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L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauG Vlbg 1972 §2 litl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat, über die Beschwerde 1. der S und 2. des L in Göfis, beide vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 17. Juli 1990, Zl. II-2272/90, betreffend Nichterteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 6 Abs. 9 des Baugesetzes (mitbeteiligte Partei: Gemeinde G), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Vorarlberg Aufwendungen von insgesamt S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Beschwerdefall ist unstrittig, daß die Beschwerdeführer, deren Wohnhaus auf der Bauparzelle nn2 der KG G gegen Südosten an das Wohnhaus der Nachbarn auf Grundparzelle n1 angebaut ist, einen alten, aus Holz errichteten Hühnerstall mit Pultdach durch ein neues, aus Ziegelsteinen errichtetes Gebäude im Ausmaß von 2,8 x 3,8 m mit begehbarem Flachdach ersetzt haben, welches an der Schmalseite an das Haus der Beschwerdeführer und mit der Längseite an die Grundgrenze der Nachbarn angebaut ist.
Der Bürgermeister der mitbeteiligten Partei versagte nach Durchführung einer mündlichen Bauverhandlung, bei der sich die Nachbarn gegen die Nichteinhaltung der Bestimmungen über die Abstandsflächen ausgesprochen hatten, mit Bescheid vom 29. November 1989 die (nachträgliche) Baubewilligung mit der Begründung, daß dafür die Erteilung einer Ausnahme vom gesetzlichen Mindestabstand auf 0,00 m erforderlich wäre. Das diesbezügliche Ansuchen habe der Gemeindevorstand abgelehnt, weil bei diesem neuen Anbau die im § 6 Abs. 9 des Baugesetzes genannten Voraussetzungen nicht gegeben seien. Vorallem mit der Errichtung des begehbaren Flachdaches zur Benützung als Dachbalkon würden eindeutig Rechte der Nachbarn verletzt.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vertraten die Beschwerdeführer die Auffassung, daß der neue "Hühnerstall" kleiner als der alte sei und schon deshalb Rechte der Nachbarn nicht verletzt würden. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 6 Abs. 9 des Baugesetzes lägen vor.
Mit Bescheid vom 16. Februar 1990 hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde im Spruchpunkt a) die beantragte Zulassung einer Ausnahme von den gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen und im Spruchpunkt b) die Berufung der Beschwerdeführer abgewiesen. Eine besondere Lage des Baugrundstückes sei nicht gegeben. Es handle sich zwar um ein ungünstig geformtes Grundstück im Ausmaß von 237 m2, welches trapezartig an die Bauparzelle, auf welcher sich das Wohnhaus der Beschwerdeführer befinde, anschließe. Es lägen aber keine besonderen Gründe dafür vor, die eine Abstandsnachsicht rechtfertigen könnten, da bereits durch das bestehende Wohnhaus eine zweckmäßige Bebauung vorliege und nicht einzusehen sei, weshalb die Erstellung eines weiteren Baukörpers unmittelbar an der Grundgrenze zweckmäßiger sein solle, daß die Interessen der Nachbarn hintangestellt werden könnten. In diesem Zusammenhang verwies die Berufungsbehörde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. April 1977, Zl. 618/76, wonach § 6 Abs. 9 des Baugesetzes keinesfalls so ausgelegt werden dürfe, daß zu Lasten der Nachbarn jede beliebige größere Ausnutzung eines Bauplatzes zulässig wäre.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung, in der sie die Auffassung vertreten, die Nachbarn würden durch das neue Gebäude im Verhältnis zum alten weniger in ihren Interessen beeinträchtigt. Da es sich um einen Umbau handle, hätte die Behörde nur die Frage der Beeinträchtigung der Interessen des Brandschutzes im Hinblick auf die neu verwendeten Baumaterialien prüfen dürfen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 16. September 1982, Slg. Nr. 10815/A). Es sei keine größere Ausnützung des Bauplatzes erfolgt, sondern ein kleineres Gebäude errichtet worden.
Mit Bescheid vom 17. Juli 1990 hat die belangte Behörde der Vorstellung der Beschwerdeführer keine Folge gegeben. Wesentlich sei, daß die Beschwerdeführer das Dach des Anbaues derart ausgestaltet hätten, daß es begehbar und funktionsmäßig zu einer Terrasse gemacht worden sei, die zusätzliche Aufenthaltsmöglichkeiten schaffe und eine verstärkte Einsehbarkeit des Nachbargrundstückes bewirke. Ferner werde von den Beschwerdeführern konzediert, daß im Zubau keine Hühner mehr untergebracht seien, sondern dieser als Abstellraum benützt werde. Die Baubehörde sei berechtigt, die beantragte Ausnahmebewilligung ohne Einschaltung des Gemeindevorstandes abzulehnen. Die Zulassung einer Ausnahme liege im Ermessen der Behörde, ein Rechtsanspruch auf ihre Erwirkung bestehe nicht. Die erforderliche Zustimmung durch den Gemeindevorstand sei nicht erteilt worden. Die Beschwerdeführer seien daher in ihren Rechten durch die Baubehörde nicht verletzt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 6 Abs. 9 des Baugesetzes (BauG), Vorarlberger LGBl. Nr. 39/1972, lautet:
"(9) Wegen der besonderen Form oder Lage des Baugrundstückes oder aus Gründen einer zweckmäßigeren Bebauung kann die Behörde mit Genehmigung des Gemeindevorstandes von den in den Abs. 2 bis 8 vorgeschriebenen Abstandsflächen und Abständen Ausnahmen zulassen, wenn dadurch die Interessen des Brandschutzes, der Gesundheit sowie des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes nicht beeinträchtigt werden."
Die Beschwerdeführer machen - wie schon im Verwaltungsverfahren, so auch in ihrer Beschwerde - geltend, sie hätten lediglich anstelle des früheren "Holzhühnerstalles" einen neuen Hühnerstall in Ziegelbauweise errichtet, der in seinen Ausmaßen kleiner als der frühere sei. Es handle sich um einen Umbau und die Behörden hätten nicht neuerlich prüfen dürfen, ob die Voraussetzungen für die Abstandsnachsicht gegeben seien, sondern sich auf die Frage der Beeinträchtigung der Interessen des Brandschutzes beschränken müssen.
Gemäß § 2 lit. l des BauG ist ein Umbau im Sinne dieses Gesetzes die wesentliche Umgestaltung des Inneren oder Äußeren eines Gebäudes oder die Niederreißung ganzer Geschosse eines Gebäudes oder eines selbständig benützbaren Gebäudeteiles und die Errichtung neuer Geschosse an deren Stelle. Demgegenüber haben die Beschwerdeführer - wie sie nicht bestreiten- den Holzhühnerstall zur Gänze abgerissen und ein neues Bauwerk an dessen Stelle gesetzt. Schon deshalb liegt kein Umbau im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung vor. Wenn die Beschwerdeführer weiters unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1982, Slg. Nr. 10815/A, die Auffassung vertreten, die Behörde hätte (nur) zu beurteilen, ob der "Umbau" gegenüber dem früheren Bauwerk in höherem Maße die Interessen des Brandschutzes, der Gesundheit sowie des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes beeinträchtige, so verkennen sie, daß mit dem Abbruch des Holzhühnerstalles auch ein allenfalls diesbezüglich bestandener (von den Beschwerdeführern jedenfalls stillschweigend unterstellter) Baukonsens einschließlich einer allenfalls im Sinne des § 6 Abs. 9 BauG erteilten Nachsicht untergegangen ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Dezember 1979, Zl. 1559/77, und vom 13. Dezember 1990, Zl. 90/06/0008), weshalb im Beschwerdefall das Vorliegen der Nachsichtsvoraussetzungen ohne Beschränkung auf die von den Beschwerdeführern genannten (Teil-)Interessen zu prüfen war.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 14. Jänner 1987, Zl. 86/06/0072, BauSlg. Nr. 844, unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 19. April 1977, Zl. 1618/76, in diesem Zusammenhang ausgeführt, daß die Bestimmung des § 6 Abs. 9 BauG keineswegs so ausgelegt werden darf, daß zu Lasten des Nachbarn jede beliebige größere Ausnutzung des Bauplatzes zulässig wäre.
Die von der belangten Behörde gebilligte Ansicht der Gemeindebehörde, daß die ungünstige trapezförmige Form des Grundstückes allein noch nicht zur Erteilung der Nachsicht berechtigt, trifft nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes zu, wenn - wie hier - für den vom Beschwerdeführer stets in den Vordergrund gerückten (künftigen) Verwendungszweck des Bauwerkes als Hühnerstall im Planausmaß von 3,80 x 2,80 m eine Grundfläche zur Verfügung steht, die - den insoweit unwidersprochen gebliebenen Sachverhaltsfeststellungen des Berufungsbescheides zufolge - ein Ausmaß von 237 m2 aufweist. Es ist bei dieser Sachlage unerfindlich, durch welchen Umstand die Beschwerdeführer gehindert sein sollten, einen derartigen Hühnerstall unter Einhaltung der Abstandsflächen auf ihrem Grundstück zu errichten. Ebensowenig haben die Beschwerdeführer Umstände geltend gemacht, aus denen die Begehbarkeit des (derzeit als Abstellraum verwendeten) Hühnerstalls vom Wohnhaus erforderlich wäre. Der Verwaltungsgerichtshof kann - im Hinblick auf die von den Beschwerdeführern selbst zugestandene Lärm- und Geruchsentwicklung, die im Falle einer widmungsgemäßen Verwendung des Gebäudes entstünde - solche Gründe auch nicht erkennen.
Da somit eine Beeinträchtigung der Bebaubarkeit des Grundstückes der Beschwerdeführer mit einem Bauwerk im Ausmaß von 3,80 x 2,80 m unter Einhaltung der Abstandsflächen nicht vorliegt, fehlt es an einer Grundvoraussetzung zur Anwendung des § 6 Abs. 9 BauG. Es kann daher auf sich beruhen, ob und inwieweit die Beeinträchtigung von Nachbarinteressen dadurch, daß die Beschwerdeführer auf dem Gebäude eine begehbare Dachterrasse mit Geländer errichtet haben, bei der Ermessensübung im Sinne des § 6 Abs. 9 BauG ins Gewicht fiele, da die Anwendung dieser Bestimmung unter den Umständen des Beschwerdefalles nicht in Betracht kommt.
Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Baubewilligung BauRallg6European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990060126.X00Im RIS seit
27.06.2001Zuletzt aktualisiert am
14.10.2010