TE Vwgh Erkenntnis 1992/6/28 90/18/0255

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Veröffentlicht am 28.06.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

ÄrzteG 1984 §75;
ÄrzteG 1984 §79 Abs4;
ÄrzteG 1984 §79 Abs7;
AVG §56;
VwGG §42 Abs2 litb;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Degischer, DDr. Jakusch und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Dr. N gegen den Bescheid des Beschwerdeausschusses der Ärztekammer für Wien vom 16. Juli 1990, ausgefertigt am 25. September 1990, Zeichen Dr.M/Ke, betreffend Beiträge zum Wohlfahrtsfonds, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinen Absätzen 2, 3 und 4 wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Ärztekammer für Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 8. März 1990 stellte der Beschwerdeführer an den Verwaltungsausschuß des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien den Antrag 1) auf Feststellung, daß er keine Beitragsrückstände gegenüber dem Wohlfahrtsfonds habe und

2) daß er auch für die Zukunft von Beitragsleistungen an diesen Fonds befreit sei. Die Begründung des Antrages ging dahin, der Beschwerdeführer sei zwar (auch) selbständiger Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, aber überwiegend - nach Zeitaufwand und Einkommen - unselbständiger Arzt des X (Genesungsheim A), in welch letzterer Eigenschaft er nach dem ASVG vollversichert sei. Daher seien allfällige Leistungen des Wohlfahrtsfonds für ihn ohne Interesse; § 7 der Satzung der Ärztekammer für Wien sei übrigens verfassungswidrig, weil darin nur pragmatisierte beamtete Ärzte von der Beitragspflicht ausgenommen seien.

Mit Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 26. März 1990, ausgefertigt unter dem Datum des 20. April 1990, wurden beide Anträge des Beschwerdeführers abgewiesen. § 75 des Ärztegesetzes 1984 lasse für eine Interpretation keinen Spielraum. Den Anträgen des Beschwerdeführers fehle jede Rechtsgrundlage.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers entschied der Beschwerdeausschuß in seiner Sitzung vom 16. Juli 1990; er fertigte den diesbezüglichen Bescheid unter dem Datum des 25. September 1990 aus.

Abs. 1 des Bescheidspruches des Beschwerdeausschusses lautete, daß die Beschwerde in beiden Punkten (Feststellung, daß kein Beitragsrückstand des Beschwerdeführers bestehe, Feststellung, daß der Beschwerdeführer auch für die Zukunft von der Beitragspflicht befreit sei) abgewiesen werde.

Der Beschwerdeausschuß fügte diesem Ausspruch noch drei weitere Absätze im Bescheidspruch hinzu:

Im Abs. 2 wurde der Beitragsrückstand des Beschwerdeführers zum 31. Dezember 1989 in bestimmter Weise detailliert festgestellt, im Abs. 3 wurde dem Beschwerdeführer der Beitrag für das Jahr 1990 in bestimmter Weise detailliert vorgeschrieben, der Absatz 4 sprach aus, diese Beiträge würden in vier Teilbeträgen vorgeschrieben. In der Begründung verneinte der Beschwerdeausschuß die behauptete Verfassungswidrigkeit des § 7 der Satzung des Wohlfahrtsfonds unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1972, Slg. Nr. 6947. § 7 der Satzung des Wohlfahrtsfonds entspreche inhaltlich und wörtlich dem § 78 des Ärztegesetzes. Die behauptete unsachliche Unterscheidung zwischen pragmatisierten und nicht pragmatisierten Ärzten sei deshalb nicht gegeben, weil ein Ruhegenuß auf Grund eines unkündbaren Dienstverhältnisses zu einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft mehr und damit etwas anderes sei als ein Pensionsanspruch auf Grund der gesetzlichen Pensionsversicherung. Daher sei die in § 78 des Ärztegesetzes und in weiterer Folge in § 7 der Satzung vorgenommene Differenzierung sachlich begründet und nicht gleichheitswidrig. In der weiteren Begründung wurde ausgeführt, warum beim Beschwerdeführer ein bestimmter Beitragsrückstand bestehe und warum ihm eine bestimmte Beitragsleistung vorzuschreiben gewesen sei. Da die Beschwerde insgesamt sich als unbegründet erweise, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Da der Beschwerdeführer gegen das im angefochtenen Bescheid zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes inhaltlich nichts vorbringt, findet der Verwaltungsgerichtshof im Anschluß an die dortigen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes keinen Anlaß, gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 78 des Ärztegesetzes 1984, auf der wieder der § 7 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien beruht, Bedenken zu hegen.

