Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Degischer und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Gunther N gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 10. Oktober 1990, Zl. MA 70 11/1759/89/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 10. Oktober 1990 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe es am 28. Juni 1988 um 00,00 Uhr in "Wien 1., Volksgartenzufahrtstraße" als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges nach ursächlicher Beteiligung an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden unterlassen, diesen ohne unnötigen Aufschub der nächsten Polizeidienststelle zu melden, "obwohl kein Identitätsaustausch mit dem Unfallgegner stattgefunden hat", und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geld- und Ersatzarrestrafe verhängt worden ist.
Die Berufungsbehörde hielt dem Vorbringen des Beschwerdeführers, nicht er, sondern ein gewisser David C. sei zur Tatzeit Lenker des in Rede stehenden Fahrzeuges gewesen, entgegen, daß der Unfallhergang von einem Zeugen wie folgt beschrieben worden sei: Der unfallverursachende Fahrer habe sein Fahrzeug am Gehsteig gewendet und sei frontal in die Breitseite des beschädigten Fahrzeuges gefahren. Der Anprall sei mit einer derartigen Intensität erfolgt, daß das beschädigte Fahrzeug hiedurch stark ins Wanken gekommen sei. Hinsichtlich der Person des Unfallenkers habe der Zeuge ausgeführt, daß es sich dabei um einen jüngeren, blonden Mann gehandelt habe. Der durch den Verkehrsunfall entstandene Sachschaden sei vom Meldungsleger besichtigt und in der Anzeige mit den Worten beschrieben worden: "Linker hinterer Kotflügel leicht eingedrückt und ca. 20 cm lange Kratzspur." Das Ausmaß des Sachschadens sei von der Geschädigten mit S 4.000,-- bis S 5.000,-- beziffert worden, wobei sie darüber hinaus anläßlich ihrer Einvernahme als Zeugin ausgeführt habe, der Sachschaden sei so groß gewesen, daß er dem Unfallenker auf jeden Fall hätte auffallen müssen. Zur Frage nach dem Lenker des Unfallfahrzeuges zur Tatzeit am Tatort erliege eine Lenkererhebung im Akt, die folgende Aussagen beinhalte:
"Lenker war:
Vor- und Zuname: Gunter N
geb. am: 27. 08. 1963, Familienstand: ledig
wohnhaft in: Wien, X-Gasse Nr. 12
Beruf: Student, Anschrift des Arbeitgebers: entfällt
Einkommen, Vermögen, Sorgepflichten: kein Einkommen, kein
Vermögen, keine Sorgepflichten
Führerscheindaten: BH-Radkersburg v. X. Y. 1981, Nr. 00 A S 00/81
Gibt den strafbaren Tatbestand zu: nein
Eventuelle Rechtfertigung: Gunter N gab an: Ich kann mich nicht erinnern, in Wien ein Auto beschädigt zu haben. An meinem Fahrzeug, Honda Prelude, St nm.opq ist auch keine Beschädigung feststellbar. Zum Zeitpunkt des Unfalles war ich Lenker des PKW.
Lenkerauskunft erhalten am: 14. Juli 1988."
Eine Zeugenaussage sei auch von jenem Organ abgegeben worden, welches die Lenkererhebung durchgeführt habe. Sie beinhalte folgendes:
"Aufgrund der Lenkererhebung vom 11. 7. 1988, betreffend Alice N, gab die Zulassungsbesitzerin am 14. 7. 1988 an, daß sie mit ihrem Sohn Gunther N telefonisch Rücksprache gehalten habe. Ihren PKW, Honda Prelude, Kennzeichen St nm.opq hat ihr Sohn ständig in Wien in Gebrauch. Er gab an, Lenker zum Zeitpunkt des Unfalles gewesen zu sein. Jedoch könne er sich nicht erinnern, ein anderes Fahrzeug beschädigt zu haben.
Da Gunther N selbst nie nach Mureck kam und er im Laufe des Jahres viele Lenkererhebungen hatte, wurde die erforderliche Auskunft jeweils über seine Eltern telefonisch eingeholt."
Im Zuge des Berufungsverfahrens sei der Beschwerdeführer aufgefordert worden, Nachweise für die Richtigkeit seines Vorbringens hinsichtlich des angeblichen Lenkers des Unfallfahrzeuges zu erbringen. Der Beschwerdeführer habe daraufhin mit Schriftsatz vom 23. Februar 1990 mitgeteilt, er sei vorerst nicht in der Lage, eine Erklärung des C. vorzulegen, und habe unter einem den Antrag gestellt, die gewährte Frist bis 10. Mai 1990 zu erstrecken. Der sohin erhobene Sachverhalt sei folgender rechtlicher Würdigung unterzogen worden: Es sei unbestritten geblieben, daß sich zur Tatzeit am Tatort ein Verkehrsunfall mit Sachschaden ereignet habe. Da sich dies auch mit dem übrigen diesbezüglich unbedenklichen Akteninhalt decke, hätten diese Umstände der Entscheidung zugrunde gelegt werden können. Aus dem Umfang des Sachschadens sowie aus den übrigen Unfallumständen habe die Berufungsbehörde den Schluß ziehen können, daß dieses Ereignis dem Lenker des Unfallfahrzeuges auch zur Kenntnis gekommen sei. Dies insbesondere deshalb, da das Unfallfahrzeug laut unbestrittener Zeugenaussage mit der Fahrzeugfront am abgestellten Fahrzeug angestoßen sei und die Kontaktzone im unmittelbaren Sichtfeld des Lenkers gewesen sei. Im Zuge des Verfahrens habe sich der Beschwerdeführer mit dem Vorbringen verantwortet, er sei nicht der Lenker des Unfallfahrzeuges gewesen. Er sei daher im Zuge des Berufungsverfahrens aufgefordert worden, diesbezügliche Beweis- bzw. Bescheinigungsmittel beizubringen. Trotz Fristerstreckung bis 10. Mai 1990 sei jedoch durch den Beschwerdeführer keinerlei Hinweis auf das Zutreffen seiner Verantwortung erbracht worden, sodaß dieses Vorbringen als Schutzbehauptung habe verworfen werden müssen. Daran ändere nichts, daß der Unfallenker vom Vorfallszeugen als blond bezeichnet worden sei, der Beschwerdeführer jedoch vorbringe, nicht blond zu sein, zumal Haarfarben jederzeit willkürlich verändert werden könnten. Wie der Beschwerdeführer in seinem Schriftsatz vom 24. Oktober 1989 festgehalten habe, sei seine Mutter als Zulassungsbesitzerin nicht in der Lage, Auskünfte über die Person des Lenkers zur Tatzeit am Tatort zu erteilen. Es sei daher der Antrag auf Durchführung einer zeugenschaftlichen Einvernahme abzuweisen gewesen, da hiedurch nach eigener Darstellung des Beschwerdeführers keine Aufschlüsse über den damaligen Lenker zu erwarten seien. Da somit das Vorbringen des Beschwerdeführers, demzufolge eine andere Person der Lenker des Unfallfahrzeuges zum maßgeblichen Zeitpunkt gewesen sei, nicht habe verifiziert werden können, der Beschwerdeführer jedoch zu diesem Zeitpunkt verfügungsberechtigt und ihm die Sachherrschaft über das Fahrzeug auch offenkundig nicht entzogen gewesen sei, sei als erwiesen anzusehen gewesen, daß der Beschwerdeführer zur Tatzeit am Tatort an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt gewesen sei. Daß ein gegenseitiger Austausch von Namen und Anschriften zwischen den Unfallbeteiligten erfolgt wäre, sei ebensowenig behauptet worden noch sonstwie aktenkundig wie eine den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften entsprechende polizeiliche Meldung. Es folgen noch Ausführungen über die für die Strafbemessung maßgebenden Erwägungen.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Zu der einleitend vom Beschwerdeführer gerügten Unterlassung der Einvernahme seiner Mutter ist zu bemerken, daß die belangte Behörde die Durchführung dieses Beweises mit Recht abgelehnt hat, weil im Hinblick auf die Angaben des Beschwerdeführers, seine Mutter könne keine Auskünfte über die Person des Lenkers zur Tatzeit geben, im Falle einer Einvernahme dieser Zeugin keine Aufschlüsse darüber zu erwarten gewesen wären, wer die in Rede stehende Übertretung verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten hat. Auch wenn die Zeugin angegeben hätte, die in der Aussage des Zeugen Revierinspektor H. festgehaltene Erklärung vom 14. Juli 1988 (ihr Sohn habe ihr gegenüber zugegeben, zur Tatzeit der Lenker des Fahrzeuges gewesen zu sein) nicht abgegeben zu haben, wäre die belangte Behörde zu keinem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gekommen, weil sie den Schuldspruch nicht auf die Ergebnisse der Lenkererhebung, sondern darauf gestützt hat, daß der Beschwerdeführer zur Tatzeit, wie schon erwähnt, "verfügungsberechtigt ... und ihm die Sachherrschaft über das Fahrzeug auch offenkundig nicht entzogen war". Wenn der Beschwerdeführer bemängelt, die Behörde habe nicht einmal anläßlich seiner Einvernahme festgehalten, welche Haarfarbe er tatsächlich habe, so muß darauf hingewiesen werden, daß der Beschwerdeführer den behördlichen Ladungen nie persönlich Folge geleistet, also der Behörde keine Gelegenheit gegeben hat, sich von seiner Haarfarbe zu überzeugen. Der - in einem Schriftsatz seines Rechtsvertreters abgegebenen - bloßen Erklärung, "nicht blond" zu sein, ohne eine bestimmte andere Haarfarbe zu nennen, hat die belangte Behörde daher mit Recht keine Bedeutung beigemessen. Unter diesen Umständen kann daher auch im Unterbleiben einer Gegenüberstellung des Beschwerdeführers mit dem Zeugen Michael Ch. kein im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wesentlicher, also zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führender Verfahrensmangel erblickt werden.
Im übrigen aber kann der belangten Behörde im Rahmen der eingeschränkten Befugnis des Gerichtshofes zur Kontrolle der Beweiswürdigung (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Erklärung des Beschwerdeführers, nicht er, sondern eine in den USA wohnhafte Person habe das Fahrzeug zur Tatzeit gelenkt, als bloße Schutzbehauptung gewertet hat, weil der Beschwerdeführer das behördliche Ersuchen vom 19. Dezember 1989, eine diesbezügliche Erklärung des namhaft gemachten Lenkers beizubringen, lediglich mit der Behauptung beantwortet hat, es sei ihm "auf Grund telefonischer Urgenzen mitgeteilt" worden, daß sich diese Person "wegen Dreharbeiten in Südamerika aufhält und die Vorlage der Erklärung derzeit nicht möglich ist", und trotz der von ihm beantragten und von der Behörde gewährten Erstreckung der Frist zur Vorlage einer derartigen Erklärung (bis 10. Mai 1990) in der Folge bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides (am 16. Oktober 1990) überhaupt nicht reagiert hat.
Der belangten Behörde kann daher weder der Vorwurf einer unschlüssigen Argumentation noch die Unterlassung weiterer erfolgversprechender Ermittlungen gemacht werden, wenn sie unter diesen Umständen davon ausgegangen ist, daß der Beschwerdeführer zur Tatzeit am Tatort ein Fahrzeug gelenkt und - unbestrittenermaßen - damit einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht hat, den er - ebenfalls unbestritten - nicht ohne unnötigen Aufschub der nächsten Polizeidienststelle gemeldet hat.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Damit erübrigt sich auch eine Entscheidung über den in der Beschwerde gestellten Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990180258.X00Im RIS seit
12.06.2001