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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
ASchG 1972 §27 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales in Wien gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 15. November 1991, Zl. 306.663/2-III/3/91, betreffend Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: N-Gesellschaft m.b.H. in V, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Die mitbeteiligte Partei richtete mit Schriftsatz vom 23. März 1987 an den Magistrat der Stadt Wien "gemäß § 81 GewO 1973 ... den Antrag, die Behörde möge die in der Aufstellung von Verkaufseinrichtungen im Passagenbereich unseres Kaufhauses Wien, X-Straße, gelegene Änderung der an diesem Standort gelegenen Betriebsanlage genehmigen".
In der Augenscheinsverhandlung vom 18. Mai 1987 wurde eine Äußerung abgegeben, die u.a. wie folgt lautet:
"Das Arbeitsinspektorat für den 2. Aufsichtsbezirk spricht sich gegen die Genehmigung der Aufstellung von Rundständern, einem Verkaufstisch und einer mit Getränkedosen gestapelten Palette aus:
1. Grundsätzlich wird auf den Bescheid des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 18.2.1987" (betreffend Feststellung der Genehmigungspflicht nach § 358 Abs. 1 GewO 1973)" hingewiesen, in welchem folgende Aussagen getroffen werden: ...
d) über die Brandgefahr durch brennbare Gegenstände im Ausgangsbereich und die daraus resultierende Möglichkeit einer Panik im Kaufhaus wird im Ministerialbescheid ebenfalls eine Aussage getroffen, wobei insbesondere zu berücksichtigen ist, daß das Rauchverbot im Freien nicht verordnet werden kann.
Der Vertreter des Arbeitsinspektorates für den 2. Aufsichtsbezirk befindet die oben angeführten Gründe als ausreichend, gegen diese geplante Aufstellung von Verkaufsmöglichkeiten im Passagenbereich Einspruch zu erheben ..."
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 25. Juni 1987 wurde die Änderung der Betriebsanlage unter Vorschreibung von Auflagen genehmigt.
Gegen diesen Bescheid erhob das Arbeitsinspektorat für den
2. Aufsichtsbezirk unter Hinweis auf seine "negative Stellungnahme" Berufung mit der folgenden, auf das Arbeitsinspektionsgesetz 1974 gestützten Antragstellung:
"Da gemäß § 9 Abs. 1 dem vom Arbeitsinspektorat gestellten Antrag und Stellungnahme auf Nichtgenehmigung der Aufstellung diverser Verkaufseinrichtungen in der Passage nicht entsprochen wurde, wird beantragt, der Berufung stattzugeben."
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 30. November 1987 wurde der erstbehördliche Bescheid mit der Maßgabe der Änderung der Auflagenpunkte 2 und 3 im Verwaltungsrechtszug bestätigt.
Auch dagegen erhob das Arbeitsinspektorat für den
2. Aufsichtsbezirk Berufung. Diese Berufung enthält u.a. folgende Ausführungen und folgende Antragstellung:
"Mit o.a. Bescheid wurde der erstinstanzliche Bescheid vom 25. Juni 1987, ..., mit Ausnahme der Auflagen 2 und 3 entgegen der Stellungnahme des Arbeitsinspektorates für den
2. Aufsichtsbezirk bestätigt und somit die Aufstellung von vier Rundständern für Kleidungsstücke und zwei Verkaufstischen genehmigt. Die Ersatzauflage der MA 63 - (mit Ausnahme des Büroausganges) - für die Punkte 2 und 3 des erstinstanzlichen Bescheides entspricht ebenfalls nicht der Stellungnahme des gefertigten Arbeitsinspektorates ... Es wird beantragt, der Berufung stattzugeben und die beiden Bescheide aufzuheben."
Mit Bescheid vom 24. November 1989 behob der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten den zweit- und den erstbehördlichen Bescheid und wies das Ansuchen der mitbeteiligten Partei um Genehmigung der Änderung der Betriebsanlage gemäß § 81 GewO 1973 in Verbindung mit § 77 Abs. 1 leg. cit. und § 27 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes ab.
In der Begründung dieses Bescheides wurden u.a. folgende Aussagen aus der im Zuge des Berufungsverfahrens erstatteten Stellungnahme des Zentral-Arbeitsinspektorates vom 4. April 1989 wiedergegeben:
"Da ein Rauchverbot in der außerhalb des eigentlichen
Ausganges liegenden Passage nicht durchsetzbar erscheint, muß
in diesem Bereich damit gerechnet werden, daß Kunden und
Passanten brennende Streichhölzer und glimmende Zigaretten
wegwerfen. Auf diese Weise, aber auch durch unbeabsichtigtes
Berühren mit einer glühenden Zigarette können die auf den
Kleiderständern aufgehängten und die auf den Verkaufstischen
feilgebotenen Waren durch unbeabsichtigtes Berühren entzündet
werden. Die Folge wäre, daß die in der Passage aufgestellten
brennbaren Waren abbrennen. Ein Brand im unmittelbaren
Nahbereich des Ausganges des Kaufhauses könnte jedoch zum
Ausbruch einer Panik führen, woraus sich eine Gefahr für die
Gesundheit, aber auch das Leben für Arbeitnehmer und Kunden
ergeben kann ... Das Kaufhaus kann im Fall eines Brandes der in
der Passage zum Verkauf angebotenen Textilien nicht mehr rasch
und sicher durch den Hauptausgang verlassen werden ... Im
gegenständlichen Fall bedeutet das, daß bei Auftreten einer plötzlichen Gefahr in den Verkaufsräumen (z.B. Brandausbruch in oder vor einem der Verkaufsräume bzw. bei einer Verqualmung durch die Lüftungsanlage) ca. 800 Personen primär zum Ein- und Ausgang und nicht zu den Notausgängen flüchten werden ... Die in der Passage angebotenen Textilien und andere brennbare Waren stellen somit eindeutig eine Erhöhung des Gefährdungspotentials dar, weil ein rasches und sicheres Verlassen gemäß § 21 Abs. 1 AAV nicht mehr gewährleistet ist. In Ausgängen und auf Verkehrswegen, die gleichzeitig auch Fluchtausgänge und Fluchtwege sind, ist aber jede Gefährdung auszuschließen. Durch die Aufstellung der Verkaufseinrichtungen im Passagenbereich werden sich auch zahlreiche Passanten im Bereich des Ausganges aufhalten, um sich das Warenangebot anzusehen. Diese Personen werden, da sie von einer Gefahr, die vom Innern des Kaufhauses ausgeht, keine Informationen besitzen, daher auch nicht flüchten. Sie werden für die aus dem Kaufhaus flüchtenden Personen ein weiteres Hindernis und für die nach außen drängenden Menschen ein zusätzliches Risiko darstellen. ..."
Zur Begründung wurde u.a. weiters ausgeführt, in der Stellungnahme des Zentral-Arbeitsinspektorates vom 4. April 1989 werde schlüssig und zusammenfassend dargelegt, daß aus Gründen des Schutzes des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer der geplanten Änderung der Betriebsanlage nicht zugestimmt werden könne. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten sei daher - unter Zugrundelegung dieser Stellungnahme im Rahmen der freien Beweiswürdigung - zu dem Schluß gekommen, daß im gegenständlichen Fall keine Auflagen im Sinne des § 77 Abs. 1 GewO 1973 hätten vorgeschrieben werden können, deren Einhaltung den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer (und auch der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen) zu gewährleisten imstande sei. Daher sei die Genehmigung der Änderung der Betriebsanlage zu versagen gewesen.
Dagegen erhob die nunmehrige mitbeteiligte Partei Beschwerde.
Mit Erkenntnis vom 20. Juni 1991, Zl. 90/19/0217, hat der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 24. November 1989 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Aufhebung ist vom Verwaltungsgerichtshof u.a. wie folgt begründet worden:
"Eine Überprüfung der von der belangten Behörde in bezug auf die von dieser geänderten Betriebsanlage ausgehenden Gefährdung für das Leben oder die Gesundheit von Arbeitnehmern (bzw. von Kunden) und die Möglichkeit der Vermeidung dieser Gefährdung durch Vorschreibung geeigneter Auflagen gezogenen Schlüsse ist aber einerseits infolge Fehlens geeigneter weiterer Feststellungen und andererseits mangels Vorliegens einer fachlich fundierten Aussage zu diesen Fragen nicht möglich. ... Im Gegensatz zu den im Kaufhaus aufgestellten Verkaufseinrichtungen könnten jedoch nach Ansicht der belangten Behörde die in der Passage angebrachten Verkaufseinrichtungen und die dort feilgebotenen Waren deshalb eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Arbeitnehmern oder Kunden darstellen, weil an diesem Aufstellungsort mangels Durchsetzbarkeit eines Rauchverbotes damit zu rechnen sei, daß durch Unachtsamkeit von Passanten oder Kunden die auf den Verkaufseinrichtungen ausgestellten Waren in Brand geraten könnten. Ungeachtet des von der Beschwerdeführerin gemachten Einwandes, daß die ausgestellten Textilien stets aus nicht leicht entflammbaren Materialien hergestellt seien, hat sich die belangte Behörde nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob und in welchem Ausmaß die in der Passage zum Verkauf angebotenen Waren in Brand geraten könnten und, wenn dies der Fall sein sollte, ob und in welchem Ausmaß die Gefahr bestünde, daß das Feuer auch auf die anderen am selben oder auf den in einigem Abstand befindlichen anderen Kleiderständern gelagerten Textilien übergreifen würde."
Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang weiters ausgeführt, daß die belangte Behörde die Ursache für die von ihr angenommene Gefährdung des Lebens und der Gesundheit von Arbeitnehmern (oder Kunden) nicht in der Möglichkeit der Entstehung eines Feuers in der Passage an sich erblicke, sondern meine, es könnte in der Passage ein solches Feuer entstehen, das durch seine Intensität und die dadurch verbundene Rauchentwicklung geeignet wäre, den Ausbruch einer Panik bei den im Kaufhaus befindlichen Kunden zu bewirken. Auf Grund des von der belangten Behörde hiezu festgestellten Sachverhaltes könne die im vorliegenden Fall entscheidungswesentliche Frage nicht beantwortet werden, ob es überhaupt wahrscheinlich sei, daß die in der Passage aufgestellten Waren in Brand geraten.
Im Falle der Bejahung könne auch die weitere entscheidungswesentliche Frage nicht beantwortet werden, ob Grund zu der Annahme bestehe, daß dieses Feuer ein solches Ausmaß erreichen würde, daß es überhaupt geeignet wäre, bei den Kunden im Kaufhaus eine Panik hervorzurufen.
In den weiteren Ausführungen zur Entscheidungsbegründung hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, auf welche vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten getroffenen Feststellungen die Abweisung des von der nunmehrigen mitbeteiligten Partei gestellten Genehmigungsantrages rechtens nicht gestützt werden durfte.
Schließlich enthält das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1991 folgende Ausführungen:
"Auch wenn der von der belangten Behörde hiebei geäußerte Grundgedanke, daß ein Rauchverbot in einer allgemein zugänglichen Passage kaum durchsetzbar und daher unwirksam wäre, nicht unvertretbar erscheint, so kann ihr nicht darin gefolgt werden, wenn sie ohne Angabe von Gründen daraus geschlossen hat, daß auch keine andere Auflage oder Bedingung geeignet wäre, die Gefahren der Entstehung bzw. der Ausbreitung eines Brandes auszuschließen. In einem solchen Fall sind mehrere wirksame und vollziehbare Bedingungen und Auflagen, wie z. B. die Beschränkung des Verkaufes in der Passage auf nicht brennbare bzw. schwer entflammbare Waren sowie die Auflage, wirksame Brandbekämpfungsmittel bereitzustellen, denkbar. Zur Klärung der aufgezeigten Fragen wäre die Einholung eines Sachverständigengutachtens, das sich mit den bestehenden Gefahrenquellen und den Möglichkeiten, diese allenfalls zu vermeiden, auseinandersetzen hätte müssen, erforderlich gewesen. Die Stellungnahme des Zentral-Arbeitsinspektorates kann ein solches Gutachten nicht ersetzen. Da dies von der belangten Behörde verabsäumt wurde, hat sie Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Desgleichen ist der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben."
Mit Ersatzbescheid vom 15. November 1991 wurde die Berufung des Arbeitsinspektorates für den 2. Aufsichtsbezirk abgewiesen. Zur Begründung wurden aus dem hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1991, Zl. 90/19/0217, - lediglich - folgende Stellen zitiert:
"Zunächst ist zur Klarstellung der Hinweis erforderlich, daß durch die Aufstellung von Verkaufseinrichtungen in der Passage der gesamte 5,50 m breite Ein- und Ausgang des Kaufhauses als auch der Verbindungsweg zwischen diesem und dem Gehsteig in der ganzen Breite des Aus- und Einganges nicht eingeengt oder behindert wird und daß in den Verkaufsräumen des Kaufhauses Kleiderständer und Verkaufstische mit ähnlichen Dimensionen wie jene, die in der Passage angebracht werden sollen, aufgestellt sind. ... Dazu kommt aber noch, daß ... dem Ausbruch einer Panik im Kaufhaus bereits dadurch ausreichend begegnet ist, daß der den Kunden zur Verfügung stehende Ein- und Ausgang ausreichend dimensioniert ist, um den sich bei einer Panik ergebenden Menschenstrom zu entspannen."
"Die in der Passage ausgestellten Verkaufseinrichtungen sind außerhalb des Ein- und Ausgangsbereiches situiert. Die belangte Behörde irrt daher, wenn sie in diesem Zusammenhang ausführt, die geplante Aufstellung der Verkaufseinrichtungen in der Passage stelle aus den angeführten Gründen auch eine Verletzung der Bestimmungen des § 4 Arbeitnehmerschutzgesetz und des § 21 Abs. 1 und 6 AAV dar."
Unter Bezugnahme auf § 63 Abs. 1 VwGG führte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten weiters aus, im gegenständlichen Fall liege dem Berufungsvorbringen zur Gänze die Annahme zugrunde, es könnte im Gefolge eines im Zusammenhang mit der beantragten Änderung auftretenden Brandes zu einer Panikreaktion von Kunden in Teilen der bereits genehmigten Betriebsanlage kommen, wodurch für diese sowie in die Kundenmenge eingekeilte Arbeitnehmer verschiedene Gefährdungen des Lebens oder der Gesundheit auftreten könnten. Wie aus den vorzitierten Passagen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Juni 1991 ersichtlich sei, teile der Verwaltungsgerichtshof diese Annahme nicht. Der Bundesminister sei zufolge des obzitierten § 63 Abs. 1 VwGG an diese Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes gebunden. Nach dieser sei aber nicht nur die dem Berufungsvorbringen zugrunde liegende Annahme, sondern demzufolge auch das Vorbringen selbst unbegründet, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift und stellte den Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der vorliegenden Beschwerde ist eine Erklärung über den Umfang der Anfechtung im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGG dahin zu entnehmen, daß in Anwendung des § 63 Abs. 1 VwGG über die Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides unter dem Gesichtspunkt der Abwehr von Gefahren für die Arbeitnehmer hinsichtlich der Entstehung bzw. der Ausbreitung eines Brandes im Zusammenhang mit der verfahrensgegenständlichen Änderung der Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei zu erkennen sei. In Ausführung dieser Erklärung über den Umfang der Anfechtung trägt der Beschwerdeführer vor, die Feststellung der belangten Behörde, der Verwaltungsgerichtshof teile die in der Berufung des Arbeitsinspektorates für den 2. Aufsichtsbezirk vertretene Auffassung nicht, sei aktenwidrig. Zwar habe der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, daß der Ein- und Ausgang ausreichend dimensioniert sei, daß dadurch auch dem Ausbruch einer Panik im Kaufhaus ausreichend begegnet wäre, daß die gegenständlichen Verkaufseinrichtungen sich außerhalb des Ausgangsbereiches befänden und daß durch einen etwaigen Brand an den Verkaufsständen in der Passage keine andere Gefährdungssituation entstehen würde als durch einen Brand an den im Kaufhaus aufgestellten Verkaufseinrichtungen. Diese Feststellungen bezögen sich aber auf die Gefährdung in einem konkreten Brandfall, also auf jene Gefahr, die durch bzw. im Gefolge eines Brandausbruches entstehe. Nicht von diesen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofes erfaßt sei jedoch das in der Passage - im Vergleich zu den im Kaufhaus vorliegenden Gegebenheiten - größere Brandrisiko, also die erhöhte potentielle Gefahr eines Brandausbruches an sich. Hiebei handle es sich um die Gefahr, die die in der Passage angebrachten und die dort feilgebotenen Waren deshalb darstellten, weil an diesem Aufstellungsort mangels Durchsetzbarkeit eines Rauchverbotes damit zu rechnen sei, daß durch die Unachtsamkeit von Passanten oder Kunden die auf den Verkaufseinrichtungen aufgestellten Waren in Brand geraten könnten. Hiezu habe der Verwaltungsgerichtshof jedoch keineswegs die Auffassung vertreten, daß diese Gefahr nicht gegeben sei, sondern er habe festgestellt, daß der Grundgedanke eines - infolge mangelnder Durchsetzbarkeit eines Rauchverbotes im Freien - erhöhten Brandrisikos nicht unvertretbar erscheine. Weiters habe der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, daß in einem solchen Fall mehrere wirksame und vollziehbare Bedingungen und Auflagen denkbar seien und daß zur Klärung der aufgezeigten Fragen die Einholung eines Sachverständigengutachtens, das sich mit den bestehenden Gefahrenquellen und den Möglichkeiten, diese allenfalls zu vermeiden, auseinandersetzen hätten müssen, erforderlich gewesen wäre. Dieser Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes sei der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten in seinem Ersatzbescheid vom 15. November 1991 entgegen § 63 Abs. 1 VwGG nicht gefolgt.
Die belangte Behörde führte in ihrer Gegenschrift u.a. aus, der Beschwerdeführer bringe gegen den angefochtenen Bescheid vor, daß dieser das in der Passage im Vergleich zu den im Kaufhaus vorliegenden Gegebenheiten größere Brandrisiko, also die erhöhte potentielle Gefahr eines Brandausbruches an sich, nicht berücksichtige. Dieser Gefährdungsfall sei aber bereits nicht Gegenstand des mit dem hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1991 behobenen Bescheides vom 24. November 1989 und auch nicht des hg. Erkenntnisses vom 20. Juni 1991 selbst ("..., weil die belangte Behörde die Ursache für die von ihr angenommene Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Arbeitnehmern ... nicht in der Möglichkeit der Entstehung eines Feuers in der Passage an sich erblickt ...") gewesen, weshalb sich auch der nunmehr in Beschwerde gezogene Bescheid mit diesem Gefährdungsfall nicht auseinanderzusetzen gehabt habe. Da der Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 24. November 1989 seinerzeit eine Beschwerde nicht erhoben habe, sei er im übrigen bezüglich dieses Gefährdungsfalles auch präkludiert.
Die vorliegende Beschwerde ist stichhältig.
Im Grunde des § 8 Abs. 1 erster Satz ArbIG 1974 hat die Behörde an Verwaltungsverfahren in Sachen, die den Schutz der Arbeitnehmer berühren, das nach dem Standort und der Art des Betriebes zuständige Arbeitsinspektorat zu beteiligen.
Gemäß § 9 Abs. 1 erster Satz ArbIG 1974 steht dem nach Standort und Art des Betriebes zuständigen Arbeitsinspektorat u. a. in dem - hier vorliegenden - Fall des § 8 Abs. 1 ArbIG 1974 gegen den Bescheid der zuständigen Behörde erster Instanz die Berufung zu, wenn der Bescheid dem vom Arbeitsinspektorat gestellten Antrag oder der abgegebenen Stellungnahme nicht entspricht; unter den gleichen Voraussetzungen steht diesem Arbeitsinspektorat die Berufung auch gegen Bescheide der Behörde zweiter Instanz zu, wenn deren Entscheidung nicht in letzter Instanz ergangen ist.
Zufolge § 42 Abs. 3 VwGG tritt durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides nach Abs. 2 die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hatte.
Wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben hat, sind die Verwaltungsbehörden nach § 63 Abs. 1 VwGG verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Die belangte Behörde vertritt in ihrer Gegenschrift, wie erwähnt, die Auffassung, daß der Beschwerdeführer, weil er gegen den - vom Verwaltungsgerichtshof auf die Beschwerde der nunmehrigen mitbeteiligten Partei hin aufgehobenen - Bescheid vom 24. November 1989 keine Beschwerde erhoben habe, bezüglich des mit dem geänderten Anlagenteil der Betriebsanlage verbundenen Gefahrenfalles der Entstehung bzw. der Ausbreitung eines Brandes präkludiert sei. Diese Auffassung widerspricht der sich aus § 42 Abs. 3 VwGG in Verbindung mit den Vorschriften über die Beschwerdeberechtigung bzw. die sonstige Zulässigkeit einer Beschwerde ergebenden Rechtslage. Eine beschwerdeberechtigte Person oder Stelle wird zufolge dieser Rechtslage dadurch, daß sie die Erhebung der Beschwerde gegen einen Bescheid unterläßt, nicht gehindert, in einem allfälligen fortgesetzten Verfahren nach Maßgabe ihrer Beschwerdeberechtigung nach Art. 131 Abs. 1 B-VG oder der Zulässigkeit der Beschwerdeerhebung im Sinne des Art. 131 Abs. 2 B-VG Beschwerde gegen den Ersatzbescheid zu erheben.
Zu Recht rügt der Beschwerdeführer, daß mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 20. Juni 1991, Zl. 90/19/0217, vertretenen Rechtsanschauung nicht Rechnung getragen wurde. Der Verwaltungsgerichtshof ist in diesem Erkenntnis nicht davon ausgegangen, daß die Rechtswidrigkeit der Abweisung des Genehmigungsantrages der mitbeteiligten Partei unter bestimmten, im Erkenntnis dargestellten Gesichtspunkten in sich schließen würde, es wäre der im erstbehördlichen Verfahren abgegebenen Stellungnahme und dem Berufungsantrag des am Verwaltungsverfahren beteiligten Arbeitsinspektorates bereits hinlänglich Rechnung getragen worden. Vielmehr hat der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid vom 24. November 1989 zur Klärung der im Erkenntis aufgezeigten Fragen, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der Möglichkeit der Vorschreibung geeigneter Auflagen, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Da die belangte Behörde auch im fortgesetzten Verfahren die Verfahrensvorschriften des § 37 in Verbindung mit § 52 AVG über die Einholung eines Sachverständigengutachtens außer acht ließ und der Sachverhalt in den im Vorerkenntnis aufgezeigten wesentlichen Punkten weiterhin ergänzungsbedürftig blieb, war auch der nunmehr angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der von der mitbeteiligten Partei beantragten Verhandlung konnte im Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Schlagworte
Einwendung der entschiedenen Sache Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992040054.X00Im RIS seit
01.06.2001