TE Vwgh Erkenntnis 1991/4/23 87/07/0061

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Veröffentlicht am 23.04.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §42 Abs1;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art140 Abs7;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WRG 1959 §117 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und den Senatspräsidenten Dr. Salcher sowie die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 2. März 1987, Zl. 1/01-27.818/2-1987, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Land Salzburg-Landesstraßenverwaltung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm die Entschädigungsfestsetzung der Behörde erster Instanz aufrechterhalten wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.840,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 31. Oktober 1986 erteilte die Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau (BH) der nun am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligten Partei aufgrund der §§ 98, 14, 41, 50 Abs. 6, 55 Abs. 3, 111, 112 Abs. 1, 117 und 118 WRG 1959 in Verbindung mit dem Wildbachverbauungsgesetz RGBl. Nr. 117/1884 in der Fassung des Art. II der WRG-Novelle 1959, BGBl. Nr. 54, die wasserrechtliche Bewilligung zur Verbauung des sogenannten K-Flusses bzw. X-Flusses in Z. Gleichzeitig wurde unter Spruchabschnitt D die Beschwerdeführerin gemäß § 6 des Wildbachverbauungsgesetzes in Verbindung mit den §§ 65, 117 und 118 WRG 1959 verhalten, die projektsgemäß vorgesehenen Maßnahmen auf ihren Grundstücken 651 und 648/2 KG F in Form von Kulturumwandlung und zusätzlichen Verbauungsmaßnahmen auf 15 ha der X-Alm zu dulden, wofür ihr eine einmalige Entschädigung von S 2,15/m2, d.s. bei 15 ha S 322.500,--, zugesprochen wurde.

Die Berufung der Beschwerdeführerin wurde sodann vom Landeshauptmann von Salzburg mit Bescheid vom 2. März 1987, soweit erstmals im Verfahren eine Entschädigung für einen behaupteten Jagdpachtschilling verlangt worden sei, als unzulässig zurück-, im übrigen als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die Rechtsmittelbehörde nach Darlegung des vorangegangenen Verwaltungsgeschehens aus:

Im Zuge des Berufungsverfahrens habe die Behörde beim forsttechnischen Dienst für Wildbach- und Lawinenverbauung rückgefragt, welche anderen Varianten einer Verbauung des K-Flusses geprüft worden seien und aus welchen Gründen diese Varianten nicht zur Ausführung kämen. Der forsttechnische Dienst für Wildbach- und Lawinenverbauung habe drei Varianten mitgeteilt und begründet, warum diese im einzelnen nicht in Frage gekommen seien: Bei einer Stützverbauung hätte der K-Fluß nicht zur Gänze erfaßt werden können, die Kosten seien gegenüber der Variante etwa viermal so hoch. Bei einer Bremsverbauung würde die Lawinengefährdung nicht beseitigt, sondern nur verschoben. Eine gegenüber der gewählten Variante etwa fünfmal so teuere Straßen-Lawinen-Galerie hätte schon aus Gründen der Erhaltung des Hochwasserabflußbereiches des Y-Flusses abgelehnt werden müssen, auch die Kosten und die übermäßigen Eingriffe in die Landschaft hätten gegen diese Ausführung gesprochen.

Diese Stellungnahme sei der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht worden, und diese habe in einer Replik neuerlich die Notwendigkeit von Verbauungsmaßnahmen überhaupt angezweifelt, sich im übrigen aber auf fachlicher Ebene mit der Stellungnahme der Wildbach- und Lawinenverbauung nicht auseinandergesetzt; die Beschwerdeführerin habe lediglich darauf verwiesen, anderswo habe man andere Varianten gewählt, ein Gutachten auf dem Gebiet der Lawinenkunde und der Lawinenverbauung könne überhaupt nur als Ergebnis vieler Erfahrungen zustandekommen und es müßten solche andere Erfahrungen noch entsprechend geprüft werden; hinsichtlich der Ersatzforderungen für entgangene Jagdpacht sei es Sache des Sachverständigen gewesen, alle Umstände zu prüfen und zu berücksichtigen.

Zur Behauptung, die vorgesehene Aufforstung bringe eine Ertragsminderung beim Jagdpachtschilling mit sich, müsse die Berufungsbehörde daran erinnern, daß weder in der mündlichen Verhandlung, zu der die Beschwerdeführerin unter ausdrücklichem Hinweis auf die Präklusionsfolgen nach § 42 AVG 1950 geladen worden sei, noch auch im nachfolgenden Ermittlungsverfahren ein Einwand erhoben worden sei. Eine derartige Behauptung werde erstmals in der Berufung aufgestellt, sie werde durch nichts belegt. Abgesehen davon, daß ein derartiger Schaden nach Auffassung der Berufungsbehörde erst gar nicht entstehen werde, weil die jagdlich nutzbare Fläche jedenfalls nicht verringert werde, erfolge der Einwand verspätet: es sei daher diesbezüglich spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Der Berufung sei andererseits insofern Recht zu geben, als die BH tatsächlich über den Einwand der Beschwerdeführerin, es gebe auch andere Verbauungsmöglichkeiten, eine Prüfung nicht durchgeführt habe. Diese Prüfung sei daher im Zuge des Berufungsverfahrens nachgeholt worden und habe das oben wiedergegebene Ergebnis erbracht. Spätestens im Berufungsverfahren hätte die Beschwerdeführerin aber den Äußerungen des forsttechnischen Dienstes für Wildbach- und Lawinenverbauung auf fachlicher Ebene entgegentreten und begründen müssen, daß unter annähernd gleichen ökologischen Bedingungen mit anderen Verbauungsvarianten ein zumindest gleichwertiger Schutz gegen den K-Fluß erreicht werden könne. Insoweit die Beschwerdeführerin behaupte, das öffentliche Interesse an der Verbauung sei nicht festgestellt worden und das letzte Lawinenereignis habe 1951 stattgefunden, übersehe sie das bereits im erstinstanzlichen Verfahren erstattete Gutachten des Sachverständigen für Wildbach- und Lawinenverbauung, worin das öffentliche Interesse ebenso bekundet wie die eingetretenen Lawinenereignisse und Gefährdungen angeführt seien. Nach Auffassung der Berufungsbehörde erweise sich daher die Verbauung des K-Flusses als im öffentlichen Interesse erforderlich und es seien die nach dem richtigerweise gewählten Projekt erforderlichen Eingriffe in privates Eigentum unter Berücksichtigung der hiefür zuerkannten Schadloshaltung diesem öffentlichen Interesse untergeordnet anzusehen, weshalb auch diesbezüglich spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Dieser Bescheid wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft, wobei sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Unterbleiben eines Eingriffes in ihre Eigentumsrechte im Wege der ihr auferlegten Duldungspflicht sowie auf meritorische Entscheidung in bezug auf die Höhe der Entschädigung verletzt erachtet.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der

sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Wildbachverbauungsgesetzes finden bei der Anordnung und Durchführung der Vorkehrungen zur tunlichst unschädlichen Ableitung eines bestimmten Gebirgswassers oder zur Verhinderung der Entstehung oder eines schädlichen Abganges bestimmter Lawinen die Vorschriften des Wasserrechtsgesetzes insofern Anwendung, als nicht in diesem Gesetz selbst eine abweichende Bestimmung enthalten ist.

Gemäß § 65 Abs. 1 WRG 1959 können zur Ausführung und Erhaltung von Schutz- und Regulierungswasserbauten - das sind Vorrichtungen und Bauten gegen die schädlichen Einwirkungen des Wassers (§ 42 Abs. 1 WRG 1959) einschließlich der Vorkehrungen zur unschädlichen Ableitung von Gebirgswässern nach dem Wildbachverbauungsgesetz ( 41 Abs. 1 WRG 1959) -, die im öffentlichen Interesse unternommen werden, unter anderem Dienstbarkeiten bestellt werden.

Gemäß § 6 des Wildbachverbauungsgesetzes muß der Besitzer eines betroffenen, nicht enteigneten Grundstückes die zur Herbeiführung des zweckentsprechenden Zustandes dieses Grundstückes festgestellten Vorkehrungen dulden und unter anderem den für die künftige Benutzung des Grundstückes erlassenen Anordnungen vollständig nachkommen, wofür unter bestimmten Voraussetzungen eine angemessene Entschädigung zu leisten ist.

In der Beschwerde wird zunächst behauptet, daß im fraglichen Gebiet nur einmal eine Staublawine abgegangen sei und daher die Voraussetzungen für die bewilligten Verbauungsmaßnahmen nicht vorlägen, ferner es "andere Varianten der Verbauung" gebe, "wie ein neutraler, unbefangener Sachverständiger sicherlich festgestellt hätte".

Diesem Vorbringen ist in Übereinstimmung mit den Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides entgegenzuhalten, daß die zur Feststellung des Erfordernisses der im öffentlichen Interesse bewilligten Maßnahmen und deren Art eingeholten fachlichen Stellungnahmen seitens der Beschwerdeführerin nicht in sachkundiger Weise entkräftet worden sind. Worin die in der Beschwerde angedeutete Befangenheit auf Sachverständigenseite bestanden haben könnte, ist nicht ersichtlich.

Was die Frage der Entschädigungsfestsetzung und die in diesem Zusammenhang von der belangten Behörde gegenüber der Beschwerdeführerin angenommene, von dieser in Abrede gestellte Präklusion in bezug auf eine Entschädigung für eine Ertragsminderung beim Jagdpachtschilling betrifft, ist folgendes zu bemerken: Die Berufung einer präkludierten Partei ist nicht zurück-, sondern abzuweisen, wobei die eingetretene Präklusion auch von der Berufungsbehörde beachtet werden muß, ohne daß hiedurch aber etwa die Prüfung der Zuständigkeit der Unterinstanz eingeschränkt wäre (siehe das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A). Nun hat der Verfassungsgerichtshof (auch) über Antrag des Verwaltungsgerichtshofes mit Erkenntnis vom 24. Juni 1988, Slg. 11.760, das Wort "Entschädigungen" in § 117 Abs. 1 erster Satz sowie die Wortfolge "die Entschädigung oder" in § 117 Abs. 1 dritter Satz WRG 1959 als verfassungswidrig aufgehoben, so daß im vorliegenden Anlaßfall - denn die Festsetzung der Entschädigung gegenüber der Beschwerdeführerin gründete hinsichtlich der Zuständigkeit zur Entscheidung auf § 117 Abs. 1 WRG 1969 - bei Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides so vorzugehen ist, als ob bei dessen Erlassung die aufgehobene Bestimmung nicht der Rechtsordnung angehört hätte; dies hat zur Folge, daß die Nichtbeachtung der Unzuständigkeit der BH (in bezug auf die Entschädigungsfestsetzung) durch die belangte Behörde im Zeitpunkt von deren Entscheidung insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes führen mußte (siehe dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 570 und 571, angeführte Rechtsprechung). In derselben Hinsicht wird im fortzusetzenden Verfahren (erster Instanz) auf die inzwischen geänderte Rechtslage Bedacht zu nehmen sein.

Der angefochtene Bescheid war somit in dem zuletzt bezeichneten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben; im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Voraussetzungen des Berufungsrechtes Berufungsrecht und Präklusion (AVG §42 Abs1)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1987070061.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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