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L55007 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Tirol;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Waldner, Dr. Novak und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde der XY-Gesellschaft m.b.H. und Co. OHG in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in T, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 14. August 1989, Zl. U-11.640/11, betreffend Versagung einer naturschutzbehördlichen Ausnahmebewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletztung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung für die Erweiterung des bestehenden Steinbruches in der Z im Naturschutzgebiet Martinswand gemäß §§ 3 lit. a und d und 5 der Verordnung der Landesregierung über die Erklärung des Gebietes am Fuße der Martinswand in der Marktgemeinde Z zum Naturschutzgebiet (Naturschutzgebiet Martinswand), LGBl. Nr. 22/1989 (in der Folge: Naturschutzgebietverordnung), in Verbindung mit §§ 19 Abs. 7 und 24 Abs. 1 lit. b und Abs. 3 des Tiroler Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 15/1975 (in der Folge: NSchG), ab.
Nach der Begründung habe die beschwerdeführende Partei unter Vorlage entsprechender Pläne um die naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligung für die Erweiterung ihres bestehenden Steinbruches angesucht. Die Marktgemeinde Z habe dieses Ansuchen unterstützt, da der Abwasserverband Z und Umgebung "im zusätzlichen Bereich der Liegenschaft" der Beschwerdeführerin die Regionalkläranlage errichten möchte. Bei einer naturschutzrechtlichen Verhandlung am 6. Juni 1989 sei festgestellt worden, daß die beantragte Erweiterung mit knapp mehr als der Hälfte der beanspruchten Grundfläche im Naturschutzgebiet Martinswand zu liegen käme. Die beanspruchte Abbaufläche würde ca. 12.000 m2 betragen.
Der Amtssachverständige für Naturschutz habe folgendes Gutachten abgegeben:
"Bezüglich der Lebensgemeinschaften von Pflanzen und Tieren wird festgestellt, daß die beantragte Erweiterung des Steinbruches nach Osten hin eine starke Beeinträchtigung darstellt.
Dies insbesondere deshalb, weil die im Befund erwähnten, vielschichtigen und SEHR SCHUTZWÜRDIGEN Pflanzengesellschaften wie Weisseggen dominierter Kiefernwald, Saumgesellschaft oberhalb der Bundesstraße, Heckenrosen, Berberitzen und Trockengebüsch und Trespen-Schwingel-Halbtrockenrasen verschwinden.
Dadurch werden auch geschützte Pflanzenarten wie die Orchideen, Zweiblatt, Waldstengel, Hendelwurz und Waldhyazinthe betroffen, die vorwiegend im Waldanteil, teilweise auch in den aufgelockerten Trockengebüschzonen stehen....
Auf der gegenständlichen Fläche ist zumindest ein Drittel Flächenanteil von dem schon erwähnten Trespen-Schwingel-Halbtrockenrasen sowie von extreme Trockenheit vertragenden Gesellschaften aus Kugelbaum, Gamander und Seidenhaarbackenklee ausgebildet. In den Übergangszonen zum Wald hin sind vor allem für Vogelarten wertvolle Trockengebüsche vertreten. Diese Pflanzengesellschaften, die auch ganz spezielle angepaßte Tierarten beherbergen (Untersuchungen wurden und werden im Bereich laufend von Zoologen der Universität Innsbruck gemacht), fallen unter Durchführung des Abtrages zur Gänze aus, da sich diese in den zu stark überschatteten Waldbereichen nicht mehr ansiedeln können. Dasselbe trifft für die auf Trockenstandorten so mannigfaltige Käfer- und Insektenfauna zu.
Daß die Entfernung dieser Bestände auch eine starke Beeinträchtigung des Naturhaushaltes ist, kann insbesondere von der gegenüberliegenden Talseite aus gut beurteilt werden,... wo die nicht mit Kiefern bestockte Rasenfläche als gut auszumachender und größerer Standort aufscheint.
