Index
L66207 Landw Bringungsrecht Güter- und Seilwege Tirol;Norm
AVG §13 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Waldner, Dr. Novak und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der Stadtgemeinde L, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 15. November 1991, Zl. 18.327/07-IA8/91, betreffend Rodungsbewilligung (Mitbeteiligter: H in X), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des Waldgrundstückes Nr. nn1 der KG A.
Das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (im folgenden: Agrarbehörde) stellte mit dem an die Bezirkshauptmannschaft (im folgenden: BH) gerichteten, dort am 24. Jänner 1989 eingelangten Schreiben vom 20. Jänner 1989 gemäß § 19 Abs. 2 lit. c des Forstgesetzes 1975 in der Fassung BGBl. Nr. 576/1987 (im folgenden: ForstG) den Antrag auf Bewilligung der Rodung einer Teilfläche von 3.600 m2 des Grundstückes nn1 zur Errichtung eines Almweges zur Erschließung der K-Alm. Die Agrarbehörde verwies dabei auf den der Eingabe angeschlossenen Bescheid vom 14. November 1988, mit dem sie dem Mitbeteiligten antragsgemäß zugunsten seiner näher bezeichneten, zur K-Alm gehörenden Grundstücke gemäß den Bestimmungen des Güter- und Seilwege-Landesgesetzes - GSLG 1970, LGBl. für Tirol Nr. 40/1970, ein Bringungsrecht auf dem Grundstück nn1 mit der Berechtigung zur Errichtung, Erhaltung und Benützung eines nicht öffentlichen Weges ("K-Almweg") nach Maßgabe des näher bezeichneten Projektes ihrer Außenstelle in L auf Dauer eingeräumt hatte. Dieser Bescheid erwuchs infolge Bekämpfung durch die Beschwerdeführerin nicht in Rechtskraft. Die gemäß § 19 Abs. 3 ForstG für einen Rodungsantrag vorgesehenen Beilagen waren teils dem Antrag der Agrarbehörde angeschlossen, teils wurden sie von ihrer Außenstelle direkt der BH übermittelt.
Der Mitbeteiligte stellte in seiner Eingabe an die BH vom 28. Jänner 1989, bei dieser eingelangt am 31. Jänner 1989, den Antrag auf Rodungsbewilligung für den über seine Waldgrundstücke Nr. nn2 und nn3 der KG A führenden Teil des K-Almweges.
Am 7. Februar 1989 leitete die BH die Rodungsanträge an die Bezirksforstinspektion zur Erstellung eines forsttechnischen Gutachtens weiter. Mit Schreiben vom 17. Juli 1989 ersuchte der Leiter der Bezirksforstinspektion die BH "um zusätzliche Ergänzungen bzw. Überarbeitungen des Projektes" als Grundlage für das zu erstellende Gutachten, und zwar durch Ersichtlichmachung der Deponieflächen im Lageplan für die End- bzw. Zwischenlagerung des anfallenden Materials, durch Ausstecken bzw. Ersichtlichmachen der Rodungsfläche in der Natur sowie durch die Erstellung von Querprofilen. Mit Schreiben vom 19. Juli 1989 forderte die BH die Agrarbehörde und den Mitbeteiligten auf, diesem Ersuchen des Sachverständigen zu entsprechen und außerdem um die Bewilligung zur Rodung der vorgesehenen Deponieflächen anzusuchen. Sollte dieser Aufforderung nicht binnen acht Wochen entsprochen werden, würden die Anträge gemäß § 13 Abs. 3 AVG wegen Formgebrechen zurückgewiesen werden.
Mit Eingabe vom 25. Juli 1989 stellte die Agrarbehörde gemäß § 73 Abs. 2 AVG den Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über ihren Rodungsantrag an den Landeshauptmann von Tirol (im folgenden: Landeshauptmann). Der Antrag war an die Devolutionsbehörde gerichtet und langte bei dieser am 25. Juli 1989 ein. Auch der Mitbeteiligte stellte mit Schreiben vom 1. August 1989, eingelangt am 2. August 1989, einen Devolutionsantrag hinsichtlich seines Rodungsbegehrens.
