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L37134 Abfallabgabe Müllabgabe Sonderabfallabgabe SondermüllabgabeNorm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde der Marktgemeinde Schwertberg, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 27. April 1989, Zl. Gem-6499/34-1989-Keh, betreffend Kanalanschlußgebühr (mitbeteiligte Partei: T in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in M), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Theresia Resch Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 25. Juni 1981 wurde der Mitbeteiligten unter Hinweis darauf, daß ihre Liegenschaft in Schwertberg, Z-Straße 10, im März 1981 an die gemeindeeigene Ortskanalisationsanlage angeschlossen worden sei, auf Grund der Bestimmungen des § 5 der Kanalgebührenordnung der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 20. Juni 1975 die Anschlußgebühr einschließlich Umsatzsteuer in Höhe von S 79.266,60 festgesetzt. Unter Berücksichtigung von Vorauszahlungen verbleibe noch ein Restbetrag von S 69.266,60.
Dagegen erhob die Mitbeteiligte Berufung, und zwar im wesentlichen mit der Begründung, es sei unrichtig, daß die genannte Liegenschaft im März 1981 an die gemeindeeigene Ortskanalisationsanlage angeschlossen worden sei, da dies bis heute nicht erfolgt sei. Weiters sei die Mitbeteiligte zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides nicht mehr Grundstückseigentümerin gewesen; sie habe die Liegenschaft schon vor diesem Zeitpunkt verkauft, wobei die grundbücherliche Eintragung des Eigentümerwechsels bereits am 25. Mai 1981 erfolgt sei.
Mit Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 24. November 1983 (erster Berufungsbescheid) wurde der Bescheid des Bürgermeisters vom 25. Juni 1981 bestätigt. Im Ermittlungsverfahren sei festgestellt worden, daß die Mitbeteiligte im Herbst des Jahres 1980 den Anschluß der Kläranlage des genannten Hauses an den Hausanschlußschacht vollzogen habe und damit die Abwassereinleitung in die gemeindeeigene Abwasserbeseitigungsanlage vor dem 31. Dezember 1980 vollzogen gewesen sei.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 14. Jänner 1985 (erster Vorstellungsbescheid) wurde der dagegen erhobenen Vorstellung der Mitbeteiligten Folge gegeben, der angefochtene Bescheid des Gemeinderates vom 24. November 1983 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Marktgemeinde verwiesen; dies im wesentlichen mit der Begründung, den Gemeindebehörden sei es nicht gelungen, den Zeitpunkt des Anschlusses der Liegenschaft an die gemeindeeigene Kanalisationsanlage festzustellen sowie den "Beweis" dafür zu erbringen, daß die Mitbeteiligte zum Zeitpunkt des Anschlusses Eigentümerin des Objektes gewesen sei.
Mit Bescheid des Gemeinderates vom 18. November 1985 (zweiter Berufungsbescheid) wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 25. Juni 1981 abermals als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides heißt es im wesentlichen, auf Grund dort näher genannter Beweismittel stehe nunmehr fest, daß die Mitbeteiligte mit Kaufvertrag vom 15. April 1981 ihr Alleineigentum an der genannten Liegenschaft der Firma H-GmbH veräußert habe. Deren Eigentumsrecht sei am 25. Mai 1981 grundbücherlich einverleibt worden. Der tatsächliche Anschluß der Liegenschaft an die Kanalisationsanlage sei vor dem 1. Mai 1981 erfolgt.
Mit Bescheid vom 10. September 1986 (zweiter Vorstellungsbescheid) gab die belangte Behörde der auch dagegen erhobenen Vorstellung abermals Folge, hob den Bescheid des Gemeinderates vom 18. November 1985 auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Marktgemeinde. Abermals führte die belangte Behörde in der Begründung dieses Bescheides im wesentlichen aus, ein "schlüssiger, endgültiger und einwandfreier Nachweis" dafür, daß der Anschluß der gegenständlichen Liegenschaft noch vor Eigentumsübergang hergestellt worden sei, habe nicht erbracht werden können.
