TE Vwgh Erkenntnis 1991/6/24 90/15/0058

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Veröffentlicht am 24.06.1991
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Index

32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken;

Norm

GebG 1957 §15 Abs1;
GebG 1957 §33 TP19 Abs1;
GebG 1957 §33 TP19 Abs4 Z1;
GebG 1957 §9 Abs2 idF 1987/080;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der X-Bank gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 29. Dezember 1989, Zl. GA 11 - 1563/89, betreffend Rechtsgebühr und Gebührenerhöhung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem auf den "jüngsten Prongolationsantrag vom 23. November 1982" Bezug nehmenden Schreiben vom 16. Dezember 1982 erklärte die beschwerdeführende Bank ihrer

Kreditnehmerin L. GmbH, daß sie den gemäß dem am 19. Jänner 1976 beurkundeten Konktokorrentkreditvertrag (bis 30. Juni 1982) zur Verfügung gestellten Barkredit in Höhe von S 3 Mio "neuerlich prolongiere, wobei als Rückführungstermin der 31. Oktober 1983 in Vormerkung genommen" werde. Die Kreditnehmerin unterfertigte diese Urkunde am 4. Februar 1983 mit der Beifügung "vollinhaltlich angenommen". Die Beschwerdeführerin, der die Selbstberechnung der Gebühren gemäß § 3 Abs. 4 GebG bewilligt wurde, behandelte das Rechtsgeschäft als gebührenfrei.

Das Finanzamt schrieb der Beschwerdeführerin im Zuge einer Gebührennachschau eine Gebühr nach § 33 TP 19 GebG in der Höhe von S 24.000,-- sowie gemäß § 9 Abs. 2 GebG eine Erhöhung von S 12.000,-- vor.

Mit der dagegen erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin im wesentlichen geltend, der Kredit sei nicht "ausgelaufen" gewesen. Er sei (zunächst) mündlich prolongiert worden; innerhalb des Prolongationszeitraumes habe die Kreditnehmerin schriftlich um neuerliche Prolongation ersucht, die sodann schriftlich "festgehalten" worden sei. Die mündliche Prolongation sei mangels Beurkundung gebührenfrei gewesen. Die vorliegende schriftliche Prolongation sei ebenfalls gebührenfrei: Sie sei kein Neuabschluß, da das Kreditverhältnis noch aufrecht gewesen sei; sie sei weder eine erstmalige Prolongation noch überschreite sie einen Fünfjahresrahmen. Eine Erhöhung sei nicht bzw. lediglich in einem Ausmaß von 5 % berechtigt, weil der Beschwerdeführerin das Erkennen der Gebührenpflicht nicht habe zugemutet werden können. Es liege jedenfalls eine Streitfrage vor, deren Klärung im Rechtsweg ohne Gefahr einer Gebührenerhöhung erfolgen könne.

Nach Erlassung einer der Berufung betreffend die Festsetzung der Gebühr nicht, betreffend die Festsetzung der Erhöhung durch Herabsetzung derselben auf S 7.200,-- teilweise stattgebenden Berufungsvorentscheidung beantragte die Beschwerdeführerin die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge und setzte die Gebührenerhöhung mit S 7.200,-- fest; im übrigen wies sie die Berufung als unbegründet ab. Nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage vertrat sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Auffassung, die Gebührenfreiheit nach § 33 TP 19 Abs. 4 Z. 1 GebG beziehe sich ausschließlich auf schriftliche Prolongationen. Mündliche Prolongationen würden vom Gebührengesetz nicht erfaßt. Eine "wiederholte" Prolongation sei somit nur eine solche, der eine schriftliche Prolongation vorausgegangen sei.

