TE Vwgh Erkenntnis 1991/6/18 91/05/0022

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Veröffentlicht am 18.06.1991
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Index

L82000 Bauordnung;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pichler, über die Beschwerde des A gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 10. Dezember 1990, Zl. BauR-010488/4-1990 Pö/Pe, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1) B, 2) Stadtgemeinde Schärding, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- je binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der erstmitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 26. September 1989 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde dem Erstmitbeteiligten die Baubewilligung für die Errichtung eines Gymnastikraumes und eines Hallenbades, den Abbruch einer Gartenmauer sowie den Einbau von zwei Personen- und zwei Kleinlastenaufzügen sowie einer lufttechnischen Anlage auf den Grundstücken Nr. n und .n1, KG Schärding-Stadt, unter Vorschreibung von Auflagen. Unter Punkt 4) wurde angeordnet, daß der Bereich der Stützmauer vor dem Hallenbad wegen Baufälligkeit und Gefahr im Verzug sofort abzutragen sei. Diesem Verfahren war der Beschwerdeführer als Nachbar nicht beigezogen worden.

Mit einem Begleitschreiben des Bürgermeisters vom 28. November 1989 wurde der Bescheid dem Beschwerdeführer und anderen Nachbarn zugestellt. In seiner dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, daß er als unmittelbar angrenzender Nachbar zur Bauverhandlung hätte persönlich geladen werden müssen. Durch das Unterbleiben der Ladung sei das Recht auf Parteiengehör verletzt worden. Inhaltlich wendete sich der Beschwerdeführer gegen den teilweisen Abbruch der Wehrmauer und verwies auch auf Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes. Die Baubehörde hätte sich keinesfalls mit der Vorlage eines Privatgutachtens des Bauwerbers begnügen dürfen, sondern hätte zur Frage der Standsicherheit der Mauer einen unabhängigen amtlichen Sachverständigen bestellen müssen. Im Falle der Baufälligkeit der Mauer wäre deren Sanierung anzuordnen gewesen. Eine Abbruchsbewilligung hätte nicht erteilt werden dürfen. Im übrigen seien auch die bewilligten Baumaßnahmen teilweise rechtswidrig und er würde darauf nach Wahrung seines Parteiengehörs in der noch anzuberaumenden Bauverhandlung in Form einer persönlichen Stellungnahme eingehen. Der Beschwerdeführer beantragte, den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben und neuerlich eine Bauverhandlung anzuberaumen. Der Privatsachverständige des Bauwerbers und dessen statisches Gutachten würden abgelehnt. In eventu wurde beantragt, den Bescheid des Bürgermeisters dahin abzuändern, daß die beantragte Baubewilligung versagt und dem Bauwerber der Wiederaufbau der Stützmauer aufgetragen werde.

Mit Bescheid vom 30. April 1990 wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung mangels Verletzung subjektiver Rechte als unzulässig zurück und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Der Antrag auf Ablehnung des Privatsachverständigen wurde als unbegründet abgewiesen. Die Gemeindebehörde zweiter Instanz vertrat die Rechtsansicht, daß dem Beschwerdeführer als übergangenem Nachbarn durch die nachträgliche Zustellung des Bescheides und der Verhandlungsschrift alle Rechte einer Partei gewährt worden seien. Nach Ausführungen über die abzutragende Mauer wurde darauf verwiesen, daß die Verpflichtung zur Wahrung des Orts- und Landschaftsbildes keine subjektiven Nachbarrechte begründe. Die Baubehörde hätte sich auch nicht mit der Vorlage eines Privatgutachtens begnügt, sondern sich bei der Verhandlung eines amtlichen Bausachverständigen bedient und ihre Entscheidung ausschließlich auf dessen Befund und Gutachten gestützt. Bei dem vom Beschwerdeführer abgelehnten Privatsachverständigen handle es sich um einen gerichtlich beeideten Zivilingenieur für Bauwesen, der nur bei Befangenheit abgelehnt werden könne. Befangenheitsgründe seien vom Beschwerdeführer aber nicht geltend gemacht worden. Auf Grund der Lage und des Abstandes der Mauer zur Liegenschaft des Beschwerdeführers werde er nicht in seinen Rechten verletzt. Im übrigen handle es sich bei den Berufungsgründen um Einwendungen, die sich nicht auf Bestimmungen des Baurechtes, eines Flächenwidmungs- oder Bebauungsplanes stützen und nicht dem Interesse der Nachbarliegenschaft dienten. Da auch von einem mangelhaft ermittelten Sachverhalt gemäß § 66 Abs. 2 AVG nicht gesprochen werden könne, sei kein rechtlicher Grund für die Anberaumung einer neuen Verhandlung gegeben.

Auf Grund der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Vorstellung, in welcher erstmals auch Lärmbelästigungen durch die Besucher des zu errichtenden Hallenbades geltend gemacht werden, holte die Gemeindeaufsichtsbehörde das Gutachten eines bautechnischen Amtssachverständigen ein. In seiner gutächtlichen Stellungnahme vom 2. November 1990 führte der Amtssachverständige aus, daß das bei der Kuranstalt des Erstmitbeteiligten geplante Hallenbad unterhalb des Speisesaales errichtet werden soll. Die Öffnungen der Halle ins Freie und die Lüftungen der dazugehörigen Anlagenteile seien zum Kurpark (nach Süden) gerichtet. Der gesamte Kurhauskomplex wirke in Richtung der nördlich befindlichen Anstalt des Beschwerdeführers als Abschirmung, sodaß bei Betrieb der Anlage gegebene Lärmemissionen auch im Hinblick auf die Entfernung zum Nachbarn nicht wahrgenommen werden könnten. Die Entfernung zwischen dem geplanten Hallenbad und der Anstalt des Beschwerdeführers betrage ca. 120 m. Das Bad mit einer Wasserfläche von ca. 54 m2 diene hauptsächlich den Kurgästen der Kuranstalt, aber auch anderen Kur- oder Badegästen. Der Sachverständige ging von einer geringfügigen Erhöhung des Verkehrsaufkommens aus, was bezüglich Lärm keine Änderung gegenüber dem Ist-Zustand ergebe.

Den Ausführungen des Sachverständigen hielt der Beschwerdeführer in seiner Äußerung vom 26. November 1990 insbesondere entgegen, daß durch die baulichen Erweiterungen die Verkehrsfrequenz und die damit verbundenen Lärmimmissionen und Störungen weit über das normale Maß hinaus vergrößert würden. Es entspreche nicht den Tatsachen, daß bei Betrieb der Anlage Lärmimmissionen im Hinblick auf die Entfernung nicht wahrgenommen werden könnten. Tatsächlich sei ja eine Lärmmessung offenbar nicht durchgeführt worden. Beim Betrieb eines Hallenbades habe aber auch der Betreiber für das Vorhandensein ausreichender Parkplätze Sorge zu tragen. Die offensichtlich nicht vorhandenen Parkflächen im Kurhaus würden zu einer völligen Überlastung der zwischen dem Haus des Beschwerdeführers und dem Kurhaus befindlichen öffentlichen Verkehrsfläche führen, wodurch es sowohl zu einer Erhöhung der Lärmimmissionen als auch zu Stauungen im Zufahrtsbereich komme. Erst eine klare Aussage, in welchem Umfang das Hallenbad der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werde, könne eine zuverlässige Prüfung der damit bedingten Immissionen und Verkehrsfrequenzen, etc. ermöglichen. Der Beschwerdeführer vertrat auch die Ansicht, daß die Wasserfläche mit 54 m2 zu gering geschätzt worden sei.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die O.ö. Landesregierung der Vorstellung keine Folge. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und hier maßgeblicher Rechtsvorschriften stellte die Gemeindeaufsichtsbehörde begründend fest, daß schon im Antrag auf Baubewilligung der Abbruch eines im Plan genau bestimmten Mauerteiles vorgesehen gewesen sei. Die Abbruchsbewilligung sei daher entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers ausreichend bestimmt. Die Erhaltungspflicht eines Bauwerkseigentümers könne überdies von einem Nachbarn nicht zu Recht geltend gemacht werden. Als übergangener Nachbar besitze der Beschwerdeführer kein Recht auf Durchführung einer (neuen) mündlichen Verhandlung, er könne allerdings im Rechtsmittelweg alle Einwendungen erheben, die er im Falle ordnungsgemäßer Ladung zur Verhandlung bei sonstiger Präklusion dort hätte vorbringen können. Über die eingebrachte Berufung habe die Baubehörde eine Sachentscheidung gefällt, sodaß ein Verfahrensmangel, der Rechte des Beschwerdeführers verletzen würde, nicht mehr vorliege. Inhaltliche Einwendungen hätte der Beschwerdeführer nur hinsichtlich der Erteilung der Abbruchsbewilligung erhoben. Die Einwendungen hinsichtlich der Lärmbelästigung und der Parkplatzprobleme hätten vor den Gemeindebehörden geltend gemacht werden müssen, nunmehr seien sie als verspätet anzusehen. Die Vorstellungsbehörde habe nämlich ihre Entscheidung auf Grund der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des letztinstanzlichen Gemeindebescheides zu treffen. Die Gemeindeaufsichtsbehörde setzte sich sodann mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend die erteilte Abbruchsbewilligung näher auseinander und stellte abschließend fest, daß Belange des Denkmalschutzes im Bauverfahren nicht zu berücksichtigen seien und die Einwendungen des Beschwerdeführers betreffend Störung des Orts- und Landschaftsbildes keine subjektiven Nachbarrechte zum Gegenstand hätten. Die übrigen Einwendungen seien verspätet erhoben worden.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde und dem Erstmitbeteiligten erstatteten Gegenschriften hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 46 Abs. 2 der O.ö. Bauordnung (BO), LGBl. Nr. 35/1976, können Nachbarn gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die entweder in der Privatrechtsordnung (privatrechtliche Einwendungen) oder im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind. Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechtes oder eines Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Hiezu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung, sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen.

Diese Rechtslage zeigt, wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend ausgeführt hat, daß den Nachbarn im Rahmen des baubehördlichen Bewilligungsverfahrens nur ein beschränktes Mitspracherecht zusteht. Durch die Erteilung einer Baubewilligung kann ein Nachbar nur dann in seinen Rechten verletzt worden sein, wenn die Baubehörde eine von ihr wahrzunehmende Bestimmung mißachtet hat, auf deren Einhaltung dem Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht zusteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1980, Slg. N.F. Nr. 10.317/A, u.a.).

Der Beschwerdeführer behauptet nun, eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liege deshalb vor, weil auf Grund seines Antrages als übergangener Nachbar in der Berufung eine neuerliche mündliche Verhandlung hätte durchgeführt werden müssen. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Problematik einer übergangenen Partei wiederholt ausgesprochen, daß die übergangene Partei keinen Rechtsanspruch auf Durchführung einer neuerlichen Verhandlung besitzt (vgl. etwa die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S. 239 bis 241, wiedergegebenen hg. Entscheidungen). Soweit in diesem Zusammenhang eine Mangelhaftigkeit der Sachverhaltsermittlung behauptet wird, die die Durchführung bzw. Wiederholung einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG unvermeidlich gemacht hätte, ist auf Grund des Beschwerdevorbringens nicht zu erkennen, worin der Beschwerdeführer eine derartige Mangelhaftigkeit erblickt. Im übrigen dürfte der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang, wie auch die weiteren Ausführungen bezüglich Abbruchsbewilligung ergeben, verkennen, daß ein Nachbar im Baubewilligungsverfahren nur dann zu Recht eine Verletzung von Verfahrensvorschriften rügen kann, wenn dadurch ein ihm zustehendes subjektiv-öffentliches Recht berührt wird. Hinsichtlich der Fragen des Orts- und Landschaftsbildes stehen aber einem Nachbarn nach § 46 Abs. 3 BO subjektiv-öffentliche Rechte nicht zur Seite (vgl. in diesem Zusammenhang auch die bei Hauer, Der Nachbar im Baurecht2, S. 209, zitierte hg. Rechtsprechung). Das bedeutet, daß selbst dann, wenn das Baubewilligungsverfahren bezüglich der erteilten Abbruchsbewilligung mangelhaft gewesen sein sollte, der Beschwerdeführer in dieser Beziehung keinesfalls in einem Recht verletzt sein kann, weil ihm ein subjektiv-öffentliches Recht in dieser Beziehung gar nicht zusteht.

Soweit der Beschwerdeführer durch das Bauvorhaben des Erstmitbeteiligten Lärmimmissionen geltend macht, hat schon die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer im Zuge des Berufungsverfahrens derartige Einwendungen nicht erhoben hat, sodaß die erstmalige Einwendung im Vorstellungsverfahren zu keiner anderen Entscheidung führen konnte, hatte doch die Berufungsbehörde keine Veranlassung, sich mit einem derartigen Vorbringen auseinanderzusetzen (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. September 1983, Zl. 83/05/0052, BauSlg. Nr. 88).

Auf Grund der dargelegten Erwägungen war die Beschwerde

gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft einen den pauschalierten Schriftsatzaufwand übersteigenden Betrag.

Schlagworte

Inhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der Vorstellungsbehörde Sachverhalt Mitwirkungspflicht Verschweigung Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein (siehe auch Angenommener Sachverhalt) Übergangene Partei

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991050022.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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