TE Vwgh Erkenntnis 1991/5/27 91/19/0110

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Veröffentlicht am 27.05.1991
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs3 Z3;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Stoll, Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Besein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des H gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. März 1991, Zl. SD 559/90, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 6. März 1991 wurde gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, ein auf § 3 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954 idF BGBl. Nr. 575/1987, (FrPolG) gestütztes, mit 31. Dezember 1995 befristetes Aufenthaltsverbot für das ganze Bundesgebiet erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen folgendes aus: Der Beschwerdeführer, der im November 1989 sichtvermerksfrei nach Österreich eingereist sei, habe im Jänner 1990 die Erteilung eines Sichtvermerkes beantragt. Angesichts des Fehlens von Angaben über die voraussichtliche Dauer und den Zweck des Aufenthaltes einerseits und eines Firmenstempels im Sichtvermerksantrag anderseits befragt, habe der Beschwerdeführer zu Protokoll gegeben, er wolle nur einige Monate bei seinem Bruder in Wien bleiben und habe nicht die Absicht, eine Beschäftigung aufzunehmen. Daraufhin habe er einen bis Mai 1990 gültigen Sichtvermerk erhalten. Vor Ablauf der Gültigkeitsdauer dieses Sichtvermerkes habe er dessen Verlängerung für ein Jahr beantragt und Unterlagen vorgelegt, denen zufolge er Geschäftsanteile an einer Gesellschaft mbH erworben habe und er deren Geschäftsführer sei. Die Angaben über den Zweck und die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes könnten einen Fremden zwar nicht insoweit binden, als er etwa zu einem späteren Zeitpunkt seine Absicht nicht ändern und den Wunsch äußern dürfte, doch länger bzw. zu einem anderen Zweck in Österreich zu bleiben. Angaben über den Zweck und die beabsichtigte Dauer des Aufenthaltes seien aber dann als unrichtig zu beurteilen, wenn sich erweise, daß die diesbezüglichen Äußerungen des Aufenthaltswerbers nicht mit seinen damaligen Absichten übereinstimmten. Nun habe der Beschwerdeführer zwar erst Anfang April 1990 erweisbare Schritte unternommen, um hier einem Erwerb nachzugehen, doch habe die belangte Behörde aufgrund dieser Schritte (Erwerb von Geschäftsanteilen) und seines späteren Verhaltens (Aufnahme einer Beschäftigung als Bauhelfer) angesichts des in seinem ursprünglichen Sichtvermerksantrag befindlichen Firmenstempels die Überzeugung gewonnen, daß er bei seiner Vernehmung am 26. Jänner 1990, über den Zweck seines Aufenthaltes befragt, keineswegs seine offenbar schon vorher bestandene Absicht, hier eine Beschäftigung zu suchen, aufgegeben habe, sondern vielmehr, wie schon zuvor, auch weiterhin schon damals die Absicht gehabt habe, sich hier einen Erwerb zu suchen, und daher unrichtige Angaben über den Zweck seines Aufenthaltes gemacht habe, um den Sichtvermerk zu erhalten. Damit aber sei der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 6 FrPolG gegeben, weshalb der Aufenthalt des Beschwerdeführers auch den im Abs. 1 genannten Interessen zuwiderlaufe.

Ein (relevanter) Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers liege nicht vor. Jedenfalls würden die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen als im konkreten Fall die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, der weder auf eine längere erlaubte Dauer seines Aufenthaltes und eine damit verbundene Integration noch auf relevante familiäre oder sonstige Bindungen, aber auch nicht darauf hinzuweisen vermöge, daß das Aufenthaltsverbot eine Beeinträchtigung des beruflichen Fortkommens bewirke. Daß dem Beschwerdeführer durch die Erteilung einer befristeten Beschäftigungsbewilligung die Möglichkeit gegeben worden sei, sich bis zum Abschluß des vorliegenden Verwaltungsverfahrens ein erlaubtes Einkommen zu verschaffen, ändere daran nichts.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Sache nach inhaltliche Rechtswidrigkeit behaupet und begehrt wird, aus diesem Grund den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 3 Abs. 1 FrPolG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, (MRK) genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Nach § 3 Abs. 2 Z. 6 FrPolG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 2 Abs. 1 zu verschaffen.

Zufolge des § 2 Abs. 1 FrPolG idF BGBl. Nr. 190/1990 halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn (Z. 1) sie unter Einhaltung der Bestimmungen des Paßgesetzes in das Bundesgebiet eingereist sind, es sei denn, daß sie die Grenzkontrolle umgangen haben oder daß die Republik Österreich aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarung oder internationaler Gepflogenheit zu ihrer Rücknahme verpflichtet war, (Z. 2) ihnen von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt oder mit Bescheid eine Aufenthaltsberechtigung verlängert wurde.

