TE Vwgh Erkenntnis 1991/4/25 90/06/0212

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Veröffentlicht am 25.04.1991
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Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L81708 Baulärm Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
16/02 Rundfunk;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §1;
AVG §7 Abs1;
AVG §8;
BauG Vlbg 1972 §2 liti;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §37 Abs4;
BauRallg;
RFG 1984;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des Österreichischen Rundfunks gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 2. November 1990, Zl. I-5/3/Ra/90 (mitbeteiligte Parteien: 1) M, 2) Gemeinde N, vertreten durch den Bürgermeister), betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Vorbringen der Beschwerde im Zusammenhalt mit dem vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Der Erstmitbeteiligte hatte beim Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde als Baubehörde erster Instanz die Erteilung der baupolizeilichen Bewilligung zur Errichtung eines Zweifamilienwohnhauses auf dem Grundstück Nr. 610/2, KG N, beantragt. In der darüber abgehaltenen Bauverhandlung gab der Vertreter des Beschwerdeführers nachstehende Stellungnahme ab:

"Das geplante Bauobjekt liegt genau vor den Empfangsantennen des UKW- und FS-Umsetzers N und behindert damit die unbedingt notwendige optische Sicht zum Muttersender X. Dadurch ist der ordnungsgemäße Betrieb des Umsetzers N nach Realisierung des Bauvorhabens nicht mehr möglich. In der Folge wäre der Bau eines höheren Sendemastes notwendig. Das geplante Gebäude darf jedoch auf keinen Fall ein Blechdach erhalten."

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 25. Juli 1990 wurde die Baubewilligung erteilt; die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde vom 18. September 1990, soweit sie sich gegen die erteilte Baubewilligung richtete, als unzulässig zurückgewiesen, soweit sie sich gegen den Ausschluß der Parteistellung richtete, als unbegründet abgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers keine Folge. Sie ging davon aus, daß das Grundstück des Beschwerdeführers in östlicher Richtung ca. 30 m vom Baugrundstück entfernt sei; das geplante Bauobjekt rücke ca. 9 m von der östlichen Grenze des Baugrundstückes ab, sodaß zwischen dem geplanten Objekt und dem Grundstück des Beschwerdeführers eine Gesamtentfernung von ca. 35 bis 40 m gegeben sei. Zwischen den beiden Grundstücken liege eine Wegparzelle und ein weiteres Grundstück. Beide Grundstücke fielen von Süden nach Norden ab; die Grundstücksoberkante des Baugrundstückes liege ungefähr auf gleicher Höhe wie die Grundstücksoberkante des Grundstückes des Beschwerdeführers.

Die Berufung des Beschwerdeführers sei von der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde in der Sitzung vom 14. September 1990 behandelt worden. Aus dem Protokoll ergebe sich, daß der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den Sitzungsraum vor Beschlußfassung über die Berufung verlassen habe. Die bloße Ausfertigung des Gemeindevertretungsbeschlusses durch Intimationsbescheid des Bürgermeisters stelle sich nicht als Mitwirkung am Berufungsverfahren dar, da der Bürgermeister an der Beschlußfassung über den Berufungsbescheid nicht teilgenommen habe.

Hinsichtlich der Parteistellung verwies die belangte Behörde auf die ständige Rechtsprechung, wonach diese Frage nur im Zusammenhang mit den Vorschriften des materiellen Verwaltungsrechtes gelöst werden könne. Wer Nachbar in einem Bauverfahren und damit neben dem Antragsteller Partei dieses Verfahrens sei, regle § 2 lit. i des Baugesetzes im Zusammenhang mit der erschöpfenden Aufzählung der subjektiv-öffentlichen Rechte im § 30 Abs. 1 leg. cit. In Anbetracht der Lage der beiden Grundstücke zueinander und der geplanten Verwendung des Bauvorhabens zu Wohnzwecken könne nicht mit Rückwirkungen infolge mangelnder Größe, Lage oder Form des Grundstückes oder einer fehlenden Abwasserbeseitigung gerechnet werden. Auch nachteilige Rückwirkungen mangels Einhaltung der Bauabstände kämen nicht in Frage. Daher komme dem Beschwerdeführer ungeachtet seiner Beiziehung in erster Instanz keine Parteistellung zu, zumal er keinerlei subjektiv-öffentliche Rechte geltend gemacht habe. Auch § 37 Abs. 4 des Baugesetzes (§ 30 Abs. 1 lit. f leg. cit.) könne nicht herangezogen werden, da es sich dabei nur um Regelungen für die Zeit zwischen Erteilung der Bau- und der Benützungsbewilligung, also hinsichtlich jener Maßnahmen handle, die für die Zeit der Errichtung des Bauwerkes zu berücksichtigen seien. Damit sollten nur Gefährdungen und Belästigungen von Personen durch die Bauarbeiten selbst hintangehalten werden; die Einwendung des Beschwerdeführers richte sich aber gegen das Bauwerk als solches. Der Wegfall der Sendemöglichkeit stelle keine Belästigung im Sinne des Baugesetzes dar.