Die Beschwerdeführerin bestritt in ihrer an den Landeshauptmann gerichteten Stellungnahme vom 7. Oktober 1989 die Notwendigkeit des projektierten Weges und zeigte die aus ihrer Sicht im Falle seiner Errichtung zu erwartenden Nachteile auf. Dabei bezog sie sich auf das "Rodungsgutachten" des Leiters der Bezirksforstinspektion (ohne Datum), welches von der BH mit Schreiben vom 25. September 1989 dem Landeshauptmann vorgelegt worden war, und auf das (Privat-)Gutachten des Dr. Z vom 26. Juni 1989 über den im Landschaftsschutzgebiet K-Almtal und G-Graben gelegenen Teil des geplanten Weges.
Am 10. Oktober 1989 fand die mündliche Verhandlung über die Rodungsanträge statt. Dabei erweiterte der Vertreter der antragstellenden Agrarbehörde den Rodungsantrag dahingehend, daß nunmehr eine Teilfläche von maximal 4.200 m2 zur dauernden Rodung und eine weitere Teilfläche von 5.400 m2 zur befristeten Rodung vorgesehen sei. Der beigezogene Amtssachverständige für Forsttechnik erstattete ein Gutachten.
Mit Schreiben vom 24. Oktober 1989 schränkte die Agrarbehörde das Rodungsbegehren auf das ursprünglich angegebene Ausmaß von 3.600 m2 ein.
Der Landeshauptmann von Tirol gab mit Bescheid vom 9. April 1991 gemäß § 73 Abs. 2 AVG den Devolutionsanträgen der Agrarbehörde und des Mitbeteiligten statt (Spruchteil I) und bewilligte gemäß §§ 17 und 18 ForstG unter mehreren Nebenbestimmungen die dauernde Rodung einer Teilfläche von
3.600 m2 des Grundstückes nn1, einer Teilfläche von
1.200 m2 des Grundstückes nn2 und einer Teilfläche von 660 m2 des Grundstückes nn3 zum Zwecke der Errichtung des geplanten Weges.
Zum Spruchteil I führte der Landeshauptmann begründend aus, die sechsmonatige Frist zur Entscheidung über den Rodungsantrag der Agrarbehörde habe am 24. Juli 1989, jene zur Entscheidung über den Rodungsantrag des Mitbeteiligten am 31. Juli 1989 geendet. Die Berechtigung der Agrarbehörde zur Stellung eines solchen Antrages stehe auf Grund ihrer Parteistellung gemäß § 19 Abs. 2 lit. c ForstG außer Frage. Es sei nicht ersichtlich, daß die Verzögerung auf ein Verschulden der Parteien oder auf ein unüberwindliches Hindernis zurückzuführen sei. Die zur Behebung aufgetragenen Mängel bildeten jedenfalls keine Formgebrechen im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG, wenngleich die vom Amtssachverständigen für erforderlich erachteten Ergänzungen der Anträge für sein Gutachten und das weitere Verfahren durchaus zweckmäßig und sinnvoll sein mögen. Ein hinreichender Grund für das Verstreichen von rund fünfeinhalb Monaten zwischen dem Ersuchen an den Amtssachverständigen zur Erstellung eines Gutachtens und seinem Schreiben vom 17. Juli 1989 sei nicht ersichtlich. Die eingetretene Verzögerung sei daher allein auf ein Verschulden der BH zurückzuführen.
