TE Vwgh Erkenntnis 1991/9/18 91/01/0047

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.09.1991
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1968 §11 Abs1;
AVG §39a Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pichler, über die Beschwerde der Ildiko C in G, vertreten durch Dr. M Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. Oktober 1990, Zl. 4.302.729/2-III/13/90, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die 1972 geborene Beschwerdeführerin - eine rumänische Staatsangehörige der ungarischen Minderheit - reiste über Ungarn am 16. September 1990 in das Bundesgebiet ein und stellte am darauffolgenden Tag Asylantrag. Bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 22. September 1990 brachte die Beschwerdeführerin im wesentlichen zur Begründung ihres Antrages vor, sie sei von 1988 bis 1990 in Baia Mare als Schneiderin tätig gewesen. Zwischen 13. und 15. Juni 1990 sei sie bei den Studentendemonstrationen in Bukarest vor der Universität dabei gewesen. Die Demonstranten seien von den sogenannten Bergarbeitern auseinandergetrieben und mit Stöcken geschlagen worden. Zur allgemeinen Lage sei zu sagen, daß das Regime von heute noch schlechter sei als das alte. Sie sei daher nach Österreich geflüchtet, weil sie mit ihrem Freund ein neues Leben beginnen wolle.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 24. September 1990 wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführerin nicht Flüchtling im Sinne der Konvention sei.

Gegen diesen, nach ihren Angaben am 28. September 1990 zugestellten, Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie ausführte, sie habe ihre Heimat aus politischen und religiösen Gründen verlassen und könne und wolle nicht mehr zurück; sie ersuche ihren Antrag nochmals zu überprüfen und sie werde, falls notwendig, ihre bereits angeführten Gründe nochmals ausführen.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Berufung abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, angesichts der gegenwärtigen in Rumänien herrschenden politischen und wirtschaftlichen Umstände bestehe kein Anlaß, an der Richtigkeit der Angaben vor der Behörde erster Instanz zu zweifeln; hingegen müßte ihrem darüber hinausgehenden Vorbringen in der Berufung die Glaubwürdigkeit versagt bleiben. Wenn die Beschwerdeführerin tatsächlich vor ihrer Ausreise irgendeiner Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre, hätte sie dies bereits bei ihrer erstinstanzlichen Befragung vorgebracht, zumal einerseits dieser Befragung ein Dolmetscher beigezogen gewesen sei, sodaß Mißverständnisse auszuschließen seien und andererseits gezielt nach Indizien einer Verfolgung gefragt worden sei. Die Beschwerdeführerin sei über Ungarn, ein Mitglied der Genfer Konvention, in das Bundesgebiet eingereist; es wäre ihr daher möglich gewesen, schon dort Asyl zu beantragen. Weil sie dies nicht getan habe, erscheine es nicht glaubwürdig, daß sie gravierenden Eingriffen in ihre Grundrechte ausgesetzt gewesen sei. Die Beschwerdeführerin habe nach Abschluß ihrer Ausbildung eine ihren Fähigkeiten entsprechende Beschäftigung ausgeübt. Es sei daher im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Laufbahn keine Verfolgung erkennbar. Zum Vorbringen, sie hätte am 13., 14. und 15. Juni 1990 bei den Studentendemonstrationen in Bukarest teilgenommen, sei festzustellen, daß dies nicht eine individuelle und konkrete Verfolgungshandlung ihrer Person durch die Behörden ihres Heimatstaates darstelle und somit auch keine Anerkennung als Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention rechtfertige. Die Beschwerdeführerin befinde sich nicht aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb ihres Heimatlandes.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, und zwar wegen unvollständiger Klärung des Sachverhaltes und Verletzung des Parteiengehörs.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Asylgesetz), in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Die Beschwerdeführerin rügt zunächst, daß entgegen ihrem Wunsch bei der Befragung nicht ein Dolmetscher der ungarischen Sprache, sondern der rumänischen Sprache beigezogen worden sei. Die Beschwerdeführerin hat angegeben, daß sie sowohl der ungarischen als auch der rumänischen Sprache mächtig sei. Art. 11 Abs. 1 Asylgesetz verpflichtet die Behörde für den Fall, daß ein Asylwerber nicht der deutschen Sprache kundig ist, eine der fremden Sprache mächtige Person als Dolmetsch zuzuziehen. Diese Bestimmung kann aber nicht, wie die Beschwerdeführerin vermeint, dahin ausgelegt werden, daß Vernehmungen auch dann, wenn der Asylwerber außer seiner Muttersprache auch eine weitere Sprache in einem zur Verständigung ausreichenden Maße beherrscht, nur unter Beiziehung eines der Muttersprache des Asylwerbers mächtigen Dolmetschers zulässig wären. Für eine derart enge Auslegung bietet weder das Gesetz einen Anhaltspunkt noch entspräche dies den Grundsätzen der Einfachheit und Zweckmäßigkeit des Verfahrens. Dafür aber, daß die Beschwerdeführerin nicht in der Lage gewesen wäre, den jeweils in rumänischer Sprache geführten Einvernahmen zu folgen bzw. sich in dieser Sprache in hinreichendem Maße ausdrücken zu können, kann den Aktenunterlagen kein Hinweis entnommen werden (vgl. auch hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1986, Zl. 84/01/0115).

Soweit die Beschwerdeführerin behauptet, sie habe den Bescheid der Behörde erster Instanz inhaltlich nicht gekannt und hätte daher keine "geordnete Berufung" erheben können, so ist dem entgegenzuhalten, daß sie diesen Bescheid laut Akt und ihren eigenen Angaben am 28. September 1990 zugestellt erhalten hat und ihn daher auch kennen mußte. Sie war daher auch in der Lage, eine Berufung einzubringen, was sie auch am 1. Oktober 1990 getan hat.

Die erstmals in der Beschwerde vorgebrachte Darstellung einer Auseinandersetzung mit einem Militäroffizier und dem Kommandanten ist eine gemäß § 41 VwGG unbeachtliche Neuerung. Zentrale Erkenntnisquelle im Asylverfahren ist das eigene Vorbringen des Asylwerbers (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. März 1991, Zl. 91/01/0015 und die weitere dort angeführte Judikatur). Aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ist aber, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, eine Verfolgung der Beschwerdeführerin aus Gründen der Konvention nicht zu erkennen. Wenn die Beschwerdeführerin ihre ablehnende Haltung gegenüber dem in ihrem Heimatland herrschenden politischen und wirtschaftlichen System und ihren Wunsch, ein neues Leben mit ihrem Freund aufzubauen, zum Ausdruck bringt, bildet dies keinen Grund, sie als Konventionsflüchtling anzuerkennen.

Da die Beschwerde sich sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991010047.X00

Im RIS seit

18.09.1991

Zuletzt aktualisiert am

09.09.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten