TE Vwgh Erkenntnis 1992/2/13 90/06/0103

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Veröffentlicht am 13.02.1992
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;

Norm

BauO Tir 1989 §25 litf;
BauO Tir 1989 §3 Abs1;
BauO Tir 1989 §3 Abs2;
BauO Tir 1989 §31 Abs3;
BauO Tir 1989 §31 Abs4 litd;
BauO Tir 1989 §31 Abs4;
BauO Tir 1989 §31 Abs6;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des A in N, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 2. Juli 1990, Zl. Ve-550-1676/1, betreffend Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde N, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 9. November 1987 sandte der Beschwerdeführer nachstehende Eingabe an die mitbeteiligte Gemeinde:

"Betrifft: Ansuchen um Bewilligung nach § 25 Abs) f

In der Anlage übermittle ich Ihnen das zu bewilligende Fahrzeug, welches ich auf meinem Grundstück Gp. 15 KG N als Imbißstand betreibe.

Ich bitte um baldige Bewilligung und zeichne mit freundlichen Grüßen ..."

Dieser Eingabe waren ein Lageplan mit Aufstellplatz (darin als "Kiosk" bezeichnet) und zwei Prospekte mit Verkaufswagen 4 m x 2 m angeschlossen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 16. Oktober 1989 wurde das Ansuchen des Beschwerdeführers um baurechtliche Bewilligung für das Abstellen und Benützen eines Verkaufswagens (Imbißstandes) auf Gp. 15 KG N gemäß § 31 Abs. 4 lit. c und Abs. 6 der Tiroler Bauordnung als unzulässig abgewiesen. Dabei stützte sich die Behörde einerseits darauf, daß das Abstellen und Benützen eine Gefahr für die Sicherheit des Verkehrs mit sich brächte, da Stellplätze im unmittelbaren Standortbereich nur sehr beschränkt zur Verfügung stünden und die Besucher des Imbißstandes daher die Fahrzeuge in verkehrswidriger Weise im Kreuzungsbereich, Haltestellenbereich und dgl. abstellen würden. Weiters störe der beantragte Verkaufwagen durch die Alukonstruktion und das Flachdach das Ortsbild des Ortskernes der mitbeteiligten Gemeinde, insbesondere den ländlichen Charakter des Hintergrundes. Nach § 31 Abs. 4 lit. c der Tiroler Bauordnung sei ein Bauansuchen aber auch abzuweisen, wenn das Bauvorhaben der Bauordnung oder Verordnungen auf Grund der Bauordnung widerspreche. Gemäß § 7 Abs. 1 lit. a der Tiroler Bauordnung betrage der Mindestabstand von Gebäuden von den Grenzen gegenüber anderen Grundstücken im Wohn- und Mischgebiet das 0,7fache der Wandhöhe, mindestens jedoch 4 m. Diese Mindestabstände gelten auch für andere Anlagen sinngemäß. Unabhängig von der Frage, ob es sich bei dem Verkaufsstand um ein Gebäude im Sinn des § 3 Abs. 2 der Tiroler Bauordnung handle, stelle ein Verkaufswagen eine bauliche Anlage im Sinn des § 3 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung dar. Damit kämen die Abstandsbestimmungen zum Tragen, sodaß der Verkaufswagen zum Nachbargrund einen Mindestabstand von 4 m aufweisen müsse. Da der Abstand des Verkaufswagens zum Nachbargrund im Norden jedoch weniger als 2 m aufweise, widerspreche die Situierung des Verkaufswagens den Bestimmungen der Tiroler Bauordnung.

Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wies der Gemeindevorstand mit Bescheid vom 8. Mai 1990 nach Einholung eines weiteren Gutachtens zum Ortsbild als unbegründet ab. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die gegen den Berufungsbescheid erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet. Sie verwies auf § 25 lit. f der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989 (TBO), wonach das Abstellen und Benützen von Verkaufswagen einer Bewilligung der Behörde bedürfte; dies unabhängig davon, ob der Verkaufswagen als bauliche Anlage anzusehen sei. Wohl setze die Baubewilligung als antragsbedürftiger Verwaltungsakt das Vorliegen eines entsprechenden Antrages voraus; die Eingabe vom 9. November 1987 könne aber nur als ein derartiger Antrag gewertet werden. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Befangenheit von Gemeindeorganen, da der Beschwerdeführer eine unbequeme Persönlichkeit sei, liege nicht vor, könne aber überdies nicht zu einem Nichtigkeitsgrund, sondern nur zu einem Verfahrensmangel führen, der nur bei Vorliegen sachlicher Bedenken gegen den angefochtenen Bescheid zu einer Aufhebung führen könne.

Gemäß § 31 Abs. 6 TBO sei das Ansuchen um die Erteilung der Bewilligung für das Abstellen und Benützen eines Verkaufswagens u. a. auch dann abzuweisen, wenn durch das Abstellen und Benützen des Verkaufswagens eine Beeinträchtigung des Orts- oder Straßenbildes eintreten würde. Diese Frage sei Gegenstand des Beweises durch einen Sachverständigen. Gegen das vom Gemeindevorstand eingeholte Ortsbildgutachten bestünden umso weniger Bedenken, als der Befund durch Fotos untermauert werde und auf schlüssigen Überlegungen beruhe. Ein viereckiger Aluminiumcontainer mit rahmenartiger Verkleidung störe zweifellos die auf Grund der vorgegebenen Formen und verwendeteten Materialien teils bäuerlich geprägten Bauten und Außenräume in einem dörflich historisch gewachsenen Ortskern. Der Verkaufsstand mit seiner durch Werbeaufschriften und Fähnchen vermittelten "Würstelpratercharakteristik" stelle einen Fremdkörper dar und verändere den Platz- und Straßenraum bildwirksam negativ. Die Beweiskraft dieses schlüssigen Gutachtens könnte nur durch den Nachweis, daß es mit den Denkgesetzen oder den Erfahrungen des Lebens in Widerspruch stehe, oder aber durch einen anderen Sachverständigen widerlegt werden. Beides treffe im vorliegenden Fall nicht zu. Im Gegensatz zum Vorbringen des Beschwerdeführers sei auf Grund des Gutachtens sehr wohl davon auszugehen, daß im vorliegenden Bereich noch ein schützenswertes Ortsbild vorhanden sei. Daran vermöge der Hinweis auf die nicht im unmittelbaren örtlichen Zusammenhang mit dem Verkaufswagen stehende architektonische Verschandelung der mitbeteiligten Gemeinde in ihrer Gesamtheit nichts zu ändern. Selbst aus der nicht erwiesenen weiteren Behauptung, daß schon einzelne Objekte in diesem Bereich vorhanden seien, die das Ortsbild störten, könne noch nicht abgeleitet werden, daß ein weitere Eingriff nicht mehr als störend angesehen werde. Damit wurde die Frage, ob eine Beeinträchtigung des Orts- und Straßenbildes im Sinn des § 31 Abs. 6 TBO vorliege, zu Recht bejaht.

Auch werde im Bescheid der Berufungsbehörde der überdachte und allseits umschlossene Verkaufswagen, der nicht nur der Aufbewahrung von Sachen, sondern auch dem Unterstand von Menschen diene, zu Recht als Gebäude qualifiziert (vgl. § 3 Abs. 2 TBO). Zur Frage der erforderlichen Verbindung mit dem Erdboden ist dem Sachverständigengutachten die durch ein Foto untermauerte Aussage zu entnehmen, daß Räder nicht sichtbar seien und durch eine rahmenartige Verkleidung eine fixe Verbindung mit dem Betonboden gegeben sei. Damit sei klargestellt, daß der Verkaufswagen kraftschlüssig durch den Druck seines Gewichtes mit dem Boden in Verbindung stehe; damit sei die Zulässigkeit der Aufstellung des Verkaufswagens innerhalb der sich aus § 7 Abs. 1 TBO ergebenden Abstandsfläche zu Recht verneint.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 25 lit. a TBO bedarf der Neu-, Zu- und Umbau von Gebäuden der Bewilligung der Behörde. Als Gebäude sind gemäß § 3 Abs. 2 TBO überdeckte, allseits oder überwiegend umschlossene bauliche Anlagen anzusehen, die von Menschen betreten werden können und dazu bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen; gemäß Abs. 1 leg. cit. sind bauliche Anlagen mit dem Erdboden verbundene Anlagen, zu deren fachgerechter Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind.

Erst seit der Novelle 1988 (LGBl. Nr. 10/1989) ist gemäß § 25 lit. f TBO das Abstellen und Benützen von Verkaufswagen ebenfalls bewilligungspflichtig geworden.

Gemäß § 31 Abs. 4 TBO ist ein Bauansuchen abzuweisen, wenn es dem Flächenwidmungsplan, dem Bebauungsplan oder örtlichen Bauvorschriften nach § 20 des Tiroler Raumordnungsgesetzes (TROG) widerspricht, oder wenn dem Bauvorhaben eine Bausperre nach § 29 TROG entgegensteht (lit. a), das Grundstück für die vorgesehene Bebauung nicht geeignet ist (lit. b), das Bauvorhaben der Tiroler Bauordnung oder Verordnungen auf Grund dieses Gesetzes widerspricht (lit. c) oder schließlich das Bauvorhaben das Orts-, Straßen- oder Landschaftsbild ERHEBLICH beeinträchtigt (lit. d).

