TE Vwgh Erkenntnis 1991/2/14 90/16/0184

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Veröffentlicht am 14.02.1991
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/04 Steuern vom Umsatz;
35/02 Zollgesetz;

Norm

BAO §225 Abs1;
UStG 1972 §1 Abs1 Z3;
UStG 1972 §24 Abs2;
ZollG 1988 §178 Abs1;
ZollG 1988 §178;
ZollG 1988 §3 Abs2;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):91/16/0024 E 24. Mai 1991 Besprechung in:ÖStZB 1992, 104;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Mag. Meinl, Dr. Kramer und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der Raiffeisenkasse X reg. Genossenschaft mit beschränkter Haftung gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 25. Oktober 1989, Zl. R-R 3/2-GA 7-Pö/89, betreffend Geltendmachung der Sachhaftung gemäß § 178 ZollG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bezüglich des Sachverhaltes und des bisherigen Verfahrensablaufes wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf das die beiden Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. April 1985, Zl. 83/16/0090, Slg. Nr. 5988/F, verwiesen, mit welchem die im Instanzenzuge bestätigte Ablehnung der von der Beschwerdeführerin begehrten Aufhebung der seinerzeit GERICHTLICH beschlagnahmten Schmuckstücke als nicht rechtswidrig erkannt worden war.

Weiters wird zum besseren Verständnis der Sach- und Rechtslage dieses Verfahrens, um Wiederholungen zu vermeiden, auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. April 1990, Zl. 89/16/0204, verwiesen, mit welchem die Beschwerde des J gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 4. Oktober 1989, womit ausgesprochen worden war, daß für den Genannten, von dem die Beschwerdeführerin die vom vorliegenden Rechtsstreit erfaßten Edelsteine und Schmuckstücke zum Pfand genommen hatte,gemäß § 174 Abs. 3 lit. a erster Tatbestand iVm § 3 Abs. 2 des Zollgesetzes 1955, BGBl. Nr. 129 (ZollG), die Eingangsabgabenschuld in Höhe von insgesamt 2,888.315 S kraft Gesetzes entstanden sei, als unbegründet abgewiesen wurde.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen und im Kopf dieses Erkenntnisses bezeichneten Bescheid gab die Finanzlandesdirektion für Salzburg als Abgabenbehörde zweiter Instanz der von der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Hauptzollamtes Salzburg vom 13. August 1987 erhobenen Berufung keine Folge und änderte unter einem den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahin ab, daß für die am 13. und 19. September 1982 von der Beschwerdeführerin lombardierten Waren, nämlich

A) für den in der Pfandaufstellung zum Pfandvertrag vom 13. September 1979 in Pos. 1 angeführten Ceylon-Saphir, 79,01 Karat, sowie

B) für die in der Pfandaufstellung zum Pfandvertrag vom 19. September 1979 in Pos. 1 bis 49 angeführten und im dazugehörigen Gutachten des D näher bezeichneten 41 Smaragde (Pos. 1 bis 19 und 21 bis 42), 58 Rubine (Pos. 44 bis 49) und 2 Damenringe (Pos. 20 und 43),

auf welchen eine gemäß § 174 Abs. 3 lit. a erster Halbsatz i. V.m. § 3 Abs. 2 ZollG kraft Gesetzes entstandene Zollschuld in Höhe von (gemeint zweifellos: insgesamt) S 2,621.699,-- (davon Zoll S 100.647,-- und Einfuhrumsatzsteuer S 2,521.052,--) laste, gemäß § 178 Abs. 1 ZollG i.V.m. § 225 Abs. 1 BAO die Sachhaftung geltend gemacht und die Beschlagnahme der Waren verfügt werde.

Zur Begründung wurde, soweit für die Beschwerde von Relevanz, ausgeführt, vorweg sei unter Bezugnahme auf den Berufungseinwand der Beschwerdeführerin festzustellen, daß die sachliche Zuständigkeit des Hauptzollamtes Salzburg zur Geltendmachung der Sachhaftung gemäß § 52 BAO und § 14 AVOG iVm § 4 Abs. 2 lit. b der Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom 11. Dezember 1979, BGBl. Nr. 509/1979, in der Fassung der BGBl. Nrn. 532/1980, 418/1981 und 210/1982, zur Durchführung des AVOG unzweifelhaft gegeben sei, weil die Geltendmachung der Sachhaftung eine Einhebungsmaßnahme darstelle. Die örtliche Zuständigkeit sei gemäß § 69 BAO gegeben. Die Geltendmachung der Sachhaftung setze, so führte die belangte Behörde im Zusammenhang weiter aus, voraus, daß hinsichtlich der den Gegenstand der Sachhaftung bildenden Waren die Zollschuld unbedingt oder auch nur bedingt entstanden sei. Erstere Voraussetzung sei deshalb erfüllt, weil das Zollamt Salzburg dem J mit Bescheid vom 16. September 1983 für Edelsteine und Pretiosen, die dieser im Jahre 1979 unverzollt in das Zollgebiet eingeführt habe, die gemäß § 174 Abs. 3 lit. a erster Tatbestand ZollG kraft Gesetzes entstandenen Eingangsabgaben vorgeschrieben habe. Hievon entfielen auf die vom vorliegenden Rechtsstreit erfaßten und oben angeführten Waren Eingangsabgaben in Höhe von 2,621.699 S. Die Beschwerdeführerin habe an den streitverfangenen Waren ein Pfandrecht erworben. Sie habe am 13. September 1979 J ein Darlehen in Höhe von 3,5 Millionen Schilling gewährt. Zur Besicherung des Darlehens habe der Genannte den im Spruch angeführten Ceylon-Saphir sowie andere Edelsteine und Pretiosen, die jedoch vom gegenständlichen Sachhaftungsbescheid nicht erfaßt seien, verpfändet. Der Schätzwert der verpfändeten Waren sei in der einen Bestandteil des Pfandvertrages bildenden Pfandaufstellung insgesamt mit 8,725.130 S beziffert worden. Am 19. September 1979 habe die Beschwerdeführerin J noch ein weiteres Darlehen in Höhe von 4 Millionen Schilling eingeräumt. Auch dieses Darlehen sei durch Edelsteine und Pretiosen, nämlich durch die im Spruch unter B) angeführten Waren sowie durch weitere Edelsteine (Brillanten, Saphire und Smaragde), die jedoch vom gegenständlichen Sachhaftungsbescheid nicht erfaßt seien, besichert worden. Der Schätzwert dieser Waren sei in der einen Bestandteil des Pfandvertrages bildenden Pfandaufstellung insgesamt mit 8,728.625 S angeführt worden. Die Rechtsmeinung der Beschwerdeführerin, daß unter "Zollschuld" nur der geschuldete Zoll im eigentlichen Sinne zu verstehen sei und andere Eingangsabgaben, wie die Einfuhrumsatzsteuer, nicht inbegriffen seien, sei unzutreffend und werde durch § 3 Abs. 1 und 2 ZollG widerlegt; denn durch diese Bestimmungen werde klargestellt, daß die von den Zollämtern neben den Zöllen erhobenen Abgaben Eingangsabgaben im Sinne des Zollgesetzes seien und auf sie die Bestimmungen des Zollgesetzes sinngemäß Anwendung fänden. Zu der mit 2,621.699 S bestimmten Eingangsabgabenschuld sei auszuführen, daß die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren betreffend die Geltendmachung der Sachhaftung keine Einwendungen gegen die Höhe der Abgabenschuld erheben könne (Hinweis auf Reeger-Stoll, Kommentar zur Bundesabgabenordnung, Seite 751 und auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 1985, Zlen. 83/16/0110, 85/16/0026, Slg. Nr. 5976/F). Es sei daher hinsichtlich Höhe und Berechnung der für die streitverfangenen Waren entstandenen Eingangsabgabenschuld lediglich auf die beiliegenden Berechnungsblätter zu verweisen. Die Wertansätze seien dem rechtskräftig abgeschlossenen Abgabenverfahren betreffend die Einforderung der für J kraft Gesetzes entstandenen Eingangsabgaben entnommen. Die auf den streitverfangenen Waren lastende Eingangsabgabenschuld sei vom Zollschuldner J, der seinen Wohnsitz im Zollgebiet aufgegeben und sich in das Zollausland abgesetzt habe, nicht entrichtet worden. Die vom Hauptzollamt Salzburg unternommenen Einbringungsmaßnahmen seien erfolglos geblieben. Die Geltendmachung der Sachhaftung stelle somit die einzige Möglichkeit dar, den öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Entrichtung der auf die streitverfangenen Waren entfallenden Eingangsabgabenschuld sicherzustellen. Nach dem § 178 Abs. 1 ZollG unterlägen der Sachhaftung alle jene Waren, hinsichtlich welcher die Zollschuld entstanden sei, bis zum Erlöschen der Zollschuld (§ 176 ZollG). Die Haftung bestehe ex lege ohne Rücksicht auf die Rechte anderer Personen. Hingegen sei die Inanspruchnahme der Sachhaftung dem Ermessen der Zollbehörde anheim gestellt. Gemäß § 20 BAO seien Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" sei hiebei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Begriff "Zweckmäßigkeit" das "öffentliche Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Die streitverfangenen Waren seien unverzollt in das Zollgebiet gelangt. Die Hereinbringung der bei ihrer Einfuhr kraft Gesetzes entstandenen Eingangsabgabenschuld sei nach dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung geboten; denn gemäß § 114 BAO hätten die Abgabenbehörden darauf zu achten, daß abgabenrechtliche Tatbestände gleichmäßig behandelt und Abgabeneinnahmen nicht zu Unrecht verkürzt werden. Auch liege es im Interesse der Wettbewerbsgleichheit und gelte es zu verhindern, daß unverzollt in den freien inländischen Verkehr gelangte Waren legal importierte und verzollte Waren konkurrenzieren. Dies aber wäre ohne vorangegangene Entrichtung der Eingangsabgaben im Falle der Verwertung der streitverfangenen Waren durch die Beschwerdeführerin der Fall. Daß ein besonderes öffentliches Interesse an der Hereinbringung der Zollschuld bestehe, sei allein durch die gesetzliche Anordnung, daß Waren für die auf sie entfallenden Eingangsabgaben haften, belegt. Es werde daher die Abgabenbehörde in freier Ermessensübung nur dann von der Geltendmachung der Sachhaftung Abstand zu nehmen haben, wenn diese Maßnahme unbillig wäre. Dies wäre dann der Fall, wenn durch die Geltendmachung der Sachhaftung berechtigte Interessen der Partei verletzt würden. Solche Gründe seien jedoch im Beschwerdefalle der belangten Behörde nicht ersichtlich. Die Beschwerdeführerin habe bei der Pfandnahme am

