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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
StVO 1960 §1 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Bernard und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mandl, über die Beschwerde des K in O, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in P, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 3. Juni 1991, Zl. VI/2-557/1-1991, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.380,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe zu einem näher bezeichneten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug (eine Zugmaschine) in Betrieb genommen, obwohl er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Dadurch habe er eine Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 begangen. Über ihn wurde eine Geldstrafe (Ersatzarreststrafe) verhängt.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Gerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer bringt vor, daß es sich bei dem Tatort nicht um eine Straße mit öffentlichem Verkehr, sondern um ein Privatgrundstück handle, welches als Abstellplatz für Fahrzeuge von Personen diene, die in das Gasthaus des Grundeigentümers einkehrten.
Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage. Auf das Eigentum kommt es bei der Beurteilung, ob ein Grundstück Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO 1960 ist, nicht an. Maßgebend ist vielmehr, ob das Grundstück von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden kann. Daß dies bei einem Gasthausparkplatz der Fall ist, hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung mit der Begründung bejaht, daß jedermann Gast werden könne (vgl. die Erkenntnisse vom 21. Februar 1990, Zl. 83/03/0243, und vom 3. Oktober 1990, Zlen. 90/02/0094, 0095).
2. Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, er habe im Notstand gehandelt, als er in dem - von ihm nicht bestrittenen, durch Alkohol beeinträchtigten - Zustand seine Zugmaschine in Betrieb genommen habe. Er habe in Gesellschaft einer weiteren Person das Gasthaus verlassen; er habe sich zu seiner auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen Zugmaschine, die andere Person zu deren vor dem Gasthaus abgestellten Lkw begeben. Beim Losfahren des Lkws sei ein Pkw auf diesen aufgefahren und in die Richtung der Zugmaschine geschleudert worden; auf Grund der schweren Beschädigungen sei aus dem Pkw Öl und Wasser auf die Zugmaschine gespritzt; der Pkw habe auch geraucht; für den möglichen Fall des Ausbruches eines Brandes habe er seine Zugmaschine in Betrieb genommen, um sie aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich zu verbringen.
Die belangte Behörde nahm dagegen an, daß die Inbetriebnahme der Zugmaschine bereits (kurz) vor dem Unfall erfolgt sei. Sie stützte sich dabei auf die Zeugenaussage des Lkw-Lenkers, der wahrgenommen habe, daß der Beschwerdeführer etwa gleichzeitig mit ihm selbst bei der Zugmaschine die Scheinwerfer eingeschaltet und den Motor gestartet habe.
Der Beschwerdeführer bekämpft die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Diesbezüglich ist die Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes darauf beschränkt, ob die belangte Behörde den Sachverhalt ausreichend ermittelt hat und ob die bei der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen schlüssig sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat im gegebenen Zusammenhang nicht zu prüfen, ob die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung auch richtig in dem Sinn ist, daß die Verantwortung des Beschwerdeführers und nicht etwa eine diesen belastende Version mit den Tatsachen übereinstimmt (vgl. die diesbezüglichen Ausführungen im Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).
Selbst im Lichte dieser eingeschränkten Prüfungskompetenz kann der Beschwerdeführer der belangten Behörde insoferne mit Erfolg entgegentreten, als sie auf Grund des ihr vorliegenden Sachverhaltes als erwiesen annahm, daß der Beschwerdeführer die Zugmaschine in Betrieb genommen hat, bevor sich der Unfall ereignet hat. Es ist zwar keineswegs ausgeschlossen, das Starten des Motors einer Zugmaschine von einem auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen Lkw mit laufendem Motor aus wahrzunehmen. Der Zeuge hatte auch kein Interesse daran, den Beschwerdeführer zu belasten, ist doch insbesondere die Beurteilung seines eigenen unfallkausalen Verhaltens davon unabhängig, wann der Beschwerdeführer seine Zugmaschine in Betrieb genommen hat. Die entscheidende Wahrnehmung hat der Zeuge auch vor dem Unfall gemacht, als seine Wahrnehmungsfähigkeit noch nicht beeinträchtigt war. Was hingegen die Unterlassung der Einvernahme des Sohnes des Beschwerdeführers, der denselben Namen wie der Beschwerdeführer trägt, anlangt, hätte die belangte Behörde nicht davon ausgehen dürfen, daß dieser zum Tatzeitpunkt am Tatort gar nicht anwesend gewesen ist, ohne ihn dazu einvernommen zu haben. Es liegt kein Ermittlungsergebnis vor, nach dem der Sohn des Beschwerdeführers nicht anwesend gewesen ist. Insbesondere hat der als Zeuge einvernommene Lkw-Lenker keine - positiven oder negativen - ausdrücklichen Angaben zu diesem Thema gemacht. Es handelt sich vielmehr um eine vorwegnehmende - und damit unzulässige - Würdigung der Verantwortung des Beschwerdeführers und der zu ihrer Untermauerung gestellten Beweisanträge. Der angefochtene Bescheid war wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften - weil nämlich der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil Portogebühren nicht zu den dem obsiegenden Beschwerdeführer gemäß § 48 Abs. 1 VwGG zu ersetzenden Aufwand zählen.
Schlagworte
Straße mit öffentlichem VerkehrEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991020090.X00Im RIS seit
11.07.2001