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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §472;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde der U in G, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 2. Juli 1990, Zl. 3-30 G 242-90/33, betreffend wasserrechtliche Entschädigung (mitbeteiligte Parteien: E und P in B, beide vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in G), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid vom 30. November 1988 hatte der im Devolutionsweg zur Entscheidung über die Berufung der nunmehrigen Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg (BH) vom 5. März 1986 zuständig gewordene Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft unter Spruchpunkt I. zugunsten des der Wasserversorgung der Beschwerdeführerin auf dem Grundstück 524, dienenden Brunnens ein engeres und ein erweitertes Schutzgebiet bestimmt und für jedes dieser Schutzgebiete eine Reihe von Schutzanordnungen getroffen. Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides waren die von den am verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligten Parteien (mP) gegen die Schutzgebiete und -anordnungen geltend gemachten Einwendungen abgewiesen worden, "wobei jedoch das Verfahren über die ihnen dafür allenfalls gebührende Entschädigung nach § 38 AVG 1950 ausgesetzt wird und der Abspruch darüber gemäß § 117 Abs. 2 WRG 1959 einem eigenen erstinstanzlichen Nachtragsverfahren vorbehalten bleibt".
2. Die von den mP gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof war von diesem mit Beschluß vom 25. April 1989, Zlen. 89/07/0017, 0018, infolge Fehlens der Möglichkeit der Verletzung der vom Beschwerdepunkt umfaßten subjektiven Rechte der Beschwerdeführer als unzulässig zurückgewiesen worden.
3. Unter dem Datum 15. März 1990 erließ die BH, gestützt auf die § 34 Abs. 1 und 4, § 98 und § 102 Abs. 1 lit. b und 3 WRG 1959, einen Bescheid, mit dem sie den Antrag der mP vom 6. Juli 1989 auf Einleitung des Nachtragsverfahrens gemäß § 117 Abs. 2 und § 34 Abs. 4 WRG 1959 und Zuerkennung einer Sachentschädigung in Form der Schaffung eines Weges über das Grundstück 524, durch die Beschwerdeführerin, die zum Ersatz des den mP zugefügten Schadens verpflichtet sei, als unzulässig zurückwies.
4. Der dagegen von den mP erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Steiermark (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 2. Juli 1990 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 Folge und behob den erstinstanzlichen Bescheid.
Begründend bezog sich die belangte Behörde zunächst auf Spruchpunkt II. des Ministerialbescheides vom 30. November 1988 (siehe oben I.1.) und führte dann folgendes aus: Der der materiellen Rechtskraft fähige Abspruch eines Bescheides bestehe aus dem Spruch in Verbindung mit der Begründung, insoweit sich aus ihr der von der Behörde angenommene maßgebende Sachverhalt, d.h. der als Anknüpfungspunkt für die rechtliche Beurteilung dienende Sachverhalt, ergebe (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, Slg. Nr. 10.074/A). In der Begründung des ministeriellen Bescheides (vom 30. November 1988) werde der Anspruch auf eine Entschädigung im vorliegenden Fall unabhängig von der Frage der Parteistellung für die mP bejaht. Offen sei lediglich das zivilgerichtliche Verfahren über den Bestand der Fahrservitut für die mP gewesen. Aus diesem Grund sei damals das Verfahren gemäß § 38 AVG 1950 bis zur rechtskräftigen Entscheidung hierüber ausgesetzt worden. Für den Fall des rechtskräftigen Abschlusses des zivilgerichtlichen Verfahrens und des Feststellens der Fahrservitut für die mP sei unter Spruchpunkt II. des genannten Ministerialbescheides der eindeutige Auftrag an die Wasserrechtsbehörde erster Instanz ergangen, ein Nachtragsverfahren im Sinne des § 117 Abs. 2 WRG 1959 durchzuführen und die Entschädigung für die mP durch Nachtragsbescheid festzusetzen. Die Erstinstanz habe mit ihrem Bescheid (vom 15. März 1990) diesem rechtskräftigen Auftrag nicht entsprochen, sondern eigene, dem Berufungsbescheid des Ministers entgegenstehende Rechtsansichten entwickelt. Die Erstbehörde habe sich solcherart über die rechtskräftige Entscheidung der Berufungsbehörde hinweggesetzt, anstatt richtigerweise infolge Bindungswirkung nach Vorliegen der Entscheidung über die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens über das Grundstück 524 (rechtskräftiges Urteil des BG Stainz C 104/85 vom 1. Februar 1988) über die Entschädigung für die mP im Sinne des ministeriellen Auftrages mittels Nachtragsbescheides zu erkennen. Der erstinstanzliche Bescheid sei daher zu beheben gewesen. Die Wasserrechtsbehörde erster Instanz werde nunmehr ein Entschädigungsverfahren durchzuführen haben.
5. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den Bescheid der belangten Behörde vom 2. Juli 1990 in ihrem Recht auf "Unterbleiben einer Sachentscheidung" (im vorliegenden Zusammenhang gemeint: auf Aufrechterhaltung der erstinstanzlichen Entscheidung vom 15. März 1990) verletzt. Sie behauptet Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und begehrt deshalb die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides.
6. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Die mP haben eine "Gegenausführung" erstattet und gleichfalls den Antrag gestellt, die Beschwerde abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Begründung des angefochtenen Bescheides spielt Spruchpunkt II. des Bescheides des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 30. November 1988 im Umfang des oben I.1. wörtlich wiedergegebenen Teiles ("wobei ... vorbehalten bleibt") die entscheidende Rolle, und zwar insofern, als die belangte Behörde daraus eine Bindung für die Wasserrechtsbehörde erster Instanz dergestalt ableitet, daß diese nach Vorliegen der gerichtlichen Entscheidung über das Bestehen einer Servitut des Gehens und Fahrens über das Grundstück 524 der Beschwerdeführerin zugunsten der mP in einem Nachtragsverfahren (§ 117 Abs. 2 WRG 1959) über die den mP (auf Grund der infolge der Schutzgebietsfestsetzung und der Schutzanordnungen nicht mehr möglichen Ausübung der Servitut) gebührende Entschädigung zu erkennen haben werde. Zusätzlich zu dem sich aus dem Spruchpunkt II. selbst ergebenden "eindeutigen Auftrag" an die Erstinstanz stützte die belangte Behörde ihre Rechtsansicht auch auf Begründungselemente des besagten Ministerialbescheides.
Demgegenüber vertritt die Beschwerde die Auffassung, daß dem Spruchpunkt II. in dem hier relevanten Umfang die von der belangten Behörde angenommene Bindungswirkung nicht entnommen werden könne, und daß auch die Begründung dieses Auslegungsergebnis nicht zu stützen vermöge bzw. diese nicht in der Weise, wie es die belangte Behörde getan habe, zur Interpretation des Spruches herangezogen werden dürfe.
2. Der Verwaltungsgerichtshof teilt zunächst die - insoweit übereinstimmende - Meinung der belangten Behörde und der Beschwerdeführerin, daß im Beschwerdefall das Ergebnis der Auslegung des Spruchpunktes II. (im bezeichneten Umfang) entscheidungsrelevant ist. Hinsichtlich der - zwischen den genannten Parteien (die mP hat sich der Ansicht der belangten Behörde angeschlossen) strittigen - Auslegung und deren Ergebnis hat sich der Verwaltungsgerichtshof von folgenden Überlegungen leiten lassen:
2.1. Was die Bezugnahme in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf das hg. Erkenntnis vom 21. März 1980, Slg. Nr. 10.074/A, anlangt, so verkennt die belangte Behörde - worauf die Beschwerde zutreffend hinweist -, daß jene Passage in der Begründung des Ministerialbescheides vom 30. November 1988, auf die sie sich zur Stützung ihrer Rechtsansicht beruft ("... so könnte über die Wallner wegen der nicht mehr möglichen Ausübung des Servitutsrechtes dem Grunde nach gebührende (Natural- oder Geld-)Entschädigung nicht bereits sofort entschieden werden ...") nicht maßgebender Sachverhalt, sondern eine - wie noch zu zeigen sein wird:
verfehlte - Rechtsmeinung darstellt, die von der Rechtskraft des Bescheides nicht mitumfaßt ist.
2.2. Der Spruchpunkt II. des Bescheides vom 30. November 1988 im hier bedeutsamen Umfang besteht aus zwei Teilen, und zwar erstens der Aussetzung des Entschädigungsverfahrens gemäß § 38 AVG bis - was im Spruch nicht gesagt wird und wofür ergänzend die Bescheidbegründung heranzuziehen ist - zum Vorliegen der gerichtlichen Entscheidung darüber, ob zugunsten der mP zu Lasten des Grundstückes 524 der Beschwerdeführerin eine Servitut des (Gehens und) Fahrens besteht, und zweitens der Aussage, daß die Durchführung des Entschädigungsverfahrens in Form eines Nachtragsverfahrens der Erstinstanz "vorbehalten bleibt".
Wesentlich und von der belangten Behörde nicht gebührend beachtet ist die Tatsache, daß die Aussetzung das Verfahren über die "allenfalls" gebührende Entschädigung betrifft. Dies ist für sich gesehen (aus dem Wortlaut bzw. aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang - § 6 ABGB) dahin zu verstehen, daß die Frage, ob und damit zwangsläufig auch in welcher Form, auf welche Art, in welcher Höhe und innerhalb welcher Frist (vgl. § 117 Abs. 1 zweiter Satz WRG 1959 idF Z. 4 der Novelle BGBl. Nr. 693/1988) den mP eine Entschädigung zustehe, bewußt offengelassen wurde. Mit diesem Verständnis voll in Einklang stehen die Ausführungen in der Begründung des Bescheides vom 30. November 1988 (Seite 7), in denen sich die Behörde mit der Frage befaßt, ob den mP (als Servitutsberechtigten) überhaupt die - für die Zuerkennung einer Entschädigung wesentliche - Stellung einer Partei zukomme, und diese Frage offengelassen wird. Der an die Anordnung der Aussetzung anknüpfende Spruchteil spricht aus, daß der Abspruch "darüber" einem erstinstanzlichen Nachtragsverfahren vorbehalten bleibe. Auch insoweit führt (bereits) die Wortinterpretation zu dem klaren Ergebnis, daß über die "allenfalls" gebührende Entschädigung ein solches Verfahren von der Erstinstanz durchzuführen sein werde, wobei dem Wesen der Aussetzung entsprechend nur die Fortsetzung des Entschädigungsverfahrens vor der Wasserrechtsbehörde erster Instanz nach Wegfall des Aussetzungsgrundes angesprochen wurde.
Es führt somit die am Wortlaut (an der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang) orientierte Auslegung des hier relevanten Inhaltes des Spruchpunktes II. des Ministerialbescheides vom 30. November 1988 für sich allein gesehen, also ohne daß es noch der Heranziehung einzelner Begründungselemente bedurfte, zu folgendem Ergebnis: Der Bescheidspruch enthält keine normative Aussage dahin gehend, daß den mP eine Entschädigung gebühre und daß die Erstinstanz in dem ihr vorbehaltenen Nachtragsverfahren bei ihrer Entscheidung von einem solchen für sie bindenden Abspruch auszugehen haben werde. Angesichts dieses im Wege der Interpretation des Spruches aus sich selbst gewonnenen Ergebnisses kommt dem Umstand, daß sich in der Begründung des Bescheides vom 30. November 1988 (Seite 8) ein Passus findet, aus dem die Ansicht der damaligen Berufungsbehörde ableitbar ist, es stehe den mP eine Entschädigung dem Grunde nach zu, keine wesentliche Bedeutung mehr zu, zumal diese Aussage, wie oben erwähnt, nicht der Rechtskraft teilhaftig ist und überdies auch zu dem Teil der Bescheidbegründung in Widerspruch steht, in dem die Parteistellung der mP in einem Entschädigungsverfahren offengelassen wurde.
3.1. Nach dem Gesagten kann weder davon gesprochen werden, daß sich, wie die belangte Behörde meinte, die Wasserrechtsbehörde erster Instanz mit ihrem Bescheid vom 15. März 1990 über die "rechtskräftige Entscheidung der Berufungsbehörde hinweggesetzt (hat)", noch daß die Ansicht zutreffend sei, die Erstbehörde werde über die Entschädigung für die mP "im Sinne des ministeriellen Auftrages" zu erkennen und dementsprechend "die Entschädigung für die Ehegatten Wallner durch Nachtragsbescheid festzusetzen" haben. Demnach erweist sich der angefochtene Bescheid unter der Voraussetzung als inhaltlich rechtswidrig, daß er nicht im Ergebnis doch der Rechtslage entspricht, d.h. der Zurückweisung des Entschädigungsantrages der mP durch die BH mit ihrem Bescheid vom 15. März 1990 Rechtswidrigkeit anhaftet.
3.2. Letzteres ist indes nicht der Fall. Den mP, denen unbestrittenermaßen bloß die Eigenschaft von an dem Grundstück 524 der Beschwerdeführerin in Form eines Geh- und Fahrtrechtes dinglich Berechtigten zukommt, mangelte es im Grunde des § 34 Abs. 4 WRG 1959 an der Legitimation zur Stellung eines Antrages auf Entschädigung nach dieser Gesetzesstelle. Denn die Formulierung dieser Vorschrift erlaubt es nicht, Servitutsberechtigte wie die mP, die dieses dingliche Recht infolge der Bestimmung eines (engeren und erweiterten) Schutzgebietes und darauf bezughabender Anordnungen gemäß § 34 Abs. 1 leg. cit. nicht mehr ausüben können - daß sie mit in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken in das Schutzgebiet einbezogen worden sind oder Schutzanordnungen sich auf solche Grundstücke beziehen, ist dem Ministerialbescheid vom 30. November 1988, dessen Spruchpunkt I. zufolge sich das Schutzgebiet zur Gänze auf dem Grundstück 524 der Beschwerdeführerin befindet, nicht zu entnehmen und wurde von den mP auch nie behauptet -, dem Kreis der Anspruchsberechtigten zuzurechnen. (Vgl. in diesem Zusammenhang den hg. Beschluß vom 25. April 1989, Zlen. 89/07/0017, 0018.)
4. Unter Zugrundelegung dieser Ausführungen hat die belangte Behörde dadurch, daß sie den den Entschädigungsantrag der mP zurückweisenden Bescheid der Wasserrechtsbehörde erster Instanz vom 15. März 1990 ersatzlos behob, die Rechtslage verkannt und damit den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Dieser war demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Das Umsatzsteuer betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, da eine gesonderte Vergütung von Umsatzsteuer neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwandersatz im Gesetz nicht vorgesehen ist.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990070116.X00Im RIS seit
12.11.2001