Gemäß § 3 Abs. 3 leg. cit. ist, wenn durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen würde, seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen: 1) die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen; 2) die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen; 3) die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

Nach Art. 8 Abs. 2 MRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutze der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

2. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid aufgrund des dort dargelegten Sachverhaltes den rechtlichen Schluß auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 3 Abs. 2 Z. 6 FrPolG gezogen. Die Beschwerde ist dieser Subsumtion nicht entgegengetreten. Auch der Verwaltungsgerichtshof hegt keine Bedenken dagegen, daß die belangte Behörde das von ihr als erwiesen angenommene Verhalten des Beschwerdeführers dahin gewertet hat, daß dieser einer österreichischen Behörde gegenüber unrichtige Angaben über den Zweck und die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht habe, um sich die Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet zu verschaffen. Da somit von der belangten Behörde zu Recht - im Wege des § 3 Abs. 2 Z. 6 FrPolG - das Vorliegen einer "bestimmten Tatsache im Sinne des Abs. 1" angenommen wurde, gelangte sie damit gleichfalls in rechtlich unbedenklicher Weise zu dem Ergebnis, es sei die Annahme gerechtfertigt, daß der (weitere) Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die im Abs. 1 genannten öffentlichen Interessen, näherhin die öffentliche Ordnung, gefährde.

3.1. Die Beschwerde bekämpft die von der belangten Behörde im Grunde des § 3 Abs. 3 FrPolG vorgenommene Interessenabwägung einerseits mit dem Hinweis, daß "eine Vielzahl der Verwandten" des Beschwerdeführers "in Österreich über gültige Aufenthaltsberechtigungen, Arbeitsbewilligungen verfügen und auch geregelten Beschäftigungen nachgehen", anderseits mit dem Argument, daß die belangte Behörde die Tatsache einer dem Beschwerdeführer erteilten, mit 30. Juni 1991 befristeten Beschäftigungsbewilligung zu Unrecht nicht berücksichtigt habe.

3.2. Diese Einwände sind nicht zielführend. Abgesehen davon, daß die vage Umschreibung "Vielzahl der Verwandten" nicht erkennen läßt, ob damit "Familienangehörige" (§ 3 Abs. 3 FrPolG) erfaßt sind, führte dieser Hinweis - selbst wenn diese Voraussetzung erfüllt wäre - auch deshalb nicht weiter, weil die Beschwerde nicht einmal in Ansätzen dargetan hat, inwiefern die erlaubte Beschäftigung mehrerer "Verwandter" des Beschwerdeführers in Österreich einen solchen Stellenwert hätte, daß dieser Umstand bei der Gewichtung der privaten, gegen die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer sprechenden Interessen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Kriterien der Z. 1 bis 3 des § 3 Abs. 3 FrPolG, in relevanter Weise zu Buche schlagen würde. Was die Tatsache einer Beschäftigungsbewilligung für den Beschwerdeführer bis 30. Juni 1991 anlangt, so wurde dieser Umstand im bekämpften Bescheid berücksichtigt, allerdings derart, daß er am Ergebnis der für den Beschwerdeführer negativen Interessenabwägung nichts zu ändern vermochte. Diese Beurteilung durch die belangte Behörde ist nicht zu beanstanden, wird doch mit dem Vorliegen einer (im übrigen nur kurz befristeten) Beschäftigungsbewilligung für den Beschwerdeführer eine "mögliche Beeinträchtigung des beruflichen (....) Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen" (§ 3 Abs. 3 Z. 3 FrPolG) nicht dargetan. Jedenfalls ist nicht zu erkennen und fehlt jeder diesbezügliche Hinweis des Beschwerdeführers, daß der allfällige Verlust des in Rede stehenden Arbeitsplatzes vor Ablauf der Befristung mit Ende Juni 1991 den Beschwerdeführer außerstande setzen würde, durch eine (andere) berufliche Tätigkeit auch künftig seinen (und, sofern vorhanden, seiner Familienangehörigen) Lebensunterhalt zu sichern.

Da nach dem Gesagten die belangte Behörde dem für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer sprechenden öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung nicht zu Unrecht wesentlich größeres Gewicht als dem privaten Interesse des Beschwerdeführers, in Österreich zu bleiben, beigemessen hat, haftet ihrer Interessenabwägung die in der Beschwerde geltend gemachte Rechtswidrigkeit nicht an.

4. Die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung liegt nach den vorstehenden Ausführungen nicht vor. Da sich dies bereits aus dem Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, war diese gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren - und damit auch ohne Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages hinsichtlich einer weiteren Beschwerdeausfertigung für den Bundesminister für Inneres - als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991190110.X00

Im RIS seit

27.05.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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