In der Begründung der Ermessensübung bei der Festsetzung der Erhöhung schloß sich die belangte Behörde den Ausführungen in der Begründung der Berufungsvorentscheidung an. Dort hatte das Finanzamt nach Zitat des § 9 Abs. 2 GebG dargelegt, der Beschwerdeführerin sei das Erkennen der Gebührenschuld zumutbar gewesen, sie habe keine Gebührenanzeige vorgenommen und die Gebührenbestimmungen wiederholt verletzt. Die von der Beschwerdeführerin angestrebte Erhöhung im Ausmaß von 5 v.H. sei nicht ausreichend, weil dies eine Einladung wäre, Gebühren nicht ordnungsgemäß abzurechnen. Bei der Festsetzung der Erhöhung sei einerseits zu berücksichtigen, daß die Beschwerdeführerin angehalten werden solle, mit der größtmöglichen Sorgfalt die Gebühren zu entrichten. Andererseits dürfe nicht außer acht gelassen werden, daß die Beschwerdeführerin im allgemeinen die Gebühren für Darlehens- und Kreditverträge ordnungsgemäß abrechne. Die belangte Behörde führte weiters aus, die von der Beschwerdeführerin gewählte Vorgangsweise, mündliche Prolongationen nur zur Vermeidung der Gebührenpflicht abzuschließen, stelle ein "Novum" dar. Es sei nicht verständlich, daß die Beschwerdeführerin diese Vorgangsweise, gegen die sie selbst Bedenken hätte haben müssen, nicht von sich aus der Finanzverwaltung mit dem Begehren um Auskunft, ob ihre Vorgangsweise auch tatsächlich keine Gebührenschuld auslöse, zur Kenntnis gebracht habe. Unter diesen Umständen sei eine Erhöhung von 30 v.H. gerechtfertigt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit seinem Beschluß vom 13. März 1990, Zl. B 91/90, ab und trat die Beschwerde über nachträglichen Antrag der Beschwerdeführerin mit Beschluß vom 18. April 1990 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Mit ergänzendem Schriftsatz begehrt die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid "wegen Rechtswidrigkeit" aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 33 TP 19 Abs. 1 GebG in der Fassung der Gebührengesetz-Novelle 1981 (BGBl. Nr. 48/1981) unterliegen Kreditverträge, mit welchen den Kreditnehmern die Verfügung über einen bestimmten Geldbetrag eingeräumt wird, einer Gebühr von der vereinbarten Kreditsumme

1. wenn der Kreditnehmer über die Kreditsumme nur einmal oder während einer bis zu fünf Jahren vereinbarten Dauer des Kreditvertrages mehrmals verfügen kann, von 0,8 v.H.;

2. im übrigen von 1,5 v.H.

Nach Abs. 4 Z.1 der zitierten Gesetzesstelle sind gebührenfrei Prolongationen von Kreditverträgen, für die nach diesem Bundesgesetz eine Gebühr zu entrichten war, bis zu einer Dauer des Kreditverhältnisses von fünf Jahren; im übrigen bei wiederholten Prolongationen jene, mit denen nicht ein Vielfaches von fünf Jahren überschritten wird.

Die grundsätzliche Gebührenpflicht von Prolongationen, das ist im vorliegenden Zusammenhang die einvernehmliche Verlängerung eines auf bestimmte Zeit begrenzten Vertragsverhältnisses, ergibt sich im Umkehrschluß aus der zuletzt zitierten Vorschrift (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. November 1983, Zl. 82/15/0082).

Nach dieser Vorschrift sind somit gebührenfrei Prolongationen, mit denen das Kreditverhältnis auf eine Gesamtdauer von höchstens fünf Jahren verlängert wird (erster Halbsatz) und wiederholte Prolongationen, "mit denen nicht ein Vielfaches von fünf Jahren überschritten" wird (zweiter Halbsatz). Daraus folgt im Umkehrschluß, daß Prolongationen, mit denen ein Kreditvertrag mit einer bisher höchstens fünf Jahre betragenden Gesamtdauer auf eine mehr als fünf Jahre betragende Gesamtdauer verlängert wird (erster Halbsatz) ebenso der Gebührenpflicht unterliegen wie jede erste Prolongation eines auf mehr als fünf Jahre eingegangenen Kreditverhältnisses und jede "wiederholte" Prolongation, mit der die Laufzeit auf mehr als 10, 15 usw. Jahre verlängert wird (zweiter Halbsatz). Im vorliegenden Fall eines auf bestimmte Zeit von mehr als fünf Jahren eingegangenen Kreditverhältnisses, das durch die in Rede stehende Prolongation nicht auf (insgesamt) mehr als zehn Jahre verlängert wird, ist somit für die Gebührenpflicht maßgeblich, ob mit der vorliegenden Schrift eine "erste Prolongation" beurkundet wurde.

Dabei kann jedoch die in den Mittelpunkt der Beschwerdeausführungen gestellte Frage, ob eine "wiederholte Prolongation" im Sinne des zweiten Halbsatzes der Befreiungsvorschrift nur dann vorliegt, wenn die "erste Prolongation" beurkundet wurde, auf sich beruhen. Die in der Urkunde enthaltene Erklärung der Vertragsparteien, den (bestimmt bezeichneten) Kreditvertrag NEUERLICH zu prolongieren, ist nämlich geeignet, den Beweis über eine der damit vereinbarten Prolongation vorangehende - nach den Behauptungen der Beschwerdeführerin "erste" - Prolongation herzustellen; die strittige Urkunde ist somit nicht nur als die "neuerliche Prolongation" betreffend rechtserzeugend, sondern auch die "erste Prolongation" betreffend als rechtsbezeugend anzusehen. Sie unterliegt daher - ungeachtet der Beurteilung einer beurkundeten Prolongation, der eine nicht beurkundete vorangegangen ist, als "erste" oder "wiederholte" Prolongation - schon als eine die mündlich vereinbarte Prolongation bezeugende Urkunde nicht der Gebührenbefreiung im Sinne des § 33 TP 19 Abs. 4 Z. 1 GebG.

Die Beschwerde wendet sich weiters gegen die Heranziehung von § 9 Abs. 2 GebG in der Fassung BGBl. Nr. 80/1987 durch die belangte Behörde bei der Festsetzung der Gebührenerhöhung. Die in diesem Zusammenhang vorgetragenen Argumente sind wortgleich mit jenen, die die Beschwerdeführerin in ihrer zur

hg. Zl. 90/15/0057 protokollierten Beschwerde vorgebracht hat. Es genügt daher hiezu gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 90/15/0057, zu verweisen. Dies gilt auch, soweit die Beschwerdeführerin Mängel der Ermessensübung mit der Begründung geltend macht, § 9 Abs. 2 GebG stelle auf natürliche und nicht auf juristische Personen ab.

Die offenbar nur irrtümlich in die vorliegende Beschwerde aufgenommenen Ausführungen, es werde im angefochtenen Bescheid Gleiches ungleich behandelt, weil die Gebührenschuld in einem Fall im September 1981, im anderen Fall im Juni 1985 entstanden sei, nehmen auf ein Sachverhaltselement des dem Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 90/15/0057, zugrundeliegenden Falles Bezug; mit dem vorliegenden Beschwerdefall stehen diese Darlegungen nicht im Zusammenhang.

Auch die darüber hinaus vorgetragenen Argumente der Beschwerde zeigen keine Fehlerhaftigkeit der Ermessensübung auf.

Nach § 9 Abs. 2 GebG zweiter Satz ist bei Festsetzung der Gebührenerhöhung nach dieser Gesetzesstelle insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit dem Gebührenschuldner bei Beachtung dieses Bundesgesetzes das Erkennen der Gebührenpflicht einer Schrift oder eines Rechtsgeschäftes zugemutet werden konnte, ob eine Gebührenanzeige geringfügig oder beträchtlich verspätet erstattet wurde sowie, ob eine Verletzung der Gebührenbestimmungen erstmalig oder wiederholt erfolgt ist.

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, daß sie eine Gebührenanzeige unterlassen und die Gebührenbestimmungen wiederholt verletzt hat. Sie macht - offenbar unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit des Erkennens der Gebührenschuld - geltend, ihr Sachbearbeiter habe bei der gebührenrechtlichen Beurteilung (offenbar in der Frage, ob eine beurkundete Prolongierung nach vorhergehender mündlich erfolgter Prolongierung eine "wiederholte" sei) Überlegungen angestellt, die die Beschwerdeführerin nach wie vor als richtig ansehe und die auch in der Literatur vertreten würden.

Im vorliegenden Zusammenhang kann jedoch auf sich beruhen, ob die von der Beschwerdeführerin (deren Kenntnis von den Gebührenvorschriften schon im Hinblick auf die Abwicklung einer Vielzahl von Kreditgeschäften vorausgesetzt werden kann) vorgetragene Auffassung in der Frage der "wiederholten Prolongation" mit gutem Grund vertreten werden und sie deshalb von der Gebührenfreiheit des Rechtsgeschäftes ausgehen konnte, ohne diese Frage (ungeachtet ihrer Befugnis zur Selbstberechnung gemäß § 3 Abs. 4 GebG) im Wege der Gebührenanzeige unter Darlegung der ihrer Auffassung nach für die Gebührenfreiheit sprechenden Gründe der Abgabenbehörde vorzulegen. Der Beschwerdeführerin konnte nämlich jedenfalls die Kenntnis davon, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch rechtsbezeugende Urkunden die Gebührenpflicht auslösen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 9. Mai 1974, Slg. 4684/F, vom 21. Jänner 1976, Slg. 4930/F, und vom 8. September 1983, Slg. 5800/F) und das Erkennen der strittigen Urkunde als die mündlich erfolgte Prolongation bezeugend zugemutet werden. Es kann somit auch nicht davon gesprochen werden, daß der Beschwerdeführerin das Erkennen der Gebührenpflicht nicht zugemutet werden konnte.

Im vorliegenden Fall ist daher auch keine bei der Ausübung des Ermessens unterlaufene Fehlerhaftigkeit ersichtlich.

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990150058.X00

Im RIS seit

24.06.1991

Zuletzt aktualisiert am

23.07.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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