Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ASVG §4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in 1021 Wien, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 26. März 1990, Zl. 14-SV-3069/1/1990, betreffend Begünstigung gemäß §§ 500 ff ASVG (mitbeteiligte Partei: F), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Zeitraumes vom 15. April 1942 bis 30. Juni 1942 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, im übrigen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich der Darstellung des Sachverhaltes auf die Entscheidungsgründe des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1989, Zl. 88/08/0102, verwiesen.
Mit dem nunmehr im Instanzenzug ergangenen angefochtenen (Ersatz-)Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch des am 15. Juli 1928 geborenen Mitbeteiligten gegen den Bescheid der Beschwerdeführerin vom 7. August 1987 "gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit §§ 500 ff ASVG Folge" und stellte fest, "daß die Zeit vom 15.4.1942 bis 23.5.1943 als begünstigte Zeit anzurechnen" sei. Nach der Begründung dieses Bescheides sei der Mitbeteiligte am 15. April 1942 aus "nationalen Gründen (Kärntner Slowene)" ausgesiedelt worden. Er habe sich bis zur Befreiung durch die alliierten Truppen im April 1945 in den Lagern Frauenaurach und Hesselberg befunden. Mit Bescheid des Amtes der Kärntner Landesregierung vom 11. Oktober 1962 sei dem Mitbeteiligten gemäß der 12. Novelle zum Opferfürsorgegesetz eine Entschädigung für die erlittene Freiheitsbeschränkung aufgrund der Aussiedlung im Zuge der nationalen Verfolgung für die Zeit vom 15. April 1942 bis April 1945 zuerkannt worden. Außerdem sei der Mitbeteiligte im Besitz des Opferfürsorgeausweises Nr. OX vom 23. Dezember 1952. Nach dem genannten Erkenntnis vom 19. September 1989, Zl. 88/08/0102, würden Personen gemäß § 506 Abs. 3 dritter Satz ASVG, die nach dem Opferfürsorgegesetz anspruchsberechtigt seien, den Nachweis für die sozialversicherungsrechtlichen Nachteile durch Vorlage einer Amtsbescheinigung oder eines Opferausweises nach § 4 des Opferfürsorgegesetzes erbringen. Die Bescheinigungen des Landeshauptmannes (Amtsbescheinigung oder Opferausweis nach § 4 des Opferfürsorgegesetzes) seien nach § 506 Abs. 3 ASVG für die Versicherungsträger bindend. Unbestritten sei, daß der Mitbeteiligte im Besitze eines Opferausweises nach dem Opferfürsorgegesetz sei. Die Beschwerdeführerin hätte daher unter Berücksichtigung der gegebenen Bindung davon ausgehen müssen, daß der Mitbeteiligte dem gemäß § 500 ASVG zu begünstigenden Personenkreis angehöre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Mitbeteiligte hat keine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 500 ASVG werden Personen, die in der Zeit vom 4. März 1933 bis 9. Mai 1945 aus politischen Gründen - außer wegen nationalsozialistischer Betätigung - oder religiösen Gründen oder aus Gründen der Abstammung in ihren sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen einen Nachteil erlitten haben, nach Maßgabe der Bestimmungen der §§ 501, 502 Abs. 1 bis 3 und 5 und 506, Personen die aus den angeführten Gründen ausgewandert sind, nach den §§ 502 Abs. 4 bis 6, 503 und 506 begünstigt.
Gemäß § 502 Abs. 1 ASVG gelten (unter anderem) Zeiten einer aus den Gründen des § 500 veranlaßten Untersuchungshaft, Verbüßung einer Freiheitsstrafe und Anhaltung für Personen, die vorher in der Zeit seit dem 1. Juni 1927 Beitragszeiten gemäß § 226, Ersatzzeiten gemäß §§ 228 oder 229 oder Zeiten nach dem Auslandsrenten- Übernahmegesetz, BGBl. Nr. 290/1961, erworben haben, als Pflichtbeitragszeiten mit der höchstzulässigen Beitragsgrundlage, und zwar in der Pensionsversicherung, in der der Versicherte vor der Haft, Strafe oder Anhaltung zuletzt Beitrags- oder Ersatzzeiten nachweist.
Gemäß § 502 Abs.6 ASVG gilt Abs. 1 auch für Personen, die vor der (u.a.) Haft bzw. Anhaltung aus Gründen, auf die der (die) Betreffende keinen Einfluß hatte, keine Beitrags- oder Ersatzzeit in der im § 502 Abs. 1 erster Satz genannten Art zurückgelegt haben, sofern der (die) Betreffende am 12. März 1938 seinen Wohnsitz im Gebiet der Republik Österreich hatte.
Gemäß § 506 Abs. 3 ASVG sind (im Zusammenhang mit dem Nachweis, daß ein sozialversicherungsrechtlicher Nachteil aus einem der in § 500 bezeichneten Gründe erwachsen ist) die Bescheinigungen des Landeshauptmannes (Amtsbescheinigung oder Opferausweise nach § 4 des Opferfürsorgegesetzes) für die Versicherungsträger bindend.
Im Beschwerdefall steht aufgrund des genannten Erkenntnisses vom 19. September 1989 die Zugehörigkeit des Mitbeteiligten als Slowene zum Personenkreis des § 500 ASVG fest. Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin sei jedoch nicht geklärt, ob der Mitbeteiligte aus diesen Gründen eine Haft oder Anhaltung im Sinne des § 502 Abs. 6 ASVG in Verbindung mit Abs. 1 erster Satz ASVG erlitten hat und - bejahendenfalls - ab welcher Zeit ein solcher Vorgang gegebenenfalls zur Anrechnung von Versicherungszeiten führen kann. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin könne ein Nachteil in den sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen auch erst NACH Abschluß der Schulpflicht eintreten, da schulpflichtige Kinder in der Regel keine Versicherungszeiten erwerben könnten. Da der Mitbeteiligte das 14. Lebensjahr erst am 15. Juli 1942 vollendet habe und somit bis Ende Juni 1942 der Schulpflicht unterlegen sei, sei die Feststellung der Begünstigung jedenfalls für die Zeit vom 15. April 1942 bis 30. Juni 1942 zu Unrecht erfolgt.
Gemäß § 37 AVG ist Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.
Gemäß § 39 Abs. 2 AVG hat die Behörde, soweit die Verwaltungsvorschriften hierüber keine Anorndung enthalten, von Amts wegen vorzugehen.
Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.
Diesen Anforderungen entspricht der angefochtene Bescheid schon deshalb nicht, da sich die belangte Behörde hinsichtlich der näheren Umstände des Aufenthaltes des Mitbeteiligten in den Lagern Frauenaurach und Hesselberg überhaupt nicht auseinandergesetzt hat (vgl. zu dieser Problematik etwa das einen ähnlichen Beschwerdefall betreffende Erkenntnis vom 16. April 1991, Zl. 90/08/0079).
Der Beschwerde kommt aber auch insofern Berechtigung zu, als sie die Anrechnung für den Zeitraum vom 15. April 1942 bis 30. Juni 1942 rügt, da der Mitbeteiligte bis Ende Juni 1942 der Schulpflicht unterlegen sei. In dem genannten Erkenntnis vom 16. April 1991 hat der Verwaltungsgerichtshof auch dargelegt, daß es nicht Zweck der §§ 500 ff ASVG ist, dem verfolgten Personenkreis (u.a.) die entgangene Schulausbildung zu entschädigen, sondern für die durch Haft, Anhaltung oder Arbeitslosigkeit aus dem in § 500 genannten Gründen (bzw. aufgrund der damit eingetretenen Hinderung am Erwerb von Versicherungszeiten) entstandenen Versicherungslücken zu schließen.
Wegen der Trennbarkeit seines zeitraumbezogenen Abspruches (vgl. etwa das Erkenntnis vom 23. Oktober 1986, Zl. 81/08/0185) war der angefochtene Bescheid in diesem Umfang (15. April 1942 bis 30. Juni 1942) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
In dem Zusammenhang erweist sich auch der Beschwerdeeinwand als berechtigt, daß dem Spruch des angefochtenen Bescheides nicht zu entnehmen ist, auf welche Bestimmungen die belangte Behörde ihre begünstigende Anrechnung gestützt hat.
Hinsichtlich seines Abspruches für die Zeit vom 1. Juli 1942 bis 23. Mai 1943 wird der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Trennbarkeit gesonderter AbspruchEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1990080086.X00Im RIS seit
12.05.1992