Zu Spruchpunkt II führte der Landeshauptmann aus, das Fehlen oder die Unzulänglichkeit der Verkehrserschließung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke bilde einen Mangel der Agrarstruktur. Die Einräumung eines Bringungsrechtes nach dem GSLG 1970 stelle eine Maßnahme zur Beseitigung eines solchen Mangels und daher eine Agrarstrukturverbesserung im Sinne des § 17 Abs. 3 ForstG dar. In der Folge führte der Landeshauptmann unter dem Titel der Interessenabwägung im Sinne des § 17 Abs. 3 ForstG aus, unter Bedachtnahme auf die auch im vorliegenden Fall verwertbaren Ergebnisse der Ermittlungsverfahren der Agrarbehörde und der Naturschutzbehörde stehe fest, daß bei der K-Alm ein Bringungsnotstand im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. a GSLG 1970 gegeben sei. Diese Alm sei bisher lediglich durch einen teilweise ausgesetzten Saumpfand erschlossen. Infolge dieser unzulänglichen Erschließung sei eine zweckmäßige Bewirtschaftung der Alm, zu der neben landwirtschaftlichen Grundflächen auch ein in seinem Bestand gefährdeter Schutzwald gehöre, erheblich beeinträchtigt. Nach den Ergebnissen der genannten Verfahren sei die Beseitigung des Bringungsnotstandes nur durch den vorgesehenen Wegbau als der einzigen technisch und wirtschaftlich vertretbaren Erschließungsvariante möglich. Zum öffentlichen Interesse an der Beseitigung des Mangels einer zeitgemäßen Erschließung der K-Alm komme, daß dieser Weg auch in dem vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft genehmigten Waldentwicklungsplan vorgesehen sei, er also einer im Rahmen der Schutzwaldsanierung und Höhenlagenaufforstung erhobenen Forderung entspreche. Damit sei der Einwand der Beschwerdeführerin, dieser Weg sei für die Schutzwaldsanierung und -bewirtschaftung im Stadtwald und auf der K-Alm bedeutungslos, widerlegt. Außerdem erleichtere dieser Weg im Falle eines Waldbrandes dessen Bekämpfung und weiters die Entsorgung des Schutzhauses auf der K-Alm. Die Waldausstattung der Gemeinde A werde angesichts des deutlich über dem Landesdurchschnitt liegendenden Bewaldungsprozentes von 53 % und des geringen Ausmaßes der Rodungsfläche nicht beeinträchtigt, weshalb der forsttechnische Amtssachverständige eine Ersatzaufforstung als entbehrlich bezeichnet habe. Den zu erwartenden Vorteilen bei der Waldbewirtschaftung stünden nach den Ermittlungsergebnissen keine nachteiligen Einflüsse auf die Wirkungen des Waldes gegenüber. Insbesondere sei nach dem Gutachten des forsttechnischen Amtssachverständigen die von der Beschwerdeführerin behauptete Gefährdung des Bestandes ihres Schutzwaldes nicht zu befürchten. Aus diesen Erwägungen komme die Behörde zu der Ansicht, daß das mit dem privaten Interesse des Mitbeteiligten parallel laufende öffentliche Interesse an der Erteilung der Rodungsbewilligung das öffentliche Interesse an der Erhaltung der dafür erforderlichen vergleichsweise geringen Waldfläche als Wald überwiege.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Sie erklärte, diesen Bescheid nur insoweit anzufechten, als damit dem Devolutionsantrag der Agrarbehörde stattgegeben und dem Mitbeteiligten die Bewilligung zur dauernden Rodung einer Teilfläche ihres Grundstückes nn1 erteilt werde.
Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 15. November 1991 wurde der Bescheid des Landeshauptmannes hinsichtlich einer Nebenbestimmung geändert, im übrigen wurde die Berufung abgewiesen. In der Frage des Übergangs der Zuständigkeit führte der Bundesminister zu der von ihm als zutreffend erachteten Begründung des Bescheides des Landeshauptmannes ergänzend aus, daß die Verzögerung durch den Amtssachverständigen der BH zuzurechnen sei. Die Erweiterung des Rodungsbegehrens in der mündlichen Verhandlung vom 10. Oktober 1989 sei deshalb nicht relevant, weil das Erweiterungsbegehren in der Folge zurückgezogen worden sei und der Antrag, über den der Landeshauptmann abgesprochen habe, mit dem ursprünglichen Rodungsantrag ident sei. Auch in Ansehung der Rodungsbewilligung schloß sich der Bundesminister der Begründung des Bescheides des Landeshauptmannes an. Dem Berufungsvorbringen, das Projekt sei in der beantragten Form für die Bewirtschaftung einer Alm nicht erforderlich, hielt er entgegen, daß das Rodungsbegehren nur in bezug auf das beantragte Projekt zu beurteilen sei. Die Prüfung habe ausschließlich nach forstrechtlichen Kriterien zu erfolgen, sodaß für die Forstbehörde die im Verfahren vor der Agrarbehörde maßgebenden Bewilligungskriterien hinsichtlich Art, Inhalt und Umfang des Bringungsrechtes unbeachtlich seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin steht wie schon im Verwaltungsverfahren auf dem Standpunkt, daß der Devolutionsantrag des Mitbeteiligten abzuweisen gewesen wäre, weil die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der BH zurückzuführen sei. Die BH habe die Verwaltungsakten unverzüglich dem forsttechnischen Sachverständigen zur Begutachtung übermittelt, dieser wäre aber auf Grund der örtlichen und witterungsmäßigen Gegebenheiten (Höhenlage von 1600 bis 1800 m, spätes Einsetzen der Schneeschmelze) frühestens Ende Mai bis Anfang Juni in der Lage gewesen, eine wohl unabdingbare Besichtigung der vorgesehenen Rodungsfläche vorzunehmen. Da die Rodungsfläche im Landschaftsschutzgebiet gelegen sei und Schutzwald betreffe, sei der Verbesserungsauftrag der BH auch berechtigt gewesen, um solcherart eine ausreichende Entscheidungsgrundlage für die Beurteilung der anstehenden Fragen zu schaffen. Infolge Nichterfüllung dieses Auftrages durch die Agrarbehörde sei in Wirklichkeit diese und nicht die BH säumig geworden.
Diese Auffassung kann nicht geteilt werden. Nach § 73 Abs. 2 letzter Satz AVG ist ein Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist. Eine Verzögerung der Entscheidung ist dann ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen, wenn sie weder durch das Verschulden der Partei noch durch unüberwindliche Hindernisse verursacht wurde (vgl. etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Juni 1973, Slg. 8426/A, und vom 19. November 1986, Zl. 85/09/0199).
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin läßt kein Verschulden der antragstellenden Agrarbehörde an der Säumigkeit der BH erkennen. Denn ungeachtet der Frage der Berechtigung des Mängelbehebungsauftrages vom 19. Juli 1989 vermochte die Weigerung der Agrarbehörde, diesem Auftrag zu entsprechen, schon deshalb kein Verschulden der Partei an der Säumigkeit der BH zu begründen, weil diese Weigerung erst nach Ablauf der sechsmonatigen Entscheidungsfrist zugleich mit dem Begehren auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung ausgesprochen wurde. Die BH konnte durch sie keinesfalls an der fristgerechten Entscheidung über den Rodungsantrag des Mitbeteiligten gehindert worden sein. Ein Verschulden der antragstellenden Agrarbehörde infolge Einbringung eines mit einem Formgebrechen behafteten Antrages, was nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 29. November 1960, Slg. 5434/A, und vom 16. März 1969, Zl. 1769/69) ein alleiniges Verschulden der säumigen Behörde ausschlösse, wird von der Beschwerdeführerin nicht behauptet und ergibt sich auch nicht aus der Aktenlage.
Mit dem Vorbringen, eine Besichtigung der vorgesehenen Rodungsfläche durch den Sachverständigen wäre wegen der örtlichen und witterungsmäßigen Gegebenheiten frühestens Ende Mai bis Anfang Juni möglich gewesen, kann deshalb nicht das Fehlen eines Verschuldens der BH an der Verzögerung dargetan werden, weil - abgesehen davon, ob es einer solchen Besichtigung überhaupt bedurfte, um die vom Sachverständigen behauptete Ergänzungsbedürftigkeit des Rodungsantrages zu erkennen - es dem Sachverständigen jedenfalls bereits nach der erstmaligen Besichtigung an Ort und Stelle (nach der Aktenlage Anfang Mai 1989) möglich gewesen wäre, die BH über die von ihm gesehene Ergänzungsbedürftigkeit des Antrages zu informieren. Ein hinreichender Grund für das Verstreichen von rund fünfeinhalb Monaten zwischen dem Ersuchen um Erstellung eines Gutachtens und dem Schreiben des Sachverständigen vom 17. Juli 1989 ist nicht ersichtlich. Diese unnötige Verzögerung des Verfahrens durch den Amtssachverständigen fällt, wie die belangte Behörde zu Recht ausgeführt hat, der BH als Verschulden zur Last.
