TE Vwgh Erkenntnis 1991/5/23 89/17/0097

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Veröffentlicht am 23.05.1991
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Index

L07003 Landesgesetzblatt Kundmachung Verlautbarung Niederösterreich;
L37163 Kanalabgabe Niederösterreich;
L82303 Abwasser Kanalisation Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;

Norm

B-VG Art7 Abs1;
KanalG NÖ 1977 §2 Abs2 litd;
StGG Art2;
VerlautbarungsG NÖ 1975 §9;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde der Stadtgemeinde Ybbs an der Donau, vertreten durch Dr. H Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 18. April 1989, Zl. II/1-BE-293-17-89, betreffend Kanaleinmündungsabgabe (mitbeteiligte Parteien: 1) Dkfm. C, 2) M, beide in Ybbs, beide vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Stadtgemeinde Ybbs an der Donau hat dem Bundesland Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen von insgesamt S 11.390,--, jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vom 25. Jänner 1989 wurde den Mitbeteiligten "gemäß § 2 Abs. 2 lit. d und § 3 des Nö. Kanalgesetzes 1977, LGBl. 8230-2 und der geltenden Kanalabgabenordnung der Gemeinde" für die Liegenschaft X, 3370 Ybbs/Donau, eine Kanaleinmündungsabgabe in Höhe von S 23.496,22 (einschließlich Umsatzsteuer in Höhe von S 2.136,02) zur Zahlung vorgeschrieben. Soweit für das Beschwerdeverfahren noch von Bedeutung, heißt es in der Begründung dieses Bescheides, die Fertigstellung und Inbetriebnahme der neuen Kläranlage, durch die der erhöhte Reinigungsgrad erzielt werde, sei am 2. Juli 1984 erfolgt. Auch der erhöhte Reinigungsgrad der Abwässer der gegenständlichen Liegenschaft sei bereits zu dem eben genannten Zeitpunkt erzielt worden. Ob an anderer Stelle der Kanalanlage noch Arbeiten durchgeführt würden, sei für die erst in der zweiten Jahreshälfte 1986 zulässig gewordene Abgabenvorschreibung nicht von Bedeutung.

Die belangte Behörde gab der gegen diesen Bescheid von den Mitbeteiligten erhobenen Vorstellung mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid Folge und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde. Dies sinngemäß mit der Begründung, daß der von den Gemeindeabgabenbehörden herangezogene Tatbestand des § 2 Abs. 2 lit. d des NÖ Kanalgesetzes 1977 in der Fassung der ersten Novelle LGBl. 8230-1 mangels einer rückwirkenden Inkrafttretensanordnung erst auf nach dem Inkrafttreten dieser Novelle am 18. September 1985 verwirklichte Sachverhalte angewendet werden dürfe. Im vorliegenden Fall habe jedoch der Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde in seiner Berufungsentscheidung selbst festgestellt, daß die neue Kläranlage, durch die der erhöhte Reinigungsgrad erzielt werde, schon am 2. Juli 1984 fertiggestellt und in Betrieb genommen worden sei. Dadurch, daß die Berufungsbehörde den auf § 2 Abs. 2 lit. d leg. cit. gestützten erstinstanzlichen Abgabenbescheid nicht aufgehoben habe, habe sie die Mitbeteiligten in ihren Rechten verletzt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die beschwerdeführende Stadtgemeinde erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht, "als Gemeinde nach Maßgabe des NÖ. Kanalgesetzes 1977 auf der Grundlage des § 8 Abs. 5 des Finanzverfassungsgesetzes 1948 im Zusammenhang mit dem Finanzausgleichsgesetz eine Kanaleinmündungsabgabe von der mitbeteiligten Partei zu erheben, und damit zusammenhängend in unserem Recht auf Selbstverwaltung" verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die Mitbeteiligten haben in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist strittig, ob der erst durch die erste Novelle zum NÖ Kanalgesetz 1977, LGBl. 8230-1, ausgegeben am 18. September 1985, neu geschaffene Tatbestand des § 2 Abs. 2 lit. d leg. cit. eine taugliche Rechtsgrundlage für die von den Mitbeteiligten bekämpfte Abgabenfestsetzung der Gemeindeabgabenbehörden darstellt oder nicht.

Der eben zitierten Bestimmung zufolge ist eine Kanaleinmündungsabgabe auch für bereits an einen Kanal angeschlossene Liegenschaften, selbst wenn schon einmal eine Abgabe oder eine vergleichbare Leistung für den Kanalanschluß erbracht wurde, dann einzuheben, wenn eine vorhandene Kanalanlage so umgestaltet oder durch eine neue ersetzt wird, daß dadurch ein erhöhter Reinigungsgrad der Abwässer erzielt wird.

Im Hinblick darauf, daß die Berufungsbehörde in ihrem Bescheid vom 25. Jänner 1989 selbst festgestellt hatte, die Fertigstellung und Inbetriebnahme der neuen, den erhöhten Reinigungsgrad schon damals erzielenden Kläranlage sei bereits am 2. Juli 1984 erfolgt, stellte sich im Vorstellungsverfahren nur mehr die Frage, ob § 2 Abs. 2 lit. d NÖ. Kanalgesetz 1977 in der Fassung der ersten Novelle schon auf vor dem Inkrafttreten dieser Novelle verwirklichte Sachverhalte Anwendung findet oder nicht. Da die belangte Behörde dies - den Argumenten der Mitbeteiligten folgend - verneinte, gab sie MIT DIESEM AUFHEBUNGSGRUND der Vorstellung Folge.

Die beschwerdeführende Stadtgemeinde bringt in ihrer Beschwerde dazu vor, ihr Gemeinderat habe sich bei Erlassung der Berufungsentscheidung vom 25. Jänner 1989 "betreffend der Fertigstellung und Inbetriebnahme der neuen Kläranlage sowie des erhöhten Reinigungsgrades teilweise in Irrtum befunden". Sie spricht in diesem Zusammenhang einerseits von einem im Abgabenverfahren nicht erwähnten "Probebetrieb" und andererseits davon, daß der von den Gemeindeabgabenbehörden herangezogene Abgabentatbestand es erfordere, daß für die umgestaltete oder ersetzte Kanalanlage die erforderlichen behördlichen Bewilligungen erteilt worden seien. Die belangte Behörde habe Verfahrensvorschriften verletzt, weil sie nicht festgestellt habe, ob bzw. wann auf Grund behördlicher Bewilligungen die umgestaltete oder ersetzte Kanalanlage rechtmäßig in Betrieb genommen worden sei bzw. ob und wann durch die Änderung ein erhöhter Reinigungsgrad der Abwässer erzielt werde.

Soweit die beschwerdeführende Stadtgemeinde von den dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten, von der Berufungsbehörde festgestellten Tatsachen abrückt, steht der Berücksichtigung dieses Vorbringens das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehende, sich aus § 41 Abs. 1 VwGG ergebende Neuerungsverbot entgegen.

Der Rechtsansicht der beschwerdeführenden Stadtgemeinde, der Tatbestand des § 2 Abs. 2 lit. d NÖ. Kanalgesetz 1977 in der Fassung der ersten Novelle sei erst erfüllt, wenn auch die erforderlichen behördlichen Bewilligungen für die Umgestaltung oder Ersetzung einer Kanalanlage, mit der ein im Vergleich zur früheren Anlage erhöhter Reinigungsgrad der Abwässer erzielt wird, erteilt worden seien, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizupflichten. Zwar kann zur Lösung dieser Rechtsfrage die erst am 1. Juli 1987 in Kraft getretene Neufassung des § 12 Abs. 2 NÖ. Kanalgesetz 1977, wonach die Abgabenschuld für die Kanaleinmündungsabgabe anläßlich einer Umgestaltung oder Ersetzung der Kanalanlage (§ 2 Abs. 2), sofern nicht Abs. 1 Anwendung findet, mit Ablauf des Monates entsteht, das der TATSÄCHLICHEN INBETRIEBNAHME der umgestalteten oder ersetzten Kanalanlage folgt, noch nicht herangezogen werden, doch ergibt sich auch für die davor geltende Rechtslage, daß es auf derartige Bewilligungen nicht ankommt. Die Kanaleinmündungsabgabenpflicht entsteht nämlich für Fälle der vorliegenden Art gemäß § 3 Abs. 1 NÖ. AO, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabepflicht anknüpft; dies ist nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 NÖ. Kanalgesetz 1977 in der Fassung der ersten Novelle in dem Zeitpunkt, in dem die Kanalanlage so umgestaltet oder ersetzt ist, daß dadurch ein erhöhter Reinigungsgrad der Abwässer erzielt wird. Damit ist klargestellt, daß es nur auf die tatsächliche Inbetriebnahme der umgestalteten oder ersetzten Anlage, nicht aber auf die Erteilung behördlicher Bewilligungen ankommt (vgl. hiezu auch das zur Wiener Rechtslage ergangene hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1990, Zl. 86/17/0197).

Die beschwerdeführende Stadtgemeinde vertritt weiters hilfsweise die Rechtsansicht, der Gleichheitsgrundsatz erfordere, daß der mit der ersten Novelle neu geschaffene Tatbestand des § 2 Abs. 2 lit. d Nö. Kanalgesetz 1977 auch in Fällen anzuwenden sei, in denen die Umgestaltung oder Ersetzung einer Kanalanlage durch eine einen höheren Reinigungsgrad der Abwässer erzielende Anlage VOR dem Inkrafttreten dieser Novelle erfolgt sei. Der mit dem Tatbestand des § 2 Abs. 2 lit. d NÖ. Kanalgesetz 1977 verfolgte Regelungszweck bestehe darin, einen Rechtsgrund für die Erhebung von Kanaleinmündungsabgaben dann zu schaffen, "wenn dieser Tatbestand unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 12 Abs. 2

Nö. Kanalgesetz 1977 (in der Fassung der zweiten Novelle) innerhalb der Verjährungsfrist nach § 156 ff

NÖ. Abgabenordnung 1977 liegt, wenngleich auch vor dem 18.9.1985 (dem Inkrafttreten der ersten Novelle zum NÖ. Kanalgesetz 1977)". Die beschwerdeführende Stadtgemeinde verweist in diesem Zusammenhang auf eine ungleiche Behandlung verschiedener Gemeinden. Gemeinden, die in Richtung Umweltschutz im Zusammenhang mit ihrer Ortskanalisation "schon etwas früher bewußt gedacht und früher und rascher im Interesse der Allgemeinheit den Reinigungsgrad ihrer Abwässer in den Ortskanalisationsanlagen verbessert" hätten, seien gegenüber Gemeinden benachteiligt, die erst relativ spät unter dem Druck der Öffentlichkeit und der Gesetze zu einer Verbesserung ihrer Kanalanlagen zu schreiten gewillt seien. Komme eine berichtigende Auslegung aber nicht in Betracht, erscheine § 2 Abs. 2 lit. d NÖ. Kanalgesetz 1977 in der Fassung der ersten Novelle wegen Fehlens einer Übergangsbestimmung als verfassungswidrig. Die beschwerdeführende Stadtgemeinde regt an, der Verwaltungsgerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung dieser Gesetzesbestimmung stellen.

Dem ist zu erwidern, daß der sich aus § 9 NÖ Verlautbarungsgesetz LGBl. Nr. 0700 ergebende Inkrafttretungszeitpunkt nicht bloß deswegen ausnahmsweise als nicht geltend angesehen werden kann, weil nur ein davon abweichender Inkrafttretungszeitpunkt dem Gleichheitsgrundsatz entspricht; eine "verfassungskonforme berichtigende Auslegung" eines sich aus § 9 NÖ Verlautbarungsgesetz ergebenden Inkrafttretungszeitpunktes kommt nicht in Betracht. Der Verwaltungsgerichtshof hegt aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles aber auch nicht das Bedenken, daß das Fehlen einer rückwirkenden Inkrafttretensanordnung für die Bestimmung des § 2 Abs. 2 lit. d NÖ Kanalgesetz 1977 in der Fassung der ersten Novelle dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht. Bei der Festlegung des Zeitpunktes des Inkrafttretens der novellierten Fassung hat der Gesetzgeber dadurch, daß er es bei der grundsätzlichen pro-futuro-Wirkung hat bewenden lassen, seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten, zumal zu bedenken ist, daß die Abgabepflichtigen durch den neu geschaffenen Abgabentatbestand belastet werden.

Die beschwerdeführende Stadtgemeinde ist auch nicht dadurch in ihren Rechten verletzt, daß die belangte Behörde die Aufhebung des Berufungsbescheides vom 25. Jänner 1989 nicht auch noch auf den von ihr erst in der Gegenschrift aufgezeigten weiteren Umstand gestützt hat, daß die Berufungsbehörde eine Entscheidung in der Sache selbst getroffen hat, anstatt die Berufung deswegen zurückzuweisen, weil die erstinstanzliche, im automationsunterstützten Verfahren erzeugte Erledigung nicht die Unterschrift des die Erledigung Genehmigenden aufweist.

Überdies wird die Abgabenbehörde zweiter Instanz zu beachten haben, daß es nicht zulässig ist, eine Abgabe in zweiter Instanz erstmals festzusetzen.

Aus diesen Erwägungen erweist sich die Beschwerde als in allen Punkten unbegründet. Sie mußte daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1989170097.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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