Nach dem ebenfalls durch die schon genannte Novelle 1988 eingefügten Abs. 6 des § 31 TBO ist ein Ansuchen um die Erteilung der Bewilligung für das Abstellen und Benützen eines Verkaufswagens insbesondere auch dann abzuweisen, wenn durch das Abstellen und Benützen des Verkaufswagen eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen, eine unzumutbare Belästigung der Nachbarn, eine Gefahr für die Sicherheit des Verkehrs oder eine Beeinträchtigung des Orts- oder Straßenbildes eintreten würde. Die zwischen § 31 Abs. 4 lit. d leg. cit. (ERHEBLICHE Beeinträchtigung) und § 31 Abs. 6 leg. cit. (Beeinträchtigung) anscheinend bestehende Antinomie läßt sich nur dadurch lösen, daß § 31 Abs. 6 eine Sondernorm für die erst durch § 25 lit. f TBO von der Bewilligungspflicht erfaßten Fälle darstellt, während jene Verkaufswagen, die nach ihrer Ausgestaltung ein Gebäude im Sinne der Definition des § 3 Abs. 1 und 2 TBO darstellen, nicht nach dieser Sondernorm, sondern nach § 31 Abs. 3 und 4 TBO zu beurteilen sind.

Dies haben zwar sowohl die Baubehörden als auch die belangte Behörde verkannt, indem sie das Bauansuchen einerseits unter dem Gesichtspunkt des § 31 Abs. 6 TBO, andererseits der Zulässigkeit eines Gebäudes an dieser Stelle geprüft haben. Im Ergebnis ist dies jedoch aus nachstehenden Gründen ohne rechtliche Bedeutung:

Die Verwaltungsbehörden haben nämlich auch verkannt, daß das Verfahren zur Erlangung einer Baubewilligung ein Projektverfahren darstellt, es also nicht auf den tatsächlich hergestellten Zustand, sondern ausschließlich auf das vom Beschwerdeführer als Bauwerber zur Bewilligung beantragte Projekt ankommt. Der eingangs wiedergegebene Antrag, den die Behörden zu Recht als Antrag auf Erlangung einer Baubewilligung qualifiziert haben, begehrt jedoch ausschließlich die Bewilligung für das Aufstellen und die Benützung eines Verkaufswagens; Anhaltspunkte im Antrag, daß die ortsfeste Ausgestaltung als Gebäude begehrt wird, finden sich nicht. Damit sind aber lediglich die Voraussetzungen der Bewilligung nach § 25 lit. f TBO zu prüfen, vor allem also nach den im § 31 Abs. 6 TBO wiedergegebenen Kriterien - sollte ein Bauwerber (nur) eine Bewilligung nach § 25 lit. f TBO erhalten, den Verkaufswagen jedoch trotzdem ortsfest ausstatten, handelte es sich zwar um eine konsenslose Bauführung, nicht aber um Kriterien für die Beurteilung der Zulässigkeit der Baubewilligung.

Mit Recht weist der Beschwerdeführer darauf hin, daß das Gutachten, das mit einem ausreichenden Befund versehen ist und auch sonst schlüssig erscheint, keine ERHEBLICH nachteilige Beeinträchtigung des Orts- und Straßenbildes darlege, sondern (nur) eine solche Beeinträchtigung. Der Beschwerdeführer übersieht jedoch, daß § 31 Abs. 6 im Gegensatz zu § 31 Abs. 4 lit. d TBO auf die bloße Beeinträchtigung und nicht erst auf eine erhebliche Beeinträchtigung als Versagungsgrund abstellt - die Ausführungen des Beschwerdeführers, daß § 31 Abs. 6 TBO sich nicht auf das Aufstellen eines Verkaufswagens, sondern auf Werbeeinrichtungen bezieht, geht offensichtlich von der Fassung der Tiroler Bauordnung VOR der hier bereits anzuwendenden Novelle 1988, die jedoch bereits in die Wiederverlautbarung eingeflossen ist, aus. Soweit aber der Beschwerdeführer behauptet, daß es sich bei dem Gutachten um ein "Gefälligkeitsgutachten" für die mitbeteiligte Gemeinde handelt, kann der Verwaltungsgerichtshof dies umso weniger nachvollziehen, als die Ausführungen des Gutachtens durchaus überzeugen; dies umso mehr, als der Beschwerdeführer ja letztlich zugesteht, daß es einen Ortskern, in dem sich das umstrittene Objekt befindet, gibt, wenn er auch nach dem Beschwerdevorbringen "höchstens einige hundert Meter" groß ist. Dies reicht aber für ein (noch) erhaltungswürdiges Ortsbild durchaus aus; selbst in der Vergangenheit unterlaufene Verstöße können daran nichts ändern, solang nur überhaupt noch ein schützenswertes Ortsbild vorhanden ist (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 4. Juli 1985, Zl. 82/06/0121, BauSlg. Nr. 482, und vom 22. Dezember 1988, Zl. 87/06/0027, BauSlg. Nr. 1243). Dieses bezieht sich aber im Gegensatz zur offensichtlichen Ansicht des Beschwerdeführers nicht auf die gesamte Gemeinde, sondern auch auf bloße Teile, wie dies etwa für einen kleinen Ortskern zuträfe.

Da sohin die Baubehörden und die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht den Versagungsgrund der Beeinträchtigung des Ortsbildes durch die Aufstellung des Verkaufswagens (Würstelstandes) herangezogen haben, wurde der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1990060103.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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