TE Vwgh Erkenntnis 1992/5/19 91/11/0150

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Veröffentlicht am 19.05.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §38;
AVG §45 Abs2;
KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §73 Abs3;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des M in F, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 10. September 1991, Zl. IIb2-K-2281/1-91, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in Ansehung seiner Aussprüche über die vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 10. September 1991 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die ihm erteilte Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B entzogen und zugleich gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. bestimmt, daß dem Beschwerdeführer auf die Dauer von acht Monaten, gerechnet ab 21. März 1991 (dem Tag der vorläufigen Abnahme seines Führerscheines), "keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, daß die Rüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe die Bestimmung des § 66 Abs. 4 AVG "gleich zweimal" verletzt, indem sie "weder die Berufung vom 8.5.1991", "noch den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung vom 8.8.1991" erledigt habe, ins Leere geht. Die Berufung vom 8. Mai 1991 richtete sich gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 22. April 1991, mit dem der in der Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Mandatsbescheid vom 28. März 1991 gestellte Antrag, "dieser Vorstellung aufschiebende Wirkung zuzuerkennen", als unzulässig zurückgewiesen worden ist, wobei selbst dann, wenn die belangte Behörde - was allerdings nicht zutrifft - die Verpflichtung getroffen hätte, über diese Berufung und die gegenständliche Berufung gegen den Vorstellungsbescheid vom 24. Juli 1991 gemeinsam zu entscheiden, die Frage der Rechtmäßigkeit der im angefochtenen Bescheid enthaltenen Aussprüche davon nicht berührt wäre. Der Beschwerdeführer hat zwar weiters mit seinem Antrag, "dieser Berufung aufschiebende Wirkung zuzuerkennen", auch den Ausspruch im genannten Vorstellungsbescheid über den Ausschluß der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG bekämpft; darüber wurde aber - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - im Hinblick darauf, daß der Spruch des angefochtenen Bescheides keinerlei Einschränkung enthält, (wenn auch insoweit ohne jede Begründung) ebenso im abweislichen Sinne entschieden, wogegen sich aber der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde nicht wendet, sodaß dieser (vom übrigen Teil trennbare) Ausspruch jedenfalls aufrecht zu bleiben hat.

Die belangte Behörde hat ihre Annahme, daß der "Entzugstatbestand" nach § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 vorliege, damit begründet, daß der Beschwerdeführer laut zugrundeliegender Gendarmerieanzeige - nachdem er am 21. März 1991 zu einer bestimmten Zeit an einem näher bezeichneten Ort einen Verkehrsunfall "verursacht" gehabt habe und habe vermutet werden müssen, daß er sein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe - "zum Alkotest" aufgefordert worden sei. Wie der unabhängige Verwaltungssenat in Tirol in einer eine Maßnahmenbeschwerde des Beschwerdeführers erledigenden Entscheidung vom 18. Juni 1991 festgestellt habe, sei die Messung des Alkoholgehaltes der Atemluft daran gescheitert, daß der Alkomat vom Beschwerdeführer "zu wenig beatmet" worden sei. Auf Grund der vorliegenden Erhebungen, insbesondere der zeugenschaftlichen Einvernahme der beiden (bei dieser Amtshandlung einschreitenden und namentlich genannten) Gendarmeriebeamten, gehe die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer am 21. März 1991 eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 gesetzt habe.

Der Beschwerdeführer macht mit Recht geltend, daß die belangte Behörde auf diese Weise ihrer Begründungspflicht gemäß § 60 AVG nicht nachgekommen ist. Sie hat sich bei Beurteilung der Vorfrage, ob der Beschwerdeführer diese strafbare Handlung begangen hat, nicht auf ein rechtskräftiges Straferkenntnis, das für sie bindend gewesen wäre, gestützt, und es lag auch nach der Aktenlage eine derartige Entscheidung im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht vor. Sie war daher - wollte sie von dem ihr zustehenden Recht auf Aussetzung des Verfahrens gemäß § 38 AVG nicht Gebrauch machen - verpflichtet, diese Vorfrage nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Dabei war es ihr nicht verwehrt, bereits in anderen Verfahren - wie dies hinsichtlich der sowohl im Verwaltungsstrafverfahren als auch im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol abgelegten Zeugenaussagen der beiden Gendarmeriebeamten der Fall war - aufgenommene Beweise mitzuberücksichtigen, die sie aber einer entsprechenden Beweiswürdigung gemäß § 45 Abs. 2 AVG zu unterziehen gehabt hätte. Selbst wenn man der Auffassung wäre, die belangte Behörde habe sich, soweit dies für ihre Entscheidung von Belang war, die Begründung des angeführten Bescheides des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 18. Juni 1991 zueigen gemacht, so wäre darin keine derartige Beweiswürdigung gelegen, ist doch eine solche durch den unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol, der nur die Rechtmäßigkeit der vom Beschwerdeführer bekämpften vorläufigen Abnahme seines Führerscheines anläßlich des gegenständlichen Vorfalles geprüft hat, diesbezüglich gar nicht vorgenommen worden. Der Beschwerdeführer hat schon im Verwaltungsverfahren ausdrücklich bestritten, die ihm angelastete strafbare Handlung begangen zu haben, und es wäre Sache der belangten Behörde gewesen, sich mit den von ihm hiefür angegebenen Gründen eingehend auseinanderzusetzen. Wenn sie dies erst in ihrer Gegenschrift (und auch hier nur zum Teil) nachzuholen versucht, so kann darauf nicht Bedacht genommen werden.

Für das bei der belangten Behörde fortzusetzende Verfahren sei weiters bemerkt, daß sie sich - für den Fall, daß sie neuerlich zur Ansicht gelangt, es sei auf Grund des Vorfalles vom 21. März 1991 die von ihr angenommene bestimmte Tatsache gegeben - auch mit der Frage zu befassen haben wird, ob nicht die Voraussetzungen des § 73 Abs. 3 KFG 1967 vorliegen, bejahendenfalls eine Festsetzung der im Abs. 2 angeführten Zeit nur mit vier Wochen in Betracht käme. Es würde sich nämlich nach der Aktenlage um die erstmalige Begehung einer Übertretung im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 durch den Beschwerdeführer handeln, und es käme nicht - entsprechend der Begründung des angefochtenen Bescheides - darauf an, ob der Beschwerdeführer damals einen Verkehrsunfall "verursacht", sondern vielmehr darauf, ob er ihn "verschuldet" hat, wobei der sich aus der Anzeige ergebende Unfallshergang, wonach der Beschwerdeführer mit seinem Pkw ein entgegenkommendes Fahrzeug streifte, kurz danach von der Fahrbahn abkam und einen Zaun beschädigte, durchaus die Möglichkeit offenläßt, daß der Beschwerdeführer den Verkehrsunfall nicht verschuldet hat.

Da somit der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid in Ansehung der eingangs wiedergegebenen Aussprüche über die vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991110150.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.11.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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