Die Beschwerdeführerin ist auch insofern nicht im Recht, als sie unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach im Falle der Änderung eines Antrages in einem wesentlichen Punkt die Entscheidungsfrist nach § 73 Abs. 1 AVG neu zu laufen beginnt (Erkenntnisse vom 26. April 1972, Slg. 8222/A, und vom 24. Oktober 1985, Slg. 11925/A), meint, die Ausweitung des Rodungsbegehrens in der Verhandlung vom 10. Oktober 1989 habe zum Wegfall der Zuständigkeit des Landeshauptmannes als Devolutionsbehörde geführt. Der Hinweis auf diese Rechtsprechung ist verfehlt, weil es im vorliegenden Fall nicht um die Frage geht, wann für den im Devolutionswege zuständig gewordenen Landeshauptmann die Entscheidungsfrist nach § 73 Abs. 2 AVG begonnen bzw. geendet hat. Davon abgesehen wurde, wie die belangte Behörde zu Recht ausführte, in der Folge das Erweiterungsbegehren zurückgezogen, sodaß der Antrag, über den der Landeshauptmann abzusprechen hatte, ident war mit dem ursprünglichen Rodungsantrag. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, das erweiterte Begehren vom 10. Oktober 1989 sei nicht von der antragstellenden Agrarbehörde, sondern vom Mitbeteiligten mit Schriftsatz vom 20. Oktober 1989 zurückgezogen worden, steht mit der Aktenlage im Widerspruch, wie die obige Sachverhaltsdarstellung zeigt.
2. In der Sache selbst bringt die Beschwerdeführerin vor, nach ihrer Auffassung sei ein öffentliches Interesse an der beantragten Rodung auch nicht im Sinne einer Maßnahme der Agrarstrukturverbesserung gegeben. Die belangte Behörde sei auf das im Akt erliegende "Rodungsgutachten" des forsttechnischen Amtssachverständigen der BH, welches sich gerade vom forsttechnischen Standpunkt aus gegen die beantragte Rodung ausspreche, nicht eingegangen. Dabei sei insbesondere auf den dort aufgezeigten Umstand hinzuweisen, daß es sich beim betroffenen Wald um ausgeprägten Schutzwald handle. Der Sachverständige habe ausgeführt, daß zwischen den Serpentinen nur mehr äußerst schmale und damit destabilisierte Waldstreifen verblieben, was bei den gegebenen geologischen Verhältnissen (Hangschutt als Untergrund) zur Entstehung von weiteren Hanganbrüchen und Rutschungsflächen führen könne. Nach Meinung dieses Gutachters überwiege das öffentliche Interesse an der Walderhaltung jenes an der Verwirklichung des Rodungszweckes. Auch Dr. Z habe im forsttechnischen Teil seines Gutachtens auf die Problematik der zwischen den Serpentinen verbleibenden schmalen Waldstreifen hingewiesen und ausgeführt, daß dieser grobe Eingriff in einem sehr sensiblen Bereich einer Verkarstung gleichkomme. Was die angebliche Agrarstrukturverbesserung anlange, habe dieser Sachverständige zur Behauptung, daß Almwirtschaft heute ohne autobefahrbaren Weg nicht mehr möglich sei, Gegenbeispiele aus Vorarlberg angeführt und einen Vortrag des Bezirkshauptmannes von Bludenz erwähnt, laut dem nur noch ein Teil der bisher nicht erschlossenen Almen in Vorarlberg erschlossen werden und von den übrigen auch nur ein Teil eine Entschädigung erhalten solle. Nach Meinung der Beschwerdeführerin könne es im Hinblick darauf, daß die Rodungsfläche in einem Landschaftsschutzgebiet liege und Schutzwald betreffe, nicht im öffentlichen Interesse gelegen sein, die beantragte, der Bewirtschaftung einer nach der Aktenlage mit 56 Rindern und 6 Pferden bestoßenen Alpe dienende Rodung zu bewilligen.
