TE Vwgh Erkenntnis 1991/9/26 91/09/0089

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.09.1991
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
KOVG 1957 §18 Abs1;
KOVG 1957 §4 Abs1;
KOVG 1957 §90 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der VwGH hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des Ferdinand G in K, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Wien, NÖ und Bgld vom 21. März 1991, Zl. OB. 116-127.348-007, betreffend Kriegsopferversorgung (Erhöhung der Beschädigtenrente und Gewährung einer Pflegezulage), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,- zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der am 18. Juli 1924 geborene Beschwerdeführer steht seit langem im Bezug einer Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG) entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 70 Prozent. Die Dienstbeschädigungen wurden zuletzt wie folgt bezeichnet:

1.

Verlust des linken Unterarmes (Gegenarm);

2.

Geringe Bewegungseinschränkungen des I. und II. Fingers rechts (Gebrauchsarm);

              3.              Verwachsene Narbenbildung am rechten Unterarm nach Durchschuß;

              4.              Reizlose Narben am Rücken und Gesäß ohne Funktionsstörung;

              5.              Reaktionslos eingeheilter Stecksplitter im Rücken rechts;

              6.              Intrapulmonaler bohnengroßer Stecksplitter im rechten Sinus;

              7.              Basale Bauchfellverwachsung im rechten Sinus.

Am 6. März 1989 stellte der Beschwerdeführer einerseits den Antrag auf Neubemessung der Beschädigtenrente wegen Verschlimmerung sowie auf Anerkennung des Leidenszustandes "Zustand nach Sehnenoperation der rechten Hand" als weitere Dienstbeschädigung, andererseits den Antrag auf Gewährung von Pflegezulage, weil er infolge seiner Dienstbeschädigungen hilflos sei. Das Verfahren über diese Anträge bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nahm sodann folgenden Verlauf:

I. NEUBEMESSUNG DER BESCHÄDIGTENRENTE UND ANERKENNUNG EINER

WEITEREN DIENSTBESCHÄDIGUNG:

Das Landesinvalidenamt (LIA) holte zu diesem Antrag ein Gutachten des chirurgischen Sachverständigen Dr. Z ein, der zu dem Ergebnis kam, beim Beschwerdeführer seien sogenannte schnellende Finger III-V rechts operativ korrigiert worden. Diese Erkrankung sei akausal aufgetreten und derzeit durch die Operation geheilt. Der weiters vom LIA als Sachverständiger beigezogene praktische Arzt Dr. W faßte zusammen, es liege keine maßgebliche Änderung der Gesamt-Dienstbeschädigung vor.

Auf der Grundlage dieser Gutachten wies das LIA mit Bescheid vom 27. November 1989 den auf Anerkennung einer weiteren Dienstbeschädigung und auf Erhöhung der Beschädigtenrente gerichteten Antrag des Beschwerdeführers gemäß den §§ 4, 7, 8, 11 und 52 Abs. 2 KOVG ab. Gemäß § 52 Abs. 2 KOVG erhalte der Beschwerdeführer weiterhin eine Beschädigtenrente nach einer MdE von 70 Prozent.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, es handle sich bei der Schädigung seiner rechten Hand keineswegs um "schnellende Finger", sondern um eine Krallenhand, die auf Grund der langjährigen Beschwerden nunmehr aufgetreten sei. Seine Anträge blieben daher aufrecht.

Die belangte Behörde holte dazu ein weiteres Gutachten des Facharztes für Chirurgie Dr. K ein, der zu keiner neuen Beschreibung der Dienstbeschädigungen und zu keiner neuen Einschätzung der MdE von 70 Prozent gelangte. Insbesondere stehe die Sehnenoperation der rechten Hohlhand nicht im Zusammenhang mit der Dienstbeschädigung des Beschwerdeführers. Dazu führte der Sachverständige im Hinblick auf die Berufungseinwendungen im einzelnen aus:

