Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen der NÖ Landtagsgeschäftsordnung und zweier Beschlüsse des NÖ Landtags; mangelnde Darlegung der Bedenken im einzelnen; kein Eingriff in die Rechtssphäre der Antragsteller; keine Anfechtbarkeit von Landtagsbeschlüssen ohne GesetzescharakterSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1. Die "Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), Landesgruppe Niederösterreich" und der "NÖ-Landtagsklub der Freiheitlichen Partei (FPÖ)" stellten beim Verfassungsgerichtshof mit Berufung auf Art140 B-VG den Antrag, die nachgenannten Normen als verfassungswidrig aufzuheben:
A) §39 Abs1 und 2, ferner §27 Abs5 der Geschäftsordnung (des Niederösterreichischen Landtags), LGBl. 0010-4 (LGO 1979),
B) Beschlüsse des Niederösterreichischen Landtags, und zwar vom 17. November 1988 über die Festlegung (Verminderung) der Zahl der Landtagsausschüsse und der Ausschußmitglieder sowie vom 15. Dezember 1988, der folgenden Inhalt hat:
"Die Landesregierung wird aufgefordert, bei der Auslegung der Bestimmungen über die Zusammensetzung der Kollegien des Bezirksschulrates dafür Sorge zu tragen, daß der offenkundige, von der Niederösterreichischen Landesregierung vermutete Wunsch des Niederösterreichischen Landtages als Gesetzgeber des Niederösterreichischen Schulaufsichtsausführungsgesetzes Beachtung finden möge, wonach sowohl im Bereich des Bezirksschulrates als auch im Bereich des Landesschulrates die Teilgruppen der Kollegien der Schulbehörden jeweils nach der Stärke der Partei (gemeint wohl: Parteien) auf Bezirksebene bzw. auf Landesebene zu bestellen sind."
1.2. Die Niederösterreichische Landesregierung trat in einer schriftlichen Stellungnahme für die Zurückweisung, hilfsweise für die Abweisung dieses Antrages ein.
2. Über den Antrag wurde erwogen:
2.1. Zu §39 Abs1 und 2 LGO 1979
2.1.1. ("Individual"-)Anträge nach Art140 B-VG, die keine Darlegung der gegen die Verfassungsmäßigkeit der aufzuhebenden Norm sprechenden Bedenken "im einzelnen" enthalten (§62 Abs1 Satz 2 VerfGG 1953), sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht verbesserungsfähig (§18 VerfGG 1953) und als unzulässig zurückzuweisen: Um die strengen Formerfordernisse des zweiten Satzes des §62 Abs1 VerfGG 1953 zu erfüllen, müssen die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit im Antrag - in überprüfbarer Art- präzise ausgebreitet werden (vgl. VfSlg. 11150/1986; VfGH 8.3.1977 B239/76, 23.9.1978 B449/77, 28.11.1988 G110-116/88).
2.1.2.1. Dieser Voraussetzung wurde hier nicht entsprochen. Denn der Antrag läßt eine deutliche Dartuung von Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften des §39 Abs1 und 2 LGO 1979 weithin vermissen; er befaßt sich lediglich am Rande mit dem aus dem Kontext des §39 Abs1 Satz 2 LGO 1979 gelösten Wort "fallweise", begründet aber nicht, aus welchen Überlegungen er die (angefochtene) Regelung des §39 Abs1 und 2 LGO 1979 in ihrer Gesamtheit für verfassungswidrig hält.
Die Unzulänglichkeit und Undeutlichkeit der Antragsbegründung in dieser wesentlichen Frage wird dadurch unterstrichen, daß die beiden Antragsteller die Bestimmung des §39 Abs1 Satz 1 LGO 1979 über die Vertretung der Parteien (in Ausschüssen) "nach dem Verhältnis ihrer Stärke" zwar gleichfalls aufgehoben wissen wollen (S 2 des Schriftsatzes), indessen an anderer Stelle (S 8 des Schriftsatzes) hervorheben, die Besetzung der Landtagsausschüsse "nach der Stärke der Parteien" sei gar nicht Gegenstand der Anfechtung.
2.1.2.2. Allein schon dieses Nichtdarlegen von Bedenken gegen einzelne der nach dem Willen der Antragsteller - ihrem ganzen Inhalt nach - aufzuhebenden Vorschriften (§39 Abs1 und 2 LGO 1979) führt aber iSd schon zitierten herrschenden Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur sofortigen Zurückweisung des Antrages als unzulässig .
2.2. Zu §27 Abs5 LGO 1979
2.2.1. §27 Abs5 LGO 1979 lautet:
"Jeder selbständige Antrag bedarf der Unterstützung durch Unterfertigung von mindestens sechs Abgeordneten. Die Unterfertigung hat eigenhändig zu erfolgen. Ist der Antrag nicht entsprechend unterstützt, hat der Präsident die Unterstützungsfrage zu stellen. Stimmt die Mehrheit der Unterstützungsfrage des Präsidenten zu, gilt der Antrag als gehörig unterstützt."
2.2.2.1. Die Niederösterreichische Landesregierung führte zum Antrag auf Aufhebung des §27 Abs5 LGO 1979 ua. wörtlich aus:
" . . . §27 Abs5 LGO (bezieht sich) auf jene
selbständigen Anträge . . . , die zu stellen gemäß §27 Abs1
LGO 1979 jeder Abgeordnete berechtigt ist. Träger des Rechtes auf Stellung eines selbständigen Antrages ist der einzelne Abgeordnete, nicht aber eine politische Partei oder ein Landtagsklub. Wenn, dann könnte daher nur der einzelne Abgeordnete durch die Bestimmung des §27 Abs5 LGO 1979 in einem Recht verletzt werden. In diesem Zusammenhang ist allerdings auszuführen, daß §27 Abs5 LGO 1979 nicht normiert, welchen Voraussetzungen der Antrag eines Abgeordneten inhaltlich oder formal entsprechen muß, um als selbständiger Antrag qualifiziert werden zu können. Vielmehr werden hier objektive - weil vom einzelnen Abgeordneten in seinem Antrag nicht beeinflußbare - Voraussetzungen festgelegt, unter denen ein solcher Antrag vom Landtag weiter behandelt wird. §27 Abs5 LGO 1979 greift somit in das Recht des einzelnen Abgeordneten, selbständige Anträge zu stellen, nicht ein. Insbesondere wird die Ausübung dieses Rechtes keinerlei Einschränkungen unterworfen, sondern es werden lediglich Regelungen für die weitere Geschäftsbehandlung normiert.
Wird durch diese Bestimmung aber nicht einmal die Rechtssphäre des einzelnen antragstellenden Abgeordneten berührt, so kann dies umso weniger bei politischen Parteien oder Landtagsklubs der Fall sein, denen von vornherein keine Berechtigung zukommt, selbständige Anträge zu stellen. Auch wendet sich §27 Abs5 LGO 1979 weder explizit noch implizit an oder gegen politische Parteien oder Landtagsklubs.
Daraus folgt nach Meinung der Landesregierung, daß den Antragstellern mangels Berührung ihrer Rechtssphäre durch §27 Abs5 LGO 1979 eine grundlegende Voraussetzung zur Legitimation fehlt, diesbezüglich einen Antrag nach Art140 Abs1 B-VG zu stellen. . . "
2.2.2.2. Der Rechtsmeinung der Niederösterreichischen Landesregierung wird im Ergebnis beigetreten.
Die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG hängt grundsätzlich davon ab, daß die angefochtene gesetzliche Bestimmung die Rechtssphäre des Antragstellers tatsächlich berührt und - im Fall der Verfassungswidrigkeit - verletzt (zB VfSlg. 8060/1977, 8187/1977, 9638/1983).
Die Vorschrift des §27 Abs5 LGO 1979 handelt nun ausschließlich von "selbständigen Anträgen" der (Landtags-)Abgeordneten, nicht etwa von Anträgen einer politischen Partei oder eines Abgeordnetenklubs. Sie vermag darum, wie die Niederösterreichische Landesregierung im wesentlichen zutreffend darlegt, angesichts des unmißverständlichen Regelungsinhaltes in die Rechtssphäre der beiden Antragsteller (FPÖ, FPÖ-Abgeordnetenklub) keinesfalls einzugreifen, und zwar unabhängig von der hier nicht weiter zu erörternden Frage, ob etwa ein einzelner Landtagsabgeordneter zur Antragstellung legitimiert wäre.
2.3. Zu den Landtagsbeschlüssen vom 17. November und 15. Dezember 1988
2.3.1. Dazu brachte die Niederösterreichische Landesregierung ua. vor:
" . . . Daß es sich . . . (beim Beschluß vom 17. November 1988) um eine Regelung des internen Geschäftsganges des Landtages handelt, folgt aus der bereits durch Art16 der NÖ Landesverfassung (NÖ LV 1979), LGBl. 0001-4, vorgegebenen Aufgabenstellung der Landtagsausschüsse. So normiert Art16 Abs4 NÖ LV 1979 unter der Überschrift 'Geschäftsführung des Landtages', daß 'der Landtag zur Vorberatung von Verhandlungsgegenständen aus seiner Mitte Ausschüsse zu bilden hat'. In diesem Zusammenhang sei auch bemerkt, daß Geschäftsordnungen der Landtage anderer Länder, die als Regelungen des internen Geschäftsganges zulässigerweise auf bloßen Landtagsbeschlüssen beruhen, darin die Bildung von Landtagsausschüssen regeln (vgl. Koja, Das Verfassungsrecht der österreichischen Bundesländer2, (1988) 157, 165 f).
Im übrigen geht der angefochtene Landtagsbeschluß über
die Ermächtigung zur Regelung von Angelegenheiten des internen
Geschäftsganges im Landtag nicht hinaus, sondern beschränkt sich
auf die Festsetzung der Anzahl an Landtagsausschüssen und
Mitgliedern. Soweit sich daher die Zusammensetzung anderer
Gremien an diesem Beschluß orientiert, kann dies schon deshalb
keine Außenwirkung des angefochtenen Landtagsbeschlusses
erzeugen, weil das nicht Inhalt dieses Beschlusses ist. . .
D(ies)er Beschluß (vom 15. Dezember 1988) bringt . . .
nicht mehr zum Ausdruck als den Wunsch des Landtages an die Landesregierung, sie möge - soweit ihr dies im Rahmen doktrineller Interpretation der entsprechenden Bestimmungen möglich ist - näher dargelegte Vorstellungen berücksichtigen. Eine Änderung der genannten Bestimmungen oder ihres Sinngehaltes ist damit nicht verbunden. Insbesondere bewirkt der Beschluß auch keine rechtliche Bindung der Landesregierung an die Auffassung des Landtages.
Sowohl von seiner Form als auch von seinem Inhalt stellt sich daher der Beschluß des NÖ Landtages vom 15. Dezember 1988 nicht als Landesgesetz dar. Wie sich insbesondere aus dem Wortlaut dieses Beschlusses deutlich zeigt, war die Erlassung eines Landesgesetzes vom Landtag auch nicht beabsichtigt, sondern es handelt sich dabei um eine Resolution, für die Art33 Abs1 NÖ LV 1979, wonach der Landtag befugt ist, seinen Wünschen über die Ausübung der Vollziehung in Entschließungen Ausdruck zu geben, die erforderliche Grundlage bietet. . . "
2.3.2. Gegenstand der Prüfung nach Art140 Abs1 B-VG sind (Bundes- und) Landesgesetze. Bei den hier angefochtenen Landtagsbeschlüssen handelt es sich aber nicht um Landesgesetze, die nach den Verfahrensvorschriften der Art96 und 97 B-VG zustandekamen. Der dieser Bedingung nicht genügende Beschluß vom 17. November 1988 regelt nämlich den internen Geschäftsgang des Landtages (vgl. VfSlg. 6277/1970); der Beschluß vom 15. Dezember 1988 wieder stellt sich - schon nach seinem eindeutigen Wortlaut - nur als nicht normative Entschließung (Resolution), enthaltend einen Wunsch über die Ausübung der Vollziehung, iSd Art33 Abs1 NÖ LV 1979 dar.
3.1. Aus diesen Erwägungen war der eingangs bezeichnete Antrag zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen.
Bei diesem Ergebnis mußte in die Prüfung der Frage, ob einer Landesorganisation der FPÖ Rechtspersönlichkeit zukommt, nicht mehr eingegangen werden.
3.2. Dieser Beschluß konnte in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 lita, c und e VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Bedenken VfGH / Formerfordernisse, LandtagEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:G264.1989Zuletzt aktualisiert am
22.08.2008