Im gesamten Schutzgebiet LGBl. Nr. 22/1989 ist dies einer der größten geschlossenen von Natur aus unbestockten Rasen, wie sie sich auch westlich dieses Standortes in kleinerer Ausbildung noch finden....
Die LANDSCHAFTLICHEN Beeinträchtigungen scheinen BESONDERS GRAVIEREND durch die Abtragung des Rückens, die eine Öffnung der Steinbruchzone in die Richtung nach Osten hin bewirkt. Diese landschaftsästhetische Störung, die durch die Freilegung blanker Gesteinszonen auf Jahrzehnte hinweg und die Freilegung fast senkrechter Schotteranschnitte für unabsehbare Zeit entsteht, ist besonders gut auszumachen von der angrenzenden Bundesstraße sowie von der "Kranebitter Brücke" über den Inn und von den Bundesstraßen und Autobahnabschnitten im Bereich der Autobahnauffahrt Völs....
INSGESAMT gesehen ist aufgrund der Beeinträchtigungen der Lebensgemeinschaften von Pflanzen und Tieren, des Naturhaushaltes, der Eigenart und der Schönheit des Landschaftsbildes aus naturschutzfachlicher Sicht dem beantragten Projekt keine Zustimmung zu geben."
Die Gemeinde Z habe bei der mündlichen Verhandlung erklärt, daß ihrer Ansicht nach durch die beantragte Erweiterung des Steinbruches keine wesentliche Beeinträchtigung des örtlichen Landschaftsbildes und Erholungswertes erfolgen würde. Im Verhältnis zur Gesamtanlage des gegenständlichen Steinbruches betrage die Erweiterung maximal 10 %.
Die Beschwerdeführerin habe das Gutachten nicht bestritten (richtig wohl: bestritten) und innerhalb der ihr eingeräumten Frist am 3. August 1989 eine Fotoserie samt Darstellung des beantragten Flächenzuwaches vorgelegt. Ihrer Ansicht nach könne der Eingriff in das Landschaftsbild nach erfolgtem Abbau durch entsprechende Rekultivierungsmaßnahmen gemildert werden. Sie habe auch den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 30. Juni 1989 vorgelegt, wonach ihr die gewerberechtliche Bewilligung zur Betriebsanlagenänderung im gegenständlichen Fall unter Nebenbestimmungen erteilt worden sei. Mit Schreiben vom 14. Juli 1989 habe die beschwerdeführende Partei eine ergänzende Stellungnahme vorgelegt.
Im Zusammenhang mit der von der beschwerdeführenden Partei beantragten Rodungsbewilligung habe die belangte Behörde auch Einsicht in das Gutachten der Bezirksforstinspektion Telfs vom 17. Juli 1989 genommen. Dabei habe sich der forsttechnische Amtssachverständige gegen die beantragte Rodung gewandt, da für den benachbarten Waldkomplex Schädigungen durch verstärkte Windeinwirkung aus Westen sowie schädliche Einwirkungen durch feste und gasförmige Emissionen aus dem Steinbruchareal befürchtet würden. Dadurch könnte die Schutzfunktion des Waldes für die darunterführende Bundesstraße sowie auch für die darüberliegende Karwendelbahn entscheidend gemindert werden.
Nach Wiedergabe der angewendeten Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen vertrat die belangte Behörde im wesentlichen die Auffassung, daß der Schutzzweck der Naturschutzgebietverordnung durch die beantragte Maßnahme beeinträchtigt werde. Das Naturschutzgebiet Martinswand sei "wegen der hier vorhandenen Vielfalt der Pflanzen- und Tierwelt, des Vorkommens seltener und von der Ausrottung bedrohter Pflanzen- und Tierarten und der Erhaltungswürdigkeit dieses Trockenstandortes als Ökosystem" von der Landesregierung eingerichtet worden. Im Hinblick auf diesen primären Zweck sei die Naturschutzbehörde verpflichtet, das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung eng - und zwar zu Gunsten des Naturschutzes - auszulegen. Dabei habe das Ermittlungsverfahren schlüssig und einleuchtend ergeben, daß durch die beantragte Maßnahme insbesondere ein Trockenstandort irreversibel vernichtet würde.
Was die Interessenabwägung nach § 24 Abs. 1 lit. b NSchG anlange, so habe die beschwerdeführende Partei in ihrem Schreiben vom 14. Juli 1989 im wesentlichen vorgebracht, daß durch die angesuchte Erweiterung wirtschaftliche Werte geschaffen werden könnten, da zusätzlich ca. 800.000 t Gestein für weitere 10 Jahre gewonnen werden könnten. Der Standort von Mischanlage und Steinbruch liege im Hinblick auf die Nähe zum Großraum Innsbruck und die Anrainerschaft günstig. Bei Ablehung der beantragten Erweiterung müßte das für die Asphalterzeugung benötigte Material aus anderen Gewinnungsstätten zugeführt werden. Dies erhöhe das Schwerverkehrsaufkommen und damit die Umweltbelastung. Schottergruben und Steinbrüche der Zulieferanten müßten erweitert werden, was auch dort wiederum eine Zerstörung der Natur nach sich ziehen würde. Um eine klaglose Versorgung der Mischanlage mit Gesteinsmaterial zu gewährleisten, müsse eine ausreichende Deponiemöglichkeit geschaffen werden. Durch die Bereitstellung der für den Bau des Klärwerkes benötigten Fläche (ca. 12.000 m2) werde dies ohne gleichzeitige Erweiterung gegen Osten hin nicht möglich sein. Nach Beendigung des Abbaues werde durch entsprechende Maßnahmen eine Begrünung und Aufforstung möglich. Ferner werde sich die Nachfrage nach Deponien für inertes Material in Zukunft noch verstärken.
Demgegenüber vertrat die belangte Behörde im wesentlichen die Auffassung, daß die geltend gemachten Gründe vornehmlich privatwirtschaftliche Interessen der Beschwerdeführerin beträfen. Die belangte Behörde verkenne aber nicht, daß bei der Bewilligung der beantragten Maßnahmen durchaus auch regionalwirtschaftliche Interessen gefördert würden. Desgleichen sei unbestritten, daß das geplante Projekt der Errichtung eines Klärwerkes (außerhalb des Naturschutzgebietes) im gewichtigen öffentlichen Interesse liege. Die Errichtung dieses Klärwerkes werde jedoch durch die allfällige Abweisung des gestellten naturschutzrechtlichen Antrages nicht unmöglich. Deponiemöglichkeiten müßten auf andere, technisch und wirtschaftlich vertretbare Weise erreicht werden. Für die belangte Behörde sei wahrscheinlich, daß die allenfalls notwendig werdenden zusätzlichen Deponiemöglichkeiten für das Klärwerk auf andere Weise erreicht werden könnten, als durch eine irreversible Zerstörung eines Teiles des Naturschutzgebietes (entsprechende gesetzliche Bestimmungen schienen vorhanden, um derartigen Grunderwerb außerhalb eines Naturschutzgebietes durchzuführen).
Nach Auffassung der belangten Behörde verlange es die Naturschutzgebietverordnung, quantifizierbare mit unquanitifizierbaren Werten zu vergleichen. Der Vergleich der Alternativen (Verlust eines wichtigen Teiles des Naturschutzgebietes bei Durchführung der beantragten Maßnahmen - wirtschaftliche Vorteile bei Durchführung dieser Maßnahmen) führe die belangte Behörde dazu, daß sie im gegenständlichen Fall quantitative und qualitative Argumente überwiegend zum Schutze der Natur als stichhaltig ansehe: Das für die Asphalterzeugung benötigte Material könne auf wirtschaftlich und technisch vertretbare Weise auch aus anderen Gewinnungsstätten zugeführt werden. Die dadurch verursachte Umweltbelastung könne durch geeignete Maßnahmen unter Kontrolle gehalten werden. Durch das beantragte Vorhaben würde auf der anderen Seite jedoch ein Teil des Naturschutzgebietes irreversibel beeinträchtigt. Die Interessenabwägung führe die belangte Behörde dazu, daß öffentliche Interessen anderer Art die öffentlichen Interessen an der Wahrung des Schutzzweckes des Naturschutzgebietes nicht überstiegen. Auch langfristige öffentliche Interessen am Fremdenverkehr (Schutz der Natur- und Kulturlandschaft) sprächen ebenfalls dafür, den beanspruchten Teil des Naturschutzgebietes unbeeinträchtigt zu lassen.
1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
1.3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. § 19 Abs. 4 NSchG hat folgenden Inhalt:
"(4) Die Landesregierung kann außerhalb geschlossener Ortschaften gelegene Gebiete, die durch besondere Vielfalt der Tier- oder Pflanzenwelt ausgezeichnet sind oder in denen seltene oder von der Ausrottung bedrohte Pflanzen- oder Tierarten oder seltene Lebensgemeinschaften von Tieren und Pflanzen vorkommen, durch Verordnung zu Naturschutzgebieten erklären, wenn die Erhaltung dieser Gebiete im öffentlichen, wie etwa wissenschaftlichen Interessen gelegen ist."
§ 19 Abs. 5 lit. a und lit. d NSchG bestimmen:
"(5) In Verordnungen nach Abs. 4 ist der Schutzzweck, dem die Erklärung eines Gebietes zum Naturschutzgebiet dient, anzugeben und, soweit dies jeweils zur Erhaltung des betreffenden Naturschutzgebietes erforderlich ist, entweder für den gesamten Bereich des Naturschutzgebietes oder für Teile davon zu verbieten:
a) die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen, soweit sie nicht unter lit. b oder c fallen;
.....
d) die Vornahme von Geländeabtragungen und -aufschüttungen;"
Gemäß § 19 Abs. 7 NSchG gilt für die Entscheidung über ein Ansuchen um die Erteilung einer Ausnahmebewilligung von den in Verordnungen nach Abs. 5 festgesetzten Verboten § 24. Die Entscheidung obliegt der Landesregierung.
§ 24 Abs. 1 NSchG normiert:
"(1) Eine Bewilligung, die in einer Bestimmung dieses Abschnittes ....... oder in einer auf Grund einer solchen Bestimmung erlassenen Verordnung vorgesehen ist, ist zu erteilen,
a) wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wurde, den Schutzzweck des Verbotes nicht beeinträchtigt oder
b) wenn öffentliche, wie etwa regionalwirtschaftliche, wissenschaftliche oder pädagogische Interessen an der Erteilung der Bewilligung das öffentliche Interesse an der Wahrung des Schutzzweckes übersteigen.
Ein öffentliches Interesse an der Erteilung der Bewilligung besteht nicht, wenn der angestrebte Zweck auf eine andere technisch und wirtschaftlich vertretbare Weise erreicht werden kann, durch die eine Beeinträchtigung des Schutzzweckes nicht oder in geringerem Umfang bewirkt wird."
§ 1 Abs. 1 der auf Grund § 19 Abs. 4 und 5 NSchG erlassenen Naturschutzgebietverordnung hat folgenden Inhalt:
"§ 1 (1) Das in der Anlage dargestellte rot umrandete Gebiet in der Gemeinde Z wird wegen der hier vorhandenen Vielfalt der Pflanzen- und Tierwelt, des Vorkommens seltener und von der Ausrottung bedrohter Pflanzen- und Tierarten und der Erhaltungswürdigkeit dieses Trockenstandortes als Ökosystem zum Naturschutzgebiet erklärt (Naturschutzgebiet Martinswand)."
§ 3 der Naturschutzgebietverordnung lautet auszugweise:
"§ 3 Im Naturschutzgebiet ist, sofern im § 4 nichts anderes bestimmt ist, verboten:
a) die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen, soweit sie nicht unter lit.b oder c fallen;
.......
d) die Vornahme von Geländeabtragungen und - aufschüttungen;"
2.2. Die Beschwerdeführerin betreibt ihrem eigenen Vorbringen nach auf dem der Marktgemeinde Z gehörenden Grundstück nn1, KG Z, einen Steinbruch. Auf den von der Erzabtei L gepachteten Grundstücken nn2, nn3 und nn4, alle KG Z, befindet sich ein Schotterablageplatz der Beschwerdeführerin. Auf einem Teil der letzteren Grundstücke beabsichtigt der Abwasserverband Z und Umgebung die Errichtung einer Regionalkläranlage, wodurch - nach dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei in der mündlichen Verhandlung vom 6. Juni 1989 - die Möglichkeit der notwendigen Splittvorlagerung dermaßen eingeschränkt würde, daß die Existenz der Betriebsstätte Z gefährdet scheine. Um den Bedarf nach Ersatzlagerflächen decken zu können, sei es notwendig, diese auf dem Grundstück nn1 im Steinbruchgelände gegen Osten hin zu gewinnen. Die ausreichende Vorlagerung und die Erzeugung von Asphalt aus eben diesem Material sei für die Versorgung der Stadt Innsbruck und ihrer näheren Umgebung volkswirtschaftlich von großer Bedeutung. Die beschwerdeführende Partei beschäftige sechs Arbeitnehmer.
In einem ergänzenden Schriftsatz vom 14. Juli 1989 hat die beschwerdeführende Partei die Interessen an der Erweiterung des bestehenden Steinbruches näher konkretisiert, wobei sie unter anderem darauf hingewiesen hat, daß die derzeit noch bestehende Abbaumenge von ca. 500.000 t eine Nutzung für etwa 6 Jahre erlaube. Durch die angesuchte Erweiterung könnte zusätzlich Gestein für weitere 10 Jahre gewonnen werden. Um eine klaglose Versorgung der Mischanlage mit Gesteinsmaterial zu gewährleisten, müsse auch eine ausreichende Deponiemöglichkeit geschaffen werden. Durch die Bereitstellung der für den Bau der Kläranlage benötigten Flächen werde dies ohne gleichzeitige Erweiterung des Steinbruches nicht möglich.
2.3 Die belangte Behörde hat zunächst - gestützt auf das Gutachten des Amtssachverständigen für Naturschutz - die Auffassung vertreten, daß die beantragte Erweiterung des Steinbruches nach § 24 Abs. 1 lit. a NSchG den Schutzzweck des Verbotes beeinträchtige. Da das Naturschutzgebiet Martinswand wegen der "hier vorhandenen Vielfalt der Pflanzen- und Tierwelt, des Vorkommens seltener und von der Ausrottung bedrohter Pflanzen- und Tierarten und der Erhaltungswürdigkeit dieses Trockenstandortes als Ökosystem" von der Landesregierung zum Naturschutzgebiet erklärt worden ist, kann diese Auffassung nicht als rechtswidrig erkannt werden; es liegt auf der Hand, daß Geländeabtragungen im beantragten Ausmaß eine irreversible Beeinträchtigung der Lebensgemeinschaften von Pflanzen und Tieren nach sich zieht.
2.4.1. Eine Ausnahmebewilligung nach § 24 Abs. 1 lit. b NSchG ist zu erteilen, wenn öffentliche, wie etwa regionalwirtschaftliche, wissenschaftliche oder pädagogische Interessen an der Erteilung der Bewilligung das öffentliche Interesse an der Wahrung des Schutzzweckes übersteigen.
Die belangte Behörde hatte daher zunächst zu klären, ob ein öffentliches Interesse an der Erteilung der Bewilligung überhaupt vorliegt. Ein solches Interesse besteht nicht, wenn der angestrebte Zweck auf eine andere technisch und wirtschaftlich vertretbare Weise erreicht werden kann, durch die eine Beeinträchtigung des Schutzzweckes nicht oder in geringerem Umfang bewirkt wird. Zur Feststellung der im Einzelfall behaupteten öffentlichen Interessen wird es dabei in der Regel erforderlich sein, von entsprechendem Fachwissen getragene Stellungnahmen einzuholen, die fallbezogen eine verläßliche Beurteilung, ob das betreffende öffentliche Interesse auch tatsächlich vorliegt, in einer der nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise ermöglichen.
Nach § 37 AVG ist es Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und der Partei Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. In der Begründung des Bescheides sind nach § 60 AVG die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.
Diesen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht.
2.4.2. Die beschwerdeführende Partei hat ihren Antrag unter anderem auf den Umstand gestützt, daß durch die Errichtung der Regionalkläranlage die Möglichkeit der notwendigen Splittvorlagerung dermaßen eingeschränkt würde, daß die Existenz der Betriebsstätte Z gefährdet erscheine. Um den Bedarf nach Ersatzlagerflächen decken zu können, sei es notwendig, diese auf dem Grundstück nn1 im Steinbruchgelände gegen Osten hin zu gewinnen. Mit diesem Vorbringen könnten - sollte es zutreffen - öffentliche Interessen im Sinne des § 24 Abs. 1 lit. b NSchG geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat jedoch nicht erhoben, ob bzw. bejahendenfalls in welchem Ausmaß solche Deponiemöglichkeiten im Beschwerdefall erforderlich sind (vgl. § 24 Abs. 1 zweiter Satz NSchG). Ferner ist völlig ungeklärt, ob die Erweiterung des Steinbruches überhaupt mit zusätzlichen Lagermöglichkeiten verbunden wäre. Die Beschwerdeführerin ist auch mit ihrer Verfahrensrüge im Recht, mit dem bloßen Hinweis, daß es für die belangte Behörde "wahrscheinlich" sei, daß die "allenfalls notwendig werdenden zusätzlichen Deponiemöglichkeiten... auf andere Weise erreicht werden können", sei nicht in ausreichendem Maße das Fehlen eines öffentlichen Interesses dargelegt worden.
2.5. Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
2.6. Der Vollständigkeit halber sei auch darauf hingewiesen, daß es in der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt, die belangte Behörde verkenne nicht, daß bei der Bewilligung der beantragten Maßnahmen "durchaus auch regionalwirtschaftliche Interessen gefördert" würden. Desgleichen sei unbestritten, daß das geplante Projekt der Errichtung der Kläranlage (außerhalb des Naturschutzgebietes) im "gewichtigen öffentlichen Interesse" wäre.
Sollte die belangte Behörde damit zum Ausdruck gebracht haben, daß bei der Beurteilung nach § 24 Abs. 1 lit. b NSchG im Beschwerdefall auch die Interessen an der Errichtung der Kläranlage zu berücksichtigen seien, so könnte ihr dabei nicht gefolgt werden. Bei der Beurteilung des öffentlichen Interesses an der Errichtung von Anlagen INNERHALB eines Naturschutzgebietes sind grundsätzlich nur die Interessen an der Bewilligung dieser Anlagen zu berücksichtigen. Das öffentliche Interesse an der Bewilligung von anderen Anlagen AUSZERHALB des Naturschutzgebietes hat dabei außer Betracht zu bleiben.
Wenn die beschwerdeführende Partei ihren Antrag auf Erweiterung der Steinbruchanlage auch damit begründet, dadurch könnte zusätzliches Material für weitere zehn Jahre gewonnen werden, so hat die belangte Behörde dieses Vorbringen zurecht nicht berücksichtigt. Da nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ausreichendes Material noch für einen Nutzungszeitraum von ca. 6 Jahren vorhanden ist, ist nicht ersichtlich, inwiefern bereits im Entscheidungszeitpunkt ein öffentliches Interesse an der Erweiterung der Steinbruchanlage gegeben sein könnte.
2.7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Vorliegen eines Gutachtens StellungnahmeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1989100200.X00Im RIS seit
30.04.1992