TE Vfgh Beschluss 1988/9/26 G231/87

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.09.1988
beobachten
merken

Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art141 Abs1 lita
VfGG §67 Abs2 zweiter und dritter Satz

Leitsatz

Art140 Abs1 B-VG; Individualantrag eines Wahlberechtigten auf Aufhebung des §67 Abs2 zweiter und dritter Satz VerfGG; Zumutbarkeit der Einbringung einer Wahlanfechtung gem. Art141 Abs1 lita B-VG; keine Legitimation

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Dr. A W stellte mit Schreiben vom 17. November 1987 gemäß Art140 Abs1 B-VG den Antrag, der VfGH möge "im Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 in seiner derzeit geltenden Fassung in §67 Abs2 den zweiten und dritten Satz . . . " als verfassungswidrig aufheben.

1.2. §67 Abs2 VerfGG 1953 hat folgenden Wortlaut (die vom Aufhebungsantrag erfaßten Gesetzesstellen sind hervorgehoben):

"Die Anfechtung der Wahl zu einer Landesregierung bedarf eines Antrages von einem Zehntel aller Mitglieder des Landtages, mindestens aber von zwei Mitgliedern, die Anfechtung der Wahl zu einem Gemeindevorstand des Antrages von einem Zehntel der Mitglieder der Gemeindevertretung, mindestens aber von zwei Mitgliedern. Zur Anfechtung der übrigen im Abs1 genannten Wahlen sind Wählergruppen (Parteien) berechtigt, die bei einer durch die Wahlordnung vorgeschriebenen Wahlbehörde Wahlvorschläge für die angefochtene Wahl rechtzeitig vorgelegt haben, und zwar durch ihren zustellungsbevollmächtigten Vertreter. Sieht die Wahlordnung keine derartige Anmeldung von Wahlvorschlägen vor, so richtet sich die Berechtigung zur Anfechtung von Wahlen vor dem VfGH nach den besonderen Bestimmungen solcher Wahlordnungen. Eine Wahlanfechtung kann auch der Wahlwerber einbringen, der behauptet, daß ihm die Wählbarkeit im Wahlverfahren rechtswidrig aberkannt wurde."

2. Der Antrag ist unzulässig.

2.1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der VfGH über Verfassungswidrigkeit von (Bundes- oder Landes-)Gesetzen "auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist".

Der VfGH vertritt seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigen muß und daß der hier eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, dem einzelnen Rechtsunterworfenen Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 9062/1981, 9685/1983).

2.2.1. Der Antragsteller verficht sinngemäß die Auffassung, daß ihm als Wähler von Verfassungs wegen das Recht auf "rechtmäßige Auswertung und Berücksichtigung" seiner bei der Wiener Gemeinderatswahl vom 8. November 1987 abgegebenen Stimme und damit auf Geltendmachung von Rechtswidrigkeiten dieses Wahlverfahrens - garantiert sei; ein Recht, das durch die angefochtene einfachgesetzliche Norm - die dem einzelnen Wähler eine Anfechtung der Wahl beim VfGH verwehre - in verfassungswidriger Weise aufgehoben werde.

2.2.2. Schon das Antragsvorbringen selbst zeigt, daß vom Einschreiter ein anderer (zumutbarer) Weg zur Geltendmachung der behaupteten Verfassungswidrigkeit der hier angegriffenen Vorschriften des VerfGG 1953, nämlich die Einbringung einer Wahlanfechtung gemäß Art141 Abs1 lita B-VG, einzuschlagen gewesen wäre: In dieser Wahlanfechtung hätte er seine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der die Anfechtungslegitimation verneinenden - und im Verfahren bei Prüfung der Zulässigkeit der Anfechtung auch tatsächlich anzuwendenden - Bestimmung des §67 Abs2 Sätze 2 und 3 VerfGG 1953 vortragen können, um - sollte der VfGH seine verfassungsrechtlichen Bedenken teilen - die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens zu initiieren.

2.3. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß dem Antragsteller - aus den dargelegten Erwägungen - die Legitimation zur Stellung eines Individualantrags fehlt.

Der Antrag war darum als unzulässig zurückzuweisen.

2.4. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:G231.1987

Dokumentnummer

JFT_10119074_87G00231_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten