eine privatrechtliche Einwendung vorliegt. Rechtsstreitigkeiten darüber sind vor den ordentlichen Gerichten auszutragen, berühren jedoch nicht die Frage der Erteilung einer Baubewilligung.
Die Behauptung des Beschwerdeführers, nach dem "Bebauungsplan" 51 ba1 (Beschluß des Gemeinderates vom 30. Juni 1981) seien Auf- und Zubauten im Gebiet der XY-Siedlung unzulässig, entbehrt jeder Grundlage. Aus dem Bebauungsplan 51 ba1 in Verbindung mit dem Aufbauplan 51 ba1 ergibt sich, daß in dem hier maßgebenden Bereich eine Bebauung mit zwei Vollgeschoßen zulässig ist. Tatsächlich sieht das Bauvorhaben eine Aufstockung auf das Erdgeschoß, somit eine zweigeschoßige Verbauung, in der im Aufbauplan festgelegten besonderen Bauweise vor. Darauf wurde schon in der vom Stadtbauamt/Stadtplanung erstatteten gutächtlichen Stellungnahme vom 27. Februar 1984 verwiesen, worauf die Baubehörden zutreffend Bezug genommen haben. Wenn der Beschwerdeführer die Befähigung der Beamten der verschiedenen Bauabteilungen des Magistrates als Sachverständige grundsätzlich in Zweifel zieht, so ist ihm zu entgegnen, daß die Behörden nach dem AVG 1950 in erster Linie die ihnen zur Verfügung stehenden Amtssachverständigen heranzuziehen haben. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage bedurfte es keiner weiteren Ermittlungen bzw. ergänzenden Befragung des Beschwerdeführers.
Die vom Beschwerdeführer erstmals in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, es würden Abstandsvorschriften des § 7 BO verletzt, stellt eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 VwGG unzulässige Neuerung dar, ganz abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer in keiner Weise konkretisiert hat, worin er eine solche Verletzung erblickt. Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer mit seinem Baugrundstück gar nicht unmittelbarer Nachbar ist, sondern dazwischen die Baufläche eines anderen Eigentümers liegt. Auch ist den planlichen Unterlagen zu entnehmen, daß die im Aufbauplan vorgesehene besondere Bauweise eingehalten wurde, wie dies auch aus der Stellungnahme des Stadtplanungsamtes hervorgeht.
Wie bereits die belangte Behörde richtig dargelegt hat, vermag der Beschwerdeführer mit der Behauptung, das Grundstück liege in der Einflugschneise des Flughafens und sei deshalb die Höhe des Gebäudes unzulässig, kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht nach der Bauordnung darzutun. Der Umstand, daß das Bauvorhaben allenfalls einer Ausnahmegenehmigung nach dem Luftfahrtgesetz bedarf, führt nicht zu einer Versagung der Bewilligung im Verfahren nach den baurechtlichen Vorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, daß der belangten Behörde zu einer Aufhebung des Bescheides führende Verfahrensmängel unterlaufen sind. Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche EntscheidungenBaubewilligung BauRallg6Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive BescheideNachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1Organisationsrecht Justiz - Verwaltung Verweisung auf den Zivilrechtsweg VwRallg5/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1989060007.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
23.10.2015