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90/02 Kraftfahrgesetz;Norm
KDV 1967 §30 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde der H L in H, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 10. Juni 1991, Zl. I/7-St-L-89176/1, betreffend Befristung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 10. Juni 1991 wurde die Lenkerberechtigung der Beschwerdeführerin für Kraftfahrzeuge der Gruppe B gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 bis 11. September 1991 befristet. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides hielt die belangte Behörde die Befristung der Lenkerberechtigung der Beschwerdeführerin deshalb für geboten, weil eine Überprüfung ihrer kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit zum Teil bereits grenzwertige Leistungen ergeben habe und eine weitere Verschlechterung infolge ihres Gesundheitszustandes zu befürchten sei. Zweck der Befristung sei es, ein allfälliges weiteres Absinken ihrer Leistungsfähigkeit kontrollieren zu können.
Die Beschwerdeführerin hält die ausgesprochene Befristung u. a. deshalb für rechtswidrig, weil der festgestellte Sachverhalt dafür nicht ausreiche, insbesondere stehe nicht fest, daß sie ab dem 11. September 1991 zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht mehr geeignet sein werde. Der Amtssachverständige habe lediglich ein Absinken der Leistungsparameter nicht mit Sicherheit ausschließen können.
Die Befristung einer Lenkerberechtigung kommt gemäß § 73 Abs. 1 letzter Halbsatz KFG 1967 dann in Betracht, wenn die geistige oder körperliche Eignung einer Person nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und Nachuntersuchungen erforderlich sind (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1987, Zl. 87/11/0148, vom 1. März 1988, Zl. 87/11/0193, und vom 8. November 1988, Zl. 88/11/0149).
Die ärztliche Amtssachverständige der Erstbehörde hielt in ihrem Gutachten vom 11. September 1990 abschließend fest, bei der Beschwerdeführerin sei "eine auf ein Jahr befristete Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B festzustellen" und es wäre "in einem Jahr ein neuerliches Gutachten der Psychiatrischen Universitätsklinik vorzulegen". Maßgebend hiefür waren für die Sachverständige zum einen die bei der Beschwerdeführerin festgestellten Erkrankungen ("bilaterale Stammganglienverkalkung im Sinne eines Morbus Fahr", "Cirrhosis hepatis", "rezidivierende Gastro-Duodenitis") und zum anderen das Ergebnis einer Untersuchung der Beschwerdeführerin durch die Psychiatrische Universitätsklinik in Wien. In dem darüber erstellten Befund vom 6. August 1990 heißt es hinsichtlich der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin, es seien "testpsychologische Scores erhebbar, die eine Beeinträchtigung der Reaktionssicherheit nicht ausschließen lassen", weshalb die Beschwerdeführerin nur bedingt geeignet sei und vorerst eine einjährige Befristung ihrer Lenkerberechtigung empfohlen werde. Der im Berufungsverfahren beigezogene ärztliche Amtssachverständige führte (nach der Aktenlage auf dem Boden der im Akt erliegenden Befunde und Gutachten) in seiner Stellungnahme vom 2. April 1991 dazu aus: "Infolge der bestehenden Leberzirrhose ist wegen der dadurch möglichen metabolischen Störungen des Gehirnstoffwechsels eine Beeinträchtigung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit zu befürchten. Da beim letzten Test der Psych. Universitätsklinik schon grenzwertige diesbezügliche Leistungen erhoben wurden, ist eine Befristung unbedingt erforderlich, um ein weiteres Absinken kontrollieren zu können". Der Verwaltungsgerichtshof vermag der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie sich bei dieser Beweislage der Ansicht der ärztlichen Amtssachverständigen angeschlossen hat, bei der Beschwerdeführerin sei auf Grund ihres Gesundheitszustandes eine relevante Beeinträchtigung ihrer kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit zu befürchten und es bedürfe daher einer Kontrolle in einem Jahr, gerechnet ab Erstellung des ärztlichen Gutachtens vom 11. September 1990. Diese ärztliche Beurteilung steht insbesondere nicht, wie die Beschwerdeführerin meint, im Widerspruch zu den von ihr im erstinstanzlichen Verfahren beigebrachten Privatgutachten ("Nervenärztlicher Befund und Gutachten" vom 3. Oktober 1989 und "Neurochirurgische Stellungnahme" vom 10. November 1989). Denn diese befassen sich nicht mit der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin und der Möglichkeit deren Beeinträchtigung durch metabolische Störungen des Gehirnstoffwechsels auf Grund der bestehenden Leberzirrhose, weshalb es auch nicht der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens bedurfte. In der Frage der möglichen künftigen Beeinträchtigung ihrer kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit im Sinne des § 30 Abs. 1 zweiter Satz KDV 1967 - sie betrifft die geistige und körperliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Februar 1989, Zl. 88/11/0035) - ist die Beschwerdeführerin den gutächtlichen Stellungnahmen der ärztlichen Amtssachverständigen tatsächlich nie auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.
Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin ist eine Befristung der Lenkerberechtigung nicht nur dann zulässig, wenn bereits feststeht, daß nach dem Ende der vorgesehenen Frist die geistige oder körperliche Eignung des Betreffenden zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht mehr gegeben sein werde. Vielmehr genügt dazu bereits, daß nach den konkreten Umständen die Möglichkeit einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes mit der Folge des Wegfalles der geistigen oder körperlichen Eignung nicht ausgeschlossen werden kann. Es liegt im Interesse der Verkehrssicherheit, in einem solchen Fall die Eignung nur mehr für eine bestimmte Zeit anzunehmen und die Beurteilung ihres Vorliegens für die Zeit danach vom Ergebnis von Nachuntersuchungen abhängig zu machen (vgl. die erwähnten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1987, Zl. 87/11/0148, und vom 1. März 1988, Z. 87/11/0193).
Nicht berechtigt ist schließlich das Vorbringen, wenn überhaupt hätte der Beschwerdeführerin lediglich die "Auflage" erteilt werden dürfen, ihre Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen in bestimmten zeitlichen Abständen feststellen zu lassen. Wie der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich derartiger Vorschreibungen bereits wiederholt ausgesprochen hat, können sie nicht als die Lenkerberechtigung einschränkende Auflagen im Sinne des § 73 Abs. 1 KFG 1967 gewertet werden, vielmehr würde damit dem Betreffenden ein Verhalten vorgeschrieben, welches sich nicht unmittelbar auf die Ausübung der Lenkerberechtigung bezieht (vgl. auch dazu das Erkenntnis vom 8. November 1988, Zl. 88/11/0149, mit weiteren Judikaturhinweisen). Im übrigen wird auf die oben erwähnte Rechtsprechung hingewiesen, wonach dann, wenn die geistige und körperliche Eignung einer Person nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und Nachuntersuchungen erforderlich sind, nach dem letzten Satz des § 73 Abs. 1 KFG 1967 ihre Lenkerberechtigung entsprechend zu befristen ist.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991110102.X00Im RIS seit
12.06.2001