Nach § 17 Abs. 2 ForstG kann die Forstbehörde eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt. Gemäß § 17 Abs. 3 ForstG kann ein öffentliches Interesse im Sinne des Abs. 2 unter anderem in der Agrarstrukturverbesserung begründet sein. Nach § 17 Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde bei Abwägung der öffentlichen Interessen im Sinne des Abs. 2 insbesondere auf eine die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung Bedacht zu nehmen. Unter dieser Voraussetzung sind die Zielsetzungen der Raumordnung zu berücksichtigen.
Zu den Mängeln der Agrarstruktur gehört das Fehlen oder die Unzulänglichkeit der Verkehrserschließung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke. Die Einräumung eines Bringungsrechtes im Sinne des GSLG 1970 stellt eine Maßnahme zur Beseitigung eines solchen Agrarstrukturmangels und daher eine Agrarstrukturverbesserung im Sinne des § 17 Abs. 3 FG dar (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Februar 1984, Zl. 83/07/0191).
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a GSLG 1970 ist auf Antrag des Eigentümers eines Grundstückes ein Bringungsrecht einzuräumen, wenn die zweckmäßige Bewirtschaftung von Grundstücken, die land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken gewidmet sind, oder eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes dadurch erheblich beeinträchtigt wird, daß für die Bringung der auf den Grundstücken oder im Betrieb gewonnenen oder gewinnbaren Erzeugnisse oder der zur Bewirtschaftung erforderlichen Personen oder Sachen keine oder nur eine unzulängliche Bringungsmöglichkeit besteht.
Da die Forstbehörde das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 17 Abs. 3 und 4 ForstG zu prüfen hat, hat sie bei der Beurteilung eines Rodungsansuchens, welches sich auf die Behauptung einer Agrarstrukturverbesserung stützt, auch deren Vorliegen nach jeder Richtung hin zu untersuchen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. September 1982, Slg. 10835/A).
Im Beschwerdefall stand als öffentliches Interesse im Sinne des § 17 Abs. 3 ForstG jenes an der Agrarstrukturverbesserung zur Diskussion. Die Forstbehörden haben sich für ihre Annahme des Bestehens eines solchen Interesses auf die Ergebnisse der von der Agrarbehörde und der Naturschutzbehörde geführten Verfahren berufen. Der Landeshauptmann verwies insoweit pauschal auf die Ermittlungsergebnisse jener Verfahren, ohne konkret darzulegen, welchen - unter dem Blickwinkel der §§ 17, 18 ForstG und der von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwendungen maßgebenden - Sachverhalt er als erwiesen angenommen und seiner Beurteilung der Frage der Agrarstrukturverbesserung sowie der Interessenabwägung zugrundegelegt hat. Dieser Mangel wurde von der belangten Behörde nicht behoben. Auch der angefochtene Bescheid läßt entgegen dem Gebot des § 60 AVG nach übersichtlicher Zusammenfassung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und der bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen nicht erkennen, welchen Sachverhalt die belangte Behörde ihrerseits als erwiesen angenommen hat und welche Erwägungen hiefür maßgebend waren. Dieser Verfahrensmangel ist wesentlich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei seiner Vermeidung zu einem anderen Bescheid gekommen wäre, und weil im übrigen dieser Begründungsmangel den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der getroffenen Entscheidung hindert.
Der angefochtene Bescheid ist aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne daß auf das Beschwerdevorbringen eingegangen werden muß.
3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Ein gesonderter Abspruch über den (zur hg. Zl. AW 92/10/0001 protokollierten) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung erübrigte sich im Hinblick auf die Beendigung des Beschwerdeverfahrens durch die vorliegende Entscheidung.
Schlagworte
Verhältnis zu §73 Abs2 letzter Satz AVGVerschulden der Behörde §73 Abs2 letzter Satz AVGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992100002.X00Im RIS seit
27.11.2000Zuletzt aktualisiert am
21.10.2010