In Anbetracht des Inhaltes dieser Satzungs- und Gesetzesbestimmungen erweist sich auch die Rechtsansicht der belangten Behörde in ihrem Spruchabsatz 1 als zutreffend; die vom Beschwerdeführer in seinem Antrag vom 8. März 1990 vorgebrachten Gründe bewirken keine Befreiung von der Beitragspflicht.

Sofern der Beschwerdeführer behauptet, an der Beschlußfassung zweiter Instanz hätten Organwalter teilgenommen, die bereits an der Entscheidungsfindung erster Instanz beteiligt waren, kann auf die Ausführungen in der Gegenschrift, im Schriftsatz der belangten Behörde vom 5. April 1991 samt Beilage sowie auf die Auszüge aus den Niederschriften vom 26. März 1990 und vom 16. Juli 1990 im Verwaltungsakt hingewiesen werden: Demnach nahmen wohl der Finanzreferent der Ärztekammer für Wien Dr. B an der Beschlußfassung des Verwaltungsausschusses teil, aber weder der Präsident dieser Ärztekammer Dr. M noch der Vorsitzende des Beschwerdeausschusses Dr. T. An der Beschlußfassung des Beschwerdeausschusses nahmen vielmehr der Letztgenannte als Vorsitzender sowie Dr. R, Dr. K, Dr. H und Dr. S teil. Alle diese Personen wirkten an der erstinstanzlichen Beschlußfassung des Verwaltungsausschusses nicht mit. Der Umstand, daß die Ausfertigung des angefochtenen Bescheides unter anderem von Dr. B und Dr. M gefertigt ist, steht dem nicht entgegen, weil es sich bei diesem Bescheid um einen Intimationsbescheid handelt (zur Zulässigkeit solcher Bescheide nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vgl. die bei Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, Nr. 52 bis 61 zu § 62 AVG genannten Entscheidungen).

Berechtigt ist die Rüge des Beschwerdeführers, man habe ihm durch die erstmalige Feststellung bestimmter Beitragsrückstände und die erstmalige Vorschreibung bestimmter künftiger Beiträge im Bescheid der zweiten Instanz eine Instanz genommen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Vorschreibung der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds einer Ärztekammer im Sinne des § 75 des Ärztegesetzes durch Bescheid zu erfolgen (grundsätzlich hiezu Erkenntnis vom 7. Juli 1989, Zlen. 88/18/0218, 0219, ihm folgend Erkenntnis vom 19. März 1990, Zl. 89/18/0146). Gemäß § 79 Abs. 4 des Ärztegesetzes kommt dem Beschwerdeausschuß nur die Entscheidung über Beschwerden gegen die Beschlüsse des Verwaltungsausschusses zu, nicht aber eine Zuständigkeit, in erster Instanz über Angelegenheiten der dem Wohlfahrtsfonds obliegenden Versorgungsleistungen zu entscheiden (so das oben erstzitierte Erkenntnis). Das gleiche muß auch für die Vorschreibung der Beiträge der Kammerangehörigen gelten; ohne spruchmäßige Vorschreibung von Beiträgen durch den Verwaltungsausschuß erweist sich eine solche Vorschreibung erstmals durch den Beschwerdeausschuß als Verstoß gegen die im § 79 Abs. 4 des Ärztegesetzes festgelegte Zuständigkeitsordnung, weshalb die Absätze 2, 3 und 4 des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben waren.

Im übrigen, das heißt hinsichtlich des Absatzes 1 des Bescheidspruches, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Das Mehrbegehren nach Zuspruch von Kosten für weitere Stempelmarken war abzuweisen, weil außer der Ausfertigung des angefochtenen Bescheides und der Vollmachtsurkunde keine weiteren Beilagen vorzulegen waren.

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete DiversesBescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete Freie BerufeAnspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1990180255.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

08.12.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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