13. und 19. September 1979 Herkunft und Zollredlichkeit der ihr von J verpfändeten Waren nicht geprüft. Dies gehe aus den Aussagen ihrer am Abschluß der Pfandverträge beteiligt gewesenen Organe hervor (Aussage des K vom 13. April 1982 sowie vom 21. Oktober 1988, Zeugenaussage des E vom 24. November 1988 und des A vom 30. November 1988). Sie habe außerdem Pfandgegenstände, so z.B. den in der Pfandaufstellung vom 13. September 1979 in 6. Position genannten Diamanten-Brillanten, Gewicht ca. 16 Karat, Wert 3,425.000 S, weiters einen Saphir, Sri Lanka, Gewicht 22,38 Karat, Wert 548.630 S (Position 5 der Pfandaufstellung) freigegeben, ohne daß Aufklärung über die näheren Zusammenhänge der Freigabe der Pfandgegenstände gegeben worden wäre. Fest stehe, daß die Beschwerdeführerin selbst eine "Reduzierung" der haftenden Gegenstände vorgenommen habe. Festzuhalten sei ferner, daß die gewährten Darlehen durch den Wert der Pfandgegenstände um mehr als das Doppelte überbesichert gewesen seien, sodaß die Annahme begründet erscheine, daß die Beschwerdeführerin von vorneherein für allfällige Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Pfandverwertung Vorsorge getroffen habe. Die belangte Behörde vermöge daher aus diesen Gründen in der Geltendmachung der Sachhaftung keine Unbilligkeit zu erblicken. Auch treffe es nicht zu, so führte die belangte Behörde abschließend aus, daß die Sachhaftung hinsichtlich einer bereits verjährten Zollschuld geltend gemacht worden sei; denn für die im Jahre 1979 unverzollt in das Zollgebiet eingeführten Waren sei die kraft Gesetzes entstandene Eingangsabgabenschuld vom Zollamt Salzburg mit Bescheid vom 16. September 1983 eingefordert worden. Einhebungsverjährung gemäß § 238 BAO sei somit nicht gegeben.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und rügte die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unverletzlichkeit des Eigentums, auf ein Verfahren nach Art. 6 MRK sowie die Verletzung in Rechten durch die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes. Die Behandlung der Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit dem Beschluß vom 25. September 1990, B 1490/89, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt, weil die Beschwerde - unter dem Blickwinkel der vom Verfassungsgerichtshof wahrzunehmenden Rechtsverletzungen - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Gleichzeitig wurde die Beschwerde nach Art. 144 Abs. 3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Nichtgeltendmachung der Sachhaftung und Beschlagnahme von Waren verletzt, die ihr "rechtsgültig und gutgläubig verpfändet worden" seien. Sie führt hiezu, wörtlich übereinstimmend mit ihrem Vorbringen im Administrativverfahren, unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde ohne nähere Begründung aus, weder die belangte Behörde noch die Abgabenbehörde erster Rechtsstufe seien für die Geltendmachung der Sachhaftung der Beschwerdeführerin gegenüber zuständig. Mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit sei der angefochtene Bescheid deshalb belastet, weil die Sachhaftung nicht nur für eine allenfalls entstandene Zollschuld ausgesprochen worden sei, wie dies § 178 Abs. 1 ZollG ausdrücklich vorsehe. Vielmehr erstrecke sich die Sachhaftung auch auf eine Einfuhrumsatzsteuerschuld in Höhe von 2,521.052 S, wofür jede gesetzliche Grundlage fehle. Darüber hinaus seien der angefochtene Bescheid sowie auch der Haftungsbescheid der Abgabenbehörde erster Rechtsstufe ohne Sachverhaltsgrundlage erlassen worden. Der angefochtene Bescheid sei deshalb unüberprüfbar, weil mit ihm nur die Sachhaftung an einzelnen Sachen geltend gemacht, nicht aber ausgeführt werde, auf welcher Grundlage die Abgabenschuld in Höhe von rund 2,5 Millionen Schilling entstanden sei. Die Geltendmachung der Sachhaftung setze aber voraus, daß eine Abgabenschuld schon entstanden sei. Zudem sei die Eingangsabgabenschuld durch Verjährung erloschen.

Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.

Gemäß dem zur Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides erhobenen § 178 Abs. 1 ZollG haften Waren, für die die Zollschuld unbedingt oder bedingt entstanden ist, ohne Rücksicht auf die Rechte anderer Personen für den auf sie entfallenden Zoll und können aus diesem Grund nach Maßgabe des § 20 der Bundesabgabenordnung vom Zollamt beschlagnahmt werden. Die Haftung beginnt mit dem Entstehen und endet mit dem Erlöschen der Zollschuld.

Nach der Vorschrift des § 225 Abs. 1 BAO werden sachliche Haftungen, die nach Abgabenvorschriften an beweglichen Sachen bestehen, durch Erlassung eines die Beschlagnahme der haftenden Sachen aussprechenden Bescheides geltend gemacht.

Was zunächst den nicht näher begründeten Vorwurf der Unzuständigkeit der belangten Behörde anlangt, so ist darauf hinzuweisen, daß die Geltendmachung der Sachhaftung keine Maßnahme der Abgabenfestsetzung, sondern einen Schritt der Abgabeneinhebung darstellt, der im systematischen Aufbau der Bundesabgabenordnung auch nicht in deren 5., sondern im

6. Abschnitt geregelt ist.

Gemäß dem § 4 Abs. 2 lit. b der Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom 11. Dezember 1979, BGBl. Nr. 509, in der im Beschwerdefall noch maßgebenden Fassung des BGBl. Nr. 418/1981, wurde den Hauptzollämtern u.a. die Zuständigkeit zur Vorschreibung und Einhebung von nach § 174 Abs. 3 lit. a iVm § 3 Abs. 2 ZollG geschuldeten Eingangsabgabenbeträgen übertragen, sofern die Entstehung oder das Unbedingtwerden der Eingangsabgabenschuld von dem Hauptzollamt in einem gegen den Abgabenschuldner oder auch gegen eine dritte Person eingeleiteten Finanzstrafverfahren ermittelt worden ist.

Daß die Vorschreibung und Einhebung der von J geschuldten Eingangsabgabenbeträgen auf § 174 Abs. 3 lit. a ZollG fußt und im Zusammenhang mit einem beim Hauptzollamt Salzburg als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen den Genannten anhängigen Finanzstrafverfahren innerhalb der Verjährungsfrist geltend gemacht wurde, ergibt sich aus den Entscheidungsgründen des obzitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. April 1990, Zl. 89/16/0204, auf welche gemäß § 43 Abs. 2 VwGG zur Vermeidung von Wiederholungen hingewiesen wird.

Demnach erweisen sich die Rüge der Unzuständigkeit und der Einwand der Verjährung der Eingangsabgabenschuldigkeit als nicht berechtigt.

Auch der weitere, bereits im Administrativverfahren erhobene Einwand, die (dingliche) Sachhaftung erfasse nur die (reine) Zollschuld, nicht aber die Einfuhrumsatzsteuerschuld, kann die Beschwerde nicht zum Erfolg führen.

Gegenstand der Erhebung des Zolles und der Einfuhrumsatzsteuer ist die Einfuhr von Waren in das Zollgebiet (§ 3 Abs. 1 ZollG bzw. § 1 Abs. 1 Z. 3 UStG).

Daraus geht hervor, daß es sich bei den Zöllen und sonstigen Eingangsabgaben um reine Objektsteuern handelt, bei denen zwar eine bestimmte Person letztlich Subjekt der Besteuerung in der Form ist, daß sie die Eingangsabgaben zu bezahlen hat, bei der aber eine Sache das Essentielle der Abgabe und nicht bloß Anknüpfung ist. Im Mittelpunkt der Besteuerung steht die Sache und nicht die hinter ihr stehende Rechtsperson. Demnach haftet die Ware mit dem Entstehen der Zollschuld für den Betrag des auf ihr ruhenden Zolles. Solcherart kann der fiskalische Zollanspruch, ohne Rücksicht auf die Rechte Dritter (Eigentum, Pfandrecht, Sicherungseigentum), aus dieser Sachhaftung befriedigt werden, d. h. letztlich schuldet, bildlich gesprochen, die Ware selbst den auf ihr ruhenden Zollbetrag. Die Zahlung des Zollbetrages durch Personen bedeutet nur eine Ablösung dieser primären dinglichen Zollschuld ("ius ad rem"). Auch der gutgläubige Erwerber muß dem Befriedigungsrecht des Steuergläubigers weichen. Wesentliches Merkmal der Sachhaftung ist, daß sie dem Abgabengläubiger hinsichtlich einer bestimmten Sache eine Rechtsstellung verleiht, die allen Rechten an der Sache, auch dem Eigentum, vorgeht, weil das höherstehende Gemeinschaftsinteresse diesen Eingriff in die Rechtssphäre des Einzelnen ermöglicht. Die Sachhaftung ist die rechtliche Folge der Zollschuld, sie ist eine besondere Art der zwangsweisen Einbringung der Eingangsabgaben. Sie ist gegen den Eigentümer oder Besitzer der haftenden Ware geltend zu machen, auch wenn dieser nicht ident ist mit dem persönlichen Zollschuldner. Die Ermächtigung, nötigenfalls die das Steuerobjekt bildende Sache zur Befriedigung der auf ihr ruhenden Abgabenforderung heranzuziehen, ist eine für Objektsteuern nach ihrem speziellen Charakter geradezu typische Einrichtung (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Jänner 1987, Zl. 86/16/0214).

Gemäß § 3 Abs. 1 ZollG werden anläßlich der Einfuhr von Waren nach näherer Anordnung der zolltarifarischen Bestimmungen Einfuhrzölle und daneben nach Maßgabe der betreffenden Abgabengesetze sonstige Abgaben von den Zollämtern erhoben. Auf die darnach neben den Zöllen zur Erhebung gelangenden sonstigen Eingangsabgaben finden nach der Anordnung des Abs. 2 der zitierten Gesetzesstelle die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sinngemäß Anwendung, sofern in diesem Bundesgesetz oder in den betreffenden Abgabengesetzen nicht anderes bestimmt ist. Nach § 1 Abs. 1 Z. 3 UStG unterliegt der Umsatzsteuer die Einfuhr von Waren im Sinne des Zollgesetzes (Einfuhrumsatzsteuer). Eine Einfuhr liegt vor, wenn eine Ware aus dem Zollausland in das Zollgebiet gelangt. Für die Einfuhrumsatzsteuer gelten nach § 24 Abs. 2 erster Satz UStG, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sinngemäß die Rechtsvorschriften für Zölle.

In der Anordnung des Umsatzsteuergesetzes, daß, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, für die Einfuhrumsatzsteuer die Rechtsvorschriften für Zölle "sinngemäß" gelten, ist der Schlüssel zur richtigen Beantwortung der streitgegenständlichen Rechtsfrage zu suchen. Die "sinngemäße" Anwendung bedeutet nämlich, daß die Rechtsvorschriften des Zollgesetzes auf die Einfuhrumsatzsteuer insoweit angewendet werden dürfen, als dies dem Sinn und Zweck des Umsatzsteuergesetzes, nämlich seinen Vorschriften über die Einfuhrumsatzsteuer, entspricht. Da der Gesetzgeber den Kreis der Ausnahmen eng gefaßt und ausdrücklich festgelegt hat, kann davon ausgegangen werden, daß er die sinngemäße Geltung der Zollvorschriften zum Grundsatz erheben wollte. In welcher Richtung sich die Überlegungen dabei bewegen können, zeigt der Gesetzgeber selbst bei der im § 24 Abs. 2 zweiter Satz UStG behandelten einzigen Ausnahme und bei der Sondervorschrift des § 5 UStG über die Bemessungsgrundlage für die Einfuhr.

Die Einfuhrumsatzsteuer bildet dadurch, daß sich die Erhebung eng an die Zollvorschriften anlehnt, eine leicht zu erhebende Eingangsabgabe, weil sie sozusagen "mit dem Zoll durch den Zoll wie ein Zoll" erhoben wird (VwSlg. 5656/F). Durch die Einfuhrumsatzsteuer soll gewährleistet werden, daß die eingeführte Ware nicht mit weniger Steuern belastet ist als die inländische Ware.

Die Prüfung des § 178 Abs. 1 ZollG, dessen Aufgabe es ist, den Eingangsabgabenanspruch sicherzustellen (vgl. VwSlg. 3964/F), ergibt hier, daß seine Anwendung dem Sinn und Zweck der Einfuhrumsatzsteuer als Eingangsabgabe nicht widerspricht.

"Sinngemäße" (oder auch entsprechende) Anwendung einer Norm auf Grund gesetzlicher Verweisung bedeutet, "daß die einzelnen Elemente des durch die Verweisung geregelten und desjenigen Tatbestandes, auf dessen Rechtsfolgen verwiesen wird ..., miteinander so in Beziehung zu setzen sind, daß den jeweils nach ihrer Funktion, ihrer Stellung im Sinnzusammenhang des Tatbestandes gleich zu erachtenden Elementen die gleiche Rechtsfolge zugeordnet wird" (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft5, S. 250).

Bei den beiden oben wiedergegebenen Regelungen des § 3 Abs. 2 ZollG und des § 24 Abs. 2 erster Satz UStG handelt es sich um sogenannte "dynamische" Verweisungen auf die Rechtsvorschriften für Zölle in der jeweils im maßgebenden Zeitpunkt geltenden Fassung. Zu diesen Vorschriften zählt hier also grundsätzlich auch der gesamte Abschnitt V des Zollgesetzes, der die Überschrift "Zollschuld" trägt.

Da § 19 Abs. 1 UStG nur die Entstehung der Steuerschuld in den Fällen des § 1 Abs. 1 Z. 1 und 2 regelt und in seinem Abs. 6 bestimmt, daß für die Einfuhrumsatzsteuer § 24 Abs. 2 gilt, ersetzt die zuletzt genannte Bestimmung die für die Einfuhr fehlenden eigenen einfuhrumsatzsteuerrechtlichen Vorschriften durch die Vorschriften des Zollgesetzes. In der aus § 3 Abs. 2 ZollG und § 24 Abs. 2 erster Satz UStG iVm § 178 Abs. 1 ZollG zu bildenden und auf die Sachhaftung von eingeführten und mit einer Zollschuld belasteten Waren anzuwendenden Rechtsnorm ist das Wort "Zollschuld" in § 178 Abs. 1 ZollG im Sinne von "Eingangsabgabenschuld" zu verstehen.

Bei ihrem Einwand, die Rechtsfigur des § 178 Abs. 1 ZollG über die Sachhaftung komme nur bei der (reinen) Zollschuld zum Tragen, verkennt die Beschwerdeführerin, daß die Einfuhrumsatzsteuer gemäß § 3 Abs. 2 ZollG eine Eingangsabgabe darstellt, auf die der gesamte Abschnitt V des Zollgesetzes uneingeschränkt Anwendung zu finden hat. Es liegt in der Natur der Sache, daß das durch § 178 Abs. 1 ZollG normierte dingliche Verwertungsrecht an eingangsabgabepflichtigen Waren dem Recht der (inneren) Umsatzsteuer, deren Entstehung nicht an den Tatbestand der Einfuhr anknüpft (vgl. § 19 Abs. 2 Z. 1 und 2 UStG), unbekannt ist, nicht aber dem Recht der Eingangsabgaben.

Solcherart vermochte daher der Verwaltungsgerichtshof die Anwendung der im § 178 Abs. 1 ZollG für die Sachhaftung festgelegten Bestimmungen auf die Einfuhrumsatzsteuer nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Wenn die Beschwerdeführerin, der es im Verfahren über die Geltendmachung der Sachhaftung verwehrt ist, Einwendungen gegen die Höhe der Abgabenschuld zu erheben (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 1985, Zlen. 83/16/0110, 85/16/0026, Slg. Nr. 5976/F) weiters vorträgt, der angefochtene Bescheid sei ohne Sachverhaltsgrundlage erlassen worden, weil nicht erwiesen sei, daß die streitverfangenen Edelsteine und Schmuckwaren mit einer kraft Gesetzes entstandenen Zollschuld belastet seien, ist diesbezüglich nochmals auf das bereits obzitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. April 1990, Zl. 89/16/0204, hinzuweisen, in dem der Verwaltungsgerichtshof dargelegt hat, daß die für J gemäß § 174 Abs. 3 lit. a erster Tatbestand iVm § 3 Abs. 2 ZollG kraft Gesetzes entstandene Eingangsabgabenschuld noch nicht durch Verjährung erloschen ist, weshalb die streitverfangenen Waren gemäß § 178 Abs. 1 zweiter Satz ZollG für diese Zollschuld haften.

Auch mit dem weiteren Beschwerdeeinwand, die belangte Behörde habe von dem ihr in § 20 BAO eingeräumten Ermessen nicht in gesetzmäßiger Weise Gebrauch gemacht, weil sie es unberücksichtigt gelassen habe, daß die Beschwerdeführerin an den streitverfangenen Waren gutgläubig und rechtsgültig ein Pfandrecht erworben habe, vermag die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht mit Erfolg darzutun.

Die belangte Behörde geht im Beschwerdefall davon aus, daß das öffentliche Interesse an der Einbringung der rechtskräftig dem J vorgeschriebenen und von diesem uneinbringlichen Eingangsabgaben (Zweckmäßigkeit) dem Interesse der Beschwerdeführerin daran, ihr Pfandrecht an den streitverfangenen Waren unversehrt zu belassen (Billigkeit), vorangehe.

Der Verwaltungsgerichtshof, der gemäß Art. 130 Abs. 2 B-VG nur berechtigt ist, zu prüfen, ob die Behörde von ihrem freien Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, ob der Behörde also im Rahmen dieser Entscheidung Ermessensüberschreitung oder Ermessensmißbrauch anzulasten ist, vermag in dieser Annahme weder eine Ermessensüberschreitung noch einen Ermessensmißbrauch zu erkennen.

Als Begründung dafür, warum die belangte Behörde das ihr durch § 178 Abs. 1 ZollG eingeräumte Ermessen nicht im für die Beschwerdeführerin positiven Sinn gehandhabt hat, hat sie im angefochtenen Bescheid die Feststellung getroffen, daß die für die Darlehensgewährung zuständigen Dienstnehmer der Beschwerdeführerin bei der am 13. und 19. September 1979 erfolgten Pfandnahme die Herkunft und Zollredlichkeit der von J verpfändeten Edelsteine und Schmuckstücke nicht geprüft hatten. Dieser Sachverhaltsannahme tritt die Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht entgegen.

Die von der belangten Behörde zur Frage der Haftung der Beschwerdeführerin bei der Ermessensübung gehandhabte Berücksichtigung dieses Verhaltens der verantwortlichen Dienstnehmer der Beschwerdeführerin stellt sich durchaus als eine sachliche Erwägung dar, die einen Ermessensfehler nicht erkennen läßt.

Solcherart erweist sich bei der wiedergegebenen Sach- und Rechtslage die Geltendmachung der Sachhaftung durch Beschlagnahme der nach wie vor zollhängigen Waren (vgl. § 46 Abs. 4 lit. b ZollG) für die bei J nicht einbringbare Eingangsabgabenschuld als nicht rechtswidrig, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz des Aufwandes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990160184.X00

Im RIS seit

14.11.2001

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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