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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
StGB §33;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Degischer und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Kurt N gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 3. September 1986, Zl. VerkR-2722/1-1986-II/Pe, betreffend Entscheidung gemäß § 49 Abs. 2 VStG 1950 im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Linz vom 20. Juni 1986 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 800,-- (Ersatzarreststrafe 72 Stunden) verhängt, weil er zur Tatzeit am Tatort "andere Straßenbenützer am Vorbei- bzw. Wegfahren gehindert" und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 StVO 1960 begangen habe.
Gegen diese Strafverfügung erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Einspruch gegen das Strafausmaß, welchen er damit begründete, daß er in der ca. 20 m entfernten Trafik Zigaretten und Briefmarken habe holen wollen, dort jedoch mehrere Kunden vor ihm gewesen seien, wodurch sich der Kauf verzögert habe. Sein monatliches Einkommen betrage S 3.500,--, er habe kein Vermögen und keine Sorgepflichten zu tragen.
Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 3. September 1986 wurde diesem als Berufung anzusehenden Einspruch (§ 49 Abs. 2 VStG 1950) keine Folge gegeben und die mit der Strafverfügung verhängte Strafe bestätigt.
Die Berufungsbehörde ging entsprechend der Begründung ihres Bescheides davon aus, daß auf Grund des in Rede stehenden, gegen die Bemessung der Strafe gerichteten Einspruches zu prüfen gewesen sei, ob die Bestimmungen des § 19 VStG 1950 eingehalten worden seien. Die Berufungsbehörde sei zu der Ansicht gelangt, daß die Behörde erster Instanz bei der Bemessung der Strafe die mit der Tat verbundene Schädigung bzw. Gefährdung der Rechtsschutzinteressen und die sonstigen nachteiligen Folgen als Grundlage richtig angenommen habe. Bei der Überprüfung der Strafhöhe seien das Ausmaß des Verschuldens sowie der Umstand, daß der Beschwerdeführer schon wegen zehn auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Verwaltungsübertretungen bestraft worden sei, gewertet und somit die Erschwerungs- und die Milderungsgründe gegeneinander abgewogen sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und das Nichtvorliegen von Sorgepflichten berücksichtigt worden. Die Ausführungen im Einspruch seien nicht geeignet gewesen, eine Herabsetzung der Strafe zu rechtfertigen.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG 1950 ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Zufolge Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, die belangte Behörde sei "ausgehend von der Strafe mittels Strafverfügung" nicht berechtigt gewesen, "Vorstrafen als Erschwerungsgrund zu werten und eine gleiche schädliche Neigung bei einer Beurteilung der Strafe heranzuziehen".
Der Beschwerdeführer meint damit offenbar, daß auf Grund der Regelung des § 19 Abs. 2 VStG 1950 die dort genannten Kriterien für die Strafbemessung auf das ordentliche Verfahren beschränkt sind, also dann nicht herangezogen werden dürfen, wenn gemäß § 49 Abs. 2 leg. cit. über eine Berufung gegen das mit einer Strafverfügung im Sinne des § 47 VStG 1950 - also nicht in einem ordentlichen Verfahren - festgesetzte Strafausmaß zu entscheiden ist.
Dieser Auffassung kann sich der Gerichtshof nicht anschließen, weil eine Strafbemessung nach den Kriterien des § 19 Abs. 2 VStG 1950 bei Strafverfügungen nach § 47 in der Regel mangels Kenntnis der relevanten Umstände nicht in Betracht kommt und diesbezügliche Erhebungen mit dem Zweck eines vereinfachten Verfahrens unvereinbar wären (vgl. in diesem Sinne Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, 8. Aufl., S. 82), wogegen die Berufungsbehörde die Möglichkeit hat, die für die Strafbemessung im Sinne des § 19 Abs. 2 VStG 1950 maßgebenden Umstände zu erheben und bei ihrer Entscheidung über den nur gegen das Strafausmaß gerichteten Einspruch im Sinne des § 49 Abs. 2 leg. cit. zu berücksichtigen. Im Falle der Richtigkeit der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers wäre der Berufungsbehörde nicht nur etwa eine Bedachtnahme auf Erschwerungsgründe verwehrt, die für eine Bestätigung der verhängten Strafe sprechen, sondern sie dürfte bei ihrer Entscheidung über das Strafausmaß auch jene Umstände (z. B. Milderungsgründe oder das vom Beschuldigten nachgewiesene geringe Einkommen) nicht in ihre Erwägungen miteinbeziehen, die eine Herabsetzung der in der Strafverfügung ausgesprochenen Strafe rechtfertigen würden. Es wäre ihr daher unter diesen Umständen allenfalls sogar unmöglich, auf das Vorbringen in dem als Berufung anzusehenden Einspruch einzugehen, weshalb es mit dem Sinn des Gesetzes nicht vereinbar ist, die Berufungsbehörde in den Fällen des § 49 Abs. 2 VStG 1950 auf eine Prüfung zu beschränken, ob die Strafbehörde erster Instanz bei der Festsetzung des Strafausmaßes die Vorschriften des § 19 Abs. 1 leg. cit. richtig angewendet hat.
Unter Zugrundelegung dieser Rechtslage kann aber der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie das Ausmaß der verhängten Geldstrafe nicht herabgesetzt hat, da sie nicht nur das relativ geringe Einkommen des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, sondern auch als erschwerend zu werten hatte, daß der Beschwerdeführer schon - unbestritten - "wegen zehn auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Verwaltungsübertretungen bestraft wurde". Außerdem hätte die belangte Behörde als Erschwerungsgrund ins Treffen führen können, daß gegen den Beschwerdeführer im vorliegenden Fall die Anzeige erstattet und sohin von der Verhängung einer Organstrafverfügung im Sinne des § 50 VStG 1950 Abstand genommen worden ist, weil er - zugegebenermaßen - durch das vorschriftswidrige Abstellen seines Fahrzeuges einen anderen Fahrzeuglenker am Wegfahren gehindert hat. In dieser Hinsicht enthält der angefochtene Bescheid zwar einen Begründungsmangel, der jedoch nicht als wesentlich im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG zu beurteilen ist und daher nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führt, weil die belangte Behörde bei dessen Vermeidung zu keinem für den Beschwerdeführer günstigeren Bescheid gekommen wäre.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 StrafmilderungsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1987180043.X00Im RIS seit
11.07.2001