TE Vwgh Erkenntnis 1991/2/26 90/04/0152

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Veröffentlicht am 26.02.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973 §356 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §356 Abs3 idF 1988/399;
GewO 1973 §356 Abs3;
GewO 1973 §74 Abs2 idF 1988/399;
GewO 1973 §77 Abs1 idF 1988/399;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des MN und der N gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 21. Februar 1990, Zl. 308.325/1-III-3/89, betreffend Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Parteien: 1. AX, 2. BX), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Namens der mitbeteiligten Parteien "als Grundbesitzer und Antragsteller" wurde mit Anbringen vom 10. Mai 1982 die Absicht erklärt, für die im Standort X, A-Straße 34, bestehende "Buschenschenke" einen Gastgarten mit Flugdach anzulegen. Während des Gartenbetriebes bleibe der große Gastraum im Altbau geschlossen. Insgesamt seien für den Gastgarten 84 Sitzplätze vorgesehen.

Anläßlich der mündlichen Augenscheinsverhandlung vom 17. September 1982 erhoben die Beschwerdeführer insbesondere wegen unzumutbarer Belästigung und sogar Gesundheitsgefährdung durch Lärm Einwendungen.

In ihrem Schriftsatz vom 26. März 1984 führten die mitbeteiligten Parteien u.a. aus:

".... Auf Grund der bisherigen Verhandlungsergebnisse .... stellt offenbar die beabsichtigte Errichtung eines Flugdaches eine baubehördliche Maßnahme dar, die dem für den Bauplatz festgelegten Bebauungsplan widerspricht. Wir ziehen daher in beschleunigter Abwicklung des gegenständlichen Verfahrens unseren Antrag auf Errichtung eines Flugdaches zurück, bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung sämtlicher anderer Anträge, insbesondere des Antrages auf Errichtung des Gastgartens in der eingereichten Form. Wir beabsichtigen nunmehr, an Stelle des ursprünglich geplanten Flugdaches anderweitige Abdeckungen bzw. Überdeckungen herzustellen, die keine baubehördliche und somit bewilligungspflichtige Maßnahme darstellen und insbesondere dem derzeit bestehenden Bebauungsplan nicht widersprechen. Hiefür kommt unseres Erachtens beispielsweise die Errichtung einer Pergola in Frage, weiters eine entsprechende Begrünung an jenen Grundgrenzen, an denen der Gastgartenbetrieb geplant ist. Schließlich wird es auch an der angerufenen Behörde liegen, uns allenfalls entsprechende ergänzende Auflagen zu erteilen."

Abschließend wurde im Schriftsatz vom 26. März 1984 beantragt, die Behörde wolle über den "Antrag auf Errichtung eines Gastgartens in der mit dieser Eingabe neu modifizierten Form (Wegfall des Flugdaches) ehestmöglich unter allfälliger Anberaumung einer weiteren Augenscheinsverhandlung eine Sachentscheidung treffen".

Weiters enthält die Verhandlungsschrift über die am 14. Juni 1984 durchgeführte fortgesetzte Augenscheinsverhandlung - welche unter dem Betreff BX, X, A-Straße 34/Weinstube/Änderung der Betriebsanlge durch Errichtung eines Gastgartens" ausgeschrieben worden war - u.a. folgende Protokollierung:

"Seitens des ausgewiesenen Vertreters der Konsenswerberin wird hiemit die ausdrückliche Erklärung abgegeben, daß der beabsichtigte Gastgartenbetrieb nur bis täglich 22.00 Uhr geführt werden soll und somit das seinerzeitige Ansuchen vom 10. Mai 1982 diesbezüglich eingeschränkt wird."

Nachdem der abweisende Bescheid des Bürgermeisters der Stadt X vom 7. August 1985 durch Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 24. April 1986 gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 aufgehoben worden war, wurde das Genehmigungsansuchen mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt X vom 19. Mai 1987 neuerlich abgewiesen.