"Grundsätzlich sei hier festgehalten, daß die als mittelbare DB geltend gemachte Gesundheitsschädigung 'Zustand nach Sehnenoperation der rechten Hand' in keiner Weise belegt werden kann: Es fehlen sämtliche Unterlagen über die Krankengeschichte und den erfolgten Eingriff, es gibt keinen OP-Bericht, bekannt ist nur das Datum der Operation, und daß es sich hierbei um eine Sehnenoperation gehandelt hat. Weiters sind die anamnestischen Angaben des KB z. Teil äußerst dürftig,

z. Teil auch widersprüchlich. Wurde anläßlich der letzten orthopädischen Untersuchung auf intensives Befragen offenbar die Existenz von schnellenden Fingern bestätigt, so wird dies bei der nunmehrigen Untersuchung vehement bestritten. Genaue Angaben können nicht gemacht werden, angegeben wird nur, daß eine Operation wegen zunehmender 'Verbiegung der Finger' notwendig wurde, nachdem eine Infiltrationsbehandlung erfolglos geblieben war. In sämtlichen eingesehenen Vorgutachten wurde niemals eine derartige Veränderung beschrieben, es findet sich keinerlei Hinweis auf eine Bewegungseinschränkung des 3.-5. Fingers, die ja auf Grund der Anamnese bestanden haben müßte. Der Eintritt der Gesundheitsschädigung kann daher erst nach der Erstellung des Vorgutachtens vom 8.4.86 angenommen werden. Die jetzige Beurteilung kann sich daher nur auf den lokalen Befund und Zusammenhangsüberlegungen mit der DB stützen. Nach der Lage und Form der Narbe ist nur eine lokale Veränderung an den Sehnen denkbar. Ein Zusammenhang mit der DB ist auszuschließen, da die Narbenzüge am Unterarm nicht zu lokalen Sehnenveränderungen in der distalen Hohlhand führen können und, würde man rein theoretisch eine Fernwirkung der Narbenzüge auf die Finger annehmen, diese sicher nicht durch eine Operation fernab des primären Geschehens behoben werden kann. Für die Art der Gesundheitsstörung kommen eigentlich nur zwei Krankheitsbilder in Betracht: der schnellende Finger und eine Dupuytrensche Kontraktur. Für ersteres spricht der kurze Zeitraum der Entstehung, die Lage und Art der Narbe und die Angabe der Infiltrationen. Diese stellen eine durchaus übliche konservative Therapiemaßnahme des schnellenden Fingers dar. Bei Nichterfolg ist dann die OP angezeigt. Für den Dupuytren spricht die anamnestische Angabe einer zunehmenden Fingerverbiegung bzw. Krallenhand. (Diese Angaben sind jedoch nicht im Sinne einer Ulnarisschädigung zu werten, da diese niemals durch eine einfache Sehnenoperation behoben werden kann.)

Sowohl schnellender Finger als auch Dupuytren sind rein akausale Krankheitsbilder, die mit der DB in keinem Zusammenhang stehen.

...

Gegenüber dem Vergleichsgutachten hat sich der medizinische Befund nur insofern geändert, als eine Bewegungseinschränkung des rechten Daumens nunmehr vorliegt.

Die zusätzlich geltendgemachte Gesundheitsschädigung ist auf Grund obiger Ausführungen nicht als mittelbare DB anzuerkennen."

Dem Beschwerdeführer wurde zu diesem Gutachten das Parteiengehör gewährt und er nahm dazu am 3. August 1990 ausführlich Stellung. Dabei behauptete er insbesondere, entgegen dem Gutachten sei der rechte Daumen nunmehr fast steif, auch sei eine besondere Sensibilität des Handmuskels gegeben. Die Verschlimmerung des Zustandes seiner rechten Hand sei zumindest mit Wahrscheinlichkeit eine gemäß § 4 KOVG anzuerkennende Gesundheitsschädigung. Ferner sei auch die beim Beschwerdeführer aufgetretene degenerative Veränderung der Wirbelsäule eine Folge der Dienstbeschädigung. Schließlich sei der Sachverständige durch einen Rechenfehler nur zu einer MdE von 70 (statt 80) Prozent gelangt; vor allem mit Rücksicht auf den fast steifen rechten Daumen gehe die MdE aber in Wahrheit noch über diese 80 Prozent hinaus.

In einem Ergänzungsgutachten führte der Sachverständige Dr. K im wesentlichen ergänzend aus, die Bewegungseinschränkung (nicht Versteifung) des rechten Daumens habe mit der durchgeführten Sehnenoperation nichts zu tun. Die Verbiegung der 3.-5. Finger gehe nicht auf eine Mehrbelastung der gesunden Hand zurück und sei operativ behoben worden. Ein Unterarmverlust und eine dadurch bedingte Mehrbeanspruchung des gesunden Armes führe auch zu keiner degenerativen Wirbelsäulenveränderung. Die Bewegungsbehinderung des rechten Daumens sei als Dienstbeschädigung anerkannt und entsprechend bewertet worden. Ein Rechenfehler bezüglich der Gesamt-MdE liege nicht vor, weil eine einfache additive Wertung der einzelnen Dienstbeschädigungen nicht zulässig sei. Es ergebe sich keine Änderung der Beurteilung.

Dazu nahm der Beschwerdeführer am 19. Dezember 1990 noch einmal Stellung. Er halte aufrecht, daß eine Versteifung des rechtens Daumens vorliege. Infolge Unzulänglichkeit des eingeholten Gutachtens stelle der Beschwerdeführer den Antrag auf Einholung eines Universitätsgutachtens, vor allem weil es in der Praxis sehr selten vorkomme, daß ein Gutachter von einem einmal eingenommenen Standpunkt abweiche.

Hierauf erging ohne weitere Verfahrensschritte der angefochtene Bescheid.

II) PFLEGEZULAGE:

Auch zum diesbezüglichen Antrag des Beschwerdeführers holte das LIA ein Gutachten des praktischen Arztes Dr. W ein, der zu dem Ergebnis kam, der Beschwerdeführer bedürfe für lebenswichtige Verrichtungen keiner qualifizierten Hilfeleistungen. Er könne sich insbesondere ohne fremde Hilfe an- und auskleiden, essen, die Körperreinigung vornehmen und die Notdurft verrichten. Es sei ein Maß an Hilfeleistung erforderlich, das nicht als Pflege und Wartung anzusehen sei.

Das LIA sah dieses Gutachten als schlüssig an und erließ auf seiner Grundlage den weiteren Bescheid vom 27. November 1989, mit welchem der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung einer Pflegezulage gemäß § 18 KOVG abgewiesen wurde.

Der Beschwerdeführer erhob auch gegen diesen Bescheid Berufung und führte darin aus, daß er seine rechte Hand auf Grund ihrer Schädigung nur sehr bedingt einsetzen könne, weshalb er dauernd auf außergewöhnliche Pflege einer anderen Person angewiesen sei. Er benötige fremde Hilfe sowohl beim An- und Auskleiden als auch bei der Körperreinigung und bei der Verrichtung der Notdurft.

Dazu führte der von der belangten Behörde auch zu dieser Frage beigezogene Sachverständige Dr. K aus wie folgt:

"Anläßlich der Untersuchung war es dem KB möglich, sich ohne fremde Hilfe und ohne Probleme aus- und anzukleiden, sodaß der in der Berufung vorgebrachte Einwand, der KB benötige dauernd die außergewöhnliche Pflege einer anderen Person, nicht geteilt werden kann. Trotz der Bewegungseinschränkung am Daumen und Zeigefinger ist die rechte Hand als durchaus gebrauchsfähig anzusehen.

...

Der Berufungswerber bedarf für lebenswichtige Verrichtungen keiner qualifizierten Hilfeleistung. Er kann sich insbesondere ohne fremde Hilfe an- und auskleiden, Essen einnehmen, Körperreinigung vornehmen, Notdurft mit anschließender Reinigung verrichten. Dauerndes Krankenlager liegt nicht vor.

Vom medizinischen Standpunkt ist daher keine Stufe der Pflegezulage vorzuschlagen."