Schließlich beschäftigte sich die belangte Behörde mit Fragen der Präklusion.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG zusammengesetzten Senat erwogen:

Wie schon die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, richtet sich die Parteistellung auch im Zusammenhang mit § 8 AVG ausschließlich nach den jeweiligen materiellen Rechtsvorschriften. Gemäß § 30 Abs. 1 des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 39/1972, ist (nur) über Einwendungen der Nachbarn, die sich auf Rechte stützen, die in der folgenden taxativen Aufzählung genannt werden, in der Erledigung über den Bauantrag abzusprechen. Nachbar ist dabei gemäß § 2 lit. i leg. cit. der Eigentümer eines fremden Grundstückes, das zu einem Baugrundstück in einem solchen räumlichen Naheverhältnis steht, daß mit Auswirkungen des geplanten Bauwerkes oder dessen vorgesehener Benützung, gegen welche die Bestimmungen DIESES GESETZES SCHUTZ GEWÄHREN, zu rechnen ist. Daraus ergibt sich die Parteistellung nur jener Grundeigentümer, denen gegenüber nach Art des Bauvorhabens mit Auswirkungen aus dem Bau oder dessen Benützung zu rechnen ist, gegen die im § 30 Abs. 1 taxativ aufgezählten Vorschriften Schutz gewähren sollen. Damit gehen alle Ausführungen des Beschwerdeführers unter Berufung auf den "bundesgesetzlich bestehenden Programm- und Versorgungsauftrag" des Beschwerdeführers ins Leere, zumal dieser offenbar verkennt, daß die Erteilung einer Baubewilligung keineswegs im Ermessen der Baubehörde liegt, bei dessen Ausübung allenfalls auch bundesgesetzliche Vorschriften heranzuziehen wären, sondern ein unbedingter Anspruch des Grundeigentümers auf Bebauung seines Grundstückes im Rahmen der bestehenden Bauvorschriften besteht. Die Vorstellungen des Beschwerdeführers über die Folgen des "bundesgesetzlich bestehenden Programm- und Versorgungsauftrages" gehen offenbar dahin, daß im Bereich errichteter Sender ein Bauverbot ohne sonstige rechtliche Grundlage besteht; in Wahrheit wäre es Sache des Beschwerdeführers gewesen, vor Errichtung des Senders durch entsprechende privatrechtliche Vereinbarungen mit den Nachbarn (Einräumung von Servituten und dgl.) dafür zu sorgen, daß die Sendetätigkeit durch spätere zulässige Bebauungen nicht beeinträchtigt wird.

Soweit sich der Beschwerdeführer nach wie vor auf § 30 Abs. 1 lit. f des Baugesetzes beruft, verkennt er, daß der dort zitierte § 37 Abs. 4 leg. cit. ausschließlich Vorschriften über die BauAUSFÜHRUNG enthält, der Beschwerdeführer aber gar nicht behauptet hat, daß der Sendebetrieb durch die BauTÄTIGKEIT beeinträchtigt wird, sondern ausschließlich durch den fertiggestellten Bau, worauf sich die zitierte Vorschrift eben nicht bezieht.

Sowohl Berufungs- als auch Gemeindeaufsichtsbehörde haben daher zu Recht die Parteistellung des Beschwerdeführers unter den konkreten Umständen im Bauverfahren des Erstmitbeteiligten verneint; auf die Überlegungen der Verwaltungsbehörden zu Fragen der Präklusion kommt es daher nicht mehr an.

Welche Bedeutung in diesem Zusammenhang der unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemachte Grundsatz der Amtswegigkeit der Beweisaufnahme haben sollte, ist nicht verständlich, weil es für die Lösung der maßgeblichen Rechtsfrage gar keiner Beweisaufnahme bedurfte.

Schließlich sind auch die Ausführungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der "Unzuständigkeit" der Berufungsbehörde in mehrfacher Hinsicht unzutreffend. Zunächst hat die belangte Behörde zutreffend erkannt, daß es ausreicht, wenn der Bürgermeister, der in erster Instanz entschieden hatte, vor der Abstimmung über die Berufung den Sitzungsraum verläßt, da es ausschließlich auf die durch die Abstimmung herbeigeführte Beschlußfassung der Gemeindevertretung ankommt. Darüber hinaus hätte selbst die Teilnahme des Bürgermeisters an der Beschlußfassung der Gemeindevertretung an deren Zuständigkeit zur Entscheidung über das Rechtsmittel des Beschwerdeführers nichts geändert, vielmehr wäre lediglich ein Fall der Befangenheit im Sinne des § 7 Abs. 1 Z. 5 AVG vorgelegen (vgl. etwa die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, unter Nr. 3 zu § 7 AVG zitierten Erkenntnisse). Bei der Mitwirkung eines befangenen Organes handelt es sich aber nicht etwa um einen Nichtigkeitsgrund, sondern um einen Mangel des Verfahrens, der im Verwaltungsverfahren und vor dem Verwaltungsgerichtshof nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden kann, wenn sich sachliche Bedenken gegen den Bescheid ergeben (vgl. etwa die unter Nr. 8 und Nr. 24 zu § 7 AVG a.a.O. zitierten Erkenntnisse). Davon kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein.

Da sich bereits aus den Ausführungen der Beschwerde ergibt, daß Rechte des Beschwerdeführers durch den angefochtenen Bescheid nicht verletzt wurden, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Schlagworte

Einfluß auf die Sachentscheidung Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1 Parteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen Rechtspersönlichkeit Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger Zustellung Verfahrensbestimmungen Befangenheit offenbare Unrichtigkeiten Verhältnis zu anderen Materien und Normen AVG Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990060212.X00

Im RIS seit

02.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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