TE Vwgh Erkenntnis 1991/4/23 87/05/0181

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Veröffentlicht am 23.04.1991
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §18 Abs4;
AVG §66 Abs4;
BauO NÖ 1976 §109 Abs3;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des A gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 31. August 1987, Zl. II/2-V-84109/4, betreffend Baueinstellung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 19. März 1991, Zl. 86/05/0140, verwiesen.

Mit Ansuchen vom 28. Jänner 1982 hatte der Beschwerdeführer die Erteilung der Baubewilligung für den Abbruch eines bestehenden und die Errichtung eines neuen Wohnhauses an dessen Stelle (im Grünland) beantragt. Nachdem er diesen Antrag am 19. Mai 1982 zurückgezogen hatte, beantragte er mit Ansuchen vom 1. Juni 1982 die baubehördliche Bewilligung zur Abänderung bzw. Sanierung des bestehenden Wohnhauses auf dem Grundstück Nr. C, EZ D, KG E. Mit Bescheid vom 17. Juni 1982 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde dem Beschwerdeführer die Bewilligung für den Umbau bzw. die Sanierung des Wohnhauses, nach den Planunterlagen auch für einen Zubau. Mit Bescheid vom 21. Juli 1983 forderte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde den Beschwerdeführer auf, das Bauvorhaben sofort einzustellen. Begründet wurde dieser Auftrag damit, daß dem Beschwerdeführer eine Bewilligung für die Althaussanierung des Wohnhauses erteilt worden sei. Nun habe er das Wohnhaus zur Gänze niedergerissen und wieder aufgebaut.

Mit Bescheid vom 1. August 1983 hob der Bürgermeister seinen Bescheid vom 21. Juli 1983 mit der Begründung auf, daß auf Grund eines am 1. August 1983 durchgeführten Lokalaugenscheines und der Überprüfung der Bauführung gegen die Wiederaufstellung der Mauerteile nichts einzuwenden sei, wenn die Ausführung dem Einreichplan entsprechend erfolge.

Mit Bescheid vom 1. Juni 1984 gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 21. Juli 1983 keine Folge. Zur Begründung wurde ausgeführt, dem Beschwerdeführer sei mit Bescheid vom 17. Juni 1982 eine Bewilligung zur Sanierung des Hauses, das im Grünland stehe, erteilt worden, er habe dann das Haus abgetragen und ohne Baubewilligung neu errichtet und größer gebaut, mit Unterkellerung und Dachausbau. Im Grünland könne gemäß § 19 der Bauordnung für Niederösterreich (richtig wohl: des NÖ. Raumordnungsgesetzes) keine Baubewilligung erteilt werden.

Die belangte Behörde behob auf Grund der Vorstellung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 24. Mai 1985 den Bescheid des Gemeinderates vom 1. Juni 1984 und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde. Die Aufhebung wurde darauf gestützt, daß der Bürgermeister mit Bescheid vom 1. August 1983 seinen Bescheid vom 21. Juli 1983 aufgehoben habe. Der Gemeinderat hätte sich daher bei seiner Entscheidung über die Berufung gegen den Bescheid vom 21. Juli 1983 damit auseinandersetzen müssen, ob dieser Bescheid dem Rechtsbestand angehöre. Da sich der Gemeinderat bei seiner Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 21. Juli 1983 weder mit dem Bescheid des Bürgermeisters vom 1. August 1983 auseinandergesetzt, noch ein Ermittlungsverfahren über die Abweichung des Wohnhauses gegenüber dem vorliegenden Plan durchgeführt habe, sei das Verfahren mangelhaft geblieben. Vor Erlassen des Bescheides vom 24. Mai 1985 hatte die belangte Behörde eine Verhandlung an Ort und Stelle durchgeführt, an der neben dem Beschwerdeführer auch sein ausgewiesener Vertreter teilgenommen hat. Während dieser Verhandlung erklärte der beigezogene Bausachverständige, daß die Grundrißabmessungen des Gebäudes im Erdgeschoß geschnitten ca. 1 m über dem Fußboden im Rohbaumaß im Mittel 11,57 m auf 8,83 m betrügen. Gemäß dem Einreichplan sollten die Außenabmessungen 10,90 m auf 8,70 m betragen. Ein Längenvergleich ergebe, daß das Gebäude gegenüber den Einreichunterlagen um 0,67 m länger und um 0,13 m breiter ausgeführt worden sei.