In seiner Stellungnahme zu diesem Gutachten vom 3. August 1990 bestritt der Beschwerdeführer dieses Gutachten unter Hinweis darauf, daß sein rechter Daumen nunmehr fast steif sei, und daß er sich bei der Untersuchung infolge des warmen Wetters nur ein Strickhemd an- und ausgezogen habe, bei schwererer Kleidung sei ihm dies nicht möglich. Insbesondere könne er Hemden nicht zuknöpfen, Hose und Sakko nicht anziehen, Schuhe nicht schnüren, Krawatten nicht binden und Socken nicht anziehen. Auch müsse ihm das Essen von einer Hilfe vorgeschnitten werden. Mit der verbliebenen rechten Hand könne er sich auch nicht reinigen (waschen und baden). Es sei dem Beschwerdeführer auch wegen seiner Hilflosigkeit eine Begleitperson zu einer Kur beigegeben worden, ferner sei er bereits Bezieher eines Hilflosenzuschusses zur Pension seiner Dienstbehörde.

Dem widersprach der Sachverständige Dr. K in einem Ergänzungsgutachten. Es liege nur eine Bewegungseinschränkung, nicht aber eine Versteifung des rechten Daumens vor. Eine Gebrauchsunfähigkeit der rechten Hand liege nicht vor. Der klinische Untersuchungsbefund habe ergeben, daß der Beschwerdeführer die Verrichtungen des täglichen Lebens selbst ausführen könne. Weder die Notwendigkeit einer Begleitperson zu einer Kur noch die Gewährung eines anderweitigen Hilflosenzuschusses ermögliche es, für den Beschwerdeführer eine Pflegezulage vorzuschlagen.

Darauf erwiderte der Beschwerdeführer mit der bereits zu

I) erwähnten weiteren Stellungnahme vom 19. Dezember 1990. Der Sachverständige sei nicht bereit, auf seine Einwendungen einzugehen und stelle bloß Behauptungen auf. Der Beschwerdeführer brachte neuerlich vor, zu welchen täglichen Verrichtungen er allein nicht in der Lage sei (An- und Auskleiden, vor allem im Winter, Waschen, Baden und Notdurft mit anschließender Reinigung, Vorbereitung des Essens). Überdies verschlechtere sich sein Zustand mit zunehmendem Alter. Der Beschwerdeführer beantragte die Einsichtnahme in seinen Dienstrechtsakt sowie die Einholung eines weiteren (Universitäts-)Gutachtens.

Hierauf erging ohne weitere Verfahrensschritte der nunmehr ANGEFOCHTENE BESCHEID VOM 21. MÄRZ 1991, mit dem die belangte Behörde den Berufungen des Beschwerdeführers keine Folge gab und die angefochtenen Bescheide gemäß § 66 Abs. 4 AVG bestätigte. Begründend führte die belangte Behörde nach einer Darstellung des Verfahrensverlaufes und insbesondere einer Wiedergabe des wesentlichen Inhaltes der Gutachten des Sachverständigen Dr. K zu den beiden Berufungen aus:

1) Zur Neubemessung und zur Anerkennung einer weiteren Dienstbeschädigung:

Die zusätzlich geltend gemachte Gesundheitsschädigung sei auf Grund der Ausführungen des Sachverständigen nicht als mittelbare Dienstbeschädigung anzuerkennen. Unter Berücksichtigung dieses Befundes ergebe sich nachfolgende Richtsatzeinschätzung:

1)  Verlust des linken Unterarmes      I/c/48        50 Prozent

    (Gegenarm)

2)  Geringe Bewegungseinschränkung     I/c/90        10 Prozent

    des 1. und 2. Fingers rechts

    (Gebrauchshand)

3)  Verwachsene Narbenbildung am       IX/c/702      10 Prozent

    rechten Unterarm nach Durchschuß   Tab.2.Z.li.

4)  Reizlose Narben am Rücken und      IX/c/702       0 Prozent

    Gesäß ohne Funktionsstörung        Tab.1.Z.li.