Mit Bescheid des Gemeinderates vom 11. Juni 1987 (dritter Berufungsbescheid) wurde die Berufung der Mitbeteiligten abermals als unbegründet abgewiesen. Auf Grund des zweiten Vorstellungsbescheides habe der Gemeinderat das Ermittlungsverfahren fortgeführt und dabei weitere im einzelnen genannte Beweismittel erhoben. Insbesondere unter Berücksichtigung dieser Beweismittel stehe nunmehr fest, daß der Anschluß, also die Herstellung einer bisher nicht bestandenen Verbindung zwischen dem gemeindeeigenen Kanalnetz und den Einrichtungen der betreffenden Liegenschaft zur Ableitung der Abwässer, im September 1980 erfolgt sei.
Auch dagegen erhob die Mitbeteiligte Vorstellung.
Mit Bescheid vom 6. Juni 1988 (dritter Vorstellungsbescheid) gab die belangte Behörde auch dieser Vorstellung Folge, hob den Bescheid des Gemeinderates vom 11. Juni 1987 auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Marktgemeinde. Dies im wesentlichen mit der Begründung, in diesem Vorstellungsverfahren seien weitere Beweise aufgenommen und zwar die Herren R, A, H und O als Zeugen befragt worden.
Weiters heißt es in der Begründung dieses Bescheides wörtlich:
"Konnte in den bisherigen Verfahren nicht ausreichend geklärt werden, wer zum Zeitpunkt der Herstellung des Kanalanschlusses für die Liegenschaft Schwertberg, Z-Straße 10, Eigentümer der Liegenschaft war, so kann nunmehr als erwiesen angenommen werden, daß die Vorstellungswerberin zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Liegenschaftseigentümer war. Dies ergibt sich aus der Tatsache, daß die Marktgemeinde Schwertberg - wie die angeführten Zeugen glaubwürdig und übereinstimmend aussagten - an Herrn H jedenfalls ein Schriftstück betreffend die Vorschreibung der Kanalanschlußgebühr gesandt hat. Dies wird auch von Herrn H in seiner Aussage vom 28. Oktober 1987 bestätigt; ob dies ein förmlicher Bescheid war, kann nicht mehr mit Sicherheit festgestellt werden, ist aber für den gegebenen Zusammenhang insofern unerheblich, weil dieses Schriftstück lediglich zum Beweis dafür herangezogen wird, daß es die Marktgemeinde Schwertberg als gegeben angesehen hat, daß Herr H Eigentümer der Liegenschaft zum Zeitpunkt der Herstellung des Kanalanschlusses und damit gebührenpflichtig war. Im übrigen hat auch der Amtsleiter der Marktgemeinde Schwertberg - wie aus dem Auszug aus der Verhandlungsschrift über die Gemeinderatssitzung vom 14. November 1985 zu ersehen ist - in dieser Sitzung auf Anfrage erklärt, 'daß wohl an Herrn H ein Bescheid ergangen ist, der jedoch von der Gemeinde wieder zurückgezogen wurde'. Alle diese Aussagen lassen es als erwiesen erscheinen, daß die Gemeinde Herrn H als Abgabenschuldner ansah, woraus geschlossen werden kann, daß der Abgabentatbestand - nämlich die Herstellung des Kanalanschlusses - zu einem Zeitpunkt verwirklicht wurde, zu dem schon Herr H Eigentümer der Liegenschaft war. Die Vorschreibung der Kanalanschlußgebühr an Frau T erfolgte daher nicht zu Recht, weshalb der angefochtene Bescheid aufzuheben war."
Dieser Bescheid erwuchs ebenso wie alle vorangegangenen Vorstellungsbescheide unangefochten in Rechtskraft.
Dessen ungeachtet wies der Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde mit Bescheid vom 17. November 1988 (vierter Berufungsbescheid) die Berufung der Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 25. Juni 1981 abermals als unbegründet ab. Dies im wesentlichen mit der Begründung, die Auffassung der Vorstellungsbehörde könne nicht geteilt werden, da der zugegebenermaßen unglückliche und auch nicht rechtskonforme Versuch, die Anschlußgebühr bei dem Liegenschaftserwerber H-GmbH einzutreiben, keinen Rückschluß auf den Zeitpunkt des Kanalanschlusses zulasse. Ob dieses Schriftstück Herrn H tatsächlich zugestellt worden sei, sei nicht einwandfrei erwiesen. Auch werde von den Zeugen angeführt, daß Herr H zur Gebührenzahlung herangezogen werden sollte.
Liegenschaftserwerber sei jedoch die H-GmbH. Auch daß Herr H gegen die versuchte Vorschreibung der Kanalanschlußgebühr energisch protestiert habe und die Gemeinde darauf laut Aussage des Amtsleiters den Einhebungsversuch sofort zurückgezogen habe, zeige, wie untauglich dieser Versuch offensichtlich gewesen sei und daß die Gemeinde die H-GmbH nicht als Abgabenschuldner habe ansehen dürfen. Es könne somit daraus nicht gefolgert werden, daß der Abgabentatbestand - nämlich die Herstellung des Kanalanschlusses - zu einem Zeitpunkt verwirklicht worden sei, zu dem schon die H-GmbH Eigentümerin der Liegenschaft gewesen sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 27. April 1989 (vierter Vorstellungsbescheid) gab die belangte Behörde der dagegen neuerlich erhobenen Vorstellung der Mitbeteiligten abermals Folge, hob den Bescheid des Gemeinderates vom 6. Dezember 1988 auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Marktgemeinde. Dies im wesentlichen mit der Begründung, gemäß § 102 Abs. 5 der O.ö. Gemeindeordnung 1979 sei die Gemeinde nach Aufhebung eines Bescheides durch die Aufsichtsbehörde bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden. Der Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde hätte daher auf Grund der Vorstellungsentscheidung vom 6. Juni 1988 den Bescheid des Bürgermeisters vom 25. Juni 1981 aufheben müssen.
Diesen Bescheid bekämpfte die beschwerdeführende Marktgemeinde zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof, der jedoch mit Beschluß vom 27. November 1989, B 762/89-3, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die beschwerdeführende Marktgemeinde nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens in ihrem Recht verletzt, daß der Bescheid ihres Gemeinderates vom 17. November 1988 nicht aufgehoben werde. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde sowie die Mitbeteiligte erstatteten je eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 1 des Oberösterreichischen Interessentenbeiträge-Gesetzes 1958, LGBl. Nr. 28, idF LGBl. Nr. 57/1973 (IBG), werden die Gemeinden ermächtigt, auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung folgende Interessentenbeiträge von Grundstückseigentümern und Anrainern zu erheben:
a) den Beitrag zu den Kosten der Errichtung einer gemeindeeigenen Kanalisationsanlage - Kanal-Anschlußgebühr;
...
Nach Abs. 4 dieser Gesetzesstelle in der genannten Fassung werden die Interessentenbeiträge mit dem Anschluß an die gemeindeeigene Anlage (Einrichtung) gemäß Abs. 1 lit. a ... fällig.
Nach § 1 der auf Grund des IBG und des "§ 14 Abs. 3, lit. des Finanzausgleichsgesetzes 1973" erlassenen Kanalgebührenordnung für die Marktgemeinde Schwertberg vom 20. Juni 1975 wird für den Anschluß von Grundstücken an das gemeindeeigene öffentliche Kanalnetz eine Kanalanschlußgebühr erhoben. Gebührenpflichtig ist der Eigentümer der angeschlossenen Grundstücke. Nach § 5 Abs. 1 der Kanalgebührenordnung wird die Kanalanschlußgebühr mit dem Anschluß eines Grundstückes an das gemeindeeigene öffentliche Kanalnetz fällig; geleistete Vorauszahlungen im Sinne des § 4 sind anzurechnen.
Zutreffend gehen die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens davon aus, daß es für die Verpflichtung der Mitbeteiligten zur Entrichtung einer Kanalanschlußgebühr darauf ankam, ob sie zum Zeitpunkt des Anschlusses ihrer Liegenschaft an die gemeindeeigene Kanalisationsanlage Eigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft war oder nicht (vgl. hiezu auch die hg. Erkenntnisse vom 27. September 1985, Zl. 85/17/0038, und vom 5. April 1991, Zl. 86/17/0155).
Gemäß § 102 Abs. 5 der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Oberösterreichischen Gemeindeordnung 1979, LGBl. Nr. 119, hat die Aufsichtsbehörde, sofern die Vorstellung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen. Die Gemeinde ist bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden.
Strittig ist im Beschwerdefall lediglich der Umfang der durch den dritten Vorstellungsbescheid vom 6. Juni 1988 für das fortgesetzte Verfahren vor den Gemeindebehörden entfalteten Bindungswirkung.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hiezu unter anderem die Erkenntnisse vom 1. Juli 1980, Zl. 3341/79, vom 16. Dezember 1983, Zl. 17/0600/79, vom 24. Februar 1984, Zl. 83/17/0147, vom 22. Jänner 1988, Zl. 85/17/0036, und vom 25. Jänner 1991, Zl. 89/17/0111, sowie die dort jeweils angeführte weitere Rechtsprechung) sind an einen nichtangefochtenen, aufhebenden Bescheid der Vorstellungsbehörde sowohl die Gemeinde als in der Folge auch die Vorstellungsbehörde und der Verwaltungsgerichtshof gebunden, und zwar nicht nur etwa an den Spruch, sondern auch an die diesen Spruch tragenden Gründe im Umfang der dort ausdrücklich geäußerten Rechtsansicht der Vorstellungsbehörde, mag diese auch noch so verfehlt sein (vgl. hiezu auch das Erkenntnis vom 27. November 1972, Slg. Nr. 8325/A). Diese Bindungswirkung tritt (lediglich) dann nicht ein, wenn eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes oder der Rechtslage erfolgt ist (Erkenntnisse vom 16. November 1970, Slg. Nr. 7912/A, vom 20. November 1984, Zl. 84/05/0083, und vom 10. November 1989, Zl. 85/17/0109, sowie die dort angeführte weitere Rechtsprechung).
Gegen die Annahme einer Bindung an die im dritten Vorstellungsbescheid vom 6. Juni 1988 geäußerte Rechtsauffassung der belangten Behörde wendet die beschwerdeführende Marktgemeinde zunächst ein, die Würdigung der einem von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu erlassenden Bescheid zugrunde liegenden Beweismittel stehe lediglich den "frei gewählten, demokratisch legitimierten Gemeindeorganen" zu. Diese Auffassung erweist sich als unzutreffend.
Der Vorstellungsbehörde steht es nämlich zu, zur Erfüllung ihrer Aufgabe, den vor ihr angefochtenen Bescheid der Gemeindebehörde auf seine Übereinstimmung mit der Rechtsordnung insoweit zu prüfen, ob er subjektive Rechte des Vorstellungswerbers verletzt, durch eigene Ermittlungen den Sachverhalt klarzustellen. Eine Bindung der Vorstellungsbehörde an die Sachverhaltsannahme der Gemeindebehörde besteht NICHT (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 20. Jänner 1984, Zl. 83/17/0173, und vom 14. August 1991, Zl. 91/17/0061, weiters das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. Juni 1987, Zlen. 83/05/0146 und 83/05/0147, sowie die dort jeweils angeführte weitere Rechtsprechung). Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich daher der von der beschwerdeführenden Marktgemeinde ins Treffen geführten, gegenteilige Rechtsansicht von Oberndorfer, Die Vorstellung gemäß Art. 119a Abs. 5 B-VG und ihre Ausführung durch § 102 der oberösterreichischen Gemeindeordnung 1965, ÖJZ 1966, Seite 228 ff, 233, nicht anzuschließen (gegen Oberndorfer auch Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, S. 234, sowie Berchtold, Gemeindeaufsicht, in: Das Österreichische Gemeinderecht, II. Band, 314, 2. Lieferung Grundwerk, S. 45).
Im Beschwerdefall kommt weiters noch hinzu, daß die beschwerdeführende Marktgemeinde auch die oben wiedergegebenen FESTSTELLUNGEN im dritten Vorstellungsbescheid vom 6. Juni 1988 hinsichtlich der Übersendung eines Schriftstückes betreffend die Vorschreibung der Kanalanschlußgebühr an H unbekämpft gelassen hat und auch im vorliegenden Verfahren nicht in Zweifel zieht. Der von der Vorstellungsbehörde aus den genannten Feststellungen gezogene Schluß, die Mitbeteiligte sei zum Zeitpunkt der Herstellung des Kanalanschlusses nicht mehr Liegenschaftseigentümerin gewesen, stellt sich jedoch als ein Akt der rechtlichen Beurteilung dar, der im Sinne obiger Ausführungen auch für den Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde Bindungswirkung entfaltet hat. Dies ungeachtet des Umstandes, daß die Vorstellungsbehörde in dem erwähnten dritten Vorstellungsbescheid die Wendung gebrauchte, es könne nunmehr als "ERWIESEN" angenommen werden, daß die Mitbeteiligte zu dem genannten Zeitpunkt nicht mehr Liegenschaftseigentümerin gewesen sei. Denn auch die Frage der Eigentümereigenschaft einer bestimmten Person in Hinsicht auf eine bestimmte Sache zu einem bestimmten Zeitpunkt stellt sich in Wahrheit als RECHTSFRAGE dar, die vom Rechtsanwender auf Grund des festgestellten Sachverhaltes zu lösen ist. Ob diese Rechtsfrage von der Vorstellungsbehörde in ihrem Vorstellungsbescheid vom 6. Juni 1988 in zutreffender Weise gelöst wurde oder nicht, ist im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht mehr von rechtlicher Bedeutung.
Im übrigen vermag der Verwaltungsgerichtshof auch der Rechtsauffassung der beschwerdeführenden Gemeinde, eine Bindung der Gemeindebehörden an den von der Aufsichtsbehörde zusätzlich erhobenen SACHVERHALT bestehe nicht, in dieser Allgemeinheit nicht zu teilen. Vielmehr ist die Gemeinde an den von der Aufsichtsbehörde festgestellten Sachverhalt insoweit gebunden, als dieser die Grundlage der rechtlichen Beurteilung der Aufsichtsbehörde bildet. Von einer "Vorwegnahme der freien Beweiswürdigung" seitens der Gemeindebehörden durch die Vorstellungsbehörde kann daher keine Rede sein.
Die hier vertretene Rechtsauffassung widerspricht auch nicht dem von der beschwerdeführenden Gemeinde herangezogenen, im Art. 119a Abs. 5 B-VG vorgegebenen Prinzip der Kassation rechtswidriger gemeindebehördlicher Bescheide. Die Befugnis der Aufsichtsbehörde zur selbständigen Feststellung des Sachverhaltes ändert nämlich nichts daran, daß sie lediglich zur Aufhebung, nicht aber zur Abänderung der gemeindebehördlichen Bescheide befugt ist.
Auch der Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 23. September 1968, Slg. Nr. 7408/A, wonach bei der Erlassung eines Ersatzbescheides die Behörde an einen vom VERWALTUNGSGERICHTSHOF unrichtig angenommenen Sachverhalt nicht gebunden ist, vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren über eine Bescheidbeschwerde unterscheidet sich vom Vorstellungsverfahren unter anderem eben dadurch, daß dem Verwaltungsgerichtshof die selbständige Feststellung des Sachverhaltes verwehrt ist (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seiten 550 f, angeführte Rechtsprechung).
Die belangte Behörde hat daher in nicht rechtswidriger Weise den vierten Berufungsbescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 6. Dezember 1988 wegen Außerachtlassung der oben dargestellten Bindungswirkung aufgehoben. Es ist ihr auch in diesem Umfang kein Begründungsmangel unterlaufen, sodaß die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auch auf Abs. 3 der genannten Gesetzesstelle in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Das Mehrbegehren der Mitbeteiligten war abzuweisen; die Umsatzsteuer ist im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten.
Schlagworte
Verhältnis zu anderen Materien und Normen Gemeinderecht VorstellungInhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der VorstellungsbehördeBindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde ErsatzbescheidAngenommener Sachverhalt (siehe auch Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein und Sachverhalt Verfahrensmängel)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1989170245.X00Im RIS seit
24.11.2000Zuletzt aktualisiert am
03.05.2012