Im Verfahren über die dagegen erhobene Berufung wurde am 8. Juni 1988 eine Augenscheinsverhandlung durchgeführt, in der namens der mitbeteiligten Parteien folgende Erklärung abgegeben wurde:

"Beabsichtigt ist eine Abdeckung im Bereiche der Sitzgelegenheiten laut dem Einreichplan. Diese Abdeckung soll aus Strohmatten bestehen, welche nach unserer Ansicht nicht baubewilligungspflichtig sind."

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 8. Juni 1989 wurde die gewerbebehördliche Genehmigung "für die Änderung der Betriebsanlage eines Gastgewerbebetriebes (Heurigen-Lokal) in X, A-Straße 34, durch Errichtung und Betrieb eines Gastgartens mit vierzehn an der nördlichen und westlichen Einfriedungsmauer aufgestellten Tischen a sechs Personen" erteilt. Folgende Auflagen wurden vorgeschrieben:

"1. Für den Gastgarten ist ein Flugdach in jener Ausführung zu errichten, wie es im Einreichplan Nr. S-03/01/82 eingezeichnet und in der Baubeschreibung vom 10.5.1982 beschrieben ist.

2.

Im Freien dürfen keine Speisen zubereitet werden.

3.

Der Gastgartenbetrieb ist täglich jeweils um 22.00 Uhr zu beenden."

Zur Begründung wurde ausgeführt, zur Beurteilung der Auswirkungen des geplanten Gastgartens auf die Nachbarschaft habe die Berufungsbehörde das Referat für technisches Gewerbewesen beim Amt der Landesregierung um Durchführung von Lärmmessungen ersucht und nach Vorliegen des Lärmmeßberichtes eine mündliche Augenscheinsverhandlung durchgeführt. Die Lärmmessungen seien am 10. August 1987 und am 17. September 1987 durchgeführt worden. An beiden Meßtagen habe schönes Wetter geherrscht, wobei jedoch am 10. August 1987 aufgrund der Außentemperatur (14 Grad C um 21.00 Uhr) ein Gastgartenbetrieb nicht möglich gewesen sei. Bei der Messung am 17. September 1987 (21 Grad C um 21.00 Uhr) habe ein Gastgartenbetrieb stattgefunden, jedoch in größerem Umfang als es das eingereichte Projekt vorsehe, und ohne lärmdämmende Maßnahmen. Um 20.30 Uhr hätten sich 94 Personen im Gastgarten befunden. Die Lärmmessungen seien sowohl im Hinblick auf die Meßgeräte als auch auf die Wahl der Standorte der Meßmikrophone unter Beachtung der Bestimmungen der ÖNORM S 5004 - Messung von Schallimmissionen - durchgeführt worden. Bei der mündlichen Augenscheinsverhandlung am 8. Juni 1988 hätten der gewerbetechnische und der ärztliche Amtssachverständige auf der Grundlage des vorliegenden Lärmmeßberichtes ihre Gutachten erstellt. Dabei habe der gewerbetechnische Amtssachverständige unter Berücksichtigung des "Widmungsmaßes" das "Beurteilungsmaß" gebildet und sei zu dem Schluß gekommen, daß dieses "Beurteilungsmaß" durch die vom Gastgarten ausgehenden Schallimmissionen überschritten werde. Der ärztliche Amtssachverständige habe "aufgrund der für die Nachbarn unzumutbaren Belästigung, die zumindest in einer Störung des Wohlbefindens liegt," dem Betrieb des gegenständlichen Gastgartens "nicht zustimmen" können. Im Hinblick auf die mit 1. Jänner 1989 durch die Gewerberechtsnovelle 1988 in Kraft getretene neue Rechtslage habe die Berufungsbehörde den gewerbetechnischen Amtssachverständigen ersucht, in Ergänzung seines Gutachtens das Ausmaß der durch den geplanten Gastgarten bewirkten Veränderung der herrschenden örtlichen Verhältnisse zu berechnen und dabei auch die Lärmschutzwirkung des Flugdaches in der ursprünglich geplanten Form zu berücksichtigen. Bei dieser Berechnung habe der Sachverständige (Gutachten vom 13. Februar 1989) zunächst von dem höchsten am 17. September 1987 gemessenen energieäquivalenten Dauerschallpegel (58,8 dB(A) = Umgebungslärm + Gastgarten) den höchsten am 10. August 1987 gemessenen energieäquivalenten Dauerschallpegel des Umgebungslärmes allein (53,3 dB(A)) subtrahiert. Diese logarithmische Subtraktion habe für den Gastgarten allein einen Immissionspegel von 57,36 dB(A) ergeben. Zu diesem Pegel habe der Sachverständige entsprechend der ÖNORM S 5004 einen Pegelzuschlag von 5 dB(A) für Informationshaltigkeit (Gespräche der Gastgartenbenutzer) gerechnet, woraus sich ein Schalldruckpegel von 62,36 dB(A) ergebe. Unter Berücksichtigung der Dämmwerte für das Flugdach habe sich ein Gesamtimmissionspegel des Gastgartens von 60,38 dB(A) ergeben. Die logarithmische Addition dieses Wertes zum Pegel des reinen Umgebungslärmes (53,3 dB(A)) habe ergeben, daß die tatsächlichen Umgebungslärmverhältnisse von 53,30 dB(A) auf 61,16 dB(A) angehoben würden. Nach Vorlage dieser Berechnung sei der ärztliche Amtssachverständige ersucht worden, sein Gutachten im Hinblick auf die Fragestellung zu ergänzen, wie sich die berechnete Änderung der örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirke. Dazu habe der Sachverständige ausgeführt (Gutachten vom 24. April 1989), daß die im Gutachten vom 8. Juni 1988 getroffenen Feststellungen grundsätzlich aufrecht blieben, jedoch ergänzend festgestellt werden müsse, daß Änderungen des Umgebungslärmpegels in diesem Ausmaß deutlich von Menschen wahrgenommen würden und sowohl bei gesunden Kindern als auch bei gesunden Erwachsenen als "störend und lästig empfunden werden können". Es sei auch maßgeblich, daß ein Informationen enthaltender Lärm lästiger empfunden werde. Darüber hinaus könnten auch Auswirkungen auf die Gesundheit (z.B. Blutdruckanstieg, Pulsfrequenzanstieg, Darmperistaltik-Änderungen und Sekretionsänderungen von Drüsen) nicht ausgeschlossen werden. Nach Ansicht der Berufungsbehörde sei mit dem Gutachten des ärztlichen Amtssachverständigen eine Gesundheitsgefährdung oder unzumutbare Lärmbelästigung der Nachbarn durch den geplanten Gastgarten nicht schlüssig nachgewiesen worden. Der Sachverständige habe in seiner ergänzenden Stellungnahme angeführt, daß "mit einer ständigen Erhöhung des Umgebungslärmpegels gegenüber den bisher herrschenden örtlichen Verhältnissen im Ausmaß von 7,86 dB(A) zu rechnen ist", und habe auf dieser Feststellung seine Schlußfolgerungen aufgebaut. Gerade diese Feststellung habe jedoch aus mehreren Gründen eine unrichtige Beurteilungsprämisse dargestellt. Der gewerbetechnische Amtssachverständige habe bei seiner Berechnung des durch den Gastgarten verursachten Störlärmes den höchsten gemessenen Halbstundenwert des energieäquivalenten Dauerschallpegels herangezogen. Dieser Pegel sei im Zeitraum vom 20.30 Uhr bis 21.00 Uhr gemessen worden. Die Messungen in der Zeit von 20.00 Uhr bis 20.30 Uhr und von 21.00 Uhr bis 22.00 Uhr hätten niedrigere Werte ergeben. Da somit der gewerbetechnische Amtssachverständige den maximalen Störlärmpegel errechnet habe, könne schon aus diesem Grund nicht von einer ständigen Erhöhung des Umgebungslärmes im Ausmaß von 7,86 dB(A) die Rede sein. Weiters sei zu berücksichtigen, daß sich im Zeitraum der Messung dieses maximalen Pegels 94 Personen im Gastgarten aufgehalten hätten, und weiters, daß einige Tische erhöht angeordnet gewesen seien und somit keine Abschattung durch die Einfriedungsmauer bestanden habe. Da das eingereichte Projekt einen Gastgarten mit maximal 84 Plätzen vorsehe, welche entlang der Mauer situiert seien, müsse auch der maximale Störlärmpegel des geplanten Gastgartens niedriger angenommen werden, als er durch jenen Gastgarten verursacht worden sei, welcher während der Lärmmessungen ausgeführt gewesen sei. Weiters übersehe der ärztliche Amtssachverständige, daß unter den herrschenden klimatischen Bedingungen ein Gastgarten bei einem Heurigen-Lokal nicht täglich betrieben werden könne und vor allem aus diesem Grund keine ständige Erhöhung des Umgebungslärmes bewirke. Aus den Erfahrungen des täglichen Lebens könne sicher angenommen werden, daß in den Monaten von Oktober bis April ein Gastgarten nie betrieben werde. Die Berufungsbehörde sei zwar nicht der Ansicht, daß ein Gartenbetrieb nur möglich sei, wenn die Außentemperatur um 19.00 Uhr noch 25 Grad C betrage, jedoch sei auch in den Monaten von Mai bis September ein Gastgartenbetrieb keinesfalls täglich möglich, wobei hier eine Quantifizierung auf der Grundlage meteorologischer Daten nicht erforderlich sei. Der Berufungsbehörde erscheine es vielmehr entscheidend, daß die durch die Anlagenänderung verursachte Erhöhung des Umgebungslärmpegels während des Sommerhalbjahres nicht ständig und während des Winterhalbjahres überhaupt nicht auftrete, sodaß immer wieder Erholungsphasen gegeben seien. Nach Ansicht der Berufungsbehörde seien diese Umstände bei der Beurteilung von Veränderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse miteinzubeziehen, da eine Anlage, welche nicht ständig Immissionen hervorrufe, sicherlich anders zu beurteilen sei als eine Anlage, welche kontinuierlich in Betrieb sei. Für eine ständig betriebene Anlage könnten die Ausführungen des ärztlichen Amtssachverständigen sicherlich als schlüssig herangezogen werden. Schließlich könne auch jenen Ausführungen im ärztlichen Gutachten nicht gefolgt werden, in welchen ausgeführt werde, daß ein Informationen enthaltender Lärm lästiger empfunden werde, da in der vom gewerbetechnischen Amtssachverständigen berechneten Erhöhung des Umgebungslärmes im Ausmaß von 7,86 dB(A) bereits gemäß ÖNORM S 5004 ein Pegelzuschlag von 5 dB(A) für die Informationshaltigkeit enthalten sei. Auf der Grundlage der dargestellten Überlegungen sei die Berufungsbehörde zu der Ansicht gelangt, daß die durch die geplante Änderung der Betriebsanlage verursachten Belästigungen bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen auf ein zumutbares Maß beschränkt würden. Trotz der Erklärung, anstelle des ursprünglich geplanten Flugdaches aus baurechtlichen Gründen andere Abdeckungen herstellen zu wollen, sei die Errichtung des Flugdaches dennoch als Auflage vorgeschrieben worden, da dieses die wirksamste Schalldämmung bewirke. Nach Ansicht der Berufungsbehörde werde dadurch das Projekt, welches eben nur einen Gastgarten mit einer Abdeckung vorsehe, nicht in seinem Wesen verändert. Im gewerbebehördlichen Verfahren könnten auch Maßnahmen als Auflagen vorgeschrieben werden, welche baubehördlich bewilligungspflichtig seien.

Mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 21. Februar 1990 wurde die dagegen u.a. von den Beschwerdeführern erhobene Berufung abgewiesen.

Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, die Behörde sei keinesfalls verpflichtet, den Sachverständigengutachten "blind" zu folgen, sie müsse vielmehr ihre (davon abweichende) Entscheidung ausreichend begründen (siehe auch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. April 1988, Zl. 87/04/0272). Der Behörde sei es dabei auch nicht verwehrt, im Rahmen der freien Beweiswürdigung gemäß § 45 Abs. 2 AVG 1950 die allgemeine Lebenserfahrung zu berücksichtigen (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. März 1978, Zlen. 2715/77, 747/78). Die Behörde zweiter Instanz habe dies im vorliegenden Falle in einer durchaus ausführlichen und begründeten Weise getan. Es könne jedenfalls nicht verkannt werden, daß ein wesentlicher Faktor des Auftretens medizinisch nachteiliger Folgen die Dauer der Einwirkung von Lärmimmissionen sei. Ebenfalls von wesentlicher Bedeutung sei es, ob die Lärmimmissionen zur Tagzeit oder zur Nachtzeit (22.00 bis 6.00 Uhr) auftreten. Im vorliegenden Verfahren seien jedenfalls nur solche zur Tagzeit, für die ein weniger strenger Maßstab anzulegen sei als zur Nachtzeit, zu berücksichtigen, da der Gastgarten nur bis 22.00 Uhr betrieben werden dürfe. Abschließend sei darauf hinzuweisen, daß der ärztliche Amtssachverständige in seinem Gutachten ausdrücklich von Lärmspitzen ausgegangen sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Die Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer erachten sich, gestützt insbesondere auf § 81 in Verbindung mit § 77 GewO 1973, in den Nachbarrechten auf Schutz vor Gefährdung ihrer Gesundheit und vor unzumutbaren Belästigungen verletzt. Sie tragen in Ausführung dieses Beschwerdepunktes - abgesehen von der Rüge einer Verletzung ihres Rechtes auf Parteiengehör und einer Mangelhaftigkeit in Ansehung der Gewährung der Akteneinsicht und weiters abgesehen von der Befürchtung rechtswidrigen Verhaltens der mitbeteiligten Parteien - u.a. insbesondere vor, mit Eingabe vom 26. März 1984 sei das eingereichte Projekt insoweit geändert worden, als die Genehmigung der Errichtung eines Flugdaches zurückgezogen worden sei. Den dem ursprünglichen Antrag beigeschlossenen Planunterlagen sei zu entnehmen, daß dieses Flugdach durchaus in dauerhafter Ausführung errichtet werden sollte. Es handle sich um eine massive Holzkonstruktion mit Kupferblecheindeckung. Diese ganz wesentliche Maßnahme sollte nach dem Willen der mitbeteiligten Parteien nicht ausgeführt werden und sei somit nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen. Daß damit eine Änderung des zur Bewilligung stehenden Projektes eingetreten sei, stehe außer Zweifel. Es sei nun unzulässig, im Wege der Auflage - offensichtlich gegen den erklärten Willen der mitbeteiligten Parteien - das Projekt zu ändern, indem die Errichtung einer massiven Flugdachkonstruktion vorgeschrieben werde. Mit der Erteilung der Auflage, ein massives Flugdach zu errichten, werde das Wesen des Ansuchens ganz entscheidend verändert. Vor allem dann, wenn die mitbeteiligten Parteien im Zuge des Verfahrens ihr Projekt in einem ganz wesentlichen und bedeutenden Teil durch Zurückziehung des darauf abzielenden Genehmigungsansuchens abgeändert hätten, könne gerade diese Maßnahme nicht als Auflage erteilt werden, um doch zu einer Genehmigung des vorliegenden Projektes zu kommen.

Im Grunde des § 74 Abs. 2 GewO 1973 (in seiner - wie auch in Ansehung der weiters angeführten Bestimmungen - hier im Hinblick auf den im Zeitpunkt der Bescheiderlassung anzuwendenden Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988) dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, (Z. 1) das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, unterliegenden Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; ..... (Z. 2) die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen.

Zufolge § 353 GewO 1973 - in seiner hier im Hinblick auf die dargestellten Verfahrensdaten anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, - sind dem Ansuchen um Genehmigung einer Betriebsanlage eine Betriebsbeschreibung einschließlich eines Verzeichnisses der Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen und die erforderlichen Pläne und Skizzen in vierfacher Ausfertigung anzuschließen.

Gemäß § 356 Abs. 1 GewO 1973 hat die Behörde auf Grund eines Ansuchens um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage oder um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage eine Augenscheinsverhandlung anzuberaumen und den Nachbarn vom Gegenstand und von Zeit und Ort der Augenscheinsverhandlung durch Anschlag in der Gemeinde (§ 41 AVG 1950) und in unmittelbar benachbarten Häusern Kenntnis zu geben.

Nach § 356 Abs. 3 GewO 1973 sind im Verfahren gemäß Abs. 1 nur Nachbarn, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3, oder 5 erheben, Parteien, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.

Dem vorstehend dargestellten Beschwerdevorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, daß Auflagen, mit denen das Vorhaben in seinem Wesen verändert würde, von einem Nachbarn losgelöst von der ihm zukommenden Rechtsstellung nach den §§ 74 Abs. 2 und 356 Abs. 3 GewO 1973 nicht abgewehrt werden können (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 1990, Zl. 90/04/0081, drittletzter Absatz).

Gleichwohl ist der vorliegenden Beschwerde im Ergebnis Erfolg beschieden.

Nach der dargestellten Rechtslage setzt der Ausspruch über die Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage oder deren Änderung ein Ansuchen voraus (antragsbedürftiger Verwaltungsakt). Der Umstand einer mangelnden antragsgemäßen Deckung einer Betriebsanlagengenehmigung steht als verfahrensrechtliche Frage in untrennbarem Zusammenhang mit den durch § 74 Abs. 2 im Zusammenhalt mit § 356 Abs. 3 GewO 1973 normierten Nachbarrechten (siehe hiezu das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 1990, Zl. 89/04/0203, und weiters das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 1990, Zl. 89/04/0222). Im vorliegenden Fall hätte die belangte Behörde im Hinblick auf die Zurückziehung des Antrages auf Errichtung eines Flugdaches und im Hinblick auf die in diesem Zusammenhang im Schriftsatz der mitbeteiligten Parteien vom 26. März 1984 enthaltenen nur unbestimmten Ausführungen über die weiteren Absichten hinsichtlich einer anderweitigen Abdeckung nicht vom Vorliegen der nach § 353 GewO 1973 erforderlichen antragsgemäßen Deckung für die Erteilung einer Genehmigung ausgehen dürfen. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid schon in Hinsicht darauf mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Weiters verdient festgehalten zu werden, daß im Genehmigungsansuchen vom 10. Mai 1982 zwar beide mitbeteiligte Parteien als Antragsteller bezeichnet wurden, als Antragsteller jedoch nur eine Person unterschrieb. In den Anberaumungen der - ursprünglichen und der fortgesetzten - mündlichen Verhandlungen vor der Erstbehörde, in den betreffenden Verhandlungsschriften und in dem in der Folge nach § 66 Abs. 2 AVG 1950 aufgehobenen erstbehördlichen Bescheid vom 7. August 1985 wurde nur BX als Antragstellerin angeführt und behandelt. Es wäre daher klarzustellen gewesen, wer der Antragsteller ist, der die Erteilung der Genehmigung für die gegenständliche Betriebsanlage begehrte.

Aus dem vorstehend dargelegten Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990040152.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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