Mit Bescheid vom 14. Jänner 1987 gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde neuerlich der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 21. Juli 1983 keine Folge. Begründend wurde ausgeführt, bezüglich des Bescheides des Bürgermeisters vom 1. August 1983 verweise der Gemeinderat darauf, daß er diesen Bescheid mit seinem Bescheid vom 10. Juli 1986 für nichtig erklärt habe. Eine dagegen vom Beschwerdeführer eingebrachte Vorstellung habe die Aufsichtsbehörde mit ihrem Bescheid vom 19. August 1986 als unbegründet abgewiesen. Gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 19. August 1986 richtete sich die Beschwerde, die dem hg. Erkenntnis vom 19. März 1991 zugrundelag.

Weiters führte der Gemeinderat in seinem Bescheid vom 14. Jänner 1987 aus, ein Vergleich des tatsächlich errichteten Gebäudes mit dem im Bauakt befindlichen Plan, der der Baubewilligung vom 17. Juni 1983 zugrunde gelegen sei, zeige, daß das Gebäude entgegen diesem Plan flächenmäßig größer ausgeführt worden sei. Das Gebäude sei im Mittel um 67 cm länger, um 13 cm breiter und um 75 cm höher ausgeführt worden. Der Bürgermeister habe daher zu Recht in seinem Bescheid vom 21. Juli 1983 die Baueinstellung verfügt.

Mit Bescheid vom 31. August 1987 wies die Gemeindeaufsichtsbehörde die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 14. Jänner 1987 als unbegründet ab. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist zu einem Beschwerdevorbringen betreffend die Unwirksamkeit der Zustellung und den Mangel der Bescheidqualität des Bescheides des Gemeinderates vom 14. Jänner 1987 festzustellen: Der Bescheid des Gemeinderates vom 14. Jänner 1987 wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers nachweislich mit einem Begleitschreiben ebenfalls vom 14. Jänner 1987 zugestellt. Die Zustellung des Bescheides (auch) an den Beschwerdeführer, der zu diesem Zeitpunkt bereits rechtsfreundlich vertreten war, schadete nicht. Durch die nachweisliche Zustellung des Bescheides an den ausgewiesenen Vertreter des Beschwerdeführers liegt eine rechtswirksame Zustellung im Sinne des § 9 des Zustellgesetzes vor.

Gemäß § 18 Abs. 4 AVG 1950 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 199/1982 genügt bei telegraphischen, fernschriftlichen oder vervielfältigten Ausfertigungen die Beisetzung des Namens des Genehmigenden; eine Beglaubigung durch die Kanzlei ist nicht erforderlich. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 20. Dezember 1985, Zl. 85/18/0004, ausgesprochen, daß die vor dem vertretene Auffassung, wonach der in Rede stehende Tatbestand des § 18 Abs. 4 AVG 1950 nur im Falle einer Vielzahl vorzunehmender Zustellungen einer Bescheidausfertigung erfüllt sei, nicht mehr aufrechterhalten werden könne.

Die über Aufforderung dem Gerichtshof vorgelegte Ausfertigung des Bescheides des Gemeinderates vom 14. Jänner 1987 läßt unzweifelhaft erkennen, daß es sich dabei um eine Vervielfältigung handelt. Diese vervielfältigte Ausfertigung enthält "die Beisetzung des Namens des Genehmigenden" und entspricht daher dem Erfordernis des § 18 Abs. 4 4. Satz AVG 1950 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 199/1982. Dem Beschwerdeführer wurde sohin zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters eine als Bescheid zu qualifizierende zweitinstanzliche Erledigung zugestellt, weshalb die belangte Behörde über die dagegen eingebrachte Vorstellung meritorisch zu entscheiden hatte.

Die tragenden Aufhebungsgründe eines aufhebenden Bescheides der Gemeindeaufsichtsbehörde sind für das fortgesetzte Verfahren vor der Gemeindebehörde, vor der Aufsichtsbehörde und vor dem Verwaltungsgerichtshof bindend (Verwaltungsgerichtshof vom 25. Jänner 1983, Zl. 82/05/0107 u.v.a.). Wie bereits in der Sachverhaltsdarstellung ausgeführt, hat die Gemeindeaufsichtsbehörde die Aufhebung in ihrem Bescheid vom 24. Mai 1985 darauf gestützt, daß sich der Gemeinderat bei seiner Entscheidung über die Berufung gegen den Bescheid vom 21. Juli 1983 mit der Frage auseinanderzusetzen gehabt hätte, ob dieser Bescheid dem Rechtsbestand angehört. Überdies hätte der Gemeinderat ein Ermittlungsverfahren über die Abweichung des Wohnhauses gegenüber dem bewilligten Plan durchführen müssen.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde hatte mit seinem Bescheid vom 21. Juli 1983 dem Beschwerdeführer die Fortsetzung der Bauarbeiten an seinem Haus auf dem Grundstück Nr. 939 KG Nexing untersagt. Gemäß § 109 Abs. 3 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976, LGBl. 8200, hat die Baubehörde die Fortsetzung der Arbeiten zu untersagen, wenn ein Vorhaben, das einer Bewilligung bedarf, ohne Bewilligung ausgeführt wird.

Mit seinem Bescheid vom 14. Jänner 1987 hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde beiden die Aufhebung tragenden Aufträgen der Gemeindeaufsichtsbehörde entsprochen. Der Gemeinderat hat mit seinem Bescheid vom 10. Juli 1986 den Bescheid des Bürgermeisters vom 1. August 1983 für nichtig erklärt. Mit seiner Zustellung an den ausgewiesenen Vertreter des Beschwerdeführers ist der Bescheid des Gemeinderates vom 10. Juli 1986 rechtswirksam geworden, da er nach Erschöpfung des gemeindebehördlichen Instanzenzuges mit keinem ordentlichen Rechtsmittel mehr angefochten werden konnte. Mit Bescheid vom 19. August 1986 wurde die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeinderates vom 10. Juli 1986 als unbegründet abgewiesen. Zutreffend ist daher die belangte Behörde davon ausgegangen, daß der Gemeinderat nicht rechtswidrig handelte, wenn er über die Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 21. Juli 1983 eine Entscheidung getroffen hat, ohne das Ergebnis des beim Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich anhängigen Verfahrens abzuwarten.

Das Beschwerdevorbringen, es sei kein Ermittlungsverfahren durchgeführt worden, ist unzutreffend. Bereits während der Verhandlung, die die belangte Behörde am 12. Dezember 1984 in Anwesenheit des Beschwerdeführers und dessen Rechtsvertreters durchgeführt hat, wurden die Abweichungen des vorgefundenen Baubestandes von dem dem Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters vom 17. Juni 1982 zugrundeliegenden Einreichplan (Umbau und Sanierung des Wohnhauses samt Zubau) festgestellt. Eine gesetzliche Bestimmung, wonach die Gemeindebehörde das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Gemeindeaufsichtsbehörde nicht ihrer Entscheidung zugrundelegen dürfte, findet sich weder im AVG 1950 noch in der NÖ Gemeindeordnung.

Bereits in der Verhandlung vom 12. Dezember 1984 wurde vom Bausachverständigen festgestellt, daß das Gebäude gegenüber den Einreichunterlagen um 0,67 m länger und um 0,13 m breiter ausgeführt wurde, abgesehen davon, daß nicht ein vorhandenes Altgebäude saniert sondern, ausgehend vom Kellermauerwerk, das aus 30 cm dicken Betonschalsteinen bestand, ein neues Gebäudes errichtet wurde. Selbst der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 21. Juli 1983 ausgeführt, daß er aufgrund des schlechten Zustandes und der Aushöhlung der seichten Fundamente gezwungen war, die Fundamente zu erneuern und auf den "Erhalt des Bestandes" zu verzichten. Zutreffend sind daher sowohl die Gemeindebehörden als auch die Gemeindeaufsichtsbehörde davon ausgegangen, daß das tatsächlich errichtete Gebäude von keiner Baubewilligung erfaßt war, sodaß die Baueinstellung mit Bescheid des Bürgermeisters vom 21. Juli 1983 zu Recht verfügt wurde.

Wenn in der Beschwerde nun ausgeführt wird, der Beschwerdeführer habe am 20. November 1986 bei der mitbeteiligten Marktgemeinde einen Auswechslungsplan eingereicht, der Gemeinderat hätte bei der Behandlung der Berufung auch die zwischenzeitlich eingetretenen Aktenvorgänge berücksichtigen müssen, so verkennt der Beschwerdeführer, daß Gegenstand sowohl des Berufungsbescheides des Gemeinderates vom 14. Jänner 1987 als auch des Bescheides der Gemeindeaufsichtsbehörde vom 31. August 1987 die Rechtmäßigkeit der Baueinstellung vom 21. Juli 1983 ist. Auswechslungspläne, die dreieinhalb Jahre nach der verfügten Baueinstellung eingereicht wurden, haben aber auf die Rechtmäßigkeit der seinerzeit verfügten Baueinstellung keine Auswirkungen.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Verhältnis zu anderen Materien und Normen Gemeinderecht VorstellungBauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Diverses BauRallg11/4Vervielfältigung von AusfertigungenZuständigkeit der Vorstellungsbehörde Verhältnis zwischen gemeindebehördlichem Verfahren und Vorstellungsverfahren Rechtsstellung der Gemeinde im VorstellungsverfahrenBeglaubigung der Kanzlei

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1987050181.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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