5)  Reaktionslos eingeheilter Steck-   I/j/205        0 Prozent

    splitter am Rücken rechts

6)  Intrapulmonaler bohnengroßer       III/a/298     10 Prozent

    Stecksplitter im rechten Sinus

7)  Basale Bauchfellverwachsung        III/a/304      0 Prozent

    im rechten Sinus

    Gemäß § 3 der Richtsatzverordnung, BGBl. Nr. 150/1965, sei

bei der Einschätzung der Gesamt-MdE zunächst von der

Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste MdE

verursache. Dann sei eine Gesamteinschätzung vorzunehmen, ob

infolge des Zusammenwirkens aller gemäß § 4 KOVG zu

berücksichtigender Gesundheitsschädigungen eine höhere MdE

gerechtfertigt sei. Dies habe im Falle des Beschwerdeführers

eine Einschätzung der Gesamt-MdE mit 70 Prozent ergeben. Hiefür

sei maßgebend, daß die MdE für das führende Leiden 1) durch die

übrigen Leiden um zwei Stufen erhöht werde. Die MdE gemäß

§ 7 KOVG betrage daher unverändert 70 Prozent.

Das eingeholte Gutachten sei als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden. Gegen die berufskundliche Einschätzung seien keine Einwendungen erhoben worden. Da im erhobenen Befund gegenüber dem Vergleichsbefund keine maßgebliche Änderung eingetreten sei und auch die beruflichen Verhältnisse unverändert geblieben seien, seien die Voraussetzungen für eine Neubemessung der Grundrente gemäß § 52 KOVG nicht gegeben.

Auch die Ergänzung des Gutachtens nach Gewährung des Parteiengehörs habe an dieser Beurteilung nichts geändert; die vorgebrachten Einwendungen seien nicht geeignet gewesen, die Beweiskraft des ärztlichen Sachverständigengutachtens zu mindern. Es liege eine Bewegungseinschränkung des rechten Daumens, nicht aber eine Versteifung vor. Die Sehnenoperation an der rechten Hand gehe auf eine akausale Gesundheitsentschädigung zurück, diese sei operativ behoben worden. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen würden durch einen Unterarmverlust und eine dadurch bedingte Mehrbeanspruchung des gesunden Armes nicht herbeigeführt. Die Bewegungsbehinderung des rechten Daumens sei als Dienstbeschädigung anerkannt und entsprechend bewertet worden. Dem Sachverständigen sei auch darin zu folgen, daß ein Rechenfehler bezüglich der Gesamt-MdE nicht vorliege, weil hier eben nicht einfach zu addieren sei.

2) Zur Pflegezulage:

Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Pflegezulage seien nach dem auch hier heranzuziehenden schlüssigen Gutachten Dris. K nicht gegeben. Auch hier habe die Gewährung des Parteiengehörs zu keinem anderen Ergebnis geführt. Der rechte Daumen sei eingeschränkt beweglich, aber nicht versteift. Die Wahl der Kleidungsstücke spiele für die Beurteilung der Pflegebedürftigkeit keine Rolle, es zähle die Tatsache, daß sich der Beschwerdeführer ohne fremde Hilfe an- und auskleiden könne. Eine Gebrauchsunfähigkeit der rechten Hand liege nicht vor. Nach dem klinischen Untersuchungsbefund müsse es dem Beschwerdeführer durchaus möglich sein, die Verrichtungen des täglichen Lebens selbst durchzuführen, wie Essen einzunehmen, sich zu waschen und zu baden, sowie die Notdurft mit anschließender Reinigung zu verrichten. Die Notwendigkeit einer Begleitperson für einen Kuraufenthalt sei für den reibungslosen Ablauf des Kurbetriebes notwendig und habe nichts mit Hilflosigkeit gemäß § 18 KOVG zu tun. Für die Gewährung eines Hilflosenzuschusses von seiten der MA 3 gälten andere Voraussetzungen und Kriterien als für die Beurteilung des Anspruches auf Pflegezulage nach dem KOVG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich sowohl in seinem Recht auf Neubemessung seiner Beschädigtenrente als auch in jenem auf Gewährung einer Pflegezulage verletzt und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides in beiden Punkten.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1) Zur Beschädigtenrente:

Gemäß § 7 Abs. 1 KOVG hat der Beschädigte Anspruch auf Beschädigtenrente, wenn und insolange seine Erwerbsfähigkeit infolge der Dienstbeschädigung um mindestens 25 Prozent vermindert wird. Unter Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die durch die Dienstbeschädigung bewirkte körperliche Beeinträchtigung in Hinsicht auf das allgemeine Erwerbsleben zu verstehen.

Gemäß § 52 Abs. 2 KOVG ist die Rente neu zu bemessen, wenn eine für die Höhe der Leistung maßgebende Veränderung eintritt.

Gemäß § 7 Abs. 2 KOVG ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne des Abs. 1 nach Richtsätzen einzuschätzen, die den wissenschaftlichen Erfahrungen entsprechen.

Solche Richtsätze hat das zuständige Ministerium auf Grund der gesetzlichen Ermächtigung mit Verordnung vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150/1965 (Richtsatzverordnung zum KOVG 1957), aufgestellt.

Nach § 1 Abs. 1 dieser Verordnung ist die MdE im Sinne des § 7 Abs. 1 KOVG nach den Richtsätzen einzuschätzen, die nach Art und Schwere des Leidenzustandes in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage festgelegt sind. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

Gemäß § 3 der Richtsatzverordnung ist dann, wenn mehrere Leiden zusammentreffen, bei Einschätzung der MdE zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste MdE verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Gesamtleidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller gemäß § 4 KOVG berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der MdE rechtfertigt.

An diese Bestimmungen hat sich die belangte Behörde auf Grund des sachverständig ermittelten Sachverhaltes gehalten. Der Beschwerdeführer bringt dazu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit vor, die belangte Behörde habe verkannt, daß gegenüber dem früheren Gutachten eine (neue) MdE insoweit eingetreten sei, als nunmehr verwachsene Narbenbildungen am rechten Unterarm nach Durchschuß eingetreten seien, und daß darüber hinaus eine Bewegungseinschränkung des rechten Daumens und des 2. Fingers der rechten Hand eingetreten sei. Allein diese beiden Umstände hätten zu einer Neubewertung der Gesamt-MdE des Beschwerdeführers führen müssen.

Mit diesem Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer, daß sowohl die "verwachsene Narbenbildung am rechten Unterarm nach Durchschuß" als auch die "geringen Bewegungseinschränkungen des

1. und 2. Fingers rechts" bereits vor dem Verfahren über seinen Erhöhungsantrag als Dienstbeschädigungen anerkannt und der Gesamt-MdE von 70 Prozent zugrunde gelegt waren; eine Verschlechterung in einem Ausmaß, welches eine Erhöhung dieser Gesamt-MdE gerechtfertigt hätte, ist im Ermittlungsverfahren der im Beschwerdefall eingeschrittenen Versorgungsbehörden nicht hervorgekommen. Hier wie auch hinsichtlich sämtlicher weiterer Einwendungen des Beschwerdeführers ist ihm entgegenzuhalten, daß er den von mehreren Sachverständigen im Verfahren getroffenen ärztlichen Feststellungen nur mit eigenen Behauptungen, nicht aber auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist.

Der Beschwerdeführer macht des weiteren geltend, die belangte Behörde habe außer acht gelassen, daß bereits die Bescheinigung der Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhanges dazu hätte führen müssen, seinen "Zustand nach Sehnenoperation der rechten Hand" als weitere Dienstbeschädigung anzuerkennen. Auch dieses Vorbringen ist unzutreffend, weil nach dem eingeholten Gutachten nicht einmal die Wahrscheinlichkeit eines solchen Zusammenhanges vorliegt, die genannte Sehnenoperation vielmehr auf akausale Leidenszustände des Beschwerdeführers zurückzuführen ist. Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer die Gutachten auch insoferne nicht widerlegt hat, als sie zum Ergebnis kamen, die betreffenden Leidenszustände des Beschwerdeführers seien ohnehin durch Operation behoben worden.

Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde hätte auf Grund der in den vorliegenden Gutachten enthaltenen Widersprüche seinem Antrag auf Einholung eines weiteren (Universitäts-)Gutachtens stattgeben müssen. Der Verwaltungsgerichtshof kann demgegenüber nicht finden, daß der Sachverhalt durch die eingeholten und nicht mit ärztlichem Fachwissen widerlegten Gutachten nicht entscheidungsreif geklärt worden wäre. § 90 KOVG verpflichtet die Versorgungsbehörde zur Einholung von Gutachten ärztlicher Sachverständiger; dieser Verpflichtung ist die belangte Behörde nachgekommen. Diese Gesetzesstelle enthält aber keine Regelung, aus der die Verpflichtung erschlossen werden könnte, weitere Fachgutachten und sogar ein Fakultätsgutachten einzuholen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1974, Zl. 752/74, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Wenn die belangte Behörde daher ihrer Entscheidung in freier Beweiswürdigung das Sachverständigengutachten Dris. K zugrunde gelegt hat, so ist dies im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zustehenden nachprüfenden Kontrolle, die darauf beschränkt ist, ob ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt bzw. ob die Erwägungen den Denkgesetzen, somit auch dem allgemein menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, nicht als unschlüssig zu erkennen (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 1991, Zl. 90/09/0059, und die dort angeführte Vorjudikatur). Die belangte Behörde ist, ohne den angefochtenen Bescheid mit der behaupteten Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zu belasten, sowohl in der Frage der behaupteten Verschlimmerung als auch in der Frage der Einschätzung der Gesamt-MdE des Beschwerdeführers im Sinne des § 3 der Richtsatzverordnung, zulässigerweise dem von ihr beigezogenen Sachverständigen gefolgt. Dieser hat den gesamten vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Leidenszustand des Beschwerdeführers in Untersuchung gezogen und seiner abschließenden, keinesfalls als unschlüssig zu bezeichnenden Beurteilung zugrunde gelegt.

Die belangte Behörde ist daher, ohne Rechte des Beschwerdeführers in gesetzwidriger Weise zu verletzen, sowohl zu dem Ergebnis gelangt, daß eine weitere Dienstbeschädigung des Beschwerdeführers nicht festzustellen wie auch, daß auf Grund der vorliegenden, als Dienstbeschädigung anerkannten Gesundheitsschädigungen weiterhin eine Gesamt-MdE des Beschwerdeführers von 70 Prozent gegeben ist, weshalb es auch zu keiner Erhöhung der dem Beschwerdeführer gewährten Beschädigtenrente kommen konnte.

2) Zur Pflegezulage:

Gemäß § 18 Abs. 1 KOVG wird zur Beschädigtenrente eine Pflegezulage gewährt, wenn der Beschädigte infolge der Dienstbeschädigung so hilflos ist, daß er für lebensnotwendige Verrichtungen der Hilfe einer anderen Person bedarf. Gemäß dem ersten Satz des § 18 Abs. 2 KOVG ist die Höhe der Pflegezulage nach der Schwere des Leidenszustandes und nach dem für die Pflege und Wartung erforderlichen Aufwand abgestuft.

Hilflosigkeit im Sinne dieser Bestimmungen ist dann noch nicht gegeben, wenn der Beschädigte nur bei einzelnen Handreichungen fremder Hilfe bedarf oder wenn die Hilfeleistung nur gelegentlich, d.h. in größeren Zeitabständen erforderlich ist und somit nicht als Pflege und Wartung gewertet werden kann (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. September 1989, Zl. 89/09/0055, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Der Beschwerdeführer bekämpft die zur Frage der Pflegezulage von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen mit dem Vorbringen, die belangte Behörde habe sich auch diesbezüglich zu Unrecht ausschließlich auf das Gutachten Dris. K gestützt und habe die gegenteiligen Behauptungen des Beschwerdeführers nicht beachtet, welch letztere der Beschwerdeführer auch in seiner Beschwerde aufrecht erhält. Es trifft nun zwar zu, daß die Behauptung des Beschwerdeführers und die Feststellung des Sachverständigen in der entscheidenden Beurteilung der behaupteten Hilflosigkeit des Beschwerdeführers im Widerspruch zueinander stehen, doch ist der belangten Behörde kein Vorwurf daraus zu machen, daß sie bei der gegebenen Beweislage dem auf medizinischer Fachkunde beruhenden Gutachten gefolgt ist. Es treffen auch zu dieser Frage jene grundsätzlichen Überlegungen zur freien Beweiswürdigung zu, die der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Erkenntnis bereits zu 1) angestellt hat.

Ausgehend von den auf das Gutachten gestützten Feststellungen erweist sich der angefochtene Bescheid in der Frage der Pflegezulage auch nicht als inhaltlich rechtswidrig. Hilfeleistungen, die den Beschwerdeführer vor dem Verkommen bewahren müßten, sind von der belangten Behörde auf Grund des Gutachtens nicht als notwendig festgestellt worden. Wie der Beschwerdeführer selbst ausführt, hat Einarmigkeit als solche noch nicht Hilflosigkeit zur Folge (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Mai 1967, Zl. 119/67). Daß zu der Einarmigkeit des Beschwerdeführers noch derartige Einschränkungen der Gebrauchsfähigkeit der verbliebenen Hand getreten wären, die zur Hilflosigkeit des Beschwerdeführers geführt hätten, konnten wiederum der Sachverständige und ihm folgend die belangte Behörde nicht feststellen. Dasselbe trifft für die Frage zu, ob und inwieweit der Beschwerdeführer noch in der Lage ist, bestimmte Kleidungsstücke allein an- und auszuziehen.

Die Hinweise des Beschwerdeführers auf das Ergebnis anderer Verfahren (Begleitperson für Kuraufenthalte, Hilflosenzuschuß von seiner Dienstbehörde) vermögen die konkreten Feststellungen, die auf den Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens beruhen, nicht in Frage zu stellen (vgl. auch hiezu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. September 1989, Zl. 89/09/0055).

Aus den oben zu 1) und zu 2) dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten weder wegen der von ihm geltend gemachten noch infolge einer aus anderen Gründen aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist. Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil nur ein Bescheid der belangten Behörde bekämpft worden ist und dazu auch nur eine Gegenschrift erstattet und ein Verwaltungsakt vorgelegt worden ist.

Schlagworte

Beweismittel Sachverständigenbeweis Medizinischer SachverständigerAufgabe des ärztlichen Sachverständigen in Abgrenzung von den Aufgaben der Behörde Erfordernis des Sachverständigenbeweises AllgemeinBeweismittel UrkundenBeweismittel Sachverständigenbeweis Besonderes FachgebietVerfahrensrecht Aufgabe des Sachverständigen und Wertung von Sachverständigengutachten Befund und Attest (siehe auch KOVG §90 Abs1)Verfahrensrecht Aufgabe des Sachverständigen Wertung von Sachverständigengutachten Befund und Attest (siehe auch KOVG §90 Abs1)Aufgabe des ärztlichen Sachverständigen in Abgrenzung von den Aufgaben der Behörde Erfordernis des Sachverständigenbeweises Verfahren nach KOVG §4 Abs1 und §34)Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH AllgemeinPerson des Sachverständigen Anspruch der Partei auf die Verpflichtung der Behörde zur Beiziehung bestimmter Sachverständiger und Durchführung bestimmter UntersuchungenEinzelne Verrichtungen Leiden und Lebensumstände (siehe auch Krankheit)Anspruchsvoraussetzung Begriff der Hilflosigkeitfreie BeweiswürdigungVerfahrensrecht Aufgabe der Behörde Überprüfung von SachverständigengutachtenVerfahrensbestimmungen Beweiswürdigung AntragSachverständiger Fakultätsgutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991090089.X00

Im